„Ich habe dich bei deinem Namen gerufen”

Pfarrer Dr. Jürgen Wätjer
NDR 2 Moment mal
Samstag, 19. Juli 2003

Das ist eine besondere Erfahrung von Eltern: Wenn sie ihr Kind einige wenige Male angeschaut haben, stellt sich ein Gefühl ein: „Wir haben dieses kleine Gesicht schon immer gekannt. Wir können uns nicht mehr vorstellen, nicht zu wissen, wie unser Kind aussieht.“

Ähnlich ist es mit dem Namen. Die meisten Eltern haben sich schon vor der Geburt überlegt, welchen Namen sie ihrem Kind geben wollen. Und wenn sie es dann zum ersten Mal friedlich bei sich schlafen sehen, und zum ersten Mal seinen Namen aussprechen, sind sie dabei ganz leise und vorsichtig – fast so, als wollten sie testen, ob der Name auch zu ihm passt.

Das kleine Gesicht bekommt in diesem Moment einen Namen. Oder auch umgekehrt: Der Name bekommt ein Gesicht. Als Kind lernt der Mensch immer mehr, auf seinen Namen zu hören. Später stellt er sich mit diesem Namen vor. Er unterschreibt damit Brief und Dokumente. Er möchte, dass es „sein guter Name“ bleibt.

Christen gehen davon aus, dass auch Gott den Menschen bei dem selben Namen ruft, den seine Eltern ihm gegeben haben. In der Bibel sagt Gott zum Volk Israel:

„Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du gehörst mir.
Du bist in meinen Augen teuer und wertvoll. Dich liebe ich.“

Ich finde, das ist ein schönes Wort im Jahr der Bibel! Was Gott damals vor 2500 Jahren zu seinem ganzen Volk sagte, das spricht er auch heute zu jedem Einzelnen. Er ist von Gott persönlich gerufen und gemeint.

Irgendwie war das für mich ganz wichtig, Moritz auch im Dorfblatt nochmal zu finden.

Hallo Pirko,
Gerne schreibe ich Dir über Moritz. Das damals mit dem Dorfblatt war so: Das ist eine Zeitung, die einmal in der Woche erscheint. Und in jeder Ausgabe stehen die „Standesamtlichen Nachrichten“. Da wird erwähnt wer geboren bzw. gestorben ist. Moritz ist ja nun im November gestorben. Doch wurde er dort nie erwähnt. Das machte mich sehr traurig und zornig. Ist er nicht schon tot genug, muß er auch noch totgeschwiegen werden von irgendwelchen Ignoranten??

Ich rief also bei dem Blatt an. Dort hieß es, daß sie nur das schreiben, was vom Standesamt angegeben wird. Also rief ich auf dem Standesamt an. Da Moritz in einer anderen Stadt geboren ist (wir wohnen in einem Dorf), ist er natürlich auch in dem Standesamt der größeren Stadt angemeldet worden. Von diesem Standesamt haben wir auch den Eintrag in unser Stammbuch erhalten. Nun sagten aber die Mitarbeiter unseres Standesamtes, daß sie offiziell eigentlich gar nichts von Moritz wissen dürften, da es ja nur das Standesamt der großeren Stadt betreffen würde! Daher könnten sie Moritz auch nicht in der Zeitung erwähnen lassen. Da fragte ich dann nur warum ich den dann so hohe Bestattungsgebühren zahlen müßte für ein Kind, daß ihrer Meinung nach gar nicht geboren wurde?!? Stinksauer beendete ich das Gespräch und nahm mir vor einen Leserbrief zu schreiben.

Am Nachmittag des gleichen Tages riefen die wieder an und sagten sie haben es sich überlegt und sie würde es an das Blatt weiterleiten. Ich freute mich riesig. Doch am nächsten Morgen rief dann wieder diese unmögliche Dame vom Blatt an. „Das können wir nicht schreiben!“ „Wir können das Kind doch nicht unter Geburten melden!“ . Unter den Verstorbenen wollte sie ihn aber auch nicht erwähnen, da die immer in Klammer schreiben wie alt der Verstorbene war, und da wüßte sie ja nicht was sie schreiben soll. Außerdem würden sich doch dann die Leute beschweren!!! Dann fragte sie mich noch allen Ernstes ob ich denn das Blatt überhaupt abonniert hätte!! Was soll das denn? Werden nur die Verstorbenen erwähnt die ein Abo hatten!!!!

Ich fuhr dann zu Hochtouren auf. Das wollte ich mir nicht gefallen lassen. Das wollte ich für Moritz noch tun. Ich sagte, daß ich dann eine Privatanzeige schalten würde, in der ich erwähnen würde, daß das Blatt mein Kind totschweigt. Und siehe da, nur wenige Tage später wurde Moritz erwähnt. „Moritz Schröder, Wohnort, Straße ( geboren und verstorben am 06.11.2002). Tags darauf rief die „nette “ Dame wieder an und wollte wissen, ob ich denn nun endlich zufrieden sei. Ich sagte dann nur das das ja nur mehr als Recht ist und das es selbstverständlich sein sollte so etwas abzudrucken.
Lobend muß ich aber wirklich die Stadtverwaltung/ Standesamt erwähnen. Nach anfänglichem Zögern machten sie es ohne Probleme möglich.

Irgendwie war das für mich ganz wichtig Moritz dort nochmal zu finden. Es war zwar am 09.11.2002 eine Todesanzeige geschaltet (in der Regionalen Tageszeitung) aber ich wollte es aber auch in dem Dorfblatt stehen haben. Und vielleicht habe ich nun zumindest einigen wenigen die Augen geöffnet und habe für Eltern denen vielleicht (hoffentlich nicht) das gleiche passiert ein wenig den Weg geebnet.

http://www.moritz-schroeder.beep.de

Viele liebe Grüße
Claudia

Pauls Geschichte

Mir geht der Name jetzt schon leichter über die Lippen,aber für viele ist Paul eben kein Lebendiger Mensch gewesen, und deshalb haben sie auch keinen Bezug zu ihm.

Liebe Pirko,

erst mal möchte ich Dir sagen, das ich mich sehr freue, etwas über Paul schreiben zu dürfen.

Denn mittlerweile möchte keiner mehr über ihn reden. Das macht mich sehr traurig, aber damit müssen wir wohl alle leben. Mir geht der Name jetzt schon leichter über die Lippen,aber für viele ist Paul eben kein Lebendiger Mensch gewesen, und deshalb haben sie auch keinen Bezug zu ihm.

Sein ganzes Leben war still und unscheinbar. In der Zeit im Bauch hat er sich still verhalten, sämtliche Anzeichen habe ich falsch gedeutet.

Ich hatte das Gefühl, ich muß irgendwas wieder gut machen. Ihm etwas Respekt zeigen, zeigen, das er für mich wichtig war, auch wenn ich erst wahrgenommen habe, das er da war, als es schon zu spät war.

Zum Zeitpunkt seiner Geburt stand ich total unter Schock, immerhin war ich allein auf unserer Toilette und habe keine Sekunde gedacht, das ich gleich ein winzig kleines Baby zu sehen bekomme. Dann habe ich nur noch die Tür von außen abgeschlossen, damit mein Sohn nicht auf die Idee kommt darein zu gehen. Zum Glück war mein Mann da, der sich dann um Simon gekümmert hat. Er hat ihn zum Bus gebracht, und ich bin darum gelaufen und habe irgendwie gar nichts richtig mitbekommen. Als mein Mann wiederkam hat er Paul dann aus der Toilette geholt, und ihn in eine Decke gewickelt. Mir tut es jetzt so leid, das ich ihn nicht richtig angesehen habe, nur ganz kurz und nicht fähig ihn zu berühren.

Im Krankenhaus dann der nächste Schock, von einer Station zur anderen sind wir geschickt worden, immer mit der Tasche, in der Paul war.

Bevor sie mich untersucht haben, musste ich in der Umkleidekabine warten, und habe gedacht, ich gehe schon mal ins Untersuchungszimmer. Da war gerade die Ärztin und eine Helferin dabei Paul auszupacken. Beide riefen nur ganz schnell, einen Moment noch.

Und ich, brav wieder zurück in die Kabine. Jetzt tut es mir so leid, wieder eine Gelegenheit verpasst, ihn noch zu sehen. Ich hörte nur, Oh, das ist aber schon ganz schön groß. Das wusste ich ja auch.

Nach der Untersuchung habe ich dann die Tasche wiedergesehen, in der wir Paul mitgenommen haben, mein Mann kam dann auch dazu und sagte nur, die Tasche steht ja immer noch hier, haben sie es noch nicht rausgenommen. Die Helferin sagte dann, Wir haben  es jetzt im Glas. So langsam kommt bei mir die Erinnerung zurück, das tut gut, aber auch weh. So viele verpasste Gelegenheiten.

Diese Anzeige hat Uschi am Tag von Paul´s Beerdigung in  die Zeitung gesetzt. Für sie war es noch ein Schritt, um zu zeigen, das es Paul wirklich  gab.

AnzeigePaulkl
Nachdem wir dann einen Brief aus der Pathologie erhalten hatten, habe ich mir überlegt, ob es wohl möglich ist, dort zu erfahren, was es war, ob Mädchen oder Junge, und ob die Möglichkeit besteht, das ich ihn noch mal sehen kann.

Nachdem sie mich dann darauf hingewiesen haben, das er ja in einer Alkohollösung liegt und auch schon untersucht wurde, haben sie gesagt, sie würden ihn herrichten, so gut es geht, und ich könnte ruhig kommen. Das war genau einen Monat später, ich habe dann eine gelbe Babydecke gekauft, die durchgeschnitten und auf eine Hälfte Paul gestickt, obwohl ich nicht sticken kann, finde ich sie eigentlich ganz schön.

Diese Fahrt nach Marburg habe ich dann alleine gemacht, weil mein Mann nicht mit wollte, aber für mich war es gut so. Ich wäre am liebsten wieder umgekehrt, als ich vor der Tür zur

Pathologie stand, aber dann machte schon ein Gehilfe die Tür auf. Er war sich erst nicht sicher, in welchem Rahmen ich ihn mir noch mal ansehen könnte, aber dann meinte er, gut dann machen wir es auch richtig. Er brachte ihn in einen Raum, in dem die Angehörigen  Abschied nehmen können, dort steht ein Kreuz mit zwei Kerzen, und Paul stand davor.

Das war erst mal ein Schock, ihn so im Glas zu sehen, aber er war einfach perfekt. Ein winzig kleines Baby, mit allem dran, nur noch wachsen hätte er müssen. Außerdem hatte ich ihn größer in Erinnerung.  Ich weiß nicht mehr, was ich alles zu ihm gesagt habe, es war sehr viel. Ich war lange allein mit ihm. Es war sehr schön, und hat mir ein bisschen von meinem inneren Frieden wieder gegeben.

Der Gehilfe sagte dann auch, die Decke wird dann unter das Glas gelegt, und bei der Beisetzung mitgegeben. Er erzählte mir dann noch, das es die vierte Beerdigung wäre, die jetzt stattfindet und das die Eltern damit sehr zufrieden wären.

Auf dem Weg nach Hause ging es mir dann auch richtig gut. Irgendwann kam dann der Gedanke, das ich das  doch nicht möchte, das mein Kind mit so vielen anderen zusammen Beerdigt wird. Wir haben dann hin und her überlegt, und eine Möglichkeit gefunden, ihn bei  uns auf dem Friedhof  beerdigen zu lassen. Im Grab von meinem Verstorbenen Bruder, das Grab ist nun auch schon 30 Jahre alt, und die Zeit wäre bald abgelaufen. Jetzt haben wir es noch mal für 30 Jahre gekauft.

Nachdem das klar war, haben wir in der Pathologie angerufen und gefragt, ob wir ihn selbst abholen können. Ging leider nicht, also haben wir einen Bestatter beauftragt, der erst einen normalen Kindersarg nehmen wollte, aber dann noch mit der Pathologie geredet hat, und ein kleines weißes Kästchen gefunden hat, gerade mal 35 Zentimeter lang. Aber das fand ich richtig schön.

Für mich war auch klar, das ein Pfarrer dabei sein muß. Also habe ich unseren angerufen und gefragt, ob er mit uns die Beisetzung gestaltet und vielleicht noch den Segen spricht. Seine Reaktion darauf war ganz toll, wir sollen ihm nur den Tag sagen, dann würde er es machen.

Vorher war er noch bei uns zum Trauergespräch, dabei hat er so schön gebetet für Paul und dabei auch seinen Namen genannt, das war so seltsam, das ein Mensch der Paul nicht kannte, über ihn spricht und für ihn betet.

Danach hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, das Paul RICHTIG da war, er ist angenommen von Gott.

Unser Pfarrer hat auch dafür gesorgt, das bei der Beerdigung eine Viertelstunde die Kirchenglocken geläutet wurden. Das habe ich als so einen Respekt vor so einem kleinen Menschen empfunden,  den ich vorher noch nie gespürt habe. Ich hatte nun endlich das Gefühl, das es so richtig war, wie wir es gemacht hatten.

Am Sonntag nach der Beerdigung musste  unser Pfarrer ja als Amtshandlung die Beerdigung bekannt geben. Aber als er den kleinen Paul Balz in das Fürbittengebet aufgenommen hat, damit alle noch mal an ihn denken, da er schon sterben musste, ehe er geboren wurde. Das war so schön, alle in der Kirche haben noch mal an ihn gedacht, und Gott hat ihn in seinem Himmelreich aufgenommen.

Nach der Kirche sagte er zu mir,  ob es mir recht sei, das Pauls Beerdigung auch im Gemeindebrief bekanntgegeben wird. Und ob mir das recht war. Ich habe nur als gedacht, ja ja ja, Paul war wirklich da, er hat zwar nicht auf der Erde gelebt, aber in unseren Herzen lebt er weiter.

Beerdigungen
Kirchlich bestattet wurden in Rengershausen:
Am 09.05.03: Paul Balz (gestorben, ehe er geboren wurde)

Ich habe noch nie so auf diesen Gemeindebrief gewartet. Und als ich ihn in den Händen hielt, habe ich gedacht, das hat er aber schön geschrieben. Ich habe mich so gefreut und trotzdem musste ich weinen. Ich dachte nur, eigentlich gehörtest Du unter die Taufen und nicht unter Beerdigungen. Es war wirklich so, da war ein kleiner Junge mit Namen Paul, das war mein Sohn, der gestorben ist, ehe er geboren wurde.

Ich hoffe, liebe Pirko, das war jetzt nicht zu lang. Aber es hat richtig gut getan, das alles aufzuschreiben.

Liebe Grüße
Uschi

Trauern verboten: Die “stille” Geburt

03.10.2000 von Susanne Leykam-Remien

Das Licht der Welt hat Tobias nie erblickt, er wurde tot geboren. Er war das erste Kind seiner Eltern, die sich aber nicht Mutter und Vater nennen dürfen. Und denen Trauer nicht gestattet wird. Weil kaum jemand ihren Verlust begreift.

Pirko Lehmitz erinnert sich noch ganz genau an diesen höllisch heißen Sommertag, Ende August vor drei Jahren. Immer wieder spürte sie ein schmerzhaftes Ziehen im Unterleib. Wehen? Aber sie hatte doch erst etwas mehr als die Hälfte der Schwangerschaft hinter sich? Alarmiert ging die 33-jährige zu ihrem Frauenarzt. Und damit begann eine tragische Odyssee. Gezeichnet von Inkompetenz, Gefühlskälte und Ignoranz. 24 Stunden, nach denen sie wie betäubt von Schmerz und Verzweiflung wieder nach Hause zurückkehren sollte. Mit leeren Händen und verletzter Seele.

Die Ereignisse dieses qualvollen Tages haben sich für immer in ihr Gedächnis eingebrannt: Wie sie zunächst trotz Schmerzen stundenlang im Wartezimmer sitzen mußte. “Als ich endlich untersucht wurde, stellte der Arzt fest, daß der Muttermund geöffnet war und schickte mich ins nächste Krankenhaus”. Unbegreiflich, denn auch hier, in der Ambulanz, hieß es noch einmal warten. Dann ging auf einmal alles ganz schnell: Plötzlich lag Pirko im Krankenwagen, angeschlossen an einen Tropf, der sie mit wehenhemmenden Medikamenten vollpumpte, verbunden mit den elektronischen Fühlern eines Wehenschreibers. Mit Blaulicht ging es jetzt nach Altona, dort war man auf Frühgeburten spezialisiert. “Da fühlte ich mich eigentlich zum ersten Mal ganz sicher, dachte, daß man jetzt alles unter Kontrolle hätte”. Sie war erleichtert, daß die Wehen wieder nachließen, fühlte sich zuversichtlich und geborgen mit Ehemann Kai-Uwe an ihrer Seite.

Eine trügerische Sicherheit! Drei Stunden später besiegelte der Blasensprung das Schicksal ihres ungeborenen Kindes. “In dem Moment erfaßte ich das ganze Ausmaß der Katastrophe”. Der diensthabende Arzt sagte kein Wort, stellte lediglich mit einem leisen Knacken den Schalter des Tropfes aus. In die Totenstille hinein bestürmte Kai-Uwe Lehmitz den Arzt mit Fragen. “Was bedeutet das?”, drang er solange in den wortkargen Mediziner, bis dieser lapidar erwiderte: “Daß es gleich zur Geburt kommt”. Dann verließ er den Raum. Eine Stunde später war es soweit: Unter starken Schmerzen gebar Pirko ihr totes Kind. In gespenstischer Stille, denn weder die Hebamme noch der Arzt sprachen ein Wort. Nur am Schluß herrschte der Geburtshelfer seine Patientin an, sie solle endlich richtig pressen und es ihm ein wenig leichter machen. Lautlos, bis auf den verzweifelten Schrei seiner Mutter, kam Tobias schließlich zur Welt: 560 Gramm schwer, 32 cm lang.

Zwei kostbare Stunden durfte Pirko noch mit ihrem winzigen Söhnchen verbringen, dann mußte sie ihn für immer hergeben. “Ich war so froh, daß die Hebamme Fotos gemacht hatte, sonst gab es ja keine Erinnerungen an ihn”. Auch zu Hause fand sich keine sichtbare Spur eines Kindes. Kein Babybettchen, keine Spieluhr oder Strampelhöschen, kein hellblau oder rosa Schnickschnack: “Ich bin ein wenig abergläubisch und hatte deshalb noch nichts gekauft”.

Also rutschte Pirko scheinbar nahtlos wieder in ihr altes Leben hinein. Äußerlich war alles wie vorher: Die Wohnung, die Freunde, die Arbeit, die Kollegen und die Familie. Ihr Inneres aber lag in Trümmern. Sie mußte fertig werden mit dem wohl größten Verlust, den ein Menschen erleiden kann: Sie verlor ihr Kind. Wird sie sich davon jemals erholen können?

