SCHMETTERLINGE

SCHMETTERLINGE

ALLES IN DIR HAT FLÜGEL
DEIN KORTER
DEINE SEELE
DEIN WILLE
HAT FLÜGEL
IN DIR.
FLÜGEL WACHSEN
IMMERNACH
ALLES IN DIR BIST DU
ALLES IN DIR HAT FLÜGEL
MEINE LIEBE
MEINE FÜRSORGE
MEINE FREUNDSCHAFT
SCHAFFT FLÜGEL IN DIR
DEINE UND MEINE FLÜGEL WACHSEN
IMMER IN DIR UND MIR
LIEBE BEFLÜGELT
UNS
UNSERE FREIHEIT
WENN WTR ES ZULASSEN.

Blühende Wiesen …

Vorwort von Dr. Gottfried Siebel (Theologe und Krankenseelsorger) aus dem Buch ,,Jedes Ende ist ein strahlender Beginn“ von Elisabeth Kübler-Ross

Blühende Wiesen … von Bläulingen umschwirrte Wegränder, das prachtvolle  Pfauenauge, all das sind Bilder, die in unserer heutigen Welt immer seltener werden, Vielen Menschen, die an ihre Jugend denken, kommen solche Erinnerungen ihrer Kindheit wieder ins Gedächtnis, Die Körpergröße des Schmetterlings ist durch die bunten Flügel um ein Vielfaches vermehrt. Das Bild dieses Tieres erscheint auf diese Weise in seiner letzten und höchsten Form: es ist das Hochzeitskleid und auch die sterbensbereite Phase, die im Ei, der Raupe und der Puppe neu den Kreislauf antritt, um dann, mit einem unerhört prachtvollen Kleide angetan, in einer besonderen Sprache einen Dialog mit dem Betrachter zu beginnen. Zu allen Zeiten und in allen Völkern ist so die  Botschaft dieser Tiere in die Herzen der Menschen eingeschrieben worden.

Für viele ist diese Botschaft von der Anmut und Liebe die einzige Sprache der Schmetterlinge. Während sich alles geschäftig um den Lebenserhalt bemüht, schaukelt der Schmetterling und tanzt über Wiesen und Blumen. Die Erde trägt schwer an ihrer Last. Aber ein einziger Schmetterling hebt scheinbar das Gewicht der Erde auf, aller Stoff wird bei seinem Anblick zu nichts.

Erstmals nachweisbar hat Aristoteles die Metamorphose der Schmetterlinge beschrieben. Für die Griechen waren die Schmetterlinge Erscheinungsformen der Seele und zugleich Symbole für deren Unsterblichkeit. Eine bestimmte Gattung der Nachtschmetterlinge, die Psychiden heißt, wurde im vorchristlichen Griechenland als Seelen der Verstorbenen verehrt.

Tod und Übergang sind in der Gestalt der Schmetterlinge auf besondere Weise angedeutet. Die Menschen haben diese Botschaft auch immer verstanden, Der Überlieferung nach soll Buddha die letzte seiner Predigten an die Schmetterlinge seiner Heimat gerichtet haben. Friedrich Schnack hat die Botschaft der Schmetterlinge in seinen Falterlegenden dargestellt: Aus dem Mund des sterbenden Homer ersteigt der Apollofalter, und das Nachtpfauenauge nimmt den sterbenden Nina mit sich.

Als Sinnbild der Kurzlebigkeit und Vergänglichkeit, als Sommervogel wird seine farbenvolle Erscheinung ein Bild für das eigene kurze Leben. Die verschiedenen Stadien der Erscheinung des Schmetterlings werden demnach auch auf die verschiedenen Phasen der menschlichen Lebensstadien übertragen: Geburt, Leben, Sterben, Übergang…

Diese vertiefte Sicht gewinnt heute mehr und mehr an Bedeutung. Die Biologie und die Fotografie. die die einzelnen Erscheinungsformen der Schmetterlinge beschreiben und dokumentieren, regen zu neuem Nachdenken an. Kinder haben oft noch einen weitaus unbekümmerteren und direkteren Zugang zum Verständnis dessen, was das Bild des Schmetterlings sagen will.

Elisabeth Kübler-Ross hat mit dem Bild des sich wandelnden Tieres, das am Schluß als Schmetterling davonfliegt, einen besonderen Zugang zur Gedankenwelt Todkranker gefunden. Unvergessen ist ihr, was sie sah, als sie in das ehemalige Konzentrationslager von Majdanek kam: Kritzeleien und Bilder, die Kinder an die Innenwände der Baracken gemalt hatten. Sie sah auch Zeichnungen von Schmetterlingen an den hölzernen Barackenwänden, mit Kreide oder einem Stein gemalt oder auch einfach mit dem Finger eingeritzt – verschlüsselte Botschaften um das Wissen, daß das Leben nicht mit dem Tod endet, daß kein Mensch verloren ist, da auch ihm Flügel gegeben sind. Diese Botschaft von Kindern ist in der Welt der Erwachsenen durch die Unterdrückung des Wissens um unseren Abschied oft verschüttet.

Stephen King greift dieses Grundtabu der Gesellschaft des Nicht-Wahrhabenwollens der Realität des Todes in seinem Film „Friedhof der Kuscheltiere“ auf: die von Louis Creed aus dem ‚Jenseits‘ zurückgeholten Familienmitglieder werden zu reißenden Bestien. Das kann nur als Anlaß genommen werden, zurück zu den unbeschwerten Zugängen, der in Kindertagen als unbefang erkannten Welt, zu gehen, in der Geburt, Leben und Übergang als gleichbedeutende Bestandteile des einen Lebens gesehen werden.

Die Raupe, von innerem Drang getrieben, frißt sättige Blätter im Übermaß. Träumt sie dabei nicht schon von der Verwandlung? Träumt sie dabei nicht schon davon, nicht mehr kriechen zu müssen, sondern davonfliegen und alle Häßlichkeit abwerfen zu können und Honig und Blüten zu suchen? So ist auch der Schmetterling ein Zeichen für unsere eigene Verwandlung. unsere eigene Auferstehung aus dem Alltag, der scheinbaren Sinnlosigkeit und der Wiederkehr des Leides.

Die Zerbrechlichkeit und Zartheit der Schmetterlinge läßt sich jedoch nicht mit Händen fassen, und wer den Augenblick festhalten will, der zerstört ihn. Wir dürfen uns aber von dem Urbild ihrer Schönheit und Botschaft erfüllen und in uns die Sehnsucht nach dem neuen Leben wachsen lassen. Schauen wir nach vorne und erwarten das Wunder für uns und für alle Menschen.

„Die Werkstatt der Schmetterlinge“

Frei nach dem Märchen von Gioconda Belli

,,Schmetterlinge wiegen fast nichts. Sie sind ganz leicht. So leicht, wie wenn die Sonne mit den Wimpern zuckt, als ob sie vom Licht geblendet sei und ihre Augen rot und gelb blinzelten. Schmetterlinge sind wie das Niesen des Regenbogens.““ Vor langer Zeit als schon einige Tiere erschaffen waren, aber noch nicht alle, gab es auch keine Schmetterlinge. Die Leute, die die Tiere und Pflanzen erschufen, nannte man die Gestalter Aller Dinge. Sie hatten strengeGesetze. Es gab Gestalter, die Tiere erschufen und es gab welche die für die Pflanzen zuständig waren. Alle mußten sich an diese Regel halten und keiner durfte sie durcheinander bringen. Daß diese Gesetze eingehalten wurden,darüber wachte die Weise Alte.

Unter den Gestalten Aller Dinge gab es einige Junge, die nur so vor Ideen sprühten. Einer von ihnen war Rodolfo. Er traf sich oft mit seinen Freunden in einer Höhle im Wald, um mit ihnen über wunderbare Dinge zu sprechen, die sie gemeinsam erschaffen könnten, wenn es diese strengen Gesetze nicht geben würde, die es ihnen verbieten, das Tier- und Pflanzenreich mit einer Schöpfung zu verbinden. ,,Ein Baum, der wie ein Vogel singt…oder vielleicht ein Vogel, der Äpfel anstatt Eier legt…“ phantasierten sie. Rodolfo sann jedoch über etwas ganz anderes nach. Er träumte von einem Wesen, das zum einen Vogel und zum anderen wie eine Blume sein sollte.

Die jungen Gestalter träumten oft von neuen Geschöpfen und irgendwann wurde auch die Alte Weise auf sie aufmerksam. Sie begann sich Sorgen zu machen, daß alles seine rechte Ordnung behielt, daher bestellte sie eines schönen Tages Rodolfo und seine Freunde zu sich. Sie dachte es sei an der Zeit ein ernstes Wörtchen mit ihnen zu reden. Die Weise belehrte sie über die Ordnung des

Weltalls und darüber, das selbst der Kleinste von ihnen sich an die einfachen aber mit großer Weisheit entworfenen Gesetze halten müsse. Am Ende teilte sie ihnen mit, sie mußten ab dem nächsten Morgen in der Insektenwerkstatt Arbeiten. Da diese Werkstatt keinen guten Ruf hatte, waren unsere Freunde nicht sehr begeistert, aber an den Worten der Alten Weisen war nichts zu machen. In ihrem Versteck sannen sie darüber nach, was ihre neue Tätigkeit für Möglichkeiten in

sich barg. Jeder hatte andere Ideen von Insekten, die man erschaffen könnte, ohne die alten Gesetze zu brechen.

Und so entstanden Käfer und anderes Kleingetier, das wir heute noch bewundern können. Etwa die Heuschrecke, das Glühwürmchen und die Biene. Auch Rodolfo fand sich in seine neue Arbeit ein und nach einigen Tagen erschuf auch er ein Insekt, welches ungemein stark war. Er nannte es Ameise. Nur die Werkstatt mit ihren Wänden aus Spinnweben gefiel ihm nicht, er arbeitete lieber in

der freien Natur, am sonnigen Ufer des Kolibri-Sees. Hier dachte er oft an seinen Traum von jenen Wesen, welches eine Mischung aus Vogel und Blume sein sollte. Rodolfo wurde immer schweigsamer. In der Nacht wenn die anderen schliefen, saß er an seinem Tisch und machte viele, viele Entwürfe. Seine Freunde machten sich schon Sorgen. Eines Abends rannte er aus seiner Werkstatt und eine kleine Maus huschte durch die Luft. Rodolfo hatte ganz ohne Absicht die Fledermaus erschaffen. Die Alte Weise mahnte ihn zur Vorsicht, er solle sich bei seiner Suche nach Schönheit nicht verrennen. Später am See traf er einen Hund und kam mit ihm ins Gespräch. Er redete mit ihm über sein Wesen. Der Hund meinte, es werde ihm schon gelingen seinen Traum zu verwirklichen. Er sagte: ,,Ich kenne mich aus. Wenn ich im Schlaf von einem saftigen Knochen

träume und weiterträumen wenn ich aufgewacht bin, finde ich fast immer einen.“

Rodolfo dachte lange über die Worte des Hundes nach. Nachts träumte er von seinem Großvater, der selbst als Gestalter den Regenbogen erschaffen hat. Noch in derselben Nacht erschuf Rodolfo die Grille. Erschöpft ging er zum See und schlief dort ein. Ein kleiner Vogel weckte ihn. Im Wasser sah er das Spiegelbild des kleinen Kolibri schimmern. Die Spiegelung selbst schien zu leben, sie flatterte auf dem Wasser hin und her. Rodolfo bekam eine große Idee. Dieses Bild war es, was er so lange verzweifelt gesucht hatte. Er wußte nun, wie sein Geschöpf aussehen sollte und nannte es Schmetterling.

Unser junger Freund schloß sich lange in der Werkstatt ein und arbeitete an seiner Vision. Endlich war er am Ziel und lud seine Freunde ein, in die Höhle zu kommen. Fedora, Kalle, Paganini und Gwendolin kamen. Wie staunten sie über sein neues Geschöpf, den Schmetterling. Einer rief: «Eine fliegende Blume!“ Rodolfo erklärte ihnen, daß er die Gesetze geachtet habe, sein Schmetterling ist zwar zart wie eine Blume und kann fliegen wie ein Vogel, aber es war ein Insekt und Fedora meinte man solle sich nie über die Träume anderer lustig machen, denn oft schafft man vieles, was erst unmöglich scheint. Damit gingen sie zur Alten Weisen und diese setzte gleich für den nächsten Tag ein Treffen mit allen Meistergestaltern an. Sie kamen auch alle, mit ihren Gehilfen. Als sie ihre Plätze eingenommen hatten, kam Rodolfo mit seinen Freunden um das neue Wesen, den Schmetterling, zu präsentieren. Sie lüfteten den Schleier, den sie über die Vielfalt der von ihnen erschaffenen Arten gezogen hatten.

Eine riesige bunte Wolke aus Schmetterlingen flog durch den Saal. Stumm vor  Staunen verfolgten alle anderen Gestalter das ihnen gebotene Schauspiel. Die Alte Weise konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, denn solche Schönheit hatte selbst sie noch nicht oft gesehen. Rodolfo hatte es also geschafft, wie sein Großvater schon vor ihm. Auch alle anderen waren tiefbewegt und sogar die, die eben noch über ihn lachten waren voll des Lobes für sein Wesen. Er wußte seine Einsamkeit und seine schlaflosen Nächte waren nicht vergebens.

Frühtodgruppe

Auch wenn ich völlig skeptisch dort hinging, so wußte ich doch gleich nach dem ersten Abend, das es genau das war, namensherzwonach ich gesucht hatte: Andere Betroffene mit denen ich mich austauschen konnte. Andere, die auf einmal die gleichen Worte benutzten, um ihrem Schmerz Ausdruck zu geben. Das erste Mal, daß ich das Gefühl hatte, nein – Du bist doch nicht verrückt, all deine Gedanken und Gefühle haben auch andere, die einen ähnlichen Verlust erlitten hatten. Das tat so unendlich gut.

Wir in Hamburg haben Glück, denn die Verwaisten Eltern bieten hier eine – d.h. mittlerweile sogar drei – begleitete reine Babygruppen an. Dort finden sich betroffene Eltern, die alle ein Baby in der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt verloren haben. Gerade der Verlust um ein Baby, das – wie man veidbogenhelldoch häufig hören muß “ja noch gar nicht gelebt hat”, wird von der Umwelt ganz anderes wahrgenommen bzw. nicht wahrgenommen.

Unsere Gruppe wuchs sehr schnell zusammen, so daß wir uns auch oft privat trafen und jetzt noch treffen (Hierüber möchte ich demnächst mehr schreiben, einen Bericht, der auch über die Gruppe erzählt findet hier). Wir haben die ersten Geburtstage unserer Kinder gefeiert, Bäume für sie gepflanzt und uns immer gegenseitig unterstützt. Dann nach zwei Jahren hieß es, jedenfalls für den offiziellen Teil Abschiednehmen.

