Das Licht auf meinem Weg

aus dem Weihnachtsheft des Bundesverbandes Verwaiste Eltern in Deutschland

Mein Weg ist ein Weg durch ein dunkles Tal. Ein Weg durch viele Fragen, Ängste, Unsicherheiten, viel Wut und Traurigkeit. Ich gehe diesen Weg seit dem 16.11.2001. An diesem Tag habe ich erfahren, dass mein kleiner Sohn Marlon nicht mehr lebt. Ich war in der 39. Schwangerschaftswoche. Bis dahin war die Schwangerschaft völlig problemlos. Am 17.11.2001 wurde unser Marlon still geboren. Es konnte keine Ursache für seinen Tod festgestellt werden.

Es ist so ungerecht, dass unser Marlon nicht bei uns bleiben durfte. Er wurde so liebevoll erwartet von seinen Eltern und seinen beiden Brüdern. Alle haben sich auf ihn gefreut. Ungerecht. Es ist so ungerecht wie die Welt ist, in der wir leben. Es gibt hier keine Gerechtigkeit, in keinster Weise. Wenn ich jetzt nicht mehr an einen guten und gerechten Gott glauben könnte, könnte ich hier nicht mehr leben! Ich habe an Ihn geglaubt, bevor Marlon gestorben ist. Und wenn es die Wahrheit ist, dass Jesus für uns gestorben ist und wieder auferstanden ist, damit wir in einer besseren, gerechten Welt für immer mit Ihm (und unseren Kindern) leben können, dann ist es ja immer noch die Wahrheit, auch wenn mir etwas so Schlimmes passiert ist. Die Wahrheit ändert sich niemals. Sie passt sich nicht an die Umstände an. Sie ist be-ständig, auch wenn alles andere um uns herum kaputtgeht. Jesus hat gesagt:

„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Er ist meine einzige Hoffnung. Das Licht auf meinem Weg. „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte, und ein Licht auf meinem Weg.“ (Psalm 119, 105).

Trotzdem werde ich wahrscheinlich niemals verstehen, wieso ich einen so schweren Weg gehen muss. Ich bin sehr wütend auf Gott, dass er das zugelassen hat. Trotzdem ist Er meine einzige Hoffnung. Für mich ist das kein Widerspruch. Gott kennt unser Herz und er versteht auch unsere Wut. Sonst wäre er nicht Gott! Ich habe von mehreren Betroffenen, die auch ihre Kinder verloren haben, gelesen, dass sie mit Gott nichts mehr zu tun haben wollen. Ich kann das gut verstehen. Ich kann nur für mich sprechen und ich bin froh, dass ich noch glauben kann, dass Gott gut ist und dass ich meinen Marlon irgendwann bei Ihm in meine Arme schließen kann. In der Offenbarung, 21.4, steht:

„Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Schmerz, noch Geschrei wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen.“

Wenn das Erste, also unser Leben hier auf der Erde, vergangen ist, werde ich in einer besseren Welt leben. In einer Welt, wo die Gerechtigkeit Gottes herrscht und wir von seiner Liebe umgeben sind. Mein kleiner Marlon wartet dort auf mich. Jesus sagte:

„Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Matthäus 19,14).

Jesus liebt die Kinder über alles.

Es geht mir nicht gut, davon bin ich noch weit entfernt. Ich vermisse meinen Marlon unendlich. Trotz aller Trauer und Wut bin ich Jesus dankbar, dass er mir durch seinen Tod am Kreuz die Möglichkeit gegeben hat, in Ewigkeit in der Gegenwart Gottes zu leben.

„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt…“(Johannes 11,25).

Vielleicht werde ich eines Tages, wenn ich bei Gott bin, verstehen, wieso ich diesen schweren Weg gehen musste. Vielleicht ist es dort auch nicht mehr wichtig. Ich weiß nur, ich könnte nicht einen Schritt mehr tun, wenn Gott mir diesen Weg nicht erhellen würde.

„Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Johannes 7,12).

Ich wünsche allen, die dieses lesen, dass Gott Ihnen sein Licht sendet und dass sie Hoffnung haben können.

Birgit S.