Für andere war das keine Frage: “Das Leben geht weiter, du wirst auch noch deine Kinder haben”. Sie sahen nicht, daß eine Mutter für immer Abschied nehmen mußte von ihrem Erstgeborenen. Sie bemerkten nicht, daß diese Frau keinen Boden mehr unter den Füßen hatte. Pirko: “Die ersten Wochen danach waren kaum auszuhalten. Das Schlimmste war die Einsamkeit, ich war so allein…”. Bis auf eine Freundin waren plötzlich alle – selbst die Familie – wie vom Erdboden verschwunden. Und wieder war es totenstill. Wie damals im Kreisssaal. Kein Telefon, kein Besuch, keine Umarmung, kein Gespräch. Seltene Pflichtbesucher erteilten Pirko meist unverzüglich einen Maulkorb: “Niemand erlaubte mir, von meinem Sohn zu sprechen, wenn ich dennoch begann, wurde einfach das Thema gewechselt”. Auch heute noch überschlagen sich Sätze und Worte, wenn sie von Ereignissen erzählt, die immerhin schon drei Jahre zurückliegen. Sie spricht hastig, schnell und angespannt. So, als ob sie fertig sein müßte, bevor man ihr den Mund verbietet. Ihre langen schmalen Finger fahren nervös durch die glatten dunkelblonden Haare, ihre hellen Augen nageln den Gesprächspartner fest. Und immer noch hört man die bittere Verletztheit in ihrer Stimme.

Damals durfte Pirko ihren Schmerz nicht aussprechen. Und wurde gemieden, weil sie ihn nicht verbergen konnte, schließlich bestand sie nur aus Schmerz: “Ich bin aufgestanden und habe geweint. Auf dem Weg zur Arbeit, im Bus und in der Bahn habe ich geweint, ich konnte damit einfach nicht aufhören“. Den Vormittag lang riß sie sich zusammen, empfing Mandanten, brachte Meetings und Konferenzen hinter sich. Mittags flüchtete sie sich in die nahegelegene Kirche, setzte sich ganz hinten in eine versteckte Bank und weinte. Der Heimweg, der Feierabend, das Wochenende – alles versank in einem Strom von Tränen, der einfach nicht enden wollte.

Und immer mehr zeigte die Umwelt ihr, daß sie nichts davon wissen wollte. Unfaßbar: Da macht eine die fürchterlichste und gewaltigste Erfahrung ihres Lebens – sie will sich mitteilen – aber keiner läßt das zu. Niemand will es hören. Obwohl doch jeder sehen kann, wie die Isolation sie zerstört. Was ist das? Unsicherheit, Angst, Hilflosigkeit? Oder ganz einfach Brutalität, Feigheit und Gefühlskälte? “Es gibt Schlimmeres, nun reiss dich mal zusammen, sonst läuft dir noch dein Mann weg”, warnten Mutter und Schwiegermutter. “Du bist doch jung, setz einfach ein neues an”, riet eine Freundin, als wäre lediglich ein Kuchenteig mißlungen. Friede, Freude, Eierkuchen, so sollte es sein. Was war schon groß passiert? Pirko sollte Zuflucht nehmen in eine neue Schwangerschaft, rasch Ersatz schaffen für etwas, das man nicht ersetzen kann: Für ein individuelles menschliches Wesen, eine einzigartige Seele, wie kurz sie auch immer auf dieser Welt gewesen war. In Gedichten versuchte sie ihre Gefühle zu formulieren: “Keiner spricht von dir, niemand wagt es deinen Namen zu sagen, damit lassen sie dich ein zweites Mal sterben”.

Der Verlust ihres Kindes legte sich wie ein Bann um die sensible Frau. Ihre Trauer wurde geächtet und nicht geachtet. “Kaum jemand verstand, daß wir Tobias beerdigten. Die Omas fühlten sich peinlich berührt, als ich ihnen ein Foto von ihrem Enkel zeigen wollte”. Man hielt sie eindeutig für nicht normal,  bot ihr Valium statt Mitgefühl.

Erst als es ihr so schlecht ging, daß sie sich fast aufzulösen glaubte in ihrem qualvollen Schmerz, erst als immer offensichtlicher wurde, daß auch ihre Ehe zunehmend davon belastet wurde: Erst da unternahm Pirko einen letzten verzweifelten Schritt. “Mein Arzt hatte mir schon mehrmals die Adresse einer Selbsthilfegruppe in die Hand gedrückt”. Auf sein Drängen hin ging sie voller Skepsis und Zweifel zu einem der Treffen. “Das war unbeschreiblich”, schildert sie “Zu merken, daß andere Menschen dieselben Gefühle, ja sogar dieselben Gedanken haben, das tat mir unglaublich gut”. Jetzt begriff sie, daß sie vollkommen normal war. Daß ihre Trauer angemessen war, wichtig und richtig. Nicht sie mußte sich schämen, sondern die, die sie so kaltherzig in die emotionale Verbannung geschickt hatten. Jetzt durfte Pirko auch endlich Wut zulassen, jetzt durfte sie endlich einen Ort des Gedenkens und der Erinnerung an Tobias schaffen: “Ich habe eine ganze Wand nur ihm gewidmet. Dort hängen Gedichte, Fotos und Blumen. Es kümmerte sie nicht mehr, wenn andere mit gesenktem Blick und schweigend an diesem kleinen Denkmal vorbeigingen, sollten die sie doch ruhig für morbide halten, na und?

Nach und nach gewann Pirko Lehmitz ihre alte Selbstsicherheit zurück. Sie wurde zum zweitenmal Mutter, 17 Monate alt ist Pascal heute. In der Gruppe hilft sie jetzt anderen. Will ein wenig von dem zurückgeben, was sie damals bekommen hat. “Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Tobias denke”, sagt sie. Aber es tut nicht mehr so weh. Und manchmal kann es sogar richtig schön sein: “Jeden Abend pusten Pascal und ich in sein Mobile. Wenn die bunten Schmetterlinge dann tanzen, bitten wir seinen großen Bruder um eine gute Nacht”.

Jede Kerze leuchtet für ein totes Kind

Heute trauern 20000 Eltern

von Kathrin Thamm

Tausende von Kerzen leuchten heute in Deutschlands Fenstern, um an alle Kinder zu erinnern, die der Tod aus ihren Familien riss. In Deutschland sterben jährlich 20 000 Kinder: „Die Eltern und Verwandten werden mit ihrer Trauer total allein gelassen. Deshalb entzünden deutschland- und europaweit sowie in Amerika Angehörige Kerzen, um öffentlich zu trauern“, erklärt Gabriele Knöll (53), Vorsitzende des Vereins Verwaiste Eltern.

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Mutter Heidrun und der kleine Christian bei einer gemeinsamen Busfahrt wenige Monate vor seinem Tod. Zu diesem Zeitpunkt ahnte die Mutter noch nichts von seinem lebensgefährlichen Herzfehler.

Hell leuchtet die Kerze, die Heidrun Eisenberg (39) neben dem Foto von Christian (6) entzündet. „Für mich ist er noch immer hier“, sagt sie und streichelt das Bild. Es steht auf der Fensterbank in der Küche, zeigt einen lachenden kleinen Jungen. Es ist das letzte Foto von Christian. „Er starb eine Woche nach seinem sechsten Geburtstag.“ Drei Jahre ist das jetzt her, und Mutter Heidrun hat Tränen in den Augen, wenn sie daran denkt.

Erst wenige Monate vor dem Unglück war bei Christian ein schwerer Herzfehler entdeckt worden. „Bis dahin hatten wir nichts bemerkt.“ Als der Junge eines Tages über Bauchweh klagte, schickte sie der Arzt ins Krankenhaus. So war Heidrun Eisenberg dabei, als Christians Atmung plötzlich aussetzte, die Arzte Herzdruckmassage machten. „Da wusste ich: Etwas Schreckliches ist passiert.“

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Offene Trauer. Heidrun Eisenberg aus Handeloh zündet eine Kerze für ihren toten Sohn Christina (6) an. Daneben steht sein Lieblingsplüschtier, der Löwe Simba.

Nach Christians Tod lebte Heidrun Eisenberg zwei Leben. Äußerlich war sie ruhig und gefasst, tröstete ihren Mann und die neunjährige Tochter Maren, ging arbeiten.  Doch innerlich war sie völlig verzweifelt. „Ich weinte allein, zog mich zurück, konnte nicht darüber reden.“
Erst in der Selbsthilfegruppe des Vereins Verwaiste Eltern lernte sie über ihren Schmerz zu sprechen. „Dort muss man keinem etwas erklären, alle haben Kinder verloren.“ In über 370 Selbsthilfegruppen bundesweit versuchen die trauernden Angehörigen, ihren Verlust zu verarbeiten.

Auch bei Marion Fitzner (56) in Winsen/Luhe brennt heute eine Kerze im Wintergarten. „Dieser Tag gehört meiner Tochter Iris. Sie starb mit 28 vor acht Jahren plötzlich an Leukämie.“ Zurück blieben ihre einjährige Tochter, ihr Mann und ihre Eltern. „Es tut gut zu wissen, dass heute überall auf der Welt Lichter für tote Kinder brennen“, sagt Mutter Fitzner. Im Fenster von Pirko Lehmitz (35) in Hamburg leuchtet ein Licht für Tobias. Der Junge starb vor fünf Jahren bei der vorzeitigen Geburt in der 24. Schwangerschaftswoche. „Für mich ist öffentliche Trauer besonders wichtig, denn für viele in meiner Familie existiert Tobias überhaupt nicht. Aber ich werde meinen Sohn nie vergessen.“ Eine Stunde lang hatte sie ihren toten Sohn im Arm gehalten. Er war wunderschön.“ Wo immer heute eine Kerze im Fenster flackert, setzen Menschen ein Zeichen, dass ihre toten Kinder in den Herzen weiterleben

Gedenkgottesdienst für verstorbene Kinder in Bad Tölz

Liebe Pirko,
Der Gottesdienst war übrigens ein voller Erfolg.

