Posting Schmetterlingskinder: Glaube

SchmetterlingskinderDie nachfolgenden Beiträge wurden im Forum der Schmetterlingskinder gepostet. Ich fand sie so interesant, daß ich sie hier wiedergeben möchte.

Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von birgit69 am 04-11-2001 um 00:22 Uhr

Vielleicht ist das eine ungewöhnliche Frage, aber sie beschäftigt mich momentan wirklich sehr.

Seit dem Tod unserer Tochter gehen mir sehr viele, zum Teil auch wirre, Gedanken durch den Kopf. Ich hoffe, dass ich niemanden mit meinem Posting zu nahe trete und ich hoffe ihr versteht, was mich bewegt.

Bevor unsere Tochter Celia verstarb, habe ich irgendwie schon an einen „guten Gott“ geglaubt. An einen Gott der uns in irgendeiner Form beschützt und uns „wohlgesonnen“ ist. Als unsere Tochter verstarb war mein erster Gedanke „Was habe ich getan, dass ich dieses Schicksal verdiene?“. Warum wird mir mein Kind genommen, wo ich doch versucht habe alles für Celia zu geben. Soll ich ausdiesem Schicksal irgendeine Lehre für mein Leben ziehen oder ein besserer Mensch werden und wenn dass so ist, warum muß dann der Preis so unwahrscheinlich hoch sein. Ich fühle manchmal soviel Wut und ich habe aber auch Angst, dass uns noch irgendetwas furchtbares zustoßen könnte, wenn doch das Schicksal schon einmal zu grausam zugeschlagen hat und niemand etwas dagegen getan hat.

Nach dem Tod von Celia denke ich, dass es keinen gerechten Gott geben kann, wenn er dieses hat geschehen lassen. Warum läßt er es zu, dass so viele gewünschte und herbeigesehnte Kinder nicht auf dieser Erde verweilen dürfen? Ich fühle mich so hilflos und habe angefangen an meinem Glauben zu zweifeln.

Ich denke jetzt immer, was ist wenn es keine „höhere Macht“ gibt – was ist dann mit Celia geschehen? Werde ich sie irgendwann wiedersehen? Bisher hat mir dieser Gedanke immer ein wenig Trost und Kraft gespendet aber nun denke ich oft, was ist, wenn ich meine Tochter nie mehr wiedersehen werde? Was, wenn ich sie nie – irgendwann vielleicht in einem anderen Leben – in meinem Armen halten kann??? Dieser Gedanke macht mir wahnsinnige Angst und läßt mich verzweifeln.

Ich hoffe Ihr versteht was ich ausdrücken will und ich hoffe, dass ich niemanden mit meinen Gedanken und Gefühlen verletzt habe.

Birgit mit Celia Noelle im Herzen

RE: Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von Simone und Andi am 04-11-2001 um 00:38 Uhr

Hallo!

Sicher gehen einem nach so einem traurigen Erlebnis viele Fragen durch den Kopf.

Bei mir hat sich das anders geäußert. Ich hatte eigentlich keine Wut auf Gott und die Welt. Ich war klar tieftraurig erschüttert, bestürzt und fragt mich, warum denn ausgerechnet uns so etwas passiert, wo wir doch unseren Sohn und unsere Tochter so geliebt haben.

Aber ich bin mir wirklich sicher, daß wir weder von unseren Kindern Abschied nehmen mußten, weil wir irgendwelche Fehler begangen haben, noch weil Gott ungerecht wäre. Ich bin mir sicher, daß er uns nicht schaden will. Aber vielleicht schreiben wir Gott eine viel zu große Allmacht zu, bzw. würden sie für uns gerne anders definieren. Er kann nicht unsere Wunder tun, die wir gerne haben wollen. Und dennoch glaube ich an einen Gott, der liebt und gut ist, der uns nicht mutwillig Schaden zufügt, der uns nicht unsere Kinder wegnimmt, um uns zu prüfen.

