Postings Schmetterlingskinderforum

Die nachfolgenden Beiträge wurden im Forum der SchmetterlingskinderSchmetterlingskinder gepostet. Ich fand sie so interesant, daß ich sie hier wiedergeben möchte.

SaraK 02-06-2003, 14:17 Uhr 

Hallo ihr Lieben Frauen,
Ich habe eine Frage, die mich schon seit langem
und immer wieder beschäftigt.

Was habt ihr nach der Geburt eures Sternchens gefühlt?

Als ich Lukas geboren habe, wollten sie mir eigentlich
eine PDA geben. Ich wollte aber nicht und so habe ich ihn
so bekommen.Ich fand die Geburt, obwohl Lukas ja noch ganz klein war
sehr, sehr schmerzhaft.
Nachdem er dann da war war mein Gefühl gar nicht so wie
ich erwartet habe

Ich war froh, erleichtert und stolz, es geschafft zu haben.
Ich habe geweint
aber nicht aus Trauer.
Ich fand meinen Jungen so süß und ich war so froh,
dass er ein so niedliches, winziges Kind war und nicht
eine „späte Fehlgeburt und noch lange kein Kind“.
Der Tod meines Jungen wurde mir erst später so richtig bewusst.

Inzwischen kommt mir dieses Gefühl nach der Geburt
manchmal richtig befremdlich vor.

Wie ging es euch direkt nach der Geburt?

Grübelgrüsse von

Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

Eva Maria Langenbach 02-06-2003, 14:49 Uhr

Liebe Sara,
ich habe meinen Bernhard auch ohne Betäubung oder Schmerz-
mittel bekommen.
D.h. das stimmt nicht ganz. Ich habe nachdem das Prostaglandin
Gel begann seine Wirkung zu tun, und ich zum einen einen ganz
starken Allgemeinschmerz (andauernd, nicht wehenartig mit
Pausen ohne Schmerz) vor allem in der Region meines alten
KS, plus starken Wehen in immer kürzeren Abständen ein Schmerz-
mittel gespritzt bekommen. Ich weiss leider nicht was es war.
Aber danach würde mir so schwindlig und übel, das ich nachdem
die Wirkung vorüber war, lieber die Schmerzen und Wehen ertragen
habe, als mich so elend fühlen zu müssen.
Fast übergangslos kam dann plötzlich Wehe an Wehe, ich konnte
kaum noch atmen. Ich glaube ich habe nur geschrien. Plötzlich
war das Kind dann da, der Schmerz weg. Ich bekam meinen Sohn
auf die Brust gelegt. Erst hab ich mal garnichts gefühlt.
Weinen konnte ich auch nicht. Mein Mann hat fürchterlich ge-
weint. Er hatte sich so auf einen Sohn gefreut, wohingegen ich
davon überzeugt war, dass es ein Mädchen würde.
Mein Mann tat mir unsagbar leid. Ich hätte nie damit gerechnet,
dass ihn das so trifft. Ich fühlte mich furchtbar schlecht ihm
gegenüber und hatte das Gefühl im Unrecht getan zu haben, indem
ich gedacht hatte ihm würde nicht so viel wie mir an diesem
Baby liegen.
Dann haben wir überlegt wie er heissen soll. Über einen Jungen-
namen hatten wir uns bisher – trotz 35. SSW – wie wenigsten
Gedanken gemacht. Weil mein Mann so unglücklich war und ich
wusste dass er so gerne einen Bernhard gehabt hätte, machte
ich ihm den Vorschlag ihn Bernhard zu nennen.
Die Hebamme hat dann den Kleinen mit den Sachen die ich mit-
gebracht hatte angezogen. Ich bin duschen gegangen und 2 h
später, es war 6.00 h morgens, sind wir nach Hause gefahren.
Dort war die Situation auch noch recht o.K. für mich, so ver-
rückt das auch klingen mag. Unsere Kinder haben den Kleinen
dann gesehen und gehalten. Meine engsten Freundinnen waren auch
da und haben Bernhard gesehen. Erst nachmittags, als der Be-
statter kam und ihn abholte, da brach meine Welt zusammen,
erst da wurde mir richtig klar, was eigentlich geschehen war.
An diesem Tag und auch am nächsten, an dem die Beerdigung war,
verspürte ich keinerlei Schmerzen oder Nachwehen, das ging erst
am 2. Tag nach der Entbindung los. Und mir gings immer schlechter.
Normal finde ich meine Gefühle und mein Verhalten nach der
Geburt auch nicht! Vorher hatte ich unheimliche Angst ich
würde wenn das Baby da ist verrückt werden, zusammenbrechen
oder ich weiss nicht was. Und dann passierte eigentlich gar
nichts. Die Schmerzen waren weg, und ich hatte eigentlich
keine Gefühle. Es tat mir wohl leid das mein Kind nicht lebte.
Irgendwo hatte ich wohl doch noch gehofft das die Ärzte sich
geirrt haben und mein Kind doch lebt. Aber was ich vorher er-
wartet hatte trat nicht ein!
Heute 3,5 Monate später habe ich oft das Gefühl ich halt’s
nicht mehr aus. Vor allem wenn ich Mütter mit Babys sehe.
Aber man hält viel aus. Das wird mir auch jeden Tag bewusster.
Ob ich aber jemals zu dem Punkt komme das das Geschehene eine
schöne Erinnerung ist, und ich mich über die Zeit freue, die
mein Bernhard bei mir war – das kann ich mir noch nicht vor-
stellen!