Dazu muss ich sagen, als ich (im November) nach meiner FG Trost bei der Kirche suchte, gerne einen solchen Gottesdienst für verstorbene Kinder besucht hätte. Ich habe den Diakon damals gefragt, warum es (weit und breit) keinen Gottesdienst gibt? Er meinte: “ Sie hätten sich dazu schon mal Gedanken gemacht, aber es sei ein Thema was die Gemeinde abschreckt, ….es sei abstößig!“ Das tat mir sehr, sehr weh.

Am 3. Adventsonntag haben wir nach einem Familiengottesdienst von unserem Kaplan eine Kerze für unsere kleine Angela weihen lassen. Wir sind ein bisschen ins Gespräch gekommen. Er hat mir erlaubt, meinen Abschiedsbrief (habe ja kein Grab) in die leere Krippe ( es war ja kurz vor Weihnachten) zu legen. Das war für mich sehr wichtig, denn so konnte ich Abschied nehmen. Ich möchte gerne als Seelsorgerin für Betroffene arbeiten (wenn das Baby da ist, und ich die Kraft dafür habe) und aus diesem Grund wollte ich wissen, wie ein Seelsorger, der ja sehr viel Leid mittragen hilft, damit umgeht. Es war damals ein sehr gutes Gespräch. Bei dieser Gelegenheit habe ich nochmals auf einen Gottesdienst angesprochen. Er war sofort dafür, wollte es noch mit dem Stadtpfarrer abklären und wir hatten freie Hand. Na also, manchmal muss man nur an die richtigen Leute geraten.

Es war mir also sehr wichtig, dass ich an diesem Gottesdienst nicht alleine bin. Insgesamt waren es ca. 60 Personen. Muss sagen, ich habe ziemlich viel Werbung gemacht. Den unten angehängten Flyer habe ich bei Frauen – und Kinderärzte, Kindergärten ausgehängt und an umliegende Gemeinden, Hebammen, Kinderkliniken geschickt.

Ich besuche eine Selbsthilfegruppe und auch die Leiterin hat „Werbung“ gemacht. Einen Hinweis in der Zeitung haben wir auch erreicht. Mir hat die Gottesdienstgestaltung sehr geholfen. Es war richtig gute Trauerarbeit.(Sonst wäre ich sicherlich auch nicht schwanger geworden) Ich habe eigentlich alles selber zusammen gesucht, erarbeitet. Das alles hat mir eine Kraft gegeben, die ich meinte, gar nicht mehr zu haben.

Ich war echt verwundert, wieviel Eltern für ihre verstorbenen Kinder selbst gebastelte und verzierte Kerzen haben. Es war so ein schönes, buntes Bild. Eigentlich wollte ich es fotografieren. Mein Mann hatte den Auftrag. Aber er war am Schluss auch so mit sich selber beschäftigt, dass er es vergessen hat.

Ich hoffe, Du kannst mit dem Ganzen was anfangen! Wenn Du irgend etwas davon brauchen kannst, darfst du es gerne veröffentlichen. Wir haben dann jedem eine Rose (die noch geschlossen war) und eine selbstgemachte Karte mit dem Gedicht mit auf den Weg gegeben. Eine große Hilfe war auch das Buch: Wenn Eltern um ihr Baby trauern aus dem Herderverlag. Dort sind auch Trauergottesdienstmodelle drin.

Manchmal reicht wirklich nur ein kleiner Stein, und der zieht große Kreise. Der Gottesdienst ist in unserer Gemeinde immer noch Thema. Und von vielen habe ich gehört, dass sie die Rose und die Karte immer noch besitzen.

Und nun bin ich wieder am vorbereiten für den nächsten Trauergottesdienst. Geplant ist, wieder 2 Wochen nach Ostern. Das Thema, das ich gerne nehmen würde, ist die Wüste. Denn am Anfang der Trauer steht man ja, wie in der Wüste. Dabei möchte ich eine Rose von Jericho aufblühen lassen.

Ich wünsche dir alles Liebe.

Ganz liebe Grüße
Susanne

 Ablaufplan 


Gedenkgottesdienst für verstorbene Kinder           am 24.April um 16.30 hin der Mühlfeldkirche in Bad Tölz

Eröffnungslied: Meine engen GrenzenEingang:   (Mechthild)

Psalm 77, 1-13In der Zeit meiner Not suche ich den Herrn; denn meine Seele will sich nicht trösten lassen. Ich denke an Gott – und bin betrübt; ich sinne nach – und mein Herz ist in Ängsten. Meine Augen hältst Du, dass sie wachen müssen; ich bin so voll Unruhe, dass ich nicht reden kann. Ich denke und sinne des Nachts und rede mit meinem Herzen, mein Geist muss forschen. Hat Gott vergessen, gnädig zu sein, oder sein Erbarmen im Zorn verschlossen?

Ich sprach: Darunter leide ich, dass die rechte Hand des Höchsten sich so ändern kann. Ich rufe zu Gott und schreie um Hilfe, zu Gott rufe ich, und er erhört mich.

Begrüßung und Überleitung

Anzünden der mitgebrachten Kerzen (oder Teelichter) dazu Meditationsmusik

Text: Das Geschenk (Kaplan )

Meditationsgedanken:   (Susanne)

Lied: Du bist da

Evangelium: Mt 18, 1-4 (Kaplan )

In jener Stunde kamen die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist im Himmelreich der Größte? Da rief er ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte und sagte: Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte.

Gebet: (Susanne)

Gott wir verstehen die Wege nicht, die wir geführt werden .Wir sind betrübt und traurig und können uns unserer Tränen nicht wehren. Wir müssen annehmen, was uns unannehmbar ist.Wir müssen abgeben, was wir festhalten wollen.Wir müssen Unabänderliches hinnehmen.Barmherziger Gott, lass uns Hilfe finden, Menschen, die uns auf dem Weg begleiten.Lass uns wieder ein Ziel finden, dem entgegen wir unsere Schritte lenken können.Lass uns wieder zu uns selbst und zu dir finden.

(Kathrin Ellhaus)

Lied: Selig seid ihrFürbitten :   (Mechthild)Gebet: Vater unser Segensspruch : Gesegnet die TrauerndenLied: Von guten Mächten
Alle erhalten beim Verlassen ein Rose und eine Karte

 

Fürbitten:

Unbegreiflicher Gott,
wir erfahren Dunkelheit und Leid,
unsere Herzen sind erfüllt von Trauer.
Mit leeren Händen stehen wir vor Dir.
Wir bleiben durch den Tod unserer Kinder zurück
voller Fragen, voller Schmerz,
voller Traurigkeit, voller Sehnsucht.
Wir bitten Dich:

      • Lass unsere  Kinder bei Dir geborgen sein und umschließe sie mit Deiner Liebe und Deinem Licht.
      • Stehe den Eltern, Geschwistern und Verwandten bei, damit sie nicht verzweifeln an dem, was geschehen ist und bewahre die Liebe der Eltern zueinander
      • Stelle allen Trauernden Menschen zur Seite, die den Schmerz mittragen und ihnen beistehen, damit sich die Trauer in Hoffnung und neue Lebensfreude verwandeln kann.
      • Gib den Seelsorgern die Kraft, einfach dazusein, keine vorschnellen Trostworte, sondern tröstende Worte zu finden, dass sie die Schwäche mit aushalten und die eigene Hilf- und Machtlosigkeit eingestehen können. Lass sie ein guter Zuhörer sein, ohne Gefühle zu be- oder verurteilen.
      • Wir bitten für die Schwestern und Pfleger, für die Ärzte und Hebammen, denen das Leid und der Tod öfters begegnen. Lasse sie immer wieder Kraft finden und lass sie ihre Fähigkeit zu trauern nicht verlieren. Hilf  den Ärzten und Hebammen, in schwierigen Situationen, richtig zu handeln.
      • Wir bitten für alle Eltern, die durch dieses Schicksal den Glauben an Gott und an sich selber  verloren haben,  dass sie wieder zurück finden.

Herr, erbarme Dich, ……

Gedanken:

Manch einem von Ihnen mag der Weg hierher nicht leicht gefallen sein.
Schwere Gefühle, traurige Momente, erschreckende, aber auch  kostbare Erinnerungen wurden vielleicht wach.
Heute und hier haben wir die Möglichkeit, die Maske, die wir uns zum Teil selber aufsetzen und zum Teil
on unseren Mitmenschen aufgesetzt bekommen, abzunehmen.

Heute nehmen wir uns Zeit, um in uns selber zu horchen, auch wenn es schon länger her ist, dürfen wir traurig sein.
Wir alle lieben unsere Kinder. Und kein Kind ist so unbedeutend, als das Gott es nicht beachtet. Egal, wie kurz sein Leben war. Selbst wenn es noch nicht sichtbar war, ist es ein Kind Gottes. Deshalb sind wir heute hier.
Wir haben nun für unsere Kinder Kerzen angezündet. Diese sollen uns zeigen, dass unsere Kinder in Gedanken immer da sein werden.
Vielleicht fühlt sich der eine oder andere auch nicht mehr so einsam und verlassen, wenn eine Kerze brennt.
Vielleicht fühlen wir uns jetzt gerade unseren Kindern ganz nahe.

