Alle Beiträge von Pirko Lehmitz

Weg

Ich möchte Dir so gerne versprechen
daß ich aufhöre zu weinen
doch ich weiß nicht wann
daß ich wieder lachen werde
doch ich weiß nicht worüber
daß ich wieder Klavier spielen werde
doch ich weiß nicht für wen
daß ich wieder hoffen werde
doch ich weiß nicht worauf

Bitte sei mir nicht böse
aber eines verspreche ich Dir jetzt und heute
Du wirst immer in meinem Herzen bleiben
und ich werde Dir und Deinem Großvati
noch etwas Zeit für Euch geben
denn ich darf Deinen Vati nicht alleine lassen

20.12.1997

Plötzlich wurde es Nacht
mitten an einem schönen Sommertag
das Licht erlosch
Dunkelheit und Kälte
wo eben noch Glück und Leben
in mir
um mich herum
nur Lähmung und Schweigen
ohne Dich wage ich keinen Schritt
um nicht noch tiefer
in der Dunkelheit zu versinken
bitte führe mich aus der Finsternis
zurück ins Leben
zeige mir den Weg
damit die Sonne wieder aufgeht
ich wieder wage zu leben
ganz neu

02.01.1998

Explodiert
wie ein Vulkan
die Sonne verfinstert sich
rote leuchtende Lava strömt heraus
keiner kann sie aufhalten
sie ebnet sich ihren Weg
auch dort wo vorher keine Wege waren
sie verwüstet alles
kein Stein bleibt auf dem anderen
Trostlosigkeit
mit bloßen Händen
gegen die schwarze Masse
mühsamer Versuch den Berg abzubauen
und im nächsten Augenblick
bricht er wieder aus
Sinnlosigkeit
nie
nie wieder wird es so wie vorher sein
der Weg aus der schwarzen Wüste
in die grüne Landschaft
ist einsam steinig und weit

26.01.1998

wendytrauerbildkl
Wendy Hasler

Geöffnet hast Du mir so viele Türen
aber auf einmal glaube ich zu spüren
diese führt mich

zu meinem Ziel
aber vielleicht erwarte ich auch zuviel

Eine Reise in das innere Ich
kaum wiedererkannt habe ich mich
vielleicht werde ich mich ganz verlieren
der Weg mich zu Dir führen

Was auch immer geschieht mit mir
gefaßt sein werde ich auf das Hier
werde es geschehen lassen
auch wenn es kaum zu fassen

Durch die Hölle muß ich geh’n
um auf eigenen Beinen zu steh’n
die Dunkelheit umgibt mich sanft
vielleicht verliere ich auch meinen Kampf

Der Tod hat seinen Schrecken verloren
nur weil ich Dich geboren
und Du bist dabei gleich gegangen
wie soll ich mich je wieder fangen

Meine Zukunft hast Du mitgenommen
meine Träume sind davon geschwommen
bringst Du sie mir zurück
damit ich wieder empfinden kann das Glück

16.06.1998

Für Monika

Du hast es gesehen
ganz deutlich
das Licht am Ende des Tunnels
es hat Dir den Weg durch die Nacht gezeigt

Aber plötzlich wurde es ausgeblasen
ein kleiner Windhauch
und es erlosch
er kam aus dem Nichts

Als es erlosch
hattest Du das Gefühl
Deine Zukunft
kaum geboren
starb mit ihm

Laß es uns wieder anzünden
meine Hände werden ihm Schutz geben
es wird wieder leuchten
Dich weiter auf Deinem Weg
durch die Finsternis begleiten
um Dich sicher ans Ziel zu führen

Vertraue darauf
das Licht wird Dir helfen
sie wieder zu finden
Deine Zukunft
sie war nur ganz kurz hinter einer Wolke entschwunden

Denn ich vertraue
ganz fest darauf
wir werden ihn hier
zu Ende gehen
gemeinsam
jeder seinen Weg

09.07.1998

© Pirko Lehmitz

Angst

Jedes Mal habe ich Angst
Angst es wird nicht mehr aufhören
Angst ich werde aufgeben
Angst da ist keine Hand die mich herauszieht
Angst alles egal zu sein
Angst es irgendwann zu ersehnen

© Pirko Lehmitz 02.12.1997

Am Abgrund spazieren
ein kleiner Schritt in die Unendlichkeit
was hält mich ihn nicht zu gehen
Freiheit
unendliche Freiheit
keine Erwartungen mehr erfüllen
keine Rechenschaft geben
nicht mehr allein sein
einfach nur schweben
unter mir gibt der Boden nach
warum sollte ich mich festhalten
wer kann mir verbieten
mich einfach fallen zu lassen
warum den mühsamen Weg nach Hause suchen
wenn der schnelle mich direkt zu Dir führt

© Pirko Lehmitz 03.12.1997

Ich höre sie rufen
leise aber unüberhörbar
willenlos folge ich ihrer Stimme
Stufe für Stufe steige ich hinab
in die Dunkelheit
halte inne
versuche umzudrehen
doch ich werde gepackt
und im Sturzflug in die Tiefe gerissen

© Pirko Lehmitz 13.02.1998

Ich habe Angst
Angst vor mir selbst
Angst den Weg nicht zu Ende zu gehen
Angst die Einsamkeit nicht mehr ertragen zu können
Angst den Spiegel zu durchbrechen
und in die Unendlichkeit zu fallen

© Pirko Lehmitz 23.05.1998

Die Tür fällt ins Schloß
der Riegel wird herumgerissen
dunkles kaltes Verließ
gebaut aus den Mauern meiner Angst
bewacht durch mich selbst
nur ich kann mich wieder entlassen
wo finde ich den Schlüssel
den Schlüssel zu mir selbst
der mich die vielen verriegelten Türen
aufschließen läßt
damit die Sonnenstrahlen
mir den Weg nach oben zeigen
heraus aus meiner Einsamkeit

© Pirko Lehmitz 26.02.1998

Wie ein Luftballon der in den Himmel steigt
der Weg zu Dir ist so unendlich weit
den Himmel einfach nur berühren
um dann ganz fest zu spüren
so wie wir einander kennen
wird uns nichts mehr trennen
in meinem Herzen werde ich Deine Stimme immer hören
unsere Gemeinsamkeit kann keiner stören

Wenn ich die Angst erst überwinden kann
um auszubrechen aus dem dunklen Bann
werden meine Tränenströme schwinden
und ich meinen Weg ganz sicher finden
durch die Nacht dem Licht entgegen
begleiten wirst Du mich auf meinen Wegen
an Deiner Hand laß ich mich führen
um das Glück ganz intensiv zu spüren
das Wissen wie kostbar ist das Leben
hat mir erst Dein Tod gegeben

© Pirko Lehmitz 31.05.1998

 

Spuren im Sand


Eines Nachts hatte ich einen Traum: Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn. Vor dem dunklen Nachthimmel erstrahlten, Streiflichtern gleich, Bilder aus meinem Leben. Und jedesmal sah ich zwei Fußspuren im Sand, meine eigene und die meines Herrn.