Presseartikel in der Ostseezeitung vom September 2001 über die Gründung einer Selbsthilfegruppe „Niemand soll sich mehr so allein fühlen wie ich”Anja Martin gründete Gesprächskreis zur Selbsthilfe.

Gemeinsam sind wir stärker Artikel aus der Tina 16. November 2000, in dem ein Bericht über mich und die Selbsthilfegruppe der Verwaisten Eltern in Hamburg berichtet wird.

Verweiste Eltern

Die Verwaisten Eltern sind ein Netzwerk von inzwischen fast 300 Gruppen in ganz Deutschland zusammengeschlossen im Bundesverband Verwaiste Eltern in Deutschland e.V. ( www.veid.de ). In diesen Gruppen finden Eltern nach dem Tod ihres Kindes den schützenden Raum, in dem Trauer zugelassen und gezeigt werden darf. Hier finden sie Hilfe auf dem langen und leidvollen Weg durch die Trauer, hier ist Trost möglich jenseits von vordergründiger und schneller ”Vertröstung”, die unsere Umwelt gewöhnlich für Trauernde bereithält.

Im Schutzraum dieser Gruppen vermitteln Eltern, die bereits durch ihren tiefen Verlustschmerz und ihre Trauer hindurch zum Leben zurückgefunden haben, die Hoffnung, daß Weiterleben möglich ist. Neben Trauer, Schmerz und Ängsten werden auch Freuden und Zukunftspläne geteilt. Aus geteilter Trauergeschichte wachsen verwaiste Eltern so in geteilte Lebensgeschichte hinein. veidbogenhell
Die Hilfe zur Selbsthilfe erfolgt zunächst weitestgehend in ”begleiteten” Gruppen. In diesen wird auch Beratung – und wo nötig therapeutische Hilfe – angeboten oder in Zusammenarbeit mit Menschen aus helfenden Berufen sorgsam vermittelt.
So entsteht ein Netz von Beziehungen, Verbindungen und Kontakten, daß sich – auch über die Gruppentreffen hinaus – als notwendig und hilfreich erweist.

So helfen wir uns

Im schützenden Raum von kleinen, intimen Gruppen, in denen sich trauende Mütter und Väter treffen, können wir wahrnehmen und langsam begreifen, was mit uns geschieht und warum.
Durch verständnisvolles, einfühlsames Zuhören und dadurch, daß wir einander erlauben, Gefühle auszudrücken und zu durchleben – dadurch also, daß Trauer zugelassen wird und gezeigt werden darf – helfen wir uns auf dem langen und leidvollen Weg durch die Trauer. Tastend erfahren wir, wo Trost möglich ist jenseits von vordergründiger und schneller ”Vertröstung”, die unsere ”natürliche Umgebung” gewöhnlich bereithält und die uns nicht weiterhilft. Dabei ist es wichtig, daß wir immer wieder auf Eltern treffen, die durch ihren tiefen Verlustschmerz und ihre Trauer hindurch zum Leben zurückgefunden haben.

So wird uns geholfen

Wir erfahren Hilfe zur Selbsthilfe in den zumeist ”begleiteten” Gruppen. In diesen wir durch Beratung – und wo nötig therapeutische Hilfe – angeboten oder in Zusammenarbeit mit Menschen aus helfenden Berufen sorgsam vermittelt.
So entsteht ein Netzt von Beziehungen, Verbindungen und Kontakten, das sich  – auch über die Gruppentreffen hinaus – als notwendig, als Not-wendend und hilfreich erweist.

Wer kann teilnehmen?

Teilnehmen kann jeder, der ein Kind verloren hat durch Frühtod, Totgeburt, Tod im Säuglingsalter, Plötzlicher Säuglingstod, Krankheit, Verkehrsunfall oder andre Unfälle, Drogen, Suizid oder Gewaltverbrechen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Familienstand, Konfession oder Wohnort.
Eltern können so kommen, wie sie wollen – allein oder mit ihrem Partner – solange sie es wünschen oder die Gruppe als hilfreich erleben. Die Betroffenen können in den Gruppen sprechen, sich einbringen oder einfach zuhören. Dabei ist allen Eltern die Teilnahme an einer ”offenen Gruppe” sofort möglich.

 

Trauerseminars der Verwaisten Eltern

in Bad Segeberg vom 19.12. bis 21.12.1997

An die drei Tage des Trauerseminars der Verwaisten Eltern in Bad Segeberg denke ich gerne zurück. Ich bin immer noch ganz erfüllt von dem Geist, den unsere Gruppe umgeben hat. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so ein wunderbares Wochenende gehabt habe. Noch nie habe ich es erlebt, daß sich in so kurzer Zeit an sich völlig fremde Menschen so vertraut wurden, als hätten sie sich schon lange gekannt. Von diesem Seminar strahlt auf mich immer noch eine Faszination aus, die mir die Kraft gegeben hat, die letzten Tage, meinen Stichtag am Montag und gestern, Heiligabend, gut zu überstehen. Es war einfach unglaublich und wird wahrscheinlich für einen Außenstehenden kaum zu begreifen sein.

Es begann am Freitagabend mit einer Begrüßung durch die Seminarleiterin. Gleich ihre ersten Worte taten gut: ”Liebe Eltern!”. Das hatte bislang noch nie jemand zu uns gesagt. Auf meinen Hinweis, daß ich normaler Weise 8 Wochen Mutterschutz gehabt hätte, hatte ich bislang nur zweifelnde Blicke geerntet. Wieso denn Mutterschutz, wenn doch kein Kind da ist? So fing der Abend gleich gut an.

Es waren ca. 70 bis 80 Personen dort, auch einige Kinder. Nach einer kurzen Begrüßung wurde das Lied von Michael Jackson “Gone too soon” gespielt. Jeder hatte den englischen Text und die deutschen Übersetzung vor sich. Ein wunderbares Lied, dem man ohne die Übersetzung wohl kaum Bedeutung beigemessen hätte. Jede Zeile sprach einem aus dem Herzen.

TrauerseminasternentuchDann bekam jedes Elternpaar ein Blatt gelbes Papier, eine Schere und einen Stift in die Hand gedrückt, mit der Aufforderung, einen Stern auszuschneiden und den Name des Kindes darauf zu schreiben und was einem noch wichtig ist. Ich war völlig perplex, als Kai sofort loslegte, die Schere nahm und eifrig anfing, zu schnippeln. Ich hatte erwartet, daß er mir die Sachen in Hand drückt mit den Worten: ”Mach’ du das mal, du kannst das besser.” Nein, tatsächlich er schnippelte und schnippelte und zeigte mir dann stolz seine Sternschnuppe. Ich durfte Tobias darauf schreiben und seinen Geburts- bzw. Todestag. Die Sterne wurden an ein dunkelblaues Tuch geheftet, was über einen Tisch in der Kapelle gelegt wurde. Es war ein wunderschönes Bild, die ganzen Sterne dort zu sehen. Derjenige, der nicht dabei war, würde jetzt denken:” Wie kann man das schön nennen, jeder Stern steht für ein totes Kind. Das ist doch grauenhaft.”. Nein, uns Eltern und Geschwistern tat es gut. Jeder einzelne Stern wurde von allen betrachtet.

Dann wurden die einzelnen Gruppen eingeteilt. Die jeweiligen Betreuer der Gruppen stellte sich kurz vor. Zu jeder Gruppe gehörte auch eine sogenannte Hospitantin, die gerade eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin macht.

Unsere Gruppe bestand aus 15 Personen, darunter sechs Paare. Zu Sterneseminarkl2uns gehörten die zwei Birgit(t)s und Elisabeth. Wir blieben in dem großen Tagungsraum. Im Uhrzeigersinn stellten wir uns vor und erzählten, was passiert und sonst noch wichitg war. Wenn derjenige fertig war, zündete er ein Teelicht an, tat es in einen der von Birgit gebastelten Pergamentsterne, beschriftete einen kleinen Stern mit dem Namen seines Kindes und steckte diesen in einen Kranz, der in der Mitte stand. Immer wenn wir den Raum in den nächsten zwei Tage betraten, zündete jeder seinen Stern an. Dies wurde für Kai und mich zu einem Ritual, das wir auch jetzt noch jeden Tag machen. Wir schafften es knapp, bis 22.30 Uhr fertig zu werden.

muedeZum Abschluß des Abends fand dann eine Meditation zum Tagesausklang in der Kapelle statt. Dort wurde eine Ausstellung einer Mutter, die ihren behinderten Sohn verloren hatte, vorgestellt. Es standen dort fünf Skulpturen, jeweils eine aus den letzten fünf Jahren. Eine der Skulpturen, die den Namen “müde” hatte, sprach mich sofort an. Genauso fühlte ich mich, wenn ich mal wieder in einen meiner Tiefs steckte. Es war für mich faszinierend, wie es dieser Frau gelang, mit etwas Ton auf einfache Weise so viel Gefühl auszudrücken.

Den Rest des Abends verbrachten wir in unserer Gruppe gemeinsam. Wir hatten so viel zu erzählen, wozu wir in der Vorstellungsrunde nicht gekommen waren. Gegen 1.30 Uhr räumten wir dann das Feld.

Nach dem gemeinsamen Frühstück trafen wir uns wieder in unserer Gruppe. Unsere Runde begann mit einem von Birgitt genannte “Blitzlicht”. Jeder sollte kurz seine momentane Verfassung beschreiben. Ich erklärte, daß ich es genieße, heute an einem Sonnabend zusammen mit Kai zu sein, da er sonst immer arbeiten muß und ich es nicht ertrage, allein zu Hause zu bleiben.

Danach las Birgitt das Märchen von der Steinpalme vor. Es handelte von einer Palme, in deren Krone ein großer Stein eingeschlossen war. Mit diesem Stein hatte vor vielen Jahren ein Mann, der kurz vor dem Verdursten war, versucht, die vor Saft strotzende Palme zu zertrümmern, da er darauf neidisch war, daß ihre Wurzeln Wasser haben und er verdursten muß. In dem Märchen wurde dann beschrieben, wie es der Palme gelingt, sich wieder aufzuraffen, um schließlich, den Stein in sich aufnehmend wieder stark zu werden.

Wir sollten dann jeder auf ein großes weißes Papier unsere Palme malen. Gedanken zu diesem Märchen strömten viele auf mich ein, aber keine optischen, die ich hätte malen können. Die Tränen kullerten. Mit einem der vielen Klienextücher bewaffnet, nahm ich das Papier und einen Stift und machte das, was ich seit etwa einem Monat angefangen hatte, ich schrieb meine Gedanken in Form eines Gedichts auf.

Die Steinpalme
 
Er schlug ein
mitten ins Herz
er zersplitterte es
in tausend Teile
es blieb nichts übrig
nur Schmerz und Leere
da war kein Platz
außer für Dich
noch nicht einmal für Deinen Vati
ich versuchte ihn
aus meinem Herz zu stoßen
doch ich war zu schwach
ich wollte aufgeben
jetzt bin ich froh
es nicht geschafft zu haben
wie könnte ich Dich hinauswerfen
 
20.12.1997

Als ich kurz vor unserer gemeinsamen Runde es noch einmal las, war ich ganz erstaunt über meinen Satz “Noch nicht einmal für Deinen Vati”. Ja, es war richtig, in den ersten schlimmen acht Wochen hatte ich mich völlig – auch vor Kai – verschlossen. Ich war viel zu sehr mit mir und den Verlust unseres Sohnes beschäftigt. Mir wurde auf einmal klar, daß ich Kai dahingehend keine Vorwürfe machen darf. Aus seiner Perspektive hatte ich das noch gar nicht gesehen. Ich hatte mich auch von ihm so allein gelassen gefühlt. Als ich von meinen Gedanken in der Runde erzählte, fing Kai an, neben mir zu nicken. Birgit fragte dann, wen ich denn mit “ihn” im  nächsten Satz gemeint hätte: “ich versuchte ihn, aus meinem Herzen zu stoßen.”, den Vater oder den Stein. Ja, das war mir beim späteren Lesen auch aufgefallen, daß “ihn” sich sprachlich auf den “Vati” bezog, doch ich hatte den “Stein” gemeint. Sie berichtet dann, daß sie nach dem Tod ihres Sohnes sich genauso verschlossen hätte, aber auch ihren Mann richtig weggestoßen habe. Es war für mich faszinierend und machte mich glücklich, daß mein kleines Gedicht auch andere ansprach.

Nach der Mittagspause ging es dann weiter. Jeder sollte sich ein Schwung von Knöpfen aus einem großen Teller heraussuchen. Die Knöpfe sollte stellvertretend für die wichtigsten Personen in unserem Umfeld stehen. Dann sollte jeder zunächst alleine auf einem Blatt Papier die Entwicklungen der einzelnen Beziehungen vor, während und nach dem Verlust durchspielen. Wir taten uns jeweils in Dreier- Gruppen zusammen. Es war faszinierend, die Ähnlichkeiten festzustellen. Nach dem Tod des Kindes fand als erstes eine Explosion statt und alle um einen herum verschwanden zunächst. Erst allmählich kamen die einen oder anderen zurück, und zwar sehr oft Personen, die vorher eher weiter weg gestanden hatten. Demgegenüber machte die engere Familie in den meisten Fällen die schlechteste Figur. Einige Knöpfe verschwanden sogar ganz vom Papier.

Zum Abschluß dieser Einheit, stellte Birgit uns einen sogenannten Lichtertanz vor, den wir zusammen tanzten. Wir stellten uns im Kreis auf und jeder bekam ein Teelicht in die Hand. Dann wurde das Licht im Raum gelöscht. Wir bewegten uns jeweils im Kreis bzw. in die Mitte zu, wo die von uns angezündeten Teelichter und der Kranz mit den Namenssternchen stand. Die erste Runde schafften wir auch ganz gut. In der zweiten Runde gab es dann bereits die ersten “Tränenausfälle” und spätestens nach der zweiten Runde blieb kein Auge trocken. Wenn wir in die Mitte kamen, dann bückten sich immer einige von uns, um nach den Klienextüchern zu greifen. Wir heulten gemeinsam, was das Zeug hielt.

Da ich nicht gleich in die laute helle Halle wollte, blieb ich noch eine ganze Weile in der Mitte auf dem Fußboden sitzen und genoß den Schein der leuchtenden Sterne. Es war eine ganz wunderbare Stimmung. Schon während des Tanzes hatte ich das Gefühl gehabt, die Kinder wären auf einmal ganz nahe bei uns gewesen. Als sehr wohltuend empfand ich es, daß ich in unserem Raum die Möglichkeit hatte, etwas Abstand zu gewinnen und die Ruhe zu genießen, aber zunächst Birgit kam, den Arm um meine Schultern legte und ganz lieb fragte, ob alles in Ordnung sei und dann Brigitt etwas später auch noch einmal danach fragte. Ich hatte nie das Gefühl, alleine zu sein.

Als wir uns dann 1 ½ Stunden später nach dem Abendbrotessen in der Halle trafen, um gemeinsam jeweils eine Kerze zu gestalten, war es faszinierend wie gut drauf wir alle waren. Für jedes Kind gab es eine Kerze und buntes Wachsmaterial mit der diese gestaltet werden konnte. Wir setzten uns alle zusammen an einen Tisch und fingen an, wie die kleinen Kinder zu basteln und dabei zu albern. Zunächst wurden Ingo und Bettina “bemitleidet”: “Warum habt ihr euch auch so einen langen Namen ausgewählt wie Konstantin. Selber schuld.” “Sieh mal, Ingo, wir sind mit “Sofie” schon fertig.”. Heiko lachte sich über das Auto von Stefan schlapp und fragte, was denn das sein solle. Stefan antwortete: “Das sieht man doch, daß das die A-Klasse ist! Mit den Vorderrädern besteht der nie den Elchtest”. An unserem Tisch war ein Lachen und keiner hätte geglaubt, daß wir noch vor 1 ½ Stunden gemeinsam um die Wette geheult hatten.

In der Abendeinheit machten wir dann einen gemeinsame Übung, von der ich fast glaubte, daß Brigitt, die von Kais und meinen Partnerschaftsproblemen wußte, sie so ein bißchen für mich vorgeschlagen hatte. Alle Frauen sollten sich auf den Fußboden in die Mitte des Kreises setzen und so tun, als wären die Männer nicht dabei und von ihren Erfahrungen über gemeinsame bzw. die andere Trauer der Männer sprechen. Bei uns entstand sogleich ein reges Gespräch und mit Ausnahme von Anja, trauerten bei allen die Männer anders und konnten oft nicht über die Trauer sprechen bzw. sie sich ihr eingestehen. Als dann die Männer dran waren, dauerte es erst ein bißchen, bis das Gespräch in Gang kam, aber dann war es für uns Frauen sehr interessant. So erzählte zum Beispiel Stefan, daß es für ihn schwierig sei, zusammen mit Vera zum Friedhof zu gehen und er dafür lieber ab und zu alleine gehen würde. Ein anderer Vater forderte ihn dann auf, Vera doch zumindest dann davon zu erzählen. Dies hatte er offenbar bislang nicht gemacht. Kai hielt sich zwar zurück – hatte er Birgitt auch durchschaut? – aber ich glaube, beide Kreise brachten uns auch so einander wieder näher.

Als letzte Übung forderte uns Birgit auf, an eine von uns ausgesuchte Person eine Art Wunschzettel zu schreiben auf dem stehen sollte, für was wir der Person dankbar sind und was wir uns von ihr wünschen. Auch wenn ich an so viele Personen eine Menge Wünsche hatte, so wußte ich doch sofort, daß mein Wunschzettel an Kai adressiert sein würde. Als wir alle fertig waren und uns Birgit aufforderte, vorzulesen, wollte zunächst keiner. Das war das erste Mal, daß sich zunächst keiner traute. Dann begann Jens seinen Wunschzettel vorzulesen, adressiert an Gott. Wir waren alle sehr bewegt, insbesondere darüber, welche tiefen Gefühle Jens nach 20 Jahren noch für seine Tochter Julia empfand. Dann beschloß ich, auch meinen Wunschzettel vorzulesen. Nachdem inzwischen fast alle gemerkt hatten, daß unsere Beziehung einige Schrammen abbekommen hatte, und diese aber u.a. durch das Seminar, insbesondere auch durch verschiedene Gespräche am Rande des Seminars der anderen mit Kai, anfingen zu heilen, fürchtete ich mich nicht, meinen persönlichen Wunschzettel an Kai vorzulesen:

Lieber Kai,
ich bin Dir dankbar,
daß Du mich am 22.08.1997 nicht alleine gelassen hast,
daß Du mich hast weinen lassen,
daß Du noch bei mir bist,

ich wünsche mir von Dir,
daß wir einen Weg finden, ein Stück gemeinsam zu trauern,
daß wir daraus Kraft schöpfen und diese für einen Neubeginn nutzen
daß wir die Tür, die uns unser Sohn geöffnet hat, nicht zuschlagen

Kai wurde danach gefragt, an wen er denn seinen Wunschzettel adressiert habe. “Natürlich an Pirko”, war seine Antwort. Aber vorlesen wollte er ihn leider nicht. Er gab ihn mir dann aber. Als ich ihn las, war ich glücklich, denn er paßte sehr gut auf meinen Wunschzettel. Vielleicht haben wir doch noch mehr Gemeinsamkeiten, als ich zwischenzeitlich dachte.

Am Sonntag hatten wir für unsere Gruppe leider nur eine Stunde Zeit. Wir blickten mit Birgitt gemeinsam auf die letzen Tage zurück. Da nach dieser Abschlußstunde in der Kapelle die gebastelten Kerzen angezündet werden sollten, sammelte ich etwas Mut und las mein Lieblingsgedicht für Tobias vor.

Ein Licht anzünden
nur für Dich
der Schein strahlt durch die Herzen
der Raum leuchtet warm
Deine Augen durfte ich niemals leuchten sehen
dafür mußten sie auch nie weinen
ich weine für uns beide
Du sahst so friedlich aus
als ich Dich in meinen Armen hielt
so lange Du lebtest waren wir nie getrennt
ich hatte Dich ganz für mich allein
vielleicht vermisse ich Dich deshalb so sehr
 

24.11.1997

Das animierte Reinhard und er las ein Gedicht von Goethe vor, das auf der Beerdigung von seiner Tochter Eva vorgelesen worden war.

Zum Abschluß verteilte Anja von ihr während des Seminars gebastelten 1 cm kleine Sternschnuppen, deren Schweif sie jeweils mit dem Namen des Kindes beschriftet hatte. Wir waren alle völlig sprachlos und jeder hütete seine Sternschnuppe wie ein kostbaren Schatz. Sodann wurde der “offizielle” Gruppenteil beendet, doch von uns wollte so richtig keiner gehen. Ich glaube, Anja war die erste, die ein Bild von Sofie herausholte und fragte, ob jemand mal Sofie sehen möchte. Klar wollten wir das. Plötzlich zog jeder ein Bild von seinem Kind hervor und es begann eine richtige “Fotosession”. Außenstehende hätten sich jetzt sicherlich abgewandt: Eltern, die stolz die Fotos ihrer toten Kinder zeigten. Auch Julia, die drei Fehlgeburten im frühen Stadium hatte und daher über keine Fotos verfügte, guckte etwas ängstlich. Erst als ich sie direkt aufforderte, sie solle sich die Fotos ruhig angucken, es seien schöne Bilder, sagte ganz erleichtert: “Die sehen ja alle ganz friedlich aus.”

Nachdem wir die Bilder ausführlich betrachtet hatten und alle wieder getröstet waren, gingen wir gemeinsam in die Kapelle zum Abschlußgottesdienst. Er wurde von Mechthild Voss-Eiser sehr besinnlich und schön gestaltet. Der Höhepunkt war natürlich das Anzünden der Kerzen, die dann in die Mitte auf den Tisch gestellt wurden. Es war ein traumhafter Anblick.

Besonders schön, insbesondere für unsere Gruppe, die alle ein Kind in der Schwangerschaft oder kurz danach verloren hatten, war, daß an jedes Kind mit seinem vollständigen Namen gedacht wurde. Ich war schon immer glücklich, wenn jemand unseren Sohn mit seinen Namen Tobias nannte, aber Tobias Lehmitz, das hatte noch niemand gesagt. Jeder von uns in der Gruppe, achtete auf jeden Namen unserer Kinder.

Ich war fast die letzte in der Kapelle.

