Der Tod am Anfang des Lebens führt ein Schattendasein

Ursula Goldmann-Posch aus “Wenn Mütter trauern”, S. 62 ff.

Der Tod am Anfang des Lebens führt ein Schattendasein im Ansehen unserer Gesellschaft.

Wenn vom Tod eines Kindes die Rede ist, gilt die Aufmerksamkeit und das Mitgefühl meist jenen Eltern, die ihr Kind durch Krankheit WennMutteroder durch einen Unfall verloren haben.

Von den rund 4.5000 Kinder, die jedes Jahr in der Bundesrepublik während er erste Wochen oder in den erste Stunden nach der Geburt sterben, von den rund 2.500 Kindern, die tot zur Welt kommen, von den schätzungsweise 450.000 Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, spricht kaum jemand.

Der Tod im Mutterleib und das Sterben nach den ersten Atemzügen werden meist totgeschwiegen, als Fehlleistung der Natur abgetan, auf ein Mißgeschick reduziert, das jederzeit durch eine neue Schwangerschaft wieder wettgemacht werden kann. Daß Frauen Föten, Embryos und Totgeborene genauso betrauern wie andere Kinder auch, wird nicht wahrgenommen.

Die moderne, fortschrittliche medizinische Versorgung in Deutschlands Geburtskliniken steht oft in krassem Widerspruch zur seelischen Begleitung, die Eltern von fehl-, früh- oder totgeborenen Kindern erfahren (bzw. nicht erfahren). Die Entbindung des Todes ist für viele Ärzte und Hebammen ein narzißtische Kränkung, die schnell wieder ungeschehen gemacht werden soll.

Viele Frauen – vor allem Mütter mit Fehl- und Totgeburten – machen sich zunächst zu Komplizen der Todesverleugnung in den Klinken. Sie fühlen sich schuldbewußt, weil sie als Trägerinnen des Lebens versagt haben. sie sind fügsam und stellen keine Fragen. Sie wollen schnell und möglichst schmerzlos den Tod im eigenen Leib loswerden, um ihn zu vergessen.

Die quälenden Fragen, die Sebstvorwürfe, die Schuldgefühle, die Trauer kommen erst später, zu einem Zeitpunkt, wo es meist zu spät ist.

Was war mit meinem Kind? Was ist mit ihm geschehen? Liegt es auf dem Klinikmüll? Ist es in der Pathologie? Den Variationen der Alpträume um einen Tod am Anfang des Lebens sind keine Grenzen gesetzt.

In einer Zeit, in der gerne vom “Schutz und von der Würde des ungeborenen Lebens” die Rede ist, bilden trauerfeindliche Bestattungsgesetze einen krassen Gegensatz. Wenn Frauen nach einer glücklosen Schwangerschaft rechtzeitig zum Fragen ermutigt werden, wenn Frauen auch diesen verlorenen Kindern einen eigenen Grabplatz geben dürften, können sie ihre gestorbenen Hoffnung besser betrauern und begraben.

Bis wir uns im Himmel wiedersehen

AmselnGrunAmseln Grün

Frühere Generationen haben für die Trauerzeit Rituale entwickelt, die ihnen helfen sollten, ihre Trauer auszudrücken und durch die Trauer zu neuer Lebensfreude zu finden. Heute tun wir uns schwer mit solchen Ritualen. Aber vielleicht kannst du dir selbst Rituale ausdenken, die dir in deiner Trauer gut tun. Es könnte ein Abschiedsritual sein, ein Versöhnungsritual oder ein Vergebungsritual. Du könntest auf verschiedene Blätter schreiben, an welche Begegnungen und Erlebnisse mit dem Verstorbenen du dich gerne erinnerst, was dir Schuldgefühle macht, wo du dich über den Verstorbenen geärgert hast, wo er dich verletzt und wo du ihn verletzt hast und was du ihm heute gerne sagen möchtest. Du kannst aufschreiben, für welche Erfahrungen mit ihm du Gott danken willst. Und dann kannst du dir überlegen, was du mit den Papierblättern machen möchtest. Du kannst sie aufbewahren und in die Gebetsecke legen, in der du meditierst. Dann wird das Gebet alles verwandeln, was du da aufgeschrieben hast. Du kannst die Zette! auch verbrennen und so den Abschied zelebrieren von allem, was war. Und dann kannst du ein Gebet formulieren, in dem du Gott darum bittest, das Vergangene zu lassen und offen zu sein für das, was Gott dir beute durch den Verstorbenen sagen möchte, in dem du Gott dankst für alles, was er dir durch ihn geschenkt bat.

Für mich gehört es zum persönlichen Trauerritual, dass ich jedes Mai, wenn ein lieber Mitbruder aus unserer klösterlichen Gemeinschaft stirbt, die Arie aus Händels Messias höre: ,,Ich weiß, dass mein Erlöser lebt und dass er erscheint am letzten Tage dieser Erd‘. Wenn Verwesung mir gleich drohet, wird dies mein Auge Gott doch sehn.“ Vielleicht hast du auch solche persönlichen Trauerrituale. Der eine geht immer wieder den Weg, den der geliebte Verstorbene mit ihm oft gegangen ist. Ein anderer hört die Kantate oder die Symphonie, die der Verstorbene so geliebt bat. Und indem er sie hört, fühlt er sich eins mit ihm. Solche Trauerrituale sind nicht dazu da, den Toten festzuhalten, sondern die Trauer auf eine Weise auszudrücken, die in eine neue Beziehung führt. Für mich ist die Musik ein Fenster zum Himmel. Ich lasse mich hineinfallen und ahne, dass diese Musik jetzt bei Gott auf neue und unerhörte Weise erklingt. So verbindet mich mein Hören mit den Toten, die im Himmel Gottes Wort nicht nur mit ihren Ohren, sondern mit ihrem ganzen Wesen hören und für die ihr Horchen Seligkeit ist.

Suche dir das Musikstück aus, das dem Verstorbenen am liebsten war, horche dich in die Musik hinein und lass dich von ihr zu Gott tragen, den der Verstorbene nun mit unverhülltem Auge schaut.

Abschiednehmen

Zwischenhaltgottesdienst
der St.Paulus Gemeinde Buchholz i.d.N.
vom 19.11.2006

Gestern am Volkstrauertag war wieder einmal ein ganz besonderer Gottesdienst „Zwischenhalt“, den es in unserer Gemeinde einmal im Monat abends um 18 Uhr am Sonntag gibt: immer mit einer Band, Interviews mit Gästen zu einem bestimmten Thema, einer Geschichte, einer besonderen Aktion in der alle Gottesdienstteilnehmer mitmachen und natürlich auch Predigt, Gebete und Segen.

Der Gottesdienst begann zur Einstimmung mit dem Lied von Karat Schwanenkönig:

Es neigte ein Schwanenkönig
seinen Hals auf das Wasser hinab.
Sein Gefieder war weiß wie am ersten Tag,
rein wie Sirenenton.
Und im Glitzern der Morgensonne
sieht er in den Spiegel der Wellen hinein,
und mit brechenden Augen weiß er:
Das wird sein Abschied sein.
Wenn ein Schwan singt, schweigen die Tiere.
Wenn ein Schwan singt, lauschen die Tiere.
Und sie raunen sich leise zu, raunen sich leise zu :
Es ist ein Schwanenkönig, der in Liebe stirbt.
Und es begann der Schwanenkönig
zu singen sein erstes Lied,
unter der Trauerweide,
wo er sein Leben geliebt.
Und er singt in den schönsten Tönen,
die man je auf Erden gehört,
von der Schönheit dieser Erde,
die ihn unsterblich betört.
Und es singt der Schwanenkönig
seinen ganzen letzten Tag,
bis sich die Abendsonne
still ins Dunkelrot flieht.
Lautlos die Trauerweide
senkt ihre Blätter wie Lanzen hinab.
Leiser und leiser die Töne,
bis das letzte Licht im Gesang verglüht.
Wenn ein Schwan singt, lauschen die Tiere.
Wenn ein Schwan singt, schweigen die Tiere.
Und sie neigen sich tief hinab, raunen sich leise zu:
Abschiednehmen05Es ist ein Schwanenkönig, der in Liebe stirbt

Zwei Gäste wurden interviewt. Eine junge Frau (rechts), die eine Ausbildung zur Bürokauffrau bei einem Bestatter macht und eine Pflegedienstleiterin (links) des Buchholzer Hospizes.
Abschiednehmen04
Danach wurde die Geschichte von der traurigen Traurigkeit erzählt

Auch die Lieder zum Mitsingen wurden sehr passend ausgesucht.

   Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht
    und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt,
    Kehrvers dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
    dann wohnt er schon in unserer Welt.
    Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
    //: in der Liebe, die alles umfängt.://
    Wenn das Leid jedes Armen uns Christus zeigt
    und die Not, die wir lindern, zur Freude wird,
    Wenn die Hand, die wir halten, uns selber hält
    und das Kleid, das wir schenken, auch uns bedeckt,
    Wenn der Trost, den wir geben, uns weiter trägt
    und der Schmerz, den wir teilen, zur Hoffnung wird,
    Wenn das Leid, das wir tragen, den Weg uns weist
    und der Tod, den wir sterben, vom Leben singt,
     

    Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht;
    es hat Hoffnung und Zukunft gebracht;
    es gibt Trost, es gibt Halt in Bedrängnis, Not und Ängsten,
    ist wie ein Stern in der Dunkelheit.

    Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand,
    die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt.
    Es münden alle Pfade durch Schicksal, Schuld und Tod
    doch ein in Gottes Gnade trotz aller unserer Not.
    Wir sind von Gott umgeben auch hier in Raum und Zeit
    und werden in ihm leben und sein in Ewigkeit.

    Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst, mit der du lebst.
    Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst, mit der lebst du
    Fürchte dich nicht, getragen von seinem Wort, von dem du lebst.
    Fürchte dich nicht, getragen von seinem Wort, von ihm lebst du.
    Fürchte dich nicht, gesandt in den neuen Tag, für den du lebst.
    Fürchte dich nicht, gesandt in den neuen Tag, Für ihn lebst du.

Abschiednehmen01
(Ganz rechts mit dem grünen Pullover bin ich zu sehen 🙂 )

Es wurde an jeden eine rote Rose verteilt und die Gemeinde wurde aufgefordert, diese Rose für einen verstorbenen Menschen, den man vermißt vor dem Altar niederzulegen.

Als ich die Rose in der Hand hielt, liefen mir auch schon die Tränen, aber ich merkte wie meine Nachbarin zu rechten Seite ebenfalls in ein Taschentuch schniefte und mir die Frauenbeauftragte des Kirchenkreises mit Tränen in den Augen entgegenkam. Es gab viele Tränen… Bis alle Rosen vor dem Altar niedergelegt wurden, spielte die Band „My hart will go on“.

Es war zum Schluß ein wunderschönes Bild, die vielen roten Rosen vor dem Altar auf einem blauen Tuch.
Abschiednehmen02
Sie werden noch die ganze nächste Woche dort liegen und ich will versuchen, ob ich es schaffe in dieser Zeit noch einmal ganz für mich in die Kirche zu gehen.

Dann folgte die Predigt, die mir wirklich gut gefallen hat. Vorher erklärte die Pastorin, daß viele ihre Tränen oft nach innen weinen, aber sie eben viele Tränen gesehen habe: Dies sei völlig in Ordnung, denn wenn nicht hier in der Kirche, wo dürfe man sonst in der Öffentlichkeit weinen.

Pastorin Christiana Bürig
Pastorin Christiana Bürig

In der Predigt sprach sie über das Tabuthema Tod. Über das Sterben im Krankenhaus, über anonymen Bestattungen, daß Kinder auch ein Recht zur Trauer hätten und nicht einfach von Beerdigungen ausgeschlossen werden dürften und noch einiges Mehr. Nach dem Gottesdienst habe ich sie angesprochen und sie will mir eine Kopie der Predigt zur Veröffentlichung geben. Hier der Predigttext.
Nach den Fürbitten, wurde dann das Lied von Eric Clapton „Tears in Heaven“ gespielt. Dabei sammelte ich – ich hatte Kollektendienst als Kirchenvorstandsmitglied – die Kollekte ein. Ich hatte inzwischen meine Tränen getrocknet und war auch vorbereitet, daß das Lied noch kommt, dennoch für mich eine echte Herausforderung. Innerlich dachte ich an die Zeit kurz nach Tobias Tod, wo ich es jeden Abend hörte, bevor ich ins Bett ging, äußerlich reichte ich den Klingelbeutel von Bank zur Bank und wurde mit Anspielung auf meinen dicken Bauch angelacht. Irgendwie eine sehr zwiegespaltende, fast unwirkliche Situation.

Aber dennoch ein wirklich gelungener wunderschöner Gottesdienst.

© Pirko Lehmitz, www.Stillgeboren.de November 2006

Tipps zur Gestaltung von Gedenkgottesdiensten

Aus meinen Erfahrungen als Teilnehmer von vier Gedenkgottesdiensten in den letzen 5 Jahren, habe ich ganz persönliche Wünsche oder auch Tips zur Gestaltung von Gedenkgottesdiensten:

1. Schön ist immer ein „Motto“ unter dem der Gedenkgottesdienst steht

Besonders schön empfinde ich es immer, wenn der Gottesdienst unter einem Motte Symboleoder einem Thema steht wie z.B. der von Martina aus Schmalkalden das Thema „Schmetterlinge“ hatte oder der in der Tübinger Stiftskirche das Thema “Ich sehe deine Tränen”. Auf meinen Kalenderblättern habe ich auch immer versucht, ein Thema in den Vordergrund zu stellen, wie z.B. Thema Taube, Strand und Meer, Wüste. Wer mag kann sich hier einige Anregungen holen. Auch unter der Rubrik Meditation könnt Ihr noch einen Reihe von Texten, Gedichten und Geschichten finden

2. Texte von Betroffenen, möglichst mehrere

Auf einem Gedenkgottesdienst wurde nur ein einziger Text vorgelesen und dies war noch nicht einmal ein Text einer bzw. eines Trauernden, sondern aus dem Kinderbuch „Kleine Raupe“. Auch hier fühlte ich mich überhaupt nicht angesprochen und es wird vielen Eltern ebenso gegangen sein. Sicher, einige fanden den Text sehr schön, aber ich fand es schade, daß es so einseitig war. Daher meine Bitte: Möglichst mehrere Texte, am berührendsten finde ich immer Texte von Betroffenen Eltern oder Geschwister. Wünschenswert wäre darüber hinaus nicht nur, wenn auch Texte von Betroffenen dabei sind, deren Verlust relativ frisch ist, sondern auch von denjenigen, die schon einen längeren Weg hinter sich haben.

3. Kirchliche Rituale so wenige wie möglich

Bei meinem letzten Gedenkgottesdienst, der wie immer ein ökomenischer war, leitete der katholische Priester den Gottesdienst – offenbar ganz nach katholischer Sitte ( ich muß gestehen, ich bin evangelisch) mit einem „Sing-Sang“ zwischen Priester und Gemeinde ein. Ich hatte keinen Schimmer, was das Bedeutet, geschweige denn, daß ich mitmachen konnte. So wir mir ging es den meisten, mit der Folge, daß der Priester von dem Rest der Gemeinde kaum ein Echo erhielt. Ich empfand es alle völlig fehl am Platz.
Daher meine Bitte: Kirchliche Rituale so wenig wie möglich und wenn, einfach und für alle verständliche, wie z.B.: Predigt, „Vater unser“ und Segen.

4.  Predigt nicht abstrakt, analytisch, sondern ganz konkret und berührend

Bei dem gleichen Gedenkgottesdienst hielt dann die Pastorin eine mindestens 25 minütige Predigt über Maria und ihren Verlust. Doch so analytisch, als wenn sie vor Theologiestudenten sprechen würde. Auch da fühlte ich mich völlig fehl am Platz und das meiste der Predigt ging an mir vorbei. Von Christiane Voll habe ich zwei – wie ich finde, sehr ansprechende Predigten bzw. eine Ansprache zum Kirchentag veröffentlicht.