SpurenimSandklAls das letzte Bild an meinen Augen vorübergezogen war, blickte ich zurück. Ich erschrak, als ich entdeckte, daß an vielen Stellen meines Lebensweges nur eine Spur zu sehen war. Und das waren gerade die schwersten Zeiten meines Lebens.

Besorgt fragte ich den Herrn: „Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen, da hast du mir versprochen, auf allen Wegen bei mir zu sein. Aber jetzt entdecke ich, daß in den schwersten Zeiten meines Lebens nur eine Spur im Sand zu sehen ist. Warum hast du mich allein gelassen, als ich dich am meisten brauchte?“

Da antwortete er: „Mein liebes Kind, ich liebe dich und werde dich nie allein lassen, erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten. Dort wo du nur eine Spur gesehen hast, da habe ich dich getragen.“

 Margaret Fishback Powers
Copyright ©1964 Margaret Fishback Powers
Copyright © der deutschen Übersetzung 1996 Brunnen Verlag Gießen.
www.brunnen-verlag.de

Joseph von Eichendorff

Im April 1815 hatte Eichendorff in Breslau Luise von Larisch geheiratet, noch im gleichen Jahr wurde sein erster Sohn Hermann geboren, 1817 der zweite Sohn Rudolf, 1819 die Tochter Therese und 1821 die Tochter Agnes, die jedoch im folgenden Jahr starb.

Auf meines Kindes Tod

Das Kindlein spielt draußen im Frühlingsschein
Und freut sich und hatte so viel zu sehen,
Wie die Felder schimmern und die Ströme gehen
Da sah der Abend durch die Bäume herein,
der alle die schönen Bilder verwirrt.
Und wie es nun ringsum so stille wird,
Beginnt aus den Tälern ein heimlich Singen,
Als wollt’s mit Wehmut die Welt umschlingen,
die Farben vergeh’n und die Erde wird blaß.
Voll Staunen frag’s Kindlein: ach, was ist das?
Und da legt sich träumend in’s säuselnde Gras;
Da rühren die Blumen ihm kühle an’s Herz
Und lächelnd fühlt es so süßen Schmerz,
Und die Erde, die Mutter so schön und bleich,
Küßt das Kindlein und läßt’s nicht los,
Zieht es herzinnig in ihren Schoß
Und bettet es drunten gar warm und weich
Still unter Blumen und Moos.

Und was weint ihr, Vater und Mutter, um mich?
In einem viel schöneren Garten bin ich,
der ist so groß und weit und wunderbar.
Viele Blumen steh’n dort von Golde klar
Und schöne Kindlein mit Flügeln schwingen.
Auf und nieder sich drauf und singen.
Die kenn‘ ich gar wohl aus der Frühlingszeit,
Wie sie zogen über Berge und Täler weit.
Und mancher mich da aus dem Himmelblau rief,
wenn ich drunten im Garten schlief.
Und mitten zwischen den Blumen und Scheinen
Steht die schönste von allen Frauen,
ein glänzend Kindlein an ihrer Brust.
Ich kann nicht sprechen und auch nicht weinen,
nur singen immer und wieder dann schauen
still vor großer, seliger Lust.

Joseph von Eichendorff

Auf den Tod meines Kindes

Freuden wollt‘ ich dir bereiten,
zwischen Kämpfen, Lust und Schmerz
Wollt‘ ich traulich dich geleiten
Durch das Leben himmelwärts.

Doch du hast’s allein gefunden.
Wo kein Vater führen kann,
durch die ernste, dunkle Stunde
Gingst du schuldlos mir voran.

Wie das Säuseln leiser Schwingen,
draußen über Tal und Kluft,
Ging zur selben Stund ein Singen
Ferne durch die stille Luft.

Und so fröhlich glänzt‘ der Morgen
S war als ob das Singen sprach:
Jetzo lasset alle Sorgen,
Liebet ihr mich, so folgt mir nach!

2
Ich führt‘ dich oft spazieren
In Winter-Einsamkeit,
kein Laut ließ sich da spüren,
Du schöne, stille Zeit!

Lenz ist’s nun, Lerchen singen
Im Blauen über mir ,
Ich weine still  sie bringen
Mir einen Gruß von dir.

3.
Die Welt treibt fort ihr Wesen,
Die Leute kommen und gehen,
Als wärst du nie gewesen,
Als wäre nichts gescheh’n.

Wie sehn‘ ich mich auf’s neue
Hinaus in Wald und Flur!
Ob ich mich gräm‘, mich freue,
Du bleibst mir treu, Natur.

Da klagt vor tiefem sehnen
Schluchzend die Nachtigall,
Es schimmern rings von Tränen
Die Blumen überall.

Und über alle Gipfel
Und Blütentäler zieht
Durch stillen Waldes Wipfel
Ein heimlich Klagelied.

Da spür‘ ich s recht im Herzen,
dass du’s, Herr, draußen bis
Du weiß’s, wie mir von Schmerzen
Mein Herz zerrissen ist!

4.
Von fern die Uhren schlagen,
Es ist schon tiefe Nacht,
Die Lampe brennt so düster,
Dein Bettlein ist gemacht.

Die Winde nur noch gehen
Wehklagend um das Haus,
Wir sitzen einsam drinnen
Und lauschen oft hinaus.

Es ist, als müsstest leise3
Du klopfen an die Tür,
Du hätt’st dich nur verirret,
Und kämst nun müd‘ zurück.

Wir armen, armen Toren!
Wir irren ja im Graus
Des Dunkels noch verloren ‚
Du fandest längst nach Haus.

5.
Dort ist so tiefer Schatten,
Du schläfst in guter Ruh,
Es deckt mit grünen Matten
Der liebe Gott dich zu.

Die alten Weiden neigen
Sich auf dein Bett herein,
Die Vöglein in den Zweigen
Sie singen treu dich ein.

Und wie in goldnen Träumen
Geht linder Frühlingswind
Rings in den stillen Bäumen
Schlaf wohl, mein süßes Kind!

Mein liebes Kind Ade!
Ich konnt‘ Ade nicht sagen
Als sie dich fortgetragen,
vor tiefem, tiefem Weh.

Jetzt auf lichtgrünem Plan
Stehst du im Myrtenkranze
Und lächelst aus dem Glanze
Mich still voll Mitleid an.

Und Jahre nah’n und geh’n,
Wie bald bin ich verstorben
O bitt‘ für mich da droben,
dass wir uns wiederseh’n!

Joseph von Eichendorff

 

Renate Salzbrenner

1992 nahm sich der Sohn Christian mit 27 Jahren das Leben. Nach dem Tod ihres Sohnes fand Renate Salzbrenner Hilfe in eine Selbsthilfegruppe, für Eltern, die ihr Kind durch Suizid verloren. Später leistete sie eigenen Einsatz in der Bamberger Gruppe “Trauer nach Suizid” und bietet heute noch Seminare und Einkehrtage für trauernde Eltern nach dem Suizid ihres Kindes an. Seit 1995 hat sie mehrere Bücher, sowohl Gedichte als auch Berichte veröffentlicht, darunter auch “Auf einen Regenbogen” Gedichte zur Trauer und Hoffnung, woraus diese Gedichte stammen.

Im Land der Trauer

Im Land der Trauer
will die Nacht
nicht mehr aufwachen.
Mond und Sterne haben
längst ihr Leuchten
eingestellt.
Selbst die Schatten
gingen in der Finsternis
verloren.
Schwarze Gräser
säumen unseren Weg,
den wir nicht sehen.

Doch jede Hand,
die man uns entgegenstreckt,
verwandelt
sich in Licht.

Was ich verlor


Als du starbst,
verlor ich meine Neugier.
Jemanden wie du
wird mir nicht mehr begegnen.
Auf wen sollte ich warten?

Als du starbst,
verlor ich meine Unbefangenheit,
diesen Glauben an:
Es wird schon wieder.
Schrieb sich in meine Haut:
Nie wird es wieder!
Als du starbst,
verlor ich miene Jugend.
Beugte sich mein Körper,
wuchs der Erde entgegen,
zu der er mal wird.

Als du starbst,
verlor ich meine Ängste.
Jeden Tag nehme ich
wie meinen letzten
Schlafe abends ein
mit meinen kargen Träumen

Meine beiden Gesichter


Meine beiden Gesichter
Geht es dir gut,
werde ich gefragt
im Vorübergehen.
Doch, gut, sage ich
und zeige
das passende Gesicht:
mein gutgehendes Gesicht.

Mein anderes Gesicht
verberge ich liebevoll
unter meiner Kleidung.
Zuhause ziehe ich
mich aus.
Dann darf es
seine Trauer tragen.

Hermann Hesse

Jetzt bist du schon gegangen, Kind,
Und hast vom Leben nichts erfahren,
Indes in unseren welken Haaren
Wir Alten noch gefangen sind.
Ein Atemzug, ein Augenspiel,
Der Erde Luft und Licht zu schmecken,
War Dir genug und schon zu viele;
Du schliefest ein ,nicht mehr zu wecken.
Vielleicht in diesem Hauch und Blick
Sind alle Spiele, alle Mienen
Des ganzen Lebens dir erschienen,
Erschrocken zogst du dich zurück.
Vielleicht wenn unsre Augen, Kind,
Einmal erloschen, wird uns schienen,
Sie hätten von der Erde, Kind,
Nicht mehr gesehen als die deinen.

Gedichte – Einsendungen

Das Licht

Ich sah einen Kleinen Jungen, der trug eine Kerze. Ich fragte ihn: „Wo ist denn das Licht her?“

Da blies er es aus und fragte zurück: „Kannst Du mir sagen, wo es nun hingegangen ist?“
                               Hassan v. Basra

 

Tränen als Hilfe Seelisches Leid,
als Ausdruck von Mitgefühl ,Mitleid und Mitfreude,
Tränen der Trauer und Rührung,
der Freude und des Glücks kurz:
Tränen als Ausdruck von Gefühlen ,
ihrer brauchen wir uns nicht zu schämen ,
wir sollten sie ruhig fließen lassen .

       Anne Burda.

Mein lieber Yannick

Ich kenne dein Gesicht –
ohne je die Farbe deiner Augen gesehen zu haben.

Ich spüre noch immer Deine Berührungen –
ohne daß mich deine kleinen Hände
je gestreichelt haben.

Ich sehe deinen kleinen Mund vor mir –
ohne daß ich ihn je Mama sagen hörte.

Ich hielt dich in meinem Arm –
ohne dich je in den Schlaf gewiegt zu haben.

Ich habe dich geboren –
ohne dir Leben geschenkt zu haben.

Manja

Ich suche Dich

Ich suche Dich.
Wenn nachts die Sterne am Himmel stehn. Mir ist, als müsste ich unter alle den Sternen auch Deinen sehn.
Und eh am morgen die Sonne erwacht, hab ich voll Trauer schon an Dich gedacht.

Ich suche Dich.
Im Frühling, wenn die Blumen blühen, die Vögel lustig durch die Lüfte ziehen.
Wenn weisse Wolken ziehn am Himmelsbogen, wenn in des Sommers Glut die Ähren wogen.

Ich suche Dich.
Wenn dann im Herbst die Früchte reifen, die kalten Winde über Stoppeln streifen, wenn weisse Flocken fallen sacht, beim Kerzenschimmer in der Heiligen Nacht.
Ich suche Dich, bis ich Dich wieder find, im Himmel droben, mein geliebtes Kind.

Simone Woehner

Erinnerung

Tautropfen spiegeln sich im Mondlicht
und ich sehe darin lachende Kinderaugen
wie sie mir zublinzeln.

In ihnen erkenne ich die Freuden einer gemeinsamen Zeit,
die uns durch nichts zu nehmen ist.

Ich erinnere mich an Deine Lebenslust
und lächle bei dem Gedanken an Deine Ungeduld.

Für mich halte ich diese Erinnerung wach
und auch die Trauer nimmt Dich nicht von mir.

Du bist ein Teil meines Lebens
und der Gedanke an Dich stimmt mich glücklich
auch wenn Du durch die Erinnerung lebst.

Simone Woehner

Still, seid leise,
es waren Engel auf der Reise.
Sie wollten ganz kurz bei Euch sein,
warum sie gingen, weiss Gott allein.

Sie kamen von Gott,
dort sind sie wieder,
wollten nicht auf unsre Erde nieder.

Ein Hauch nur bleibt von ihnen zurück.
in Euren Herzen ein großes Stück.
Sie werden jetzt immer bei Euch sein,
vergesst nie, sie waren so klein.

Geht nun ein Wind, an mildem Tag,
so denkt, es war ihr Flügelschlag.

Und wenn ihr fragt,
wo mögen sie sein?
Ein Engel ist niemals allein.