Ich habe das alles einfach so gesehen, daß jeder Mensch und sei er noch so klein, von Gott eine Aufgabe erhält, die er hier auf Erden zu verrichten hat. Und sei es nur, einen kleinen Funken Liebe in unseren Herzen zu entfachen. Die Erde ist nur ein Übergang, zu einer besseren und schöneren Welt und ich glaube, daß wir hier nur so lange bleiben, bis wir unsere Aufgaben zu Gottes Zufriedenheit erledigt haben.

Ich denke, daß es unsere Kinder, dort, wo sie nun sind, sehr sehr gut haben. Auf eine andere Art gut, als sie es hier bei uns hätten. Ich wollte für Robin und Stella immer nur das beste. Und wenn der Tod und das Leben in dieser anderen Welt das beste für meine beiden Engelchen war, dann freue ich mich für meine Kinder und will es ihnen von ganzem Herzen gönnen. Auch wenn es mich sehr oft wahnsinnig traurig macht, sie nie, bzw. nie mehr in den Arm nehmen zu können. Aber genauso glaube ich, daß unsere Kinder dort oben es sich nicht erklären können, warum wir hier so traurig sind.

Es wäre wohl einfacher, zu wissen, was dort ist, wie es unseren Kindern dort geht und wenn wir einfach nicht mehr nach dem Warumfragen müßten.

Ich bin mir ganz einfach sicher, daß meine Kinder behütet werden, daß es sie noch irgendwo gibt und daß mit dem Tod nicht alles zu Ende ist, sondern etwas Neues beginnt. Etwas, daß wir leider noch nicht ermessen können.

Da eine Verwandte von mir bereits ein Nahtod-Erlebnis hatte, kann ich mir da vielleicht etwas sicherer sein, was meine Kinder anbelangt. Aber ich fühle, daß es ihnen gut geht und darum bin ich auf Gott auch nicht wütend.

Vielleicht liest Du mal das Buch von Elisabeth Kübler-Ross „Über den Tod und das Leben danach“. Das ist ein sehr interessantes Buch, daß mir sehr viel Kraft gegeben hat. Dadurch sah ich meine Vorstellung vom Leben nach dem Tod bestätigt. Vielleicht ist das auch etwas für Dich.

Ich wünsche Dir alles Liebe, Mone

„RE: Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von Susi2 am 04-11-2001 um 01:46 Uhr

Liebe Birgit,

eine schwierige Frage, auf die ich natürlich auch keine Antwort weiß und die ich sogar ausdehnen würde auf die Frage, ob es überhaupt einen Gott gibt.. Ich will dir einfach mal meine etwas konfusen Gedanken zu dem Thema mitteilen.

Eigentlich würde ich mich als nicht gläubig bezeichnen, also auch nicht gerade als strengen Atheisten, aber in meinem Leben kommt Gott normalerweise nicht vor.

Als wir Lätitia verloren (es dauerte insgesamt 3 Tage zwischen Hoffen und Bangen), beteten unsere beiden Mütter und sogar unsere Putzfrau (die allerdings zu Allah) für uns. Ich konnte es nicht, aber mein Mann, der eigentlich der strengere Atheist ist, hat mir gestanden, daß er es auch getan hat. Obwohl ich nicht so recht wußte, ob ich daran glauben soll, habe ich mich über all diese Gebete gefreut.