5. Lieder möglichst einfache, die man kennt oder leicht mitsingen kann.

Ein Gedenkgottesdienst begann mSimon_Garfunkelit einer Einspielung von Simon & Garfunkel „Bridge over Troubled Water“, dann wurde die deutsch Übersetzung vorgetragen. Für mich ein sehr gelungener Einstieg. Einige von solchen „Trauerliedern“ habe ich mit dem Text und zum Teil der deutschen Übersetzung hier gesammelt. Wenn Lieder gesungen werden, dann wäre es zum einen am bestem, wenn es bekannte Lieder sind, die man kennt und/oder wenn ein Chor zur Verstärkung dabei ist. Schön sind auch musikalische Vorträge. Einige Lieder zum Mitsingen findet Ihr mit Text und Noten im Gottesdienst von Schmalkalden.

6.   Namen aller Kinder möglichst während des Gottesdienst für alle sichtbar sein, Namen vorlesen und selbst ein Licht anzünden

Für mich und viele anderer Eltern und Geschwister hat auch der Name unserer Kindern eine ganz besondere BedGottesschmaldkalschmettereutung. Nicht ohne Grund habe ich diesem Thema eine eigenen Rubrik auf der Themenseite gewidmet. Daher empfinde ich es als unverzichtbaren Teil, daß die Namen aller Kinder für alle während des gesamten Gottesdienstes sichtbar sind. Sie sollen zeigen, wir sind nicht alleine, es gibt viele Eltern, deren Kinder gestorben sind. In dem Beispielsgottesdienst aus Schmalkalden ist dies so wunderschön gemacht worden, denn dort durften die Eltern den Namen ihres Kindes auf einen Schmetterling schreiben, der für alle sichtbar an ein blaues Tuch gehängt wurde. Der unbestrittene Höhepunkt aber jedes Gottesdienstes ist für mich das Vorlesen der Namen der Kinder und das Anzünden einer Kerze. Ein Gottesdienst ohne diesen Teil könnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.

 7.   Etwas mit nach Hause nehmen

Ganz wichtig war es für mich immer, wenn ich vom Gottesdienst etwas mit nach Hause nehmTobiassternen kann, was ich bei uns im weihnachtlich geschmückten Haus aufstellen oder anhängen kann. So bekommt Tobias auch in dieser Adventszeit seinen Platz und der Gottesdienst begleitet mich bis einschließlich Weihnachten. Den silbernen Stern, den ich vom ersten Gedenkgottesdienst mitgenommen habe, hängt immer noch bei uns im Eßzimmer an der Lampe.

© Pirko Lehmitz, www.Stillgeboren.de 08.10.03

Gedenkgottesdienst der Selbsthilfegruppen Verwaiste Eltern Schmalkalden zum Thema Schmetterlinge

Martina Freitag aus Schmalkalden hat mir den Bericht für ihren Gedenkgottedienst 2001 zur Verfügung gestellt:

Unsere Gedenkgottesdienst am 09.12.2001 haben wir unter das Thema Schmetterlinge gestellt. Wir haben uns bemüht, für alle etwas dabei zu haben, da viele aus der Gruppe und auch aus der Region keiner Kirche angehören.

Die Schmetterlinge mit den Namen der verstorbenen Kinder wurden gut sichtbar an ein großes blaues Samttuch gehängt

Statt einer Einladung erschien ein Presseartikel “Wenn der Platz am Tisch für immer leer bleibt”, der auf unseren Gottesdienst hinwies.

Teelichter in Form eines Schmetterlings

GottesschmaldkalschmetterAm Eingang hatten wir Körbchen aufgestellt die mit bunten Schmetterlingen aus Regenbogenpapier gefüllt waren. Darauf sollten die Eltern Namen und Alter der Kinder schreiben. Beim Verlesen der Namen baten wir die Eltern, eine Kerze anzuzünden.

Gottesschmaldkalteelret06Wir haben Teelichter in Form eines Schmetterlings auf den Boden gelegt und diese wurden dann brennend auf eine ,,Kerzentreppe“ gestellt. Die Schmetterlinge mit den Namen haben wir dann gut sichtbar an ein großes blaues Samttuch gehangen.

Gottesschmaldkaltrep07Nach dem Gottesdienst an dem etwa 60-70 Menschen teilnahmen, haben wir noch zu Kaffee und Kuchen eingeladen und auch gute Gespräche geführt. Im Ganzen war der Gottesdienst etwas zu lang (war eben unser erster Versuch) aber ich denke trotzdem gelungen.

