Abschiedsfeier für die ganz Kleinen auf dem Öjendorfer Friedhof

am 3. November 2004

Blattmeditation

Die Blätter verfärben sich in rot, gelb OjendorfBlatt2 , orange. Durch den Herbstnebel hindurch glühen die Farben. Leise schweben die Blätter zur Erde, als ob eine Melodie sie zum Tanzen bringt.

Dann: Der Wind reißt sie fort. Die Bäume werden kahl. Das Werden der Natur endet in einem bunten Abgesang. Die Erde legt sich zur Ruhe. Werde und Stirb – der ewige Kreislauf der Geschöpfe. So ist es richtig.

Ganz anders der Anlass, weswegen wir heut zusammen gekommen sind. Der Kreislauf von  Werden – Leben – Reifen – Vollendung und Sterben ist nicht zum Tragen gekommen.

Die Weltordnung wurde auf den Kopf gestellt, als die Kinder vor der Zeit starben. Vor der Zeit, die sie ins Leben mit Ihnen als Eltern, als Familie, als Freunde der Familie bringen sollte. Bevor die Zeit überhaupt wirklich begann. Ein Geschenk, das Sie erhalten hatten, ist bitter geworden. Es gab einen Traum: Der Baum des Lebens der Familie zeigt schon knospende Blätter. Es schien schon so klar: Dieser Baum wird in der Pracht seiner belaubten Krone stehen. Dieser Baum des Lebens wird ein Zeichen für die Zukunft sein, für Fülle des Lebens … Doch es ist wie ein eiskalter Hauch gewesen, der über die zarten Blattknospen wehte und sie erfroren hat. Zurück bleibt ein gezeichneter Baum, voller Schmerz über den Verlust dieses besonderen Blattes, zurück bleibt vielleicht die Wut über den eisigen Wind, der die Knospe vernichtet hat. Zurück bleiben die Ohnmacht und die Trauer des Baumes. Der Frost hat eine Narbe in die Rinde gebrannt, ein Erinnerungszeichen.

Der Traum bleibt, die Sehnsucht bleibt. Der Baum des Lebens bleibt, aber verändert.

Ich stehe heute als Seelsorgerin und Theologin vor Ihnen. Vielleicht hilft ihnen in ihrer Trauer die Klage:
Ojendorfblatt1
Gott, mein Gott, warum bist du so fern? Wo bist du mit deiner Liebe, die uns tragen sollte durch die Klippen des Lebens? Du bist uns fremd geworden. Unser Schmerz und das Leiden unserer Seele sind unermesslich. Unser Herz weint Tränen.

Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. Gott, hilf doch der wunden Seele. Ich vertraue darauf. Du bist Hilfe dort, wo keine Hilfe mehr uns erreicht.

AMEN

Christina Tegtmeyerve_logo
(Mitglied im Vorbereitungsteam der Abschiedsfeiern
Verwaiste Eltern Hamburg e.V. www.verwaiste-eltern.de)