Ihr wart die ganze Zeit bei uns
in unserem Kreis
in uns
Ihr wart uns so vertraut
als hätten wir jeden einzelnen gekannt
so vertraut wie wir uns geworden sind
 
Ihr gabt uns
Licht Wärme und Geborgenheit
Geborgenheit die wir Euch geben wollten
und die wir Euch nicht mehr geben können
 
Wir haben Euer Lachen gespürt
Euer Lachen
das wir nie oder nie wieder hören werden
ein Lachen das uns einlädt
mit Euch zu lachen
 

21.12.1997

Ich konnte mich einfach nicht von dem Lichtermeer und unseren Kindern trennen. Dieser Anblick und der Lichtertanz am letzten Abend animierten mich zu einem Gedicht für unsere Kinder, das ich noch vor dem Mittagessen aufschreiben mußte.

Der Abschied fiel uns allen unendlich schwer. Wir waren von den Tagen zwar völlig geschafft, aber trennen wollte sich so recht keiner. Auch den Hinweis von Heiko: “Wir müssen jetzt auch aufhören, da mir die Taschentücher ausgegangen sind”, ließen wir nicht gelten und zeigten ihm die duzenden Kartons von Klienextüchern, die auf dem Tisch standen.

Wir verabschiedeten uns alle von einander, als würden wir uns schon immer kennen. Es war ein unglaubliche Atmosphäre und Wärme, die unsere Gruppe umgeben hat.

Es war ein wirklich gelungenes Seminar und ich bin für die professionelle Organisation und liebevolle Begleitung des gesamten Teams dankbar. Mir fällt nicht ein einziger Kritikpunkt ein, oder doch einer, das nächste Seminar ist erst in einem Jahr.

© Pirko Lehmitz, www.Stillgeboren.de Dezember 1997

Meine Mementos

Als ich vor ein paar Tagen so bei uns durch’s Haus ging fiel mir auf, daß wir fast in jedem Zimmer bis auf Badezimmer und Küche etwas haben, was uns an Tobias erinnert. „Richtige“ Ertobiastopfinnerungsstück haben wir ja leider nicht, da ich Tobias still geboren habe und nichts vorher kaufen wollte. Aber ich habe alles gesammelt, was mich so in den letzten 5 Jahren auf meinen Weg durch die Trauer begleitet hat und mich an Tobias erinnert.

Gleich vor unserem Haus steht eine kleine Blumenschüssel, die ich von einer Freundin zu Tobias ersten Geburtstag bekommen habe mit seinem Namen drauf.  Tobiassternschnuppe Tobiasstern

In unserem Eßzimmer hängt ein Stern mit seinem Namen an der Lampe, den ich vom ersten Gedenkgottesdienst am Candlelighting 1998 mitgenommen habe und am Fenster habe ich ganz oben aus Window-Color eine kleine Sternschnupp e gemalt ebenfalls mit seinem Namen.

MobileIn der Ecke hängt ein Mobile, daß wir mit unser Selbsthilfegruppe für unser Abschiedsritual gebastelt haben. Auf dem ersten Schmetterling steht Tobias drauf, auf den Schmetterlingen darunter Kai und mein Name und dann der, von unserem zweiten Sohn Pascal. Darunter befinden sich kleine Glocken, die wir mit den „Geschenken“, die uns Tobias gebracht hat, beschriftet sind.

Oben auf dem Sekretär stehen die Taufkerzen von Pascal und Gideon sowie eine selbstgemachte Kerze für Tobias, die ich auch zu seinem ersten Geburtstag geschenkt bekommen habe und die ich vor ein paar Wochen im Gottesdienst unserer Gemeinde zum ersten Mal an der Osterkerze entzünden durftKerzeSteine.

Im Wohnzimmer liegt in einem Glasschrank ein kleiner Stein mit seinem Namen, den ich vom Gedenkgottesdienst 2000  Taufkerzenmitgenommen habe. Daneben steht Tobias Geburtstagskerze, die wir immer an seinem Geburtstag anzünden. Diese Kerze haben wir damals auf dem Trauerseminar der Verwaisten Eltern 1997 selber gemacht. Ebenfalls im Wohnzimmer steht sein Stern, der auch vom Trauerseminar stammt. Den haben wir die erste Zeit immer angemacht, wenn wir den Raum betraten. Nun brennt er noch ab und zu.

In unserem Schlafzimmer habe ich Fotos von meinen Männer Tobiasstickbildaufgehängt. In der Mitte hängt ein kleines gesticktes Bild mit Tobias Namen, einem Marienkäfer und einer Blume. Auch dieses Bild habe ich von einer Freundin zu Tobias ersten Geburtstag geschenkt bekommen. Darunter habe ich alle Dinge aufgestellt, die mich irgendwie an ihn erinnern, wie z.B. das einzige Stück, was schon vor seiner Geburt gekauft worden war, nämlich eine kleine Lokomotive als Spardose.Erinnerungsstucke

Im Kinderzimmer von Pascal und Gideon, das war vorher mein WandKinderzZimmer und sollte dann ja das Kinderzimmer von Tobias werden, hatte ich kurz nach dem Tod von Tobias an einer Ecke meine Gedichte, sein Bild, eine Sternschnuppe und so vieles mehr angehängt. Nach zwei Jahren habe ich fast alles abgenommen, da es ja nun das Kinderzimmer von Pascal war. Dort hängt aber immer noch eine Sternschnuppe mit Tobias Namen, die wir auch vonGeburtsanzeigen Trauerseminar haben, ein Namensgedicht für Tobias und ein kleines Bild von ihm. Ebenfalls im Kinderzimmer habe ich die Geburtsanzeigen von Pascal und Gideon in einem Rahmen aufgehängt. Da ich von Tobias leider keine hatte, wir haben uns damals einfach nicht getraut, habe ich eine nachgemacht, so wie ich es damals gerne gemacht hätte. Auch die ist im Rahmen.

Als ich merkte wie viele Sachen hier im Haus für Tobias hängen, erschrak ich zunächst und dachte, na ist das nicht vielleicht doch zu viel? Aber irgendwie finde ich es nicht aufdringlich und es gehört eben zu uns dazu. Nun interessiert mich, ob Ihr es genauso macht, d.h. habt ich auch viele Erinnerungsstück Eurer Kinder zu Hause und was habt Ihr stehen, hängen oder aufgestellt?

© Pirko Lehmitz, www.Stillgeboren.de 25.05.2003

Inzwischen sind wir umgezogen und es hat sich etwas verändert, allerdings nur die Orte, wo sich etwas befindet. Alles ist mitumgezogen. Da wir jetzt aber mehr Platz haben habe ich im Flur, wo die Kinderzimmer abgehen, noch eine Collage aufgehängt. Dort habe ich einige meiner Gedichte und sofern ich es hatte, ein passendes Bild dazu, zusammengestellt.CollageGedichteBilderkl

Mein Glaube

eborgenheit in Deiner Hand mein Gott
iebe gist du bedingungslos
nnehmen tust du mich so wie ich bin
rvertrauen ist ganz tief in mir
und an den mich der Regenbogen erinnert
nergie die niemals versigt

Gleich nachdem ich aus dem Krankenhaus kam, bin ich in mein Zimmer gegangen, habe mir das Vornamensbuch genommen und erst einmal nachgeguckt, was der Name Tobias bedeutet.

Dein Vati hatte den Namen Tobias ausgesucht und einfach beschlossen, daß Du ein Junge wirst und Tobias heißt. Ich merkte sehr schnell, daß ich mit ein wenig Glück noch einen zweiten Namen aussuchen dürfte, aber gegen Tobias nichts hätte machen können. Im Kreissaal fragte ich ihn dann auch nur ganz kurz, ob es denn jetzt auch bei Tobias bleibe. Er nickte nur stumm.