In diesem Jahr steht das Thema Liebe und wir wollen auch einen Büchertisch anbieten. Außerdem haben wir vor jedem noch eine Kerze mit nach Hause zu geben für das Candle Lighting um 19.00 Uhr.

Wir lassen auch jedes Jahr ein Video von dem Gottesdienst aufzeichnen.

Inhalt

Ablaufplan mit Texten, Liedern und Gedichten sowie Zeitungsbericht.

Ablaufplan

Gedenkgottesdienst für verstorbene Kinder
           am 09.12.2001 um 15.00 Uhr
Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde in Schmalkalden

1.   Musikeinspielung aus Tarzan
Phil Collins                Zwei Welten, Dir gehört mein Herz
2.   Begrüßung, Gebet
3. Giaconda Belli: Die Werkstatt der Schmetterlinge,
Kurzfassung des Märchens
4.  Verlesen der Namen der verstorbenen Kinder und Anzünden der Kerzen
Hintergrundmusik Butterfly Kisses
5. Lied : Meine engen Grenzen (alle)
6. Text
Blühende Wiesen
Vorwort von Dr. Gottfried Siebel (Theologe und Krankenseelsorger) aus
dem Buch ,,Jedes Ende ist ein strahlender Beginn“ von Elisabeth
Kübler-Ross
 7. Lied: Keiner ist wie du (Jugend)
8. Predigttext
Musikstück: Linda Richter
9.  Gedicht: Alles in dir hat Flügel
10.Lieder: Wie auf dunklem Weg ein Licht
11.  Manches Ende ist ein Anfang (Jugend)
12. ,,Brief an einen krebskranken Jungen“ aus ,,Kinder und Tod“ von Elisabeth Kübler-Ross
13.Lied: Wie ein Fest nach lange Trauer (alle)
14. Text – Walter Trout Bänd: Sweet Butterfly Walter Trout – Sweet Butterfly (Sophie’s Song)}vom Album „Livin‘ Every Day“

15.  Marie-Luise Wolfing: Der Segen der Trauemden
16.Abschlußsegen
17. Musikeinspielung:
Manus Müller-Westemhagen – Durch deine Liebe

 

Hat dort drüben im Nachbarhaus auch gerade jemand eine Kerze ins Fenster gestellt?

In einer großen Stadt wie unserer geht man seinen Weg. Stress und Hektik an jeder Ecke. Keine Zeit, sich um die Nächsten zu kümmern. Was interessiert es schon, was der Nachbar macht, wie es ihm geht oder wie er heißt. Man kommt nach der Arbeit nach Hause und will nur eins: seine Ruhe. Man schließt die Tür und alle anderen sind vergessen.

Ob ich lache oder weine, keiner hört es, keinen interessiert es.

Gestern war das *Worldwide Candle Lighting*. Ein Meer aus Kerzen sollte sich seinen Weg rund um die Erde suchen, wie eine riesen Welle. Es war kurz vor neunzehn Uhr. Ich machte die Kerzen bereit, eine für jedes meiner beiden Sternchen, eine für das Sternchen einer ganz lieben Freundin und eine für all die anderen Sternchen.

Unaufhörlich rückte der Zeiger weiter auf der Uhr. Noch drei Minuten, noch zwei, noch eine… …und dann zündete ich alle vier Kerzen an. Es sah wunderschön aus. Ich schaute zum Himmel, der sternenklar erschien. Die schmale Sichel des Mondes lugte um die Hausecke. ‚Wunderbar‘, dachte ich, ‚Petrus meint es gut und hat die Wolken verscheucht, damit unsere Sternchen all diese vielen wunderschönen Lichter sehen können.‘

Doch was ist das???

