Der Tod am Anfang des Lebens führt ein Schattendasein

Ursula Goldmann-Posch aus “Wenn Mütter trauern”, S. 62 ff.

Der Tod am Anfang des Lebens führt ein Schattendasein im Ansehen unserer Gesellschaft.

Wenn vom Tod eines Kindes die Rede ist, gilt die Aufmerksamkeit und das Mitgefühl meist jenen Eltern, die ihr Kind durch Krankheit WennMutteroder durch einen Unfall verloren haben.

Von den rund 4.5000 Kinder, die jedes Jahr in der Bundesrepublik während er erste Wochen oder in den erste Stunden nach der Geburt sterben, von den rund 2.500 Kindern, die tot zur Welt kommen, von den schätzungsweise 450.000 Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, spricht kaum jemand.

Der Tod im Mutterleib und das Sterben nach den ersten Atemzügen werden meist totgeschwiegen, als Fehlleistung der Natur abgetan, auf ein Mißgeschick reduziert, das jederzeit durch eine neue Schwangerschaft wieder wettgemacht werden kann. Daß Frauen Föten, Embryos und Totgeborene genauso betrauern wie andere Kinder auch, wird nicht wahrgenommen.

Die moderne, fortschrittliche medizinische Versorgung in Deutschlands Geburtskliniken steht oft in krassem Widerspruch zur seelischen Begleitung, die Eltern von fehl-, früh- oder totgeborenen Kindern erfahren (bzw. nicht erfahren). Die Entbindung des Todes ist für viele Ärzte und Hebammen ein narzißtische Kränkung, die schnell wieder ungeschehen gemacht werden soll.

Viele Frauen – vor allem Mütter mit Fehl- und Totgeburten – machen sich zunächst zu Komplizen der Todesverleugnung in den Klinken. Sie fühlen sich schuldbewußt, weil sie als Trägerinnen des Lebens versagt haben. sie sind fügsam und stellen keine Fragen. Sie wollen schnell und möglichst schmerzlos den Tod im eigenen Leib loswerden, um ihn zu vergessen.

Die quälenden Fragen, die Sebstvorwürfe, die Schuldgefühle, die Trauer kommen erst später, zu einem Zeitpunkt, wo es meist zu spät ist.

Was war mit meinem Kind? Was ist mit ihm geschehen? Liegt es auf dem Klinikmüll? Ist es in der Pathologie? Den Variationen der Alpträume um einen Tod am Anfang des Lebens sind keine Grenzen gesetzt.

In einer Zeit, in der gerne vom “Schutz und von der Würde des ungeborenen Lebens” die Rede ist, bilden trauerfeindliche Bestattungsgesetze einen krassen Gegensatz. Wenn Frauen nach einer glücklosen Schwangerschaft rechtzeitig zum Fragen ermutigt werden, wenn Frauen auch diesen verlorenen Kindern einen eigenen Grabplatz geben dürften, können sie ihre gestorbenen Hoffnung besser betrauern und begraben.