Als ich dann im Vornamensbuch las: Tobias, hebr. von tobijahu = gut (ist) Jahwe (Gott), hat mich das beeindruckt und ich war froh, daß wir uns auf Tobias geeinigt hatten. Ich wußte zwar, daß Tobias eine Figur aus der Bibel war, doch ich hatte nie weiter darüber nachgedacht.  Merkwürdig, daß ich nicht früher nachgeguckt habe, wo ich doch in dem Buch so viel herumgeblättert hatte.

In der Woche, nach der ich Dich geboren hatte, und in der es mir so gut ging, die so unwirklich war, hatte ich eine unbestimmte Angst. Die Angst, meinen Glauben, der mich bisher durch mein Leben begleitet hat und der mir für vieles so viel Kraft gegeben hatte, zu verlieren. Ich dachte nur, daß was mir passiert ist, werde ich niemals fassen können. Mein Glauben muß daran einfach zerbrechen. Ich versuchte in der Bibel zu lesen, was ich vorher ab und zu ganz gerne gemacht habe, aber ich fand nichts tröstliches und nichts was mich ansprach. Da fand ich auf einmal das kleine Buch, daß wir von unserem Pastor zur Hochzeit bekommen hatten. Ich schlug es auf und der folgende Spruch sprach mich sofort an:

 “Es ist gut zu spüren, du da ist eine Hand, die dich hält.
Es ist gut zu spüren, du bist nicht alleine mit deinem Leben.
Es ist gut zu spüren, wenn keine Menschenhand mich mehr hält, bleibe ich geborgen in deiner Hand mein Gott.”

Als ich den ersten Tag im Büro war, habe ich den letzten Satz gleich als Bildschirmschoner eingegeben, der immer auftauchte, wenn ich kurze Zeit pausierte. Bis heute begleitet er mich durch den Tag.

Du erinnerst Dich sicherlich noch daran, es muß wenige Monate nach Deinem Tod gewesen sein, als ich mal wieder weinend mit dem Auto fuhr. Ich sehe sie genau vor mir ,die Kurve. Ich dachte nicht viel, sondern gab einfach Vollgas. Was soll’s. Doch kurz vor der Kurve bremste ich und fuhr ganz langsam herum. Weinend blieb ich dann am Straßenrand stehe. Als ich wieder aufschaute, da sah ich ihn, den Regenbogen. Ich schämte mich so, da ich sofort an den Bibeltext denken mußte: “Der Bogen über den Wolken ist das Zeichen des Bundes zwischen mir und den Menschen” Aber Du weißt, daß ich seitdem ganz vorsichtig gefahren bin.

Auch wenn mir so vieles verloren gegangen ist, tatsächlich ist mir mein Glaube nicht verloren gegangen, sondern hat diese Zeit nicht nur unbeschadet überstanden, sondern ist auch gestärkt daraus hervor gegangen. Ich weiß nicht was für einen Sinn Dein Tod für mich haben soll. Sicher, für mich hat sich vieles danach geändert, ich habe vieles von Dir geschenkt bekommen, aber ob das der Sinn war? Nein, ich kann es nicht glauben, weil für mich der Schmerz viel zu groß ist. Doch ich weiß heute, alles hat einen Sinn, auch dann, wenn wir ihn nicht erkennen. Ich vertraue Gott, daß auch dieses nicht einfach so geschehen ist. Vielleicht müssen wir nicht immer in allem einen Sinn sehen, vielleicht verstehen wir es einfach auch nicht, weil es über unsere Vorstellung geht. Aber vielleicht reicht es schon einfach aus, ihm zu vertrauen. Dabei fällt mir die Geschichte von Abraham ein, der sich solange nach einem Sohn gesehnt hat und Isaak dann selbst als Opfer für Gott töten sollte. In der Bibel steht, daß der Engel ihn anrief: “Tu ihm nicht zu leide, ich weiß jetzt, daß Du Gott fürchtest”. Doch so wie die Geschichte erzählt wurde, spüren ich keine Furcht Abrahams vor Gott. Er tut alles mit einer Selbstverständlichkeit, einer Gelassenheit, keine Spur von Angst. Spüren tut man nur sein vollkommenes Vertrauen in Gott. Wenn er verlangt, daß Abraham ihm das liebste auf der Welt gibt, was er hat, dann wird es einen Sinn haben, auch wenn er ihn nicht versteht. Um dieses vollkommene Vertrauen beneide ich Abraham unendlich.

© Pirko Lehmitz, www.Stillgeboren.de August 1998

Einsendungen Rituale

Ich möchte dir von meinem /unserem Ritual erzählen:

Immer wenn wir zusammen (mein Mann, meine Tochter und ich) wegfahren, in Urlaub, oder einen Erlebnispark, wenn meine Tochter Spaß hat und Eis-essen kann und so, dann ist auch immer etwas für Simon „drin“.
Wir bringen aus jedem Urlaub oder besonderem Wochenende etwas für Simon mit, was wir ihm dann irgendwann auf’s Grab stellen. Einmal war es eine Vogelfamilie aus Tripsdrill, ein Metallstecker in Form eines Jungen aus Traunstein, Ein Holzzug mit Wägelchen, die seinen Namen ergeben, aus Speyer. Gestern hat Ina bei einem Luftballonwettbewerb mitgemacht, und auch Simon haben wir einen Luftballon geschickt.

Wenn wir auf dem Friedhof sind, wird eigentlich kaum über oder mit Simon geredet (erhört ja unsere Herzen sprechen…) nur wenn wir gehen,
verabschieden wir uns immer jedesmal gleich: „Tschüss Simon!“

Liebe Grüße,
deine Anke

Hallo Pirko,

wir haben für Matthias auch ein paar „Rituälchen“. Ebenso wie Katja schreibe ich ein Tagebuch weiter.  Darin geht es (leider) in letzter Zeit fast ausschliesslich um meine Gefühle, meine Tränen, meine Trauer,  meine Sehnsucht…

Dann haben wir eine Kerze (mit Regenbogen, Schmetterling, seinem Namen), die wir zum Abendessen anzünden.

Dann gibt es noch ein kleines Ritual an seinem Grab. Auf dem Kreuz ist sein Name eingefräst und iummer wenn ich ihn begrüsse oder weggehe, fahre ich mit meinen Finger seinen Namen nach (klingt vielleicht etwas albern, so fühle ich mich ihm aber näher). Und wir erzählen ihm, was wir so den ganzen Tag gemacht haben und stellen uns vor, was er so macht, ob er bei uns ist….

Lieben Gruß, Annette

hallo pirko
ich habe meinen abschied und mein loslassen und mein lieben meines baby damit gestaltet das ich mein SS tagebuch weitergeführt habe und dort alles reingeschrieben habe was mich bewegt und was ich meinen kind sagen wollte…

jetzt habe ich mir überlegt man kann einen stern taufen lassen auf den name seiner wahl ich wöllte gern so ein stérn für mein baby haben wo ich mir das anschaun kann und mir vorstellen kann das ist mein baby ich konnte nie viel für mein baby aber das wäre noch ein schritt der mir gefallen würden…

ich weiß nicht ob ich dir damit geholfen habe aber das hat mir geholfen

Katja

Liebe Pirko,

wir schauen jeden Abend nach den Sternen und wir haben einen Stern, der ganz hell leuchtet, Maxi-Stern genannt. Und wir winken ihm jeden Abend zu und sagen ihm/ihr, wie sehr wir sie vermissen und uns wünschen, daß es ihr gut geht.