Naja, letztendlich haben sie nicht geholfen, aber trotzdem habe ich jetzt nicht das Gefühl, daß das der endgültige Beweis ist, daß es Gott nicht gibt. Ich meine, wenn man sich mal in der Welt umsieht, dort ist sooooo viel Leid… Wenn es danach ginge, kann es eigentlich wirklich keinen oder zumindest keinen gerechten Gott geben. Und doch kommt mir seit Lätitias Verlust immer ein Gedanke in den Kopf. Es gibt doch so einen Spruch, ich weiß nicht ganz genau, wie der geht, aber so sinngemäß: „Wen Gott liebt, den straft (oder prüft) er“. Es ist schon komisch, ich als vorher schon Nicht-Gläubige, die ja nun noch überzeugter sein müßte, tröste mich geradezu mit diesem Gedanken, daß Gott mich liebt und mich deshalb diesem schweren Schicksal unterzogen hat, damit ich daraus etwas Wertvolles für mein Leben ziehe. Vielleicht hast du neulich mein Posting „Das „Gute“ an der Trauer“ gelesen, dort habe ich mir zwar keine Gedanken über Gott gemacht, aber doch darüber, ob es nicht auch positive Veränderungen durch diesen Schicksalsschlag gibt. Ich habe relativ viele Antworten bekommen und alle waren der Meinung, ja es gibt sie. Der Preis ist hoch, viel zu hoch, aber wir können trotzdem auch positive Veränderungen erkennen. Z.B. indem man sich jetzt viel mehr über die kleinen Dinge des Lebens freuen kann, einfach viel bewußter lebt usw.

Ich will nicht sagen, daß ich nun gottgläubig geworden bin, aber irgendwie doch „gläubiger“. Ich bin z.B. überzeugt davon, daß die Seele unserer Kinder weiterlebt und ganz in unserer Nähe ist. Es geschehen auch manchmal Dinge…da denke ich, das waren jetzt unsere Kinder. Z.B. die Tatsache, daß ich nur 4 Monate nach dem Verlust wieder schwanger geworden bin (vorher hatten wir auf jede SS im Schnitt 3 Jahre gewartet) und dann ausgerechnet rund um Lätitias ET. Ich kann einfach nicht glauben, daß das Zufall sein soll..

Ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt oder nicht, und wenn es ihn gibt, weiß ich auch nicht, ob er gerecht ist. Aber was ich jetzt „weiß“ ist, daß das Leben eben nicht nur aus Freude und Glück besteht, sondern auch aus Leid, Trauer und Verzweiflung. Vielleicht ist es gerade die Mischung, die das Leben zu dem macht, was es ist und die es uns überhaupt ermöglicht, Freude und Glück zu empfinden… Ich bin überzeugt davon, dies ist nicht der letzte Schicksalsschlag, der mich getroffen hat. Ich hoffe, es war der Schlimmste, aber es wird sicher nicht der letzte sein. Wir wissen doch z.B. jetzt schon, daß unsere Eltern vermutlich vor uns sterben werden. Und es kann auch gut sein, daß unser Partner vor uns gehen muß. Wir werden u.U. schlimme Krankheiten haben oder diese bei guten Freunden/Verwandten erleben müssen…

Aber weißt du, ich will mir darüber nicht schon heute den Kopf zerbrechen. Lätitia hat mich gelehrt, daß man viel mehr den Moment genießen sollte. Wir wissen alle nicht, wie lange wir leben werden und was das Leben für uns bereit hält. Und das ist auch gut so. Stell dir mal vor, du wüßtest, was kommt, selbst, wenn es nur Gutes wäre… Würdest du das wirklich wissen wollen? Was immer kommen mag, es ist HEUTE nicht wichtig. Wir sollten jeden noch so kleinen Glücksmoment genießen, der uns über den Weg läuft und uns nicht jetzt schon Gedanken darüber machen, daß dieser Moment morgen schon wieder vorbei sein kann…

Ein Beispiel: meine Mutter ist mit ca. 45 J. Witwe geworden. Dies war sehr schlimm für sie (und natürlich auch für uns Kinder). Aber was ich persönlich für das Schlimmste halte, ist, daß sie schon vorher immer getrauert hat (mein Vater war herzkrank und 24 J. älter als meine Mutter), weil sie wußte, daß es eines Tages so kommen würde…. Aber sie hat doch eine glückliche Ehe geführt. Sie hat diesen alten kranken Mann genommen, obwohl sie wußte, was auf sie zukommt, weil sie in liebte!!! M.E. hätte sie vielmehr die Zeit mit ihm genießen sollen, als schon vorher zu trauern, er lebte doch damals noch und es ging ihm gut.