Das Licht der Kerzen symbolisiert aber auch Wärme in der Dunkelheit. Wer trauert, verkriecht sich oft ins Dunkel.
Und doch, irgendwann können wir das Licht  wieder sehen. Am Anfang vielleicht nur ganz kurz, aber es wächst von Tag zu Tag.
Immer wieder gibt es Rückschläge, wir haben das Gefühl, wieder ganz am Anfang zu stehen. Wie groß ist da oft die Freude, wenn wir merken, es wird wieder heller, es geht wieder Berg auf.
Manchmal ist es auch die Freude an einem Licht, dass wir vielleicht gar nicht selber anzünden müssen.
Das kann eine Hand sein, die ein Freund auf unsere Schulter gelegt hat, ein Gespräch, vielleicht der Sonnenschein, oder auch die Sterne in der Nacht. Vielleicht hat so mancher erst jetzt bemerkt, dass die Nacht voller Sterne ist.
In der größten Dunkelheit und in der aussichtslosesten Finsternis, gibt es Licht.

Viele sagen: Ich habe mein Kind verloren. Aber stimmt das eigentlich?
Verloren haben wir die gemeinsame Zukunft mit ihnen. Die Pläne und Vorstellungen, die wir schon hatten.
Was uns bleibt ist die Liebe und die vielen Gedanken an sie. Und  was man nie vergisst, kann auch nicht verloren gehen.
Obwohl wir keinen  Geburtstag, keinen Muttertag und kein Weihnachtsfest mit ihnen feiern können, werden sie gerade an solchen Tagen, in unseren Gedanken weiterleben.

Wir dürfen hoffen, dass unsere Kinder bei Gott sind. Er schenkt ihnen nun bei sich ein Leben, dass ihnen hier nicht möglich war. Er lässt unsere Kinder bei sich und seinen Engeln sein.
So manche Eltern sagen auch, sie hätten jetzt einen ganz besonderen Schutzengel.

Die Trauer lässt uns auch wachsen.
Wir müssen lernen, einen neuen Lebensweg, eine andere Richtung zu gehen.
Unwichtiges wird vielleicht  wichtig.  Wir können uns wieder an Kleinigkeiten freuen und sind in vielen Dingen dankbarer als früher. Augen und Herz werden offen für Neues.

Am Anfang der Trauer passt das Bild der Pusteblume, wie auf der Vorderseite des Gesangsblatt. Unsere Kinder haben sich vielleicht ganz leise und unbemerkt von uns verabschiedet. Wie vom Winde verweht –ganz heimlich und unbemerkt hat ihr Herz aufgehört zu schlagen.
Mit der Zeit wandelt sich die Trauer und die Wut in tiefe Liebe.
Und was gibt es da symbolisch edleres, als eine Rose.

Es braucht sicherlich Zeit, bis wir uns an einer aufgehenden Knospe wieder freuen können. Und für so manchen kommt der Frühling zu früh. Da ist noch tiefster Winter, alles verschlossen.
Und die anderen unter uns, sehnen sich bereits nach dem aufgehen und wachsen.

Unsere Kinder waren wie Rosenknospen.
Geheimnisvoll und noch so zart. Bevor sie wachsen und aufgehen konnten, mussten wir sie wieder zurück geben.
Manche Eltern und Geschwister durften für kurze Zeit das Heranwachsen erleben, aber unendlich vieles blieb verborgen. Einzigartig und unendlich wertvoll war das Leben ihres Kindes, unabhängig davon, wie groß oder klein, wie zerbrechlich, wie krank, wie behindert es war!
Wie die Knospenblätter die Knospe schützen und wie ein Gärtner diese Knospe umsorgt, so haben Sie ihre Kinder behütet.
So mancher fühlt sich nun wie ein „blumenlos“ gewordener Gärtner“.

Und doch sollten wir für die kurze Zeit, die wir mit unseren Kindern hatten, danke sagen. Für die schönen Erinnerungen,  die uns niemand mehr nehmen kann.

Wir können bei einer Rosenknospe aber auch an uns und unser Weiterleben denken. Wer weiss schon im voraus, wie eine Rose  aussieht, wenn sie aufblüht?
Wie sie duftet und welche Farbe sie mal hat?
Da ist etwas Geheimnisvolles und wir brauchen ein bisschen Phantasie, um uns dies vorzustellen.
Niemand sollte auf die Idee kommen, eine Rosenknospe gewaltsam aufzumachen, um nachzusehen, was sich darin verbirgt. Es braucht Zeit und Geduld, bis sie sich von ganz alleine entfaltet.

Mit unseren Rosenknospen im Herzen wünsche ich allen, dass sie ausreichend Licht, Wärme und Nahrung bekommen. Damit wir alle zur rechten Zeit wieder aufblühen und unseren Lebensweg gehen können.

Aus“ Das Geschenk“ von Daniella Steel

„..vielleicht ist es manchen Menschen nicht bestimmt, lange hier bei uns auf der Erde zu sein. Vielleicht sind manche nur auf der Durchreise…. oder sie leben ihr Leben einfach schneller als wir anderen,….sie brauchen gar nicht hundert Jahre hier unten zu bleiben, um alles zu erledigen, sie schaffen es in ihrer Zeit, manche Menschen kommen in unserem Leben nur kurz vorbei, um uns etwas zu bringen, ein Geschenk, eine Hilfe, eine Lektion, die wir gerade brauchen, irgendetwas, und das ist der Grund, warum sie zu uns kommen, nur auf einen Sprung sozusagen.

Es hat dir etwas beigebracht,….über die Liebe, über das Geben, darüber, wie wichtig jemand sein kann, … das war sein Geschenk für Dich.

Es hat dir alles beigebracht und dann ist es wieder gegangen. Vielleicht musste es nicht länger bleiben, denn es hat sein Geschenk abgegeben, und dann war es frei weiterzureisen, … weil es eine ganz besondere Seele war…. aber das Geschenk bleibt für immer.“

Marie-Luise Wölfing

Der Segen der Trauernden

Hinweis im Gottesdienst auf Weltgedenktag

Inzwischen versuche ich fast jede Möglichkeit zu nutzten, auf den Weltgedenktag hinzuweisen. Wie Ihr sehen könnt, habe ich schon zweimal Interviews anläßlich des Gedenktages für Zeitungen gegeben. Aber auch in meiner Gemeinde habe ich letztes Jahr (2002) erfolgreich auf den Weltgedenktag im Gottesdienst hinweisen dürfen. Ich schrieb einfach an unseren „diensthabenden“ Pastor mit der entsprechenden Brief.

Gottesdienst am 08.12.2002

Lieber Pastor Hohensee,

am Sonntag, dem 08.12.2002 ist der weltweite Gedenktag für alle verstorbenen Kinder. Damit ihr Licht für immer leuchte, stellen an diesem Tag um 19:00 Betroffene rund um die ganze Welt im Gedenken an ihre verstorbenen Söhne, Töchter, Brüder und Schwestern brennende Kerzen in die Fenster.

Während die Kerzen in der einen Zeitzone erlöschen, werden sie in der nächsten entzündet, so daß eine Lichterwelle die ganze Welt umringt.

Begleitet wird dieses „Candle Lighting“ weltweit von Aktionen wie Gedenkgottesdiensten, Lesungen, Zeitungsberichten, ….

Die Initiative dieser Aktion geht von den „Compassionate Friends“, USA aus. Diese Organisation entspricht in Deutschland der Bewegung „Verwaiste Eltern“.

Als selbst betroffene Mutter, weiß ich wie wichtig, gerade in dieser für uns nicht ganz leichten Adventszeit, dieser Tag ist. Ich möchte Sie daher bitten, ob Sie in Ihrem Gottesdienst auf diesen Tag hinweisen würden. Gerne würde ich auch selbst die Gelegenheit nutzen, im Gottesdienst dies „Candle Lighting“ vorzustellen.

Anbei finden Sie ein Flugblatt zu dem Gedenktag.

Ich werde versuchen, Sie in den nächsten Tagen telefonisch zu erreichen.

Herzliche Grüße

Pirko Lehmitz

Er meldete sich daraufhin prompt per Telefon und einen Tag später besuchte ich ihn und wir besprachen alles. Er ermutigte mich, dann auch selbst im Gottesdienst den Weltgedenktag vorzustellen und hatte selber die Idee, daß wir im Gottesdienst Kerzen verteilen an jeden, die er am Abend anzünden sollte. Er erklärte, daß er in der Predigt das Thema „Advent, warten auf was…“ habe und bat mich dann, seine Predigt zu beenden.

 

Es war ein wunderschöner Gottesdienst, denn er hatte zusammen mit dem Gospelchor extra Lieder herausgesucht, die zum Thema „Licht“ paßten. Wie zum Beispiel das Lied „Little light of mine“.

THIS LITTLE LIGHT

This little light of mine
I’m gonna let it shine.
Oh, this little light of mine
I’m gonna let it shine.
This little light of mine
I’m gonna let it shine.
Let it shine
Let it shine
Let it shine

Wie besprochen setzte ich dann seine Predigt mit fort (Text).

Text für den Gottesdienst am 08.12.2002

Auch ich habe gewartet.