Sie können jetzt alle Farben sehn
und barfuss durch die Wolken gehen.
Vielleicht lassen sie sich hin und wieder
bei den Engeskindern nieder.

Und wenn ihr sie auch sehr vermisst
Und weint, weil sie nicht bei Euch sind,
so denkt, im Himmel wo es sie nun gibt
erzählen sie stolz:

wir werden geliebt

Simone Woehner

Der Himmel ist hell, der Himmel ist blau
und irgendwie, das weiss ich genau,
irgendwo da oben und ganz bestimmt nicht allein,
irgendwo da oben musst Du sein;
auf einer Wolke oder so, aber ganz bestimmt dort oben irgendwo.

Simone Woehner

 Du fehlst mir so sehr,
wie ein Traum mir fehlt,
den du nicht träumen kannst,
weil du aufwachen musst.
Auch Dich
habe ich nicht zu Ende geträumt.

Stark!

Es war ein Kampf,von Anfang an.
Stark muüßte ich sein,wenn auch allein.
Stark war ich,besiegte auch dies.
Dachte ich.
Doch verlor auch Dich!
Ich liebe Dich mein Sohn!

Stefanie

Für Julia (6 Jahre) und Tobias (4 Jahre)
gestorben am 28.06.2002

ALLEIN

Allein aufstehen –
Ohne den Duft verschwitzter Wuschelköpfe in meinem Bett
Allein frühstücken –
Ohne Nutellabrot und Sprudeltablette mit Strohhalm
Allein bügeln
Ohne Höhlenbauer und Trampolinspringer
Allein auf den Markt gehen
Ohne gelbe Rüben und Gelbwurst zu bekommen
Allein tanzen
Ohne dass jemand mitmacht
Allein Petterson und Findus anschauen
Ohne dass zwei Blondschöpfe quietschen vor Vergnügen
Allein auf dem Sofa Sitzen
Zwei Bärchen auf dem Sessel gegenüber
Ohne meine süßen auf dem Schoß
Nicht mehr ganz so allein,
wenn mein Schatz nach Hause kommt,
und ich mit ihm über Euch reden kann,
über’s Kuscheln, Frühstücken, Vorlesen,…
als Ihr noch da ward.

17.10.2002

Hoffnung

Wird er wirklich eines Tages gehen
der Schmerz
der mein Begleiter ist
so lange schon
und doch so kurz

Wird er sich verziehen
der Nebel
der mich oft noch
Dinge unwirklich wahrnehmen läßt
mich Menschen ungerecht behandeln läßt

Wird er sich legen
der Sturm
der mir ins Gesicht bläst
mich auf der Stelle treten läßt
und mich zurückwirft

Wird es eines Tages tauen
das Eis
das mich frieren läßt
von innen

Wird es geschehen
daß es anders wird
ganz anders
nicht ein bißchen
nicht manchmal
sondern immer

Wird meine Hoffnung sich erfüllen
Hoffnung mit dem Namen Gott
niemand sonst
kann den Tod überwinden…

Birgit, Dezember 2004

Für die, die immer fragen, was los ist mit mir…..

Es ist nicht, daß ich nicht glücklich bin
Es ist nicht, daß ich nicht lachen kann
Das ist es nicht

Es ist nicht, daß ich die Sonne nicht sehe
und nicht den Mond und die Sterne bewundere
in der Nacht
Das ist es nicht

Es ist nicht, daß ich nicht dankbar bin
für alles, was mir Gott geschenkt hat
Das ist es nicht

Doch es ist diese Traurigkeit
die tief in meinem Herzen weilt
die sich den Weg nach draußen sucht
und mich manchmal zusammenbrechen läßt

Es ist dieser Teil von mir
der niemals sein wird
wie er war
weil er schon
mit meinem Sohn
gegangen ist

So mein Freund
erwarte nicht
daß ich dieselbe werde
die ich war
das ist es nicht
was ich will….

Birgit, 2004

For sure

For sure I will be walking
with you here by my side
I`m with you now
for all my days
and with you every night

For sure I will be missing you
and this will be for ever
if someone asks
„When will this end?“
then I will answer
„Never!“

For sure, my son,
I love you
more than this life I live
But I will keep on walking
I got something to give

And that`s the love you showed me
that I would never know
if I had never met you
my son
I love you so!

Birgit, 2002

Meine Folgeschwangerschaft

Die ersten Wochen – Zeit einer vorsichtigen Begrüßung

Ja, und dann – bereits kurz vor Tobias Geburtstag – kam es schneller als erwartet:

Im März hatte ich das erste Mal wieder gemerkt, daß der Gedanke an eine neue Schwangerschaft mir nicht mehr weh tut. Bis dahin war ich immer in Tränen ausgebrochen, allein bei dem Gedanken. Um so erleichtert war ich dann, daß die OP so gut verlaufen war. Und kaum hatten die Ärzte grünes Licht gegeben, da war ich auch so gleich schwanger.

Kai hat sich gefreut wie ein Schneekönig, doch ich kam am Anfang so gar nicht damit klar. Als ich überfällig war und mir wie nebenbei einen Test kaufen wollte, da ging es nicht. Ich habe vor der Apotheke umgedreht, mich mitten in der Fußgängerzone auf eine Bank gesetzt und geheult. Dann dachte ich, warum quälst du dich eigentliche, dann laß es doch. Ich ging dann erst einmal zu Budni, um ein paar Grabkerzen für Tobias zu kaufen. Vor mir an der Kasse stand eine Mutter, die stöhnte, sie müsse soviel schleppen für ihr Kind, die Gläschen und die Teeflaschen seien so schwer. Ich muß niemanden erzählen, wie ich mich gefühlt habe. Ich hätte ihr am liebsten die Kerzen in die Hand gedrückt und gefragt, ob sie tauschen wolle, die Kerzen seien sehr leicht. Was für ein Gesicht sie dann wohl gemacht hätte?

Auf den Weg nach Hause kam ich dann aber an einer kleinen Apotheke vorbei, deren Tür offenstand und dort bin ich dann hineingegangen, habe meine Grabkerzen, die ich gerade für Tobias gekauft hatte, auf den Tresen gelegt und mit völlig verheulten Gesicht gesagt, daß ich gerne einen Schwangerschaftstest hätte. Die arme Apothekerin guckte mich nur mitleidig an und gab mir den Test.

Ich brauchte einige Wochen, um überhaupt das neue kleine Wesen in mir aufzunehmen. Vom Kopf her war ich schwanger, aber vom Herzen hat es fast vier Monate gedauert. Besonders die Tiefs, die zwischendurch kamen, machten mir zu schaffen. Ich trauerte um Tobias, und der kleine Fratz in mir gab mir kaum Trost und ich hatte noch ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber.