Genauso geht es mir auch mit Lätitia. Ich habe während der SS soviel Angst um sie gehabt, daß ich die schöne Zeit gar nicht so recht genießen könnt. Und heute denke ich, daß jeder Tag mit ihr, den ich vor lauter Panik nicht genossen habe, ein vergeudeter Tag in meinem Leben war…

Oh Gott, jetzt habe ich aber echt Romane geschrieben. Du siehst, der Tod meiner Kinder hat mich zwar nicht direkt gläubig gemacht, mich aber doch dazu gebracht, viel über das Leben, seinen Sinn, und das „Leben“ danach zu philosophieren.

Ich hoffe, es ist mir halbwegs gelungen, meine Gedanken verständlich zu machen.

Liebe Grüße

Susanne

„RE: Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von Jutta_H am 04-11-2001 um 05:51 Uhr

liebe simone!

Meine Oma sagte über meine Fehlgeburt: „Gott brauchte einen neuen engel“…

hmmm,natürlich versteh ich die gerechtigkeit gottes auch nicht immer.vorallem bei dem was auf dieser welt alles pasiert,aber besonders im bezug auf unsere kleinen

ne richtige hilfe bin ich wohl nicht…

Liebe grüsse

Jutta


„RE: Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von Ingrid am 04-11-2001 um 12:29 Uhr

Liebe Birgit,

ich weiss, dass es Gott gibt. Wenn wir unser Leben ihm übergeben hält er nicht alles schlimme und traurige von uns fern, aber er möchte uns hindurch tragen. Das habe ich in meinem Leben schon oft gespürt und erfahren.

Trotzdem bin ich wütend und enttäuscht von Gott, dass er mir meine Kinder wieder genommen hat. Er muss sehr viel von mir halten, dass er solche Kinderseelen zu mir schickt, die nur ganz kurz bei mir sein dürfen. Ich wünschte er würde nicht so viel vom mir halten und ich dürfte meine Babys im Arm halten und das letzte bald in meinem Bauch strampeln spüren.

Ich weiss, dass es meinen Kindern nun gut geht. Sie liegen in Jesu Armen und warten dort auf mich. Sie können sicher nicht verstehen, warum ich so traurig bin, denn ihnen geht es ja nun so gut. Sie leben jetzt in einer Welt von deren Schönheit ich nur wenig erahnen kann.

Aber mir geht es sehr schlecht. Und ich frage mich, warum mir Gott auch jetzt wieder mein Kindchen weggenommen hat, wo er doch weiss, dass es mir das Herz bricht. Hier werde ich es nicht erfahren und danach wird es mich nicht mehr interessieren.

Trotzdem überlege ich mir, ob ich mit diesem Gott überhaupt noch weitermachen möchte. Ich weiss, dass er meine Zweifel, meine Wut, meine Ängste, meinen Schmerz kennt und auch aushalten kann. Auch wenn ich nun erst mal wütend einen Schnitt in meiner Beziehung zu ihm machen möchte, lässt er mich trotzdem nicht aus den Augen. Trotz allem bleibe ich sein geliebtes Kind. Auch wenn es im Moment wie Hohn für mich klingt.

Liebe Grüße von Ingrid

„RE: Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von Ulla am 05-11-2001 um 09:16 Uhr

Liebe Ingrid,

ich kann dem, was du geschrieben hast, nur zustimmen…

Mir ging und geht es ähnlich in meinem Glaubensleben…

Aber als ich deine Zeilen so las, ist mir etwas wieder eingefallen, was eine liebe Freundin mal zu mir gesagt hat, als ich mal wieder tobte und fragte, warum so viele unschuldige Kinder sterben, ehe sie geboren sind…

Sie meinte, jemand hat ihr mal darauf geantwortet. Diese Kinder sind zu schade für diese schlimme Welt mit ihrem Leid ihren Kriegen und all den schlimmen Dingen…darum holt Gott sie aus Liebe gleich wieder zu sich….

Mir war das ein Trost in meinem Schmerz….ich weiß aber auch, daß es Momente gibt, wo einen nichts trösten kann und trotzdem ist Gott da…

Stille, nachdenkliche Grüße

Uschi