Vor 5 Jahren war ich zum ersten Mal schwanger. Mein Baby sollte am 22. Dezember, d.h. so um Weihnachten herum kommen. Viele bedauerten mich : „Da wirst Du Heilig Abend wohl im Krankenhaus verbringen müssen“ Ich antwortete immer darauf: „ Was kann der liebe Gott mir schöneres zu Weihnachten schenken, als ein Baby!“

Doch dann kam alles ganz anderes. Mein Sohn kam zu Früh und starb während der Geburt. Für mich brach eine Welt zusammen. Statt zu sehen, wie er aufwächst, mußte ich ihn beerdigen. Ich zweifelte an allem, ganz besonders an mir. Ich habe dann lange auf den ersten Tag ohne Tränen warten müssen. Der Verein Verwaiste Eltern hat mir dabei unglaublich geholfen. Die ersten Weihnachten waren kaum auszuhalten: Ein leerer Bauch und leere Arme, nur ein Grab. Auch heute noch empfinde ich die Advents- und Weihnachtszeit als ganz schwierig, wie für alle Eltern, die ein Kind verloren haben. Das Fest der Familie, aber es fehlt einer.

Doch gerade in dieser für uns Verwaiste Eltern so dunklen Zeit gibt es einen Lichtblick – im wahrsten Sinne des Wortes : Heute – wie an jedem 2. Sonntag im Dezember – ist der weltweite Gedenktag für verstorbene Kinder und Geschwister.

Damit ihr Licht für immer leuchte, stellen heute um 19:00 Betroffene rund um die ganze Welt im Gedenken an ihre verstorbenen Söhne, Töchter, Brüder und Schwestern brennende Kerzen in die Fenster. Während die Kerzen in der einen Zeitzone erlöschen, werden sie in der nächsten entzündet, so daß eine Lichterwelle die ganze Welt umringt. Begleitet wird dieses „Candle Lighting“ weltweit von Aktionen wie Gedenkgottesdiensten, Lesungen, Zeitungsberichten, … Allein in der Bundesrepublik sind uns mehr als 60 Gedenkgottesdienste bekannt.

Ihnen wurden gerade Kerzen ausgeteilt. Wir möchten Sie einladen heute um 19 Uhr für jeden, der dieses Jahr nicht mehr bei Ihnen Weihnachten feiern kann, eine Kerze anzuzünden. Und ich wünsche Ihnen, daß Sie, wie ich spüren, sie sind nicht allein.

Nach dem Gottesdienst wurde vor der Kirche Glühwein verteilt und so bleiben viele Besucher noch eine Weile zusammen stehen. Ich bekam viele positive Rückmeldungen und eine Anfrage einer anderen Pastorin, die selber einen Gottesdienst plante und noch Texte suchte, der ich weiterhelfen konnte.

Text für den Gottesdienst am 12.12.2002

So einen Engel des Lichtes hat eine Mutter gemalt, die ihr Baby so wie ich still geboren hat. Als sie mir diesen Engel schickte, schrieb sie dazu, er soll Mut machen und sein Licht streuen.

Der Engel des Schopfungsengel2klLichts ist für Trauernde etwas ganz besonderes: Er zeigt ihnen, daß um sie herum nicht nur Dunkelheit herrscht und führt sie mit seinem Licht aus der Einsamkeit heraus. Aus diesem Grund ist auch das Anzünden einer Kerze für Trauernde ein ganz wichtiges Ritual. Mein Mann und ich haben in den ersten Monaten nach dem Tod unseres Sohnen Tobias immer, wenn wir unser Wohnzimmer betraten eine Kerze angezündet.

Ein ganz besonderer Tag für uns ist daher auch der heutige Weltgedenktag für verstorbene Kinder. Jedes Jahr am 2. Sonntag im Dezember stellen Betroffene rund um die ganze Welt um 19.00 Uhr brennende Kerzen in die Fenster. Während die Kerzen in der einen Zeitzone erlöschen, werden sie in der nächsten entzündet, so daß eine Lichterwelle 24 Stunden die ganze Welt umringt. Diese Lichterwelle zeigt den Eltern, daß sie nicht alleine sind.

Zusammen mit meinen anderen Söhnen werde ich heute Abend um 19 Uhr diese Kerze für Tobias anzünden und ins Fenster stellen. Vielleicht zünden auch sie heute Abend eine Kerze für ein verstorbenes Kind an und stelle sie ins Fenster.

Auch die anderen Jahre habe ich wieder in der Gemeinde auf den Weltgedenktag hinweisen dürfen (Text 2004).

Gemeindebrief03

Vielleicht habt Ihr ja auch guten Kontakt zu Euer Gemeinde und fragt einmal, ob nicht am Sonntag im Gottesdienst auf das Candlelighting hingewiesen werden könnte. Dieses Jahr ist es mir gelungen, schon vorher im Gemeindeblatt einen Hinweis mit einem eigenem Text unterzubringen.

Als wir vor ein paar Monaten nach Buchholz gezogen sind, habe ich dennoch mir ein Herz gefaßt und beim Pastor angerufen, ob ich in seinem Gottesdienst am 11.12.05 auf den Gedenktag hinweisen dürfte. Er war erst etwas unsicher, sagte es mir aber zu. Da ich gleich beim Gemeindebrief mitmachte, war es auch nicht schwer dort einen entsprechenden Artikel zu plazieren. Die Pastorin, die dort mitmacht, meldete mir sehr postive Rückmeldungen auf meinen Artikel und erklärte auch gleich, sie übernehme den Gottsdienst am 11.12.05 worüber ich mich freute. Heute also saß ich mit ihr zusammem im Gottesdienst. Da es eine neue Gemeinde ist – in meiner alten hatte ich das schon zweimal gemacht – war ich aufgeregter als sonst. Als ich an der Reihe war, ging ich nach vorne und sprach folgenden Text:

Text für den Gottesdienst am 11.12.2005

Haben Sie schon einmal beobachtet, welche Wirkung das Anzünden einer Kerze auf Sie hat? (Ich ging nach vorne zum Altar und zündete eine Kerze an) Es hat etwas ungemein beruhigendes, fast friedliches. Zur Zeit zündet jeder von uns tagtäglich eine oder auch mehrere Kerzen an. Kerzen des Adventskranzes, Kerzen der Weihnachtspyramide und am Heiligen Abend Kerzen des Weihnachtsbaumes.

Auch ich werde heute Abend wieder eine Kerze anzünden. Eine ganz besondere Kerze, die allerdings nichts mit der Adventszeit zu tun hat. Eine Kerze, die für meinen ersten Sohn Tobias brennen wird, der bei der Geburt starb. So wie viele verwaiste Eltern, denn heute ist der Weltgedenktag für verstorbene Kinder und Geschwister. Es ist sicher nicht zufällig, daß dieser Tag im Advent liegt, denn die Weihnachtszeit ist für uns verwaiste Eltern eine nicht ganz einfache Zeit: Das Fest der Familie, aber einer fehlt und wird immer fehlen. Daher ist dieser Weltgedenktag für uns so wichtig:

Jedes Jahr am 2. Sonntag im Dezember stellen Betroffene rund um die ganze Welt um 19.00 Uhr brennende Kerzen in die Fenster. Während die Kerzen in der einen Zeitzone erlöschen, werden sie in der nächsten entzündet, so daß eine Lichterwelle 24 Stunden die ganze Welt umringt. Diese Lichterwelle zeigt den Eltern, daß sie nicht alleine sind.

Zusammen mit meinen anderen Söhnen werde ich daher heute Abend um 19 Uhr diese Kerze für Tobias anzünden und ins Fenster stellen. Vielleicht gibt es auch in Ihrer Familie oder Bekanntenkreis ein verstorbenes Kind, für das sie heute Abend eine Kerze anzünden.

Als der Gottesdienst zu Ende war, hörte ich hinter mir auf der Bank eine ältere Dame sagen:“Ich habe drei Kinder verloren, aber von so einem Tag habe ich noch nie gehört:“ Die andere Dame drückte ihre Hände. Im Ausgang wurde ich von einer Frau aus dem Kirchenvorstand angesprochen. Sie hätte das sehr bewegt und würde gerne nächsten Samstag (dort sehen wir uns in der Kinderkirche) mit mir näher sprechen. Ich glaube, heute haben in Buchholz zumindest vier Kerzen mehr gebrannt als sonst. Und im Gedenkgottesdienst in Adendorf habe ich für die drei Kinder der älteren Dame auch drei Kerzen angezündet.

Pirko Silke Lehmitz Dezember 2005

Weltgedenktag
für alle verstorbenen Kinder,
Sonntag, 14. Dezember 2008

Manchmal ist einem gar nicht Bewusst, wie wichtig einen Dinge sind.

Tobiasgrab06Mein Sohn Tobias, den ich vor 11 Jahren still geboren haben, ist in Großhansdorf begraben, also fast 100 km von uns entfernt. Deshalb fahren wir nicht so oft zum Grab. Aber wir fahren jedes Jahr auf dem Rückweg aus unserem Urlaub, den wir ja schon seit vielen Jahren an der Ostsee verbringen, bei ihm vorbei. Im Urlaub kaufe ich dann immer etwas für das Grab, wie eine kleine Figur oder so was. Dies sowie einige von seinen Brüdern gesammelte Muscheln, bringen wir ihm dann mit. Natürlich zünden wir auch immer einen Kerze an. Dies Jahr leider nicht. Durch meinen Achillessehnenriss konnte ich nicht Auto fahren und da wir keinen 7-Sitzer mehr haben, musste ich mit der Bahnfahren. Erst als wir in Scharbeutz waren, wurde mir auf einmal klar, was das eigentlich bedeutet – ich werde nicht zum Grab können. Ich hatte noch nicht mal Lust, etwas dort für’s Grab zu kaufen. Ich hatte total unterschätzt, wie mir das fehlt und es ging mir nicht besonders damit.