Reaktionen in unsere Babygruppe

Gerade in einer Folgeschwangerschaft braucht man die Unterstützung von anderen, die die Sorge, Ängste und Trauer nachempfinden können. Als ich im August in der Gruppe meine Schwangerschaft bekannt gab, war ich die dritte, die wieder schwanger war. Der Abend war vernichtend. Eine Mutter erklärte, daß sie nicht länger in der Gruppe bleiben könne und verließ uns sofort (Auch sie hat vor wenigen Tagen ihr Folgebaby bekommen). Zwei andere Mütter, die wie ich wußte, sich seit einigen Monaten eine neue Schwangerschaft wünschten, erklärten, daß sie wohl auch aussteigen würden ( Beide wurden kurz danach selber schwanger – blieben in der Gruppe. Lars wurde sogar drei Wochen vor Pascal geboren).

Ich hatte das Gefühl, ich würde “spießrutenlaufen”. Unsere Begleiterin, die sehr viel Erfahrung hat und sehr routiniert ist, machte das Thema Folgeschwangerschaft sofort an dem Abend zum Thema. Sie ging mit beiden Seiten sehr hart ins Gericht. Nach dem Motto, beide Seiten hätten doch hier die Chance zu lernen, wie man damit umgehe, denn “draußen” gäbe es schließlich auch Schwangere bzw. werde man als Folgeschwangere verletzt.

Die Tage danach war ich völlig fertig, da die ersten beiden Schwangerschaften sehr positiv aufgenommen worden waren. Nach diesem Abend wollte ich nicht mehr in die Gruppe gehen. Erst nach längerem guten Zureden einer anderen Mutter, entschloß ich mich doch anders. Als die beiden anderen auch schwanger waren, war es kein Thema mehr. Inzwischen sind alle 9 Folgebabies auf der Welt, ein kleines Mädchen allerdings 10 Wochen zu früh, hat sich aber zwischenzeitlich prächtig entwickelt. So fand ich sowohl in der Gruppe zu den Abenden, als auch privat sehr viel Unterstützung, ohne die ich diese Schwangerschaft nicht so gut durchgestanden hätte.

Angst in der neuen Schwangerschaft

So um die 8 Woche herum bekam ich dann doch wieder Streptokken. Die Arzthelferin hatte mir nur eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen, daß mein Abstrich nicht in Ordnung sei und ich mir ein Rezept herausholen solle. Toll, ich hörte dies abends um kurz vor 8 Uhr ab, als ich von der Arbeit kam. Niemand war jetzt mehr zu erreichen, ich war allein zu Hause und bekam Panik. Doch was sollte ich machen. Ich war froh, als ich endlich Ulrike aus unserer Babygruppe erreichte, die auch gerade mit Paul schwanger war. Sie redete mindestens eine Stunde auf mich ein und konnte mich dann endlich wieder beruhigen. Gleich morgens ging ich dann zu meinem Gyn und blieb auch den Tag zu Hause. Die Firma war mir einfach völlig egal. Die Streptokokken erwischten mich noch zwei mal. Da aber jetzt bei jeder Untersuchung, d.h. alle 14 Tage ein Abstrich gemacht wurde, behielten wir sie im Griff.

Zerrissenheit in meinen Gefühlen für meinen Söhne

Da ich aufgrund der schlechten Erfahrungen in der Firma nicht so schnell etwas sagen wollte, habe ich es erst mitgeteilt, als es sich nicht mehr verheimlichen ließ und es selbst den Partnern schon aufgefallen war. Ich habe daher bis November voll durchgepauert und bin abends, nachdem mir Kai etwas zu essen eingetrichtert hat, nur noch ins Bett gefallen. So ausgepumpt, habe ich auch nichts mehr geschrieben, weder an Tobias, noch Gedichte und schon gar keine Briefe. Vielleicht suchte in der Arbeiten auch nur die Möglichkeit, mich abzulenken. Bloß nicht wieder so viel grübeln. Ich hatte keine Ahnung wie ich alles unter einen Hut kriegen sollte: Die neue Schwangerschaft, meine Ängste, die Trauer, das schlechte Gewissen Tobias und auch dem Kleinen in mir gegenüber und natürlich auch die Reaktionen im Büro.

Bis auf die letzten 8 Wochen vor der Geburt  bin ich ganz gut auf diese Weise damit klar gekommen. Meine Angst, es könnte wieder etwas passieren, hat sich in Grenzen gehalten und auch die Tiefs waren erträglich. Aber als ich mit dem Geburtsvorbereitungskurs angefangen habe – bei Tobias hatte ich ja noch keinen gemacht – da kam doch einiges wieder hoch. Ich hatte aber Glück, eine sehr sensible Vorbereiterin ( Ulrike hatte sie bereits getestet und für gut befunden) und ein ganz tolle Gruppe erwischt zu haben. Schon bei der Anmeldung erzählte ich von Tobias. Diana nahm es gut auf und erklärte, daß gerade solche Eltern eine Gruppe mit ihren Erfahrungen bereichern können. Natürlich habe ich auch gleich bei der Vorstellungsrunde erzählt, was uns passiert war. Ich hätte mir einfach nicht vorstellen können, daß ich – noch dazu war ich in diesem Kurs die einzige Zweitgebärende – meine erste Schwangerschaft, die Erfahrungen und die Geburt von Tobias hätte verschweigen können. Es wurde von der Gruppe sehr gut aufgenommen. An späteren Abenden wurde ich auch ganz konkret zu Tobias gefragt. Ehrlich gesagt, habe ich es dann genossen, daß ich von meinen Geburtserfahrungen mal erzählen durfte, denn sonst verstand keiner, daß ich ja bereits eine Geburt hinter mir hatte. Auf Fragen von Freunden oder aus der Familie, ob ich nicht Angst vor der Geburt und den Schmerzen hätte, antwortete ich: “Nein, ich weiß ja was auf mich zukommt und nach Tobias Geburt, kann es doch eigentlich nur besser werden.”.

Noch dazu kam, daß es wieder Ärger in der Firma gab, Zusagen, die mir gemacht wurden, als meinen Schwangerschaft noch nicht bekannt war, wurden plötzlich nicht mehr eingehalten ohne jede Begründung, mir wurde es noch nicht einmal gesagt. Ich habe meinen Bestand an Akten seit November abgebaut und so mich nach und nach aus der Arbeit zurückgezogen. Ob ich nach der Geburt dort noch weiter arbeite, wußte ich noch nicht, hatte aber zu diesem Zeitpunkt das Gefühl, nein, es reicht.

