Eine »richtige« Geburt

aus der Broschüre Gute Hoffnung, jähes Ende von Hannah Lothrop

Nur beim Feststellen einer Fehlgeburt im Anfangsstadium der Schwangerschaft wird der Arzt diese durch Ausschaben beenden wollen und können. Wenn unser Baby während der Schwangerschaft nach dem dritten Monat stirbt, steht uns in der Regel eine richtige Geburt bevor.

Etwas Totes im Leib zu haben, ist vielen unheimlich. Das Kind, das noch Stunden oder gar MinutGutehoffbroschen zuvor als Teil eines selbst geliebt wurde, wird nach Bekanntwerden seines Todes als Fremdkörper empfunden.

Besonders, wenn sich herausstellt, daß es schon seit einiger Zeit tot ist, haben Frauen Angst, dadurch vergiftet zu werden. Dem ist nicht so: Wenn ein Kind abstirbt, ist es wie bei einen Infarkt, wo auch ein Teil des körperlichen Gewebes zugrunde geht. Solange die Fruchtblase geschlossen ist und es nicht zu einer aufsteigenden Bakterienbesiedlung kommt, entstehen keine »Gifte«. Eine allmähliche Verwesung tritt erst ein durch Kontakt mit Bakterien.

Und trotzdem ist oft gleichzeitig eine Tendenz da, das Baby nicht hergeben zu wollen. Im Falle, daß eine Geburt bevorsteht, macht diese Gespaltenheit den Geburtsvorgang oft beschwerlich und kann ihn hinausziehen.

Je nach Situation und Zeitpunkt der Schwangerschaft wird entweder die Geburt bald nach Feststellen des Todes eingeleitet oder aber, wenn Frauen nähe am errechneten Entbindungstermin sind, möglicherweise das natürliche Einsetzen der Wehen abgewartet. Für manche Frauen ist die Vorstellung, daß sie ihr totes Kind selbst zur Welt bringen müssen, unerträglich. Obwohl zunächst der Wunsch nach einem Kaiserschnitt sehr häufig ist, sind Frauen meistens im nachhinein froh, daß sie davon verschont blieben.

Die Erfahrung der Geburt kann tief anrühren. Frauen erfahren das Geburtserlebnis oft losgelöst vom Tod. Deshalb ist es wichtig, eine positive Geburtserfahrung anzustreben und in der Geburtsvorbereitung Erlerntes anzuwenden. Manche Frauen, die ihr Kind gesehen haben, berichten, daß sie trotz des Todes des Kindes zunächst ganz euphorisch gewesen seien, so als ab der Körper nur Schritt für Schritt auf die Ereignisse reagieren kann: zuerst auf die Geburt und erst Tage danach auf den Tod.

Die gängige Meinung in der Klinik ist, daß man Frauen, die ein totes Kind zur Welt bringen, prinzipiell das Erleben der Geburtswehen ersparen sollte. Das kommt sicherlich vielen, vielleicht den meisten Gebärenden entgegen, aber nicht allen. Für manche Frauen ist es ungeheuer wichtig, die Geburt bewußt und

unvernebelt mitzuerleben. Für Frauen, die ein totes Kind zur Welt bringen, kann es gut sein, den Geburtsschmerz zu spüren. Wo sie sonst durch den Schock stumm wären, können sie bei der Geburt gleichzeitig ihre emotionalen Schmerzen hinausschreien, und das hilft ihnen.

Noch mehr als bei der Geburt eines lebenden Kindes sollten wir bei der Geburt eines toten Kindes selbst entscheiden können, was für uns jeweils gut und richtig ist. Wir sollten uns langsam vortasten und auch immer wieder im Laufe der Geburtsarbeit unsere Meinung ändern können. Wenn wir mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt werden oder gar, wie mancherorts immer noch üblich, bei der Entbindung eine Durchtrittsnarkose bekommen, verzögert und behindert dies das Einsetzen der Trauerarbeit und den Verlauf des Trauerprozesses.