Wir gehen auch immer abends zusammen zu ihrem kleinen Grab und erzählen mit ihr. Alles, was uns bedrückt oder was geschehen ist.

Wie Annette und Katja schreibe ich in meinem Tagebuch weiter und habe noch ein Extra-Buch mit Briefen an Maxi. Ich schreibe ihr jeden Tag einen Brief. – Und dann haben wir das erste Stofftier, das wir ihr gekauf haben, in unserem Bett und  ich schlafe jeden Abend mit diesem Tierchen im Arm ein. (und es war auch mit in Urlaub über den ET)- das tröstet mich ein wenig.

Und jeden Morgen zünde ich vor ihrem Bild ein Teelicht an. Das ist in einer Sternenform drin.

Liebe Grüße, Petra

Liebe Pirko,

…an seinem Geburtstag waren wir noch kurz in der Stadt und haben in einer herrlichen Buchhandlung einen Bummel gemacht. Ich habe das Buch gekauft „Die unsichtbaren Freunde“ von Elisabeth Kübler-Ross. Es ist ein Kinderbuch in dem total schön und auch für Erwachsene lehrreich  von den Freunden in der anderen Welt erzählt wird.

Das mache ich übrigens jedes Jahr an Tom´s Geburtstag. Ich kaufe ein Buch das passend ist und schreibe ihm dort eine Widmung hinein und schreibe auf, was wir an diesem Tag alles gemacht haben. Das ist unser Geburtstagsritual. …

Alles Liebe
und nochmals Danke
Beate

Ich möchte einfach alles aufzuzählen, was uns geholfen hat und heute noch hilft mit Moritz Tod fertig zu werden:

Ich fand es sehr wichtig Moritz zu waschen und schön anzuziehen nachdem er gestorben war. Als er starb, brannte seine Taufkerze. Wir blieben bei ihm bis sie ausbrannte.

Wir pflanzten am Tag vor Moritz Beerdigung einen Birnbaum für ihn in unserem Garten.

Nach Moritz Tod habe ich jeden Abend eine Kerze für ihn angezündet. Wenn wir ins Bett gingen, habe ich sie ausgepustet und mir vorgestellt, ihm dabei ein Küßchen zu geben.

Ich buddele gerne in der Erde von Moritz Grab und habe darüber hinweg auch wieder Lust bekommen meinen Garten zu hegen.

Wir haben ein Moritzecke in unserer Diele. Dort stehen ein Foto von ihm, eine schöne Kerze, Blumen und kleine Geschenke, die die Kinder für ihn basteln.

Wenn es mir sehr schlecht geht lasse ich für Moritz einen Ballon steigen, und schaue ihm ganz lange nach.

Einmal im Monat gehen Bernhard und ich zu unserer Selbsthilfegruppe. Dieser Abend ist ganz Moritz vorbehalten. Es tut mir unendlich gut mit anderen Betroffenen zu sprechen.

Wir wollen in diesem Jahr wieder an einem Trauerseminar im September teilnehmen. Ganz alleine ohne die anderen drei Kinder. Letztes Jahr habe ich dort ein für mich sehr wichtiges Trauerbild gemalt, und Bernhard hat danach das Labyrinth von Chatres als Murmelbahn
nachgebaut.

Im letzten Jahr gestalteten wir mit den Klinikseelsorgerinnen der MHH und der Mutter von Esther am Totensonntag einen Gedenkgottesdienst für die in diesem Jahr dort verstorbenen Kinder. Ich hoffe, daß dieser Gottesdienst für uns zu einem Ritual wird. Wir vier haben es uns zumindest vorgenommen in diesem Jahr wieder eine Andacht zu gestalten.

Wir möchten es versuchen, Moritz Geburtstage weiterhin als Festtage zu gestalten. Ich hoffe, daß wir das schaffen.

Ich finde Rituale sehr wichtig. Sie helfen enorm mit der Trauer zu leben. Ich habe neulich gelesen, daß es in der Schweiz Ritualberater gibt. Vielleicht wird es diesen Beruf auch bald in Deutschland geben. Ich würde das auf jeden Fall begrüßen. Wir haben auch einige Rituale von anderen Trauernden übernommen. Denn auf manche Sachen kommt man alleine einfach nicht.

Claudia Heyden-Rynsch

Robin und Stella gehören nach wie vor zu unserem Leben. Wir sind auch sehr bemüht, beide auch nach ihrem Tod in unserer Familie existent und zugehörig zu wissen und unsere lebenden Kinder sollen und dürfen mit unseren toten Kindern, ihren Geschwistern, aufwachsen.

So wie alle Kinder bekommen auch meine Engelchen ihre ganz persönliche Zeit. Ich bringe sie nach wie vor „ins Bett“.

Natürlich gehen alle Kinder gemeinsam ins Bett, da ja auch alle in einem ähnlichen Alter sind. Alena und Stella trennen nur acht Monate. Stella und Robin trennen 11 Monate und Robin und Timmy trennen nur 17 Monate. Also kein Problem, die Kinder alle zur gleichen Zeit ins Bett zu bringen. So ist auch keines neidisch auf das andere.

So war es, als Robin noch lebte und so ist es auch bis heute geblieben.

Nun, wo es solangsam wieder wärmer ist, fangen wir gegen 18 Uhr mit den Vorbereitungen an. Tim und Alena gehen ins Bad zum Waschen und Zähneputzen.

Timmy kann man nur in der Badenwanne waschen, weil er sonst türmen würde. Keine Ahnung, was er gegen Waschlappen hat?? Aber ich kenne ja das von Robin. Er brauchte auch jeden Abend eine Dusche. Tja, so klein aber doch ihren eigenen Kopf 🙂

Dieses Übel mit der leidigen Wascherei bleibt Robin und Stella erspart. Darum beneidet Alena ihre Engelsgeschwister so manches Mal, wenn sie noch lieber weiterspielen würde.

Wenn alle schön sauber sind und in ihren Schlafanzügen stecken, gehen wir gemeinsam nach draußen auf den Balkon oder wir stehen einfach an der Balkontüre, wenn es uns zu kalt ist.  Alena klingelt am Windspiel nach ihren Geschwistern, damit sie angeflogen kommen und bei uns sitzen.

Wir zünden Kerzen an, für jedes Kind eine eigene. Alena hält dann oft noch für ihre Geschwister eine Wunderkerze Richtung Himmel, oder wir brennen Räucherstäbchen an.

Dann sagt Alena meist folgendes Gedicht für ihre Geschwister auf:

Wenn kleine Englein schlafen gehen,
dann kann man das am Himmel sehen,
für jedes Englein leuchtet ein Stern
und Eure sehen wir besonders gern.

Oft singt sie dann noch ein Lied, daß sie selbst zusammengereimt hat:

Funkle funkle kleiner Robin und die Stella noch dazu. Schwesterlein hier auf der Erde winkt auch immer wieder zu.

Funkle funkle kleiner Robin und die Stella noch dazu, seid ihr auch so weit von mir, in Gedanken seid ihr hier.

Danach folgt die Gutenachtgeschicht.

Wenn die Geschichte zuende ist, klingelt Alena nochmal an ihrem Windspiel. Das hat sie sich so angewöhnt und ich bin froh, daß auch sie für sich eine Möglichkeit gefunden hat, wie sie mit ihren toten Geschwistern lebt.

Hinterher gehen Timmy und Alena dann ins Bett und im Bett beten wir dann noch, was uns gerade einfällt.

Aber bis heute hat Alena noch nicht vergessen, Gott um einen schönen Traum von Robin und Stella zu bitten.

 Mone
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