Du siehst Du zweifelst nicht alleine!

Liebe Grüsse
Deine
Eva-Maria mit Julia, Christian, Kathrin,
Marie, Anna Lena und Alexander an der
Hand und Sternchen Bernhard ganz tief
im Herzen

SaraK 02-06-2003, 20:09 Uhr 

Liebe Eva-Maria,

Ich danke auch Dir für Deine Eindrücke nach der Geburt.

Es ist wirklich so, dass man zunächst wie betäubt ist
und alles automatisch abzulaufen scheint.
Mein Mann hat ähnlich reagiert wie Deiner.
Vorher hat er mich immer getröstet und gesagt: „Ein
Kind in dieser SSW ist noch kein richtiges Kind“.
Als er ihn dann gesehen hat, hat er sofort gesehen, dass
sein Kind, sein Sohn Lukas gestorben ist.
Das war so schwer für ihn – und trotzdem ist er in der
Zeit danach so völlig anders mit seiner Trauer umgegangen als ich.

Danke nochmal,

Viele Grüsse von

Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

MonikaSarah  02-06-2003, 15:43 Uhr

Liebe Sara!

Mit diesem Posting sprichst du mir einmal total aus dem Herzen.

Ich mache mir auch oft Gedanken, warum ich so „komisch“ reagiert habe. Man überredete mich, Valium zu nehmen gegen die Schmerzen, aber ich ließ es mir niedrig dosieren, um doch auch etwas zu spüren. Nach 5 Stunden war Sarah da und ich war wie du erleichtert, überglücklich, dass es ein Mädchen ist, stolz, die Geburt geschafft zu haben. Dass ich mein Kind an diesem Tage eigentlich verloren habe, habe ich irgendwie nicht wahrgenommen.

Die Hebamme sagte noch: Sie haben eine sehr hübsche Tochter – da sieht man schon ein paar schwarze Haare …. Dieser Satz klang wie Musik in meinen Ohren und ich war einfach nur stolz.

Einige Tage später ist mir am Krankenhausflur die Hebamme über den Weg gelaufen und ich habe ihr ganz verzweifelt versichern wollen, dass es mir um mein Kind so leid tut, sie müsse ja an meinem Verhalten den Eindruck gehabt haben, dass mir die Fehlgeburt nichts ausmache – weil ich so gar nicht verzweifelt oder weinerlich wirkte. Ich wollte mich regelrecht für diese Gefühle nach der Geburt „entschuldigen“ ….. die Hebamme versicherte mir natürlich, dass sie sehr wohl wisse, wie es im Herzen dieser Mütter aussieht und das die Tränen und der große Schmerz erst später kommen. So war es denn auch …

Ich bin eigentlich froh von dir zu hören, dass du auch in einer ähnlich Stimmung warst, ich denke, das sind die Geburtshormone, die einen noch gar nicht an den Tod erinnern wollen.

Liebe Grüße

Monika mit *Sarah

Hier noch einige Eindrücke:

– Ich fand die Geburt nicht so „schlimm“ wie andere oft annehmen. Der Gedanke, dass ich diesem Kind ja niemals in die Augen schauen kann, der war gar nicht so present. Ich war froh, es geschafft zu haben und dann war ich auch erschöpft. Ich lag einfach so da und war irgendwie glücklich, dass es ein Mädchen war (war mein heimlicher Wunsch gewesen).

Dann ließ uns die Hebamme alleine und ich hörte vom Raum nebenan eine Gebärende im Endstadion. Komischerweise wollte ich diesem „Mithören“ garnicht ausweichen, ich bedauerte sie insgeheim, weil sie schon seit vielen Stunden dahing und ziemlich heftig stöhnte und weil es mir dagegen ja viel besser ergegangen war (natürlich dank der Schmerzmittel, die bekommen hatte) und weil ich es eben schon hinter mir hatte. Nur als ich dieses Baby dann schreien hörte, konnte ich ganz kurz weinen, weil mir da der Verlust bewußt wurde. Aber dann fasste ich mich wieder.

Später zeigte uns die Hebamme unser Mädchen noch einmal. Ich war erstaunt, wie perfekt sie schon war, vor allem die langen Finger mit den Fingernägeln sind mir so gut in Erinnerung. Ich war stolz und erleichtert, es geschafft zu haben.

Diese Geburtshormone – sie wirkten noch ziemlich lange, erst nach zwei Tagen fiel ich in richtige Tiefs. Vorerst war ich richtig „überdreht“ , ja sogar humorvoll irgendwie – zumindest als ich am nächsten Morgen zur anschließenden Ausschabung (weil man mir noch die Spirale entfernen musste) gebracht wurde, da erinnere ich mich, dass ich mit dem Personal im Aufwachraum sogar witzige Bemerkungen gemacht habe. Ich habe mich dafür im nachhinein direkt geschämt, hatte immer das Gefühl, die Schwestern im KH müssten den Eindruck haben, dass mir die FG nicht viel ausmacht. Aber meine Reaktion, denke ich, hängt mit meiner Persönlichkeit zusammen. Ich versuche bei derartigen „Katastrophen“ immer, möglichst lange das Gesicht zu wahren, stark zu bleiben und verdränge vorerst das Negative. