Weltgedenktag – dieser Tag im Jahr gehört Tobias, ganz offiziell

Ein Tag im Jahr gehört Tobias, ganz offiziell. Sonst bleibt oft wenig Raum für unseren ersten Sohn, der bei der Geburt starb. Wir haben inzwischen noch zwei weitere Jungen, Pascal (4 Jahre) und Gideon (2Jahre), die natürlich unsere volle AufmerksamCidi01keit fordern und das ist auch gut so. Aber an jedem zweiten Dezember im Jahr, am Weltgedenktag für alle verstorbenen Kinder, da nehme ich mir den Raum für Tobias und meine Erinnerungen an ihn. Alle anderen Termine an diesem Adventssonntag lehne ich ab mit dem Hinweis auf den Gedenktag und den Gedenkgottesdienst, den ich jedes Jahr in Adendorf bei Lüneburg besuche.

Gerade in dieser für verwaiste Eltern so schwierigen Weihnachtszeit ist ein solcher Tag wichtig. Weihnachten, das Fest der Familien, doch einer wird an diesem Tag fehlen. Vor 6 Jahren war ich zum ersten Mal schwanger. Tobias sollte am 22. Dezember, d.h. so um Weihnachten herum kommen. Viele bedauerten mich : „Da wirst du Heilig Abend wohl im Krankenhaus verbringen müssen“ Ich antwortete immer darauf: „ Was kann der liebe Gott mir schöneres zu Weihnachten schenken, als ein Baby!“

Durch diesen Gedenkgottesdienst hat Tobias einen Platz im Advent und inzwischen auch am Heiligen Abend. Mit meinen beiden anderen Jungs zünde ich wie viel verwaiste Eltern auf der Welt um 19 Uhr eine Kerze für unseren verstorbene Sohn an und auch Pascal und Gideon spüren, daß diese Kerze etwas ganz besonderes ist.

Auch im Gedenkgottesdienst hat für mich das Anzünden einer Kerze , die dann vorne vor dem Altar mit den Kerzen der anderen steht, eine große Bedeutung. So viele Kerzen für so viele Kinder, die nicht mehr bei uns sind und doch in diesem Augenblick uns so nah, wie sonst kaum. Jede Kerze steht für so viele Erinnerungen, Liebe und Sehnsucht.

Ein ganz wichtiges Ritual ist es auch im Gottesdienst, daß die Namen der Kinder vorgelesen werden, gerade für uns Eltern von Kindern, die bei der Geburt starben. Denn die Eltern von totgeborenen Kindern werden fast nie nach deren Namen gefragt, aber auch sonst wird der Name totgeschwiegen, aus Angst, man könnte Wunden aufreißen. Und so ist es für mich eben etwas besonderes, daß Tobias Name vorgelesen wird.

Ob ich diese Jahr auch wieder zum Gottesdienst fahren kann, daß weiß ich nicht so genau, denn ich bin wieder schwanger und unser Baby ist für den 12. Dezember angekündigt, wieder ein Adventskind. Aber auf jeden Fall werde ich am Abend eine Kerze anzünden und an meinen Tobias denken.

© Pirko Lehmitz, www.Stillgeboren.de 2003