Mir war einfach nicht bewusst gewesen, wie wichtig mir in den letzten 11 Jahren bestimmte Rituale geworden waren. Aber ein Ritual ist mir  ganz besonders wichtig: Jedes Jahr am zweiten Sonntag im Dezember, dem Weltgedenktag für verstorbene Kinder, zünde ich um 19 Uhr eine Kerze an für Tobias und stelle sie ins Fenster. So wie Betroffene in der ganzen Welt.  Während die Kerzen in der einen Zeitzone erlöschen, werden sie in der nächsten entzündet, so dass eine Lichterwelle 24 Stunden die ganze Welt umringt. Für mich ist diese Lichterkette rund um die Welt eine schöne Vorstellung.

Pirko Silke Lehmitz
(Paulusbrief 2008)

Starksein

E s wird Euch bestimmt auch schon passiert sein: Wenn Ihr erzählt, daß Ihr ein Kind – in der Schwangerschaft, während oder kurz nach der Geburt – verloren habt, plötzlich andere Frauen Tränen in die Augen schießen, sie weinen und sagen, ja ich habe auch ein Kind verloren. Frauen, die es sonst nie sagen würden, die aus einer Generation kommen, wo man niemals darüber spricht. Ich mußte erst meinen Sohn verlieren, um von meiner eigenen Mutter zu erfahren, daß ich noch einen weiteren großen Bruder habe, der irgendwann 1954 gestorben war. Mein Mutter weiß weder genau wann, noch in welcher Woche sie damals schwanger war. Nach ihren Erzählungen schätze ich so zwischen der 16. und 20. SSW. Weder ihre Eltern, noch ihre Geschwister wußten etwas davon. Als sie damals aus dem Krankenhaus kam, hatte sie einfach so getan, als wenn nichts gewesen wäre und genau dies verlangte sie offenbar auch von mir. Sie kam, wie die meisten, überhaupt nicht damit zurecht, daß ich so offen trauerte. Sie erwartete, daß ich mich so verhielt, wie sei es gelernt hatte: Sich zusammenzureißen, und wenn schon weinen, dann zu Hause, ganz allein für sich. Eben in ihren Augen “starksein”.

Zum Thema “starksein” gefällt mir ein Gedicht von Sascha Wagner, einer verwaisten Mutter, besonders.

Über das “Stark-Sein”

Viele Menschen sind überzeugt davon,
das stark und tapfer sein
bedeutet, an “etwas Anderes” zu denken,
nicht über Trauer zu sprechen.

Aber wir wisse – nicht wahr –
Daß ehrlich stark-und-tapfer-sein
Bedeutet,
an das Geschehene zu denken,
über das Geschehene zu sprechen,
bis unsere Trauer beginnt,
erträglich zu werden.

Das ist wirkliche Stärke.
Das ist wirklicher Mut.
Und nur so will
Stark-und-tapfer-sein
Uns zu Heilung tragen.

Natürlich, dieses gewünschte Verhalten ist für alle anderen am bequemsten: Sie werden nicht belästigt, es ist einfach, man schweigt über das Geschehene. Insbesondere läuft man dabei nicht Gefahr gefühlsmäßig mit einbezogen zu werden. Da unsere Gesellschaft ja verlernt hat, mit dem Tod, Sterben und insbesondere mit der eigenen Vergänglichkeit zu leben, haben viele ihre eigenen Trauer um den Verlust eines Menschen – sei es der Vater, Mutter oder Großeltern, einfach irgendwo weggesteckt und durch unsere Trauer könnte dies wieder hochgespült werden. Wir mit unserer offenen Trauer, die bereit sind, den mühsamen, aber lohenden Weg zu gehen, gefährden andere, die ihn nicht gegangen sind.

Mehrfach habe ich es erlebt, daß verwaiste Mütter, deren Kind schon vielen Jahren tot ist und die selbst sagten, sie seien darüber schnell hinweggekommen, plötzlich anfingen zu weinen, was ihnen sehr unangenehm war.

So wie es Sascha Wagner in ihren Gedicht beschreibt, meine auch ich, daß wir, die den Weg der Trauer gehen, und wissen, daß dies ein langer, dunkler und mühsamer Weg ist, mutig sind und Stärke zeigen.

Wer hat sie nicht erlebt, die Ausgrenzung, die Einsamkeit? Plötzlich waren alle weg – wie eine Explosion. Ursula Goldman-Posch schreibt hierzu in ihrem Buch “Wenn Mütter trauern”: “Das Unverständnis von Verwandten und Freunden sowie die mangelnden Kommunikationsmöglichkeiten mit den behandelnden Ärzten, die sie – wie mehrere Mütter formulierten – nach dem Babytod fast wie Aussätzige mieden, machen diese Trauer zum verschämten Schmerz innerhalb der eignen vier Wände.”

Und wenn man dann tatsächlich noch zeigte, daß man trauerte und sogar versuchte, von seinem Sohn zu erzählen, dann wurde die Einsamkeit noch größer. Es ist schon eigenartig, von meinem Vater, der vor 10 Jahren gestorben ist, darf ich erzählen – es gibt so viele schöne Geschichten von ihm zu erzählen und es ist einfach schön, sie zu erzählen oder zu hören, daß auch mein Bruder die gleichen Geschichten von ihm erzählt – , aber wenn ich anfange von meiner ersten Schwangerschaft zu erzählen, dann wird plötzlich das Thema gewechselt oder ich werde mit entsetzen Augen angesehen. Von Tobias direkt zu erzählen, habe ich bereits in meiner Familie aufgegeben. Für sie existiert er gar nicht. Selbst die wenigen Erinnerungen, die wir haben, dürfen wir mit niemanden teilen.

Wahrscheinlich ist genau dies der Grund, warum wir Eltern, die ihr Baby verloren haben, so viel im Internet vertreten sind, warum gerade für unsere Kinder so viele Seiten gestaltet wurden, gerade wir das Bedürfnis haben, ein Raum für unserer Trauer zu finden und natürlich an dieser Situation etwas ändern wollen.

Dabei hat sich – jedenfalls in vielen Krankenhäusern – bereits einiges getan, wenn man dies mit der Situation vor vielleicht 10 Jahren vergleicht. Ich wußte zwar sofort, daß ich meinen Sohn nicht nur sehen, sondern auch in den Arm nehmen wollte, doch vor Jahren, hätte man mir dies sicherlich versucht auszureden. Seitdem ich die Arbeit der “Verwaisten Eltern” kennengelernt habe, bin ich dankbar, daß sich hier zumindest schon etwas in Bewegung gesetzt hat. Damit es weiter Vorwärts geht und ich auch etwas von dem, was ich bekommen habe zurück geben kann, bin ich dort Mitglied geworden und auch aktiv tätig. Ich würde mich sehr  freuen, wenn ich auch andere überzeugen kann, die Verwaisten Eltern zu unterstützen. Die “Verwaisten Eltern” helfen nicht nur Betroffenen durch Begleitung, Beratung, Information Trauerseminaren, und Kontaktvermittlungen untereinander, sondern informieren involvierte Berufsgruppen wie Ärzte, Hebammen usw. durch beispielsweise Seminare. Darüber hinaus versuchen sie, durch Öffentlichkeitsarbeit aufzuklären. Auf der Seite des  Verwaisten Eltern in Deutschland e.V. (www.veid.de) findet Ihr nähere Informationen sowie die Möglichkeit, ganz einfach Mitglied zu werden.

© Pirko Lehmitz

Versteht denn keiner unsere Trauer?

Doch!

Artikel aus der Eltern August 2000

von Anke Willers

Jedes Jahr verlieren in Deutschland mehr als 85000 Frauen in der Schwangerschaft ihr Kind. Dennoch spricht kaum jemand darüber – höchste Zeit, dies zu ändern!

Angefangen hat alles mit einem Leserbrief in der März-Auseltern.jpggabe von Eltern. Eine junge Frau schrieb, es hab in der 21. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt gehabt und sich bis heute nicht davon erholt:

“Alle meinen, ich müsste jetzt, nach zwei Monaten, schon über alles hinweg sein. Keiner begreift, dass dieses Kind für mich und meinen Mann schon ganz real war: Ich hatte es fünf Monate in meinem Bauch, ich habe es auf dem Ultraschall gesehen, ich spürte auch bereits erste Kindsbewegungen: Und ich wünsche mir, dass man meine Trauer respektiert.”

Das Echo auf diesen Brief war überwältigend. Die Redaktion erreichten fast 200 Briefe, für die wir uns ganz herzlich bedanken. 200 Briefe, in denen Mütter von ihren Fehl- und Totgeburten berichten, die sie in der achten , zwanzigsten oder 39. Schwangerschaftswoche erleben mussten. 200 Briefe, in denen es vor allem um eines geht: um den schwierige Prozess des Abschiednehmens.

Glaubt man der Statistik, so endet jede vierte bis fünfte Schwangerschaft mit einer Fehlgeburt in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Später, wenn das Baby mit einem Gewischt von über 500 Gramm bereits lebensfähig wäre, wird noch etwas jedes 130. Kind tot geboren. Manchmal sind Infektionen daran schuld, genetische Schäden, eine Plazentastörung oder Nabelschnurkompliktaionen. Oft werden die medizinischen Gründe nie geklärt. Hinter den Zahlen und medizinischen Fakten verborgen bleibt meist auch die persönliche Katastrophe, die der frühe Tod eines Kindes für die Eltern bedeutet.