Hat dort drüben im Nachbarhaus auch gerade jemand eine Kerze ins Fenster gestellt? Ich löschte die Deckenlampe im Wohnzimmer und starrte wie gebannt zum Haus gegenüber. Tatsächlich! Im Schein der Kerze erkannte ich jemanden, dessen Blick sich, so wie meiner, zum Sternenhimmel erhob. Mir stockt der Atem. Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf: wer ist das? wie fühlt sie/er sich? An wen denkt sie/er? wieviele Sternchen hat sie/er? Eins oder sogar mehr? Wann musste sie/er es/sie gehen lassen? Wie ist es passiert?… Mein Kopf fing an zu schwirren. Ich hatte das Gefühl kurz vor einer Ohnmacht zu stehen. Noch nie hatte ich einen Gedanken an die Menschen im Haus gegenüber verschwendet. Nie habe ich mich für sie und ihre Probleme interessiert. Doch auf einmal ist alles anders. In diesem Verwirrspiel der Gefühle hatte ich plötzlich das Bedürfnis aus dem Haus zu laufen, zum Haus gegenüber, und diesen mir völlig unbekannten Menschen in die Arme zu schließen und die Trauer mit ihm zu teilen. Denn wir sind uns näher, als ich je vermutet hätte.

Sabine mit Anna-Julia und Sven ganz tief in meinem Herzen

Weltgedenktag – dieser Tag im Jahr gehört Tobias, ganz offiziell

Ein Tag im Jahr gehört Tobias, ganz offiziell. Sonst bleibt oft wenig Raum für unseren ersten Sohn, der bei der Geburt starb. Wir haben inzwischen noch zwei weitere Jungen, Pascal (4 Jahre) und Gideon (2Jahre), die natürlich unsere volle AufmerksamCidi01keit fordern und das ist auch gut so. Aber an jedem zweiten Dezember im Jahr, am Weltgedenktag für alle verstorbenen Kinder, da nehme ich mir den Raum für Tobias und meine Erinnerungen an ihn. Alle anderen Termine an diesem Adventssonntag lehne ich ab mit dem Hinweis auf den Gedenktag und den Gedenkgottesdienst, den ich jedes Jahr in Adendorf bei Lüneburg besuche.

Gerade in dieser für verwaiste Eltern so schwierigen Weihnachtszeit ist ein solcher Tag wichtig. Weihnachten, das Fest der Familien, doch einer wird an diesem Tag fehlen. Vor 6 Jahren war ich zum ersten Mal schwanger. Tobias sollte am 22. Dezember, d.h. so um Weihnachten herum kommen. Viele bedauerten mich : „Da wirst du Heilig Abend wohl im Krankenhaus verbringen müssen“ Ich antwortete immer darauf: „ Was kann der liebe Gott mir schöneres zu Weihnachten schenken, als ein Baby!“

Durch diesen Gedenkgottesdienst hat Tobias einen Platz im Advent und inzwischen auch am Heiligen Abend. Mit meinen beiden anderen Jungs zünde ich wie viel verwaiste Eltern auf der Welt um 19 Uhr eine Kerze für unseren verstorbene Sohn an und auch Pascal und Gideon spüren, daß diese Kerze etwas ganz besonderes ist.

Auch im Gedenkgottesdienst hat für mich das Anzünden einer Kerze , die dann vorne vor dem Altar mit den Kerzen der anderen steht, eine große Bedeutung. So viele Kerzen für so viele Kinder, die nicht mehr bei uns sind und doch in diesem Augenblick uns so nah, wie sonst kaum. Jede Kerze steht für so viele Erinnerungen, Liebe und Sehnsucht.

Ein ganz wichtiges Ritual ist es auch im Gottesdienst, daß die Namen der Kinder vorgelesen werden, gerade für uns Eltern von Kindern, die bei der Geburt starben. Denn die Eltern von totgeborenen Kindern werden fast nie nach deren Namen gefragt, aber auch sonst wird der Name totgeschwiegen, aus Angst, man könnte Wunden aufreißen. Und so ist es für mich eben etwas besonderes, daß Tobias Name vorgelesen wird.

Ob ich diese Jahr auch wieder zum Gottesdienst fahren kann, daß weiß ich nicht so genau, denn ich bin wieder schwanger und unser Baby ist für den 12. Dezember angekündigt, wieder ein Adventskind. Aber auf jeden Fall werde ich am Abend eine Kerze anzünden und an meinen Tobias denken.

© Pirko Lehmitz, www.Stillgeboren.de 2003