Auch als ich nun anfing, Babysachen von Freundinnen zu bekommen, denn für Tobias hatte ich noch nichts, nicht einmal einen Strampler für die Beerdigung, da merkte ich, daß noch einmal einiges an Trauer hochkam. Ich hatte alles in mir aufgestaut und an einem Abend in unserer Gruppe, wo ich gerade sagen wollte, es ginge mir sehr gut, da schossen mir Tränen in die Augen. Meine Strategie des Abschirmens, um meinen kleinen Pascal in mir und mich zu schützen, zerbrach. Es hat es eine Weile gedauert, bis ich mir bewußt wurde, daß es nicht einfach nur die alte Trauer war und die Sehnsucht nach Tobias, die hochkam, sondern insbesondere auch meine Gefühle: Wird weiterhin auch für Tobias in meinen Herzen Platz sein, wenn erst Pascal auf der Welt ist? Ich fing also wieder an “zu arbeiten”, ich schrieb wieder, dachte viel an ihn, gestattete mir meine Tränen und erklärte Pascal, daß ich so traurig sei, weil ich seinen Bruder so vermisse. Tatsächlich ging es mir dann wieder besser, der Druck war raus und ich schaffte es, mir für beide Zeit zu nehmen. So konnte ich die letzten Wochen der Schwangerschaft so richtig genießen.

Alte Enttäuschung über die Familie brach wieder auf

Das einzige, was mich noch wütend machte, war der Gedanke, wenn Pascal da sein wird, wird meine Familie Sonnenschein – ich habe irgendwann angefangen, meine und Kais Familie so zu nennen, da sie seit sie von meiner Schwangerschaft wußte wieder an mir interessiert waren, eben nur für die schönen Seiten im Leben – mich unbedingt sofort besuchen kommen will. Nach Tobias Geburt hatte mich keiner von ihnen besucht. Dabei hätte ich gerade zu dieser Zeit mich über jeden Besuch gefreut. Niemand von ihnen wollte mich damals sehen. Ich hatte damals das Gefühl, wer will denn schon so eine Versagerin sehen. Meine Schwiegermutter, die mindestens einmal die Woche anrief, meldete sich über sieben Wochen nicht bei uns! Bereits aus diesem Grund hatte ich gleich zu Beginn der Schwangerschaft überhaupt keine Lust, ihnen davon zu erzählen. Letztendlich waren sie es auch, die fast die letzten waren, die von meiner Schwangerschaft erfuhren. Ich ließ sie alle so wenig wie möglich an unserer zweiten Schwangerschaft teilhaben. Fragen, “wie geht es dir?”, die auf einen Mal wieder gestellt wurden, beantwortete ich nur kurz und knapp: “Gut, es ist alles okay.” Auch wenn es nicht so war. Sie hatte mir ja alle deutlichste zu verstehen gegeben, daß ich sie mit meinen Problemen nicht zu belästigen habe. Außerdem fühlte ich, daß ich gerade in dieser Zeit wieder besonders empfindlich war und ich wollte mir einfach Verletzungen von Ihnen ersparen.

Damit ich nicht genervt werde, hatte wir den richtigen Entbindungstermin nicht genannt und nur gesagt, etwa Mitte Mai (also tatsächlich 3 Wochen später). Meine Mutter machte bei meinem Gyn einen riesen Trubel, erfuhr aber trotzdem nichts. Alle dort hatten aber danach verstanden, warum ich nichts sagte. Als meine Mutter dann immer aufdringlicher wurde und ich sie fragte, was denn daran so wichtig sei, erklärte sie, sie müsse doch dann in Hamburg sein, worauf ich nur erwiderte, ich wolle sowieso keinen Besuch von ihr im Krankenhaus haben, sie könne daher ruhig verreisen. Da sie dies offenbar nicht verstehen wollte, habe ich dies bei beiden Müttern so eindringlich und oft wiederholt, bis sie es endlich verstanden hatten. Ich hatte Sorge, daß nach der Geburt von Pascal auch die alten Erinnerungen von der Geburt von Tobias hochkämen und es mir nicht gutgehen würde. Ich wollte mir dieses Mal alle dummen Sprüche und herablassenden Bemerkungen ersparen. Doch es ging mir sehr gut und als sie zwei Tage danach ganz vorsichtig fragte, ob sie kommen dürfe, sagte ich ja. Sie war dann ganz friedlich.

Pascals Geburt und die Erinnerungen

Die Geburt von Pascal war einfach rund um schön. Wir hatten einfach Glück. Am Donnerstag, dem Stichtag, war ich beim Arzt und lag am CTG. Wie immer um diese Zeit hatte ich leichte Wehen. Mein Arzt guckte sich ganz aufgeregt das CTG an und erklärte: ”Sie haben ja Wehen!”. “Ja, drei Stück hatte ich.”, antwortete ich ihm. “Die sind ja schon ziemlich heftig und kommen alle 10 Minuten.”, erklärte er weiter, “Es geht jetzt los. Sie fahren sofort ins Mariahilf!”. “Nein, es geht noch nicht los.” versuchte ich ihn ganz ruhig zu überzeugen. Doch er ließ nicht locker und wurde richtig etwas böse, daß ich ihn nicht ernst nahm. Er wollte mich gar nicht weiter untersuchen und ich mußte ihm versprechen, daß ich sofort ins Mariahilf fahre.

Hätte er gewußt, daß ich selbst mit dem Auto in Jenfeld war und natürlich auch alleine wieder nach Harburg fuhr, hätte er mir bestimmt den Schlüssel weggenommen. Ich fuhr natürlich erst einmal nach Hause und rief Kai auf der Hannovermesse an und erklärte ihm die Situation. Er war dankbar, einen Grund zu bekommen, um nach Hause fahren zu dürfen.

Ich fuhr dann wie versprochen ins Mariahilf. Die Hebamme, die mich dort empfing, lachte nur und meinte zu mir, ich solle jetzt mal Klartext sprechen und ich sagte ihr, nein es ginge jetzt noch nicht los. Sie meinte, dann würden wir ein CTG machen und sie würde mich dann wieder nach Hause schicken. Ich war einverstanden. Als ich dort im Kreissaal lag, ich war während meiner Schwangerschaft schon häufiger zu Routineuntersuchungen dort – da fiel mir auf, daß es der selbe war, bei dem ich auch am 22.08.1997 – auf den Tag genau vor 20 Monaten – mit Tobias lag. Ich glaube nicht mehr so recht an Zufälle und so hatte ich das Gefühl, Tobias ist bei mir und ich war mir ganz sicher, daß es dieses Mal alles gut geht. Ein ganz liebe Hebamme, erklärte mir, daß sie eben mit dem Chef telefoniert habe und es sei in Ordnung, wenn ich wieder nach Hause gehe, er wolle mich aber morgen um 8 Uhr sehen. Dann druckste sie etwas rum und erzählte, er wolle dann mit mir etwas besprechen. Sie wollte zu erst nicht so recht mit der Sprache heraus und meinte, er habe wegen meiner Vorgeschichte so etwas von Geburtseinleitung gesprochen. Er hatte wohl Sorge, daß ich ängstlich und ungeduldig sei. Ich sah sie nur kopfschüttelnd an und sage, sofern das nicht medizinisch zwingend notwendig sei, käme das überhaupt nicht in Frage. Sie sagte, ja bei meiner Gelassenheit, wie ich hier hereinspaziert sei, hätte sie sich das schon gedacht, aber ich solle dies dem Chef auch deutlich sagen.

Als ich zu Hause ankam, kam auch gerade Kai und parallel auch Babsy, die während der Woche bei mir geblieben war. Wir beschlossen kurzer Hand, die Chance zu nutzen und gingen noch einmal beim Griechen Essen. Danach trank ich eine Kanne “Himberblättertee”, er soll wehenfördernd sein, nähte den Schlafsack für Pascal zu ende und ging so gegen 24 Uhr ins Bett, da die Wehen zwischenzeitlich aufgehört hatten. Ja um 4.07 Uhr wachte ich dann mit Wehen auf und wußte sofort, dies sind die richtigen Wehen. ( Nach Tobias Geburt wußte ich ja, was richtige Wehen sind. Komisch, daß Ärzte einer Frau nicht vertrauen, wenn sie ihm erklärt, nein, es geht noch nicht los!). 4.17 Uhr kam dann die nächste Wehe und gegen 4.45 Uhr bin ich aufgestanden und habe erst einmal geduscht. Danach weckte ich Kai und sagte ihm, er müsse jetzt aufstehen, wenn er auch noch duschen wolle. Der erklärte aber nur, er wolle noch einen Kaffee und ein Brötchen, bevor er losgehe. Dann habe ich ihm Frühstück gemacht. Gegen 6.20 Uhr sind wir losgefahren, als die Wehen alle 4-5 Minuten kamen und Kai leider sein Brötchen nicht mehr aufessen durfte. Um 6.50 Uhr waren wir im Mariahilf und ich meinte noch, wir seien 1 Stunde zu früh für den Chef. Aber um 9.20 Uhr kam er dann – zur Entbindung.

Die Hebamme vom Vortag – sie hatte an dem Tag Frühdienst – lachte nur, als sie mich im Kreissaal sah und ich ihr bestätigte, daß ich jetzt unter der Geburt sei – “Na, dann hat sich da ja sowieso erledigt.”. Es war dann wirklich eine Bilderbuchgeburt. Der Hebamme, die mich betreute, erklärte ich nur: ”Ich habe mir eine schöne Geburt bestellt.” Nach der von Tobias, dachte ich mir, daß ich das verdient hätte. Sie lachte nur und fragte: ”Das kann man sich bestelle?”. Nach 2 ½ Stunden war dann der kleine Fratz da und die Hebamme lachte mich an und bestätigte, daß es tatsächlich eine schöne Geburt gewesen sei. Das Gefühl, als Pascal bei mir auf dem Bauch lag, ich ihn das erste Mal stillte, war unbegreiflich schön. Ich habe um mich herum alles vergessen.

Wenn mich jemand fragen würde, was das schönste im Leben war, so würde ich ohne lange zu überleben sagen, daß schönste Gefühl, war, als ich meinen ersten Sohn Tobias nach der Geburt in den Armen hielt und das schönste Erlebnis, die Geburt von Pascal.

Mit der Geburtsanzeige von Pascal habe ich mir Zeit gelassen. Ich wollte etwas ganz bestimmtes damit ausdrücken und wartete, bis mir die passenden Worte kamen. Anderen betroffenen Eltern haben mir später erzählt, daß sie die Karte aufgestellt haben und sodann die Gelegenheit nutzten, über Trauer und insbesondere ihre neue Schwangerschaft zu sprechen. Das hat mich besonders gefreut. Obwohl wir sehr viele von diesen Karten verschickt hatten, habe ich dagegen direkt keine Reaktionen – mit Ausnahme von Betroffenen – darauf erhalten. Auch wenn man es so direkt anspricht, bleibt es doch ein Tabu.

In den ersten Wochen, als Pascal dann da war, kam noch einmal vieles hoch und ich habe ihn, insbesondere beim letzten Stillen vor dem Schlafen, oft mit meinem Tränen vollgetropft. Schon während der Schwangerschaft habe ich feststellen müssen, wie zerrissen man ist, wenn man noch ein weiteres Kind hat und man nun noch ein schlechtes Gewissen wegen seiner Trauer diesem Kind gegenüber hat. Ich versuchte dann, besonders lieb zu Pascal zu sein und erkläre ihm, warum ich traurig bin und daß ich ihn liebhabe. Auch wenn er es noch nicht wörtlich versteht, so bin ich mir sicher, er spürt dies. Für mich ist klar, daß ich weder meine Trauer, noch Tobias vor Pascal verstecken werde. Ich hoffe, daß Pascal dort möglichst unbefangen hineinwächst und für ihn es nichts besonderes ist, einen großen Bruder zu haben, der im Himmel ist.

© Pirko Lehmitz

Geburtsanzeigen

In unsereren Geburtsanzeigen für Pascal, Gideon, Elias und Ruben haben wir auch noch einmal Tobias gedacht, für den wir leider keine Geburtsanzeige gemacht hatten.

Ein kleiner bunter Schmetterling

aus Tränen, Liebe und Vertrauen
mit Namen

P  lötzlich bist Du da
A  uf Dich haben wir gewartet
S onnenschein bringst Du in unser Haus
haos wandelt sich durch Dich
A  llein wirst Du niemals sein
L  iebe wird nie vergehen

flatterte uns zu
am 23.April 1999
um 9.23 Uhr (3890 g und 55 cm).

Kann man es fassen
das Glück
intensiv
so stark
als wäre es unwirklich
kaum zu glauben
und doch
es ist da
es nimmt viel Platz ein
aber es ist noch Raum
für die Sehnsucht
und die einsamen stillen Tränen

3.5.1999

Wir genießen jeden Tag und danken Tobias, daß er für seinen Bruder den Weg bereitet hat.

Pirko & Kai-Uwe Lehmitz

Wie ein sanfter warmer
Frühlingssonnenschein kam
unser dritter Sohn

Sven

G eborgenheit
I   n unseren Armen
D   ankbarkeit
E   rfüllt unser Herz
O ffen sein
N   eues immer wieder zu entdecken

Cäsar

am 25.März 2001 um 15.42 Uhr
(4005 g und 56 cm) auf die Welt.