“Der Tod eines Kindes in der Schwangerschaft ist immer noch ein Tabu”, schreibt Silke, 29, aus Bremerhaven. “Weil das Kind noch nicht richtig sichtbar war, ist es für die Umwelt offenbar auch nicht du gewesen. Also gibt es auch keinen Grund, traurig au sein.” Tatsächlich beschreiben fast alle Mütter in ihren Briefen. dass es ihnen nach einer Fehl- oder Totgeburt zwar körperlich bald wieder gut ging. dass aber die Seele Monate. manchmal sogar Jahre brauchte, um sich zu erholen.

Wenn wir mit dem Tod unseres Babys konfrontiert werden, werden wir von einen Sekunde auf die andere in Trauer hineinkatapultiert. Wie tauchen dabei in ein unbekanntes Land ein mit gewaltigen. bisher fremden Gefühlen. Die Reise durch dieses Land wird eine lange Reise sein”. schreibt Hannah Lothrop in ihrem Buch “Gute Hoffnung-Jähes Ende‘ (Kösel. 38 Mark).

Die meisten Betroffenen erleben auf ihrer Trauerreise verschiedene Stationen. Zuerst ist da der Schock, die Verleugnung: Das Baby ist tot? Nein. das darf, das kann nicht sein. Begreift das Bewußtsein schließlich, was wirklich passiert ist, werden viele Eltern überrollt von Gefühlen der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit und auch der Schuld. Diese Phase kann viele Monate dauern.

“Ich war in den Wochen nach der Fehlgeburt wie ferngesteuert”, schreibt Katja, 53 aus Paderborn. “Immer wieder habe ich mich gefragt, warum das passiert ist: War es der Sekt an Silvester, war es die Abtreibung vor sieben Jahren, für die ich nun bestraft werde? ‘Warum hat mein Körper mich im Stich gelassen? Warum ist mein Kind dort gestorben, wo es am sichersten sein sollte: In meinem Schoß?”

Gedanken wie diese sind quälend. Und doch sind sie wichtig: “Es gehört Mut dazu, sich seinen schmerzhaften Gefühlen zu stellen und sie zu verarbeiten. Doch wenn wir dies nicht tun, entsteht das Gegenteil, nämlich Angst — ja sogar richtige Lebensangst”, schreibt Hannah Lothrop.

Anders gesagt: Gefühle der Verzweiflung. der Hoffnungslosigkeit, der Wut sind gesunde Reaktionen der Seele auf ein schlimmes Ereignis. Drückt man diese Gefühle weg,. kann die glücklose Schwangerschaft zu einem lebenslangen Trauma werden. Lässt man sich jedoch auf sie ein, werden sie irgendwann schwächer, positive Erinnerungen an die Schwangerschaft werden möglich, und die Psyche beginnt sich zu stabilisieren.

Wie lange diese Reise durch den dunklen Trauertunnel dauert. lässt sich nicht vorhersagen. Denn jeder Mensch hat dabei ein anderes Tempo: Eine junge Muttee, die bereits ein Kind hat, wird möglicherweise schneller wieder Mut schöpfen, als eine 38-Jährige. die ihr erstes Baby nach einer Hormonbehandlung erwartete. Oder als eine Frau, die ihre Schwangerschaft am Anfang sehe zwiespältig erlebt hat und die nun nach dem Verlust des Kindes unter starken Schuldgefühlen leidet.

Entscheidend ist auch, ob und wie mitfühlend der Partner und die Umwelt reagieren. Und ob die Betroffenen die Möglichkeit haben, sich wirklich von ihrem Baby und dem damit verbundenen Lebensentwurf zu verabschieden.

Zu diesem Abschied gehört vor allem, dass von dem Kind etwas bleiben darf, Zeichen, die zeigen, dass es da war: ein Name. ein Ultraschallbild, ein paar Söckchen im Wäscheschrank.

“Ich musste mein Kind in der 34. Woche tot gebären”, schreibt Manuela, 27, aus Pforzheim. “Aber ich hatte das Glück, in einer Klinik betreut zu werden, in der man mit solchen Katastrophen Erfahrung hatte. Man überzeugte mich nicht nur davon, dass eine normale Geburt besser sei als ein Kaiserschnitt mit Vollnarkose, sondern ermutigte mich auch, mir mein Kind anzuschauen, es zu baden, zu fotografieren. Heute hin ich sehr froh, dass ich diese Stunden mit meinem Baby hatte. Viele Eltern denken, wenn sie ihr Kind gar nicht erst sehen, ist auch der Abschied leichter. Aber das stimmt nicht: Man kann ein Kind nur verabschieden, wenn man es begrüßt hat.”

Dass zu einem würdigen Abschied Trauerrituale gehören, hat inzwischen auch der Gesetzgeber erkannt: Seit dem 1.7.98 können in Deutschland Totgeborene, die mindestens 500 Gramm wiegen, mit Vor- und Zunamen ins Familienstammbuch eingetragen werden. Meist ist auch eine individuelle Bestattung möglich —  allerdings variieren die Bestattungsgesetze je nach Bundesland. Und vor allein bei sehr kleinen Babys werden den Betroffenen bei ihrem Wunsch, das Kind zu begraben, immer noch Steine in den Weg gelegt.

“Ich konnte es nicht ertragen, dass ich noch der Ausschabung nichts mehr von unserem Sohn halte”, schreibt Martina, 26, die ihr Kind in der 18. Woche verlor. “Nicht mal ein anonymes Sammelbegräbnis hat man uns ermöglicht. Dabei braucht man doch einen Ort, zu dem man seine Trauer hintragen kann. Wir haben deshalb ein Bäumchen im Garten gepflanzt.” Neben solchen Ritualen gegen das Vergessen, spielt auch das Gespräch in der Zeit nach der Fehl- oder Totgeburt eine große Rolle. Leider erleben viele Betroffene, dass Freunde und Bekannte ihren Schmerz nicht verstehen:

“Oft bekam ich zu hören: Das war sicher bes. ser so, vielleicht wäre es sonst behindert gewesen‘, schreibt Ursula, 29, aus Brühl. “Viele sagten auch: “Du bist ja noch jung, du kannst noch viele Kinder kriegen.‘ Damit konnte ich überhaupt nichts anfangen. Ich wollte ja nicht viele Kinder irgendwann, sondern ich wollte dieses eine.”

Zwar sind solche Sprüche meist nicht böse gemeint. sondern eher ein Zeichen der Hilflosigkeit (mehr dazu im Interview nebenan), auf die Betroffenen wirken sie jedoch taktlos und verletzend. Viele Frauen empfinden es auch als großen Widerspruch, dass alle Welt von ihnen Jubel erwartet, wenn der Schwangerschaftstest positiv ist, ihnen aber gleichzeitig die Trauer abgesprochen wird, wenn sie das Kind Monate später verlieren. Eine gute Alternative kann es deshalb sein, sich auf die Suche such Gleichgesinnten zu machen.

“Ich habe mich. in den Monaten noch meiner zweiten Fehlgeburt einer Selbsthilfegruppe angeschlossen“, schreibt Elke, 36, aus Passau. “Dort konnte ich nicht nur weinen und traurig sein, ohne etwas erklären zu müssen. Ich habe auch gelernt, mit meinen Schuldgefühlen umzugehen, die mich sehr belastet haben. }Heute weiß ich: Eine glücklose Schwangerschaft ist keine Frage der Schuld, sondern fast immer ein schicksalhaftes Ereignis.“

Für viele Eltern ist gerade diese Schicksalhaftigkeit schwer zu akzeptieren. Denn wir leben in einer Welt, in der wir lernen, dass fast alles machbar ist, wenn wir uns nur genug anstrengen. Dass das Wissen um die Unbeeinflussbarkeit eines Ereignisses jedoch manchmal auch eine große Entlastung bei dem schweren Weg durch die Trauer sein kann. beschreibt Ulrike, 34, aus Dinkelsbühl: “Eine Bekannte sagte zu mir: Kinder kommen und gehen, wann sie wollen, egal, wie alt sie sind. Dieses Kind war noch nicht bereit für ein Leben mit euch. Und da wurde mir klar: Man kann ein Kind verlieren, das drei Monate oder 30 Jahre alt ist. Im günstigsten Fall zieht es irgendwann aus und man trifft es oft wieder. Im

Eine Fehlgeburt ist keine Frage der Schuld

schlechtesten Fall verliert man es früh und hat nur die Erinnerung. Dieser Gedanke, dass ich das Kind irgendwann hatte ohnehin gehen lassen müssen, hat mich sehr getröstet.“

Trost, Verständnis, das Gefühl, den Schmerz nicht leugnen zu müssen – all dies macht die Trauer erträglicher. Viele Betroffene beschreiben auch, dass eine neue Schwangerschaft viel zur Heilung ihrer Seele beigetragen hat – allerdings nur dann, wenn diese Schwangerschaft nicht zu schnell folgte. Denn auch wenn sich der Zyklus bei vielen Frauen bald wieder eingependelt hat — oft ist die Gefahr groß dass die Trauer um das verlorene Kind denn noch nicht verarbeitet ist.

“Als ich ein halben Jahr nach meiner Totgeburt wieder schwanger wurde, war Ich zunächst sehr ängstlich. Auch hatte ich fast das Gefühl, ich wurde mein totes Kind verraten“, schreibt die 31-jähirge Maria aus Fürth. “Dann aber habe ich gespürt: Dieses neue Kind kann kommen, ohne ein Ersatz für das zu nein, was wir verloren haben. Heute Ist mein Sohn 14 Monate alt. Doch in meinem Herzen habe ich zwei Kinder. Und das wird immer so bleiben.”

Anke Willers