„ Was mache ich nur wenn sie gleich schreit?“

Die Geburt von Kim Nova (21 SSW)

Morgens wurde noch einmal Blutabgenommen und noch ein CTG gemacht.
Das Kind lebt!
Aber liegt es wohl jetzt im Trockenen, es ist ja kein Bauch mehr da?
Nun kam die Zeit des Wartens bis gegen Mittag die Ärztin kam und sagte „ Es gibt keine Hoffnung mehr, wir müssen die Geburt einleiten, ihren Blutwerte sind sehr schlecht und auch ihre Nierenwerte. Es geht um ihr Leben! Rufen sie ihren Freund an, wir werden gleich die Geburt einleiten!“
Ich rief sofort meinen Freund auf dem Handy an, da ich wusste, er war gerade unterwegs, um Silvio zu meiner Mutter zu bringen. Ich war sehr gefasst und ruhig, sagte ihm, er soll kommen.

Nun kam die Hebamme und fuhr mich in den Kreissaal. Sofort bekam ich Penicillin angehängt und bekam das Gel. Kurz darauf war auch mein Freund da, um mir beizustehen. Ich weiß bis heute nicht, wie er es so schnell in die Klinik geschafft hat. Aber nun war er da und ich war froh, ihn an meiner Seite zu haben. Zusammen schaffen wir das schon , wir haben es schon beim Silvio super gemacht.
Ich habe geglaubt, dass ich wüsste,  was auf mich zukommt. Ich kannte es ja von der Geburt von meinem Silvio. Nur das, was kam war der blanke Horror. Und auf einen Schlag waren sie da, die Wehen! Aus dem Nichts. Aber in so einer Stärke, die ich kaum beschreiben kann. Es waren keine Wehen, wie ich sie von Silvios Geburt her kannte,  sondern unendliche Schmerzen am ganzen Körper, die überhaupt nicht aufhörten. Ich bekam dann Schmerzmittel, die alles taten, nur nicht geholfen haben. Nach einer Weile kam dann der Arzt und öffnete mir manuell den Muttermund, damit es schneller gehen würde. Ich hatte Schmerzen die kaum auszuhalten waren, ich habe mich im Bett hin und hergewälzt.
Und ich hatte das Gefühl, sie will sich Zeit lassen zu kommen. Sie möchte, dass ich Zeit habe, um Abschied von ihr zu nehmen. Ich wurde wirklich zur Furie, ich habe geschrieen und gezornt wie ein kleines Kind, das kein Eis bekommt. Im nachhinein schäme ich mich, die Hebamme hat sich einiges anhören müssen. Mein Freund immer an meiner Seite, der meine Hand hielt und einfach nur da war.
Und auf einen Schlag waren sie da, die Presswehen. Ich war froh, endlich konnte ich was tun, mithelfen, sie von ihren Leiden zu befreien. Und dann kam der furchtbare Gedanke „ Was mache ich nur wenn sie gleich schreit?“
Aber ich konnte ihn gar nicht zu Ende denken, denn sie war da  „STILLGEBOREN“
530gr schwer 29 cm groß“ KIM-NOVA“ unser Wunschkind.
Und sofort war der Gedanke da: “Ich war es die sie umgebracht habe “Was habe ich nur getan? Was habe ich verbrochen, dass Gott mir so eine schwere Prüfung gibt?“
Ich weiß das mich keine Schuld trifft, aber sie  waren einfach da, diese Schuldgefühle.
Ich wollte sie nicht sehen nur weg vom Geschehen, weit weg!
Ich wurde sofort in den OP gefahren zur Ausschabung.

Als ich wach wurde, wusste ich nicht, was passiert war: Hatte ich nur einen bösen Traum, habe ich wirklich Kim-Nova still geboren?
Nein das kann nicht sein. Ich muss nur warten, bis sie mir meine Kleine bringen und ich sie anlegen darf. Warten nur warten .Es ging mir komischer weise sehr gut ich hatte wirklich das Gefühl, sie bringen sie mir .Ich muss nur warten können.
In die Realität zurückgeholt hat mich dann die Krankenschwester, die gesagt hat, ich solle mir Gedanken machen, welches Beerdigungsinstitut ich möchte.
Was soll ich? Da war mir auf einen Schlag klar, dass es kein böser Traum war.
Auch hat mir die Schwester, der ich heute sehr dankbar bin, nahe gelegt sie anzusehen, Abschied zu nehmen und ein Bild von ihr zu haben.
Mein Freund und ich haben sie dann am nächsten Tag angeschaut, was mit einigen Zwischenfällen ( über die ich auch nicht sprechen will) verbunden war.

Unser Wunschkind KIM-NOVA

Und nun lag es da, in ein Handtuch gewickelt. Und sie sah aus wie unser Sohn Silvio: Die gleiche Runzelstirn, ein kleines und ein etwas größeres Ohr, die langen Finger. Einfach fertig, sie hätte nur noch wachsen müssen. Und wunderschön.
Und dann dieses Lächeln auf ihrem Gesicht das sagt „ Seid nicht traurig, mir geht es gut dort, wo ich nun bin. Schaut noch vorne, schaut auf euch bringt euer Leben ins Reine, ich gebe Euch hiermit den Anstoß. Mir geht es gut und ich bin bei euch.“
Vielleicht für viele unverständlich, aber ich hatte diese Eingabe, als ich sie so friedlich dort liegen sah.
Heute bin ich sehr froh über jeden der mich ermutigt hat, sie anzuschauen. Dieses Bild kann mir niemand mehr wegnehmen. Weiter (Beerdigung)

Diana30 (26.06.2003)