Ein Gesicht
voller Hoffnung
voller Liebe und
voller Leben
Ein Lachen
voller Sonne
voller Wärme und
voller Vertrauen
Augen
die Mut machen
der Zukunft zu Vertrauen
und anzunehmen was sie bringt
Lachen und Tränen
als ein Geschenk Gottes
03.04.01

Pascal an der Hand, Gideon auf dem Arm und
Tobias im Herzen
Pirko, Kai-Uwe und Pascal

 

Eingetaucht in diese Welt
ist unser vierter Sohn

E rwartet haben wir Dich voller Freude

L iebevoll

I   n unsere aller Herzen und

A rme aufgenommen

S uper daß Du da bist

Hieronymus

am 17. Dezember 2003 um 9.33 Uhr
(4175 g und 58 cm)

Eingetaucht in diese Welt
ganz sanft
schwammst Du wie ein kleiner Fisch
um dann aufzutauchen
in meine Arme
voller Wärme, Liebe und Dankbarkeit
20.12.2003

Pascal, Gideon, Elias
und Tobias im Herzen
Pirko & Kai

Wir haben es doch tatsächlich geschafft
den 5. Sohn in Folge

Jean

R iesengroße Freude, Glück und Dankbarkeit

U nbeschreiblich und unglaublich

B elohnt es noch einmal gewagt zu haben

E rfüllt von ganz viel Liebe

N och einmal das zu erleben

Cedric

am 7. Dezember 2006 um 11.38 Uhr
(4080 g und 55 cm)

Ja, wir haben es noch einmal gewagt
und sind so reich belohnt worden
Dankbarkeit durchströmt unsere Herzen
zu sehen
wie Deine blauen Augen noch unter Wasser sich öffnen
zu hören
wie Dein kurzer Schrei uns begrüßt
zu fühlen
wie Du an meiner Brust trinkst
und zu spüren
wie wir alle Dir so viel Geborgenheit
und Liebe geben

21.12.2006

Pascal, Gideon, Elias, Ruben
und Tobias im Herzen
Pirko & Kai

Eine neue Schwangerschaft

von Barbara Bürgi
Regenbogen Schweiz – “Wir haben unser Kind verloren….” S.12

Aus medizinischer Sicht wird oft empfohlen, mit einer weiteren Schwangerschaft 3-6 Monate zu warten. Jede Schwangerschaft ist eine Belastung für den Organismus, deshalb sollten Sie Ihrem Körper etwas Ruhe gönnen. Gerade nach so einem Erlebnis verzögert sich die Erholungsphase.

Nach dem ersten Schock, wünschen sich viele Eltern so schnell als möglich wieder ein Baby um das große Loch nicht mehr zu spüren und die leeren Arme zu füllen. Sprechen Sie sich als Paar miteinander aus und geben Sie Ihren Ängsten Ausdruck. Vielleicht denken Sie beide nicht gleich darüber und finden einander im Gespräch.

Wenn Sie sich für ein nächstes Baby entschlossen haben, sollten Sie nach Möglichkeit den größten Teil Ihrer Trauer bewältigt haben. So erleichtern Sie sich die Schwangerschaft und die erste Zeit mit ihrem Baby. Es ist wichtig, das Sie die neue Schwangerschaft auch als solche akzeptieren. Das nächste Kind ist kein Ersatz für das Verstorbene sondern ein anderes Menschlein, welches zu Ihnen kommt. Es ist eine eigene Persönlichkeit und möchte auch als solche behandelt werden. Natürlich werden Sie oft an Ihr verstorbenes Baby denken müssen, doch sollten Sie versuchen, die beiden Kinder getrennt anzusehen.

Eine neue Schwangerschaft läßt manchmal auf sich warten. Für viele Frauen beginnt dann ein neuer Leidensweg. Bestimmt fragen Sie sich, ob Sie überhaupt in der Lage sind, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen oder ob Sie vielleicht sogar unfruchtbar geworden sind. Jeden Monat hegen Sie ambivalente Gefühle. Zum einen sind Sie enttäuscht, nicht schwanger zu sein, zum andern sind Sie erleichtert, den schweren Weg einer Schwangerschaft noch nicht gehen zu müssen. Der Wunsch nach einem Kind kann so stark sein, daß Sie sich unbewußt verkrampfen. Hier hilft meist nur Geduld und Ablenkung. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber, vielleicht kann er Ihnen aus medizinischer Sicht weiterhelfen. Mit der Zeit beginnen Sie vielleicht Ihr Leben wieder ohne Baby einzurichten und der Kinderwunsch läßt nach. Andere Paare lehnen den Gedanken an ein eigenes Kind ganz ab, aus Angst, noch einmal eine so schreckliche Erfahrung machen zu müssen. Einige versuchen es mit einer Adoption, für andere ist die Familienplanung abgeschlossen und sie versuchen sich ihr Leben ohne Kinder zu gestalten. Stellt sich Jahre danach doch noch Nachwuchs ein, sind die Ängste nicht mehr so dominant wie in der ersten Zeit nach dem Tod des Babys.

Die folgende Schwangerschaft ist oft von Furcht und Angst begleitet alles noch einmal erleben zu müssen und wieder ohne Kind vom Spital nach Hause zu gehen. Ein Wiederholungsfall ist etwas ganz Schlimmes. Genießen Sie deshalb Ihre erneute Schwangerschaft ganz bewußt und genießen Sie auch jeden Augenblick mit Ihrem Baby, das Bewußtsein, mit Ihrem Kind zusammen zu sein, nimmt Ihnen einen Teil Ihrer Angst vor einem schlechten Ausgang. Es ist wichtig, als Risikoschwangere gut begleitet zu sein, medizinisch sowie auch psychologisch. Ein verständnisvoller Arzt ist von großer Bedeutung. Er sollte Ihnen gut zuhören können und Ihre Sorgen ernst nehmen. Zögern Sie nicht, ihn aufzusuchen oder ihn urn Erklärungen zu bitten. Gehen Sie auch in die Klinik, wenn es Ihnen nötig erscheint. Wenn Sie dann Ihr Baby in den Armen halten, werden Sie dankbar sein für dieses kostbare Geschenk und den wunderbaren Augenblick. So glücklich Sie mit Ihrem Kind sein werden, es kann Sie unmöglich vom Schmerz über den Verlust Ihres verstorbenen Kindes befreien. Dieser Schmerz wird Sie trotz allem Glücksgefühl begleiten in Ihrem Leben. Denn Ihr verstorbenes Baby ist ein Teil von Ihnen, der auch zu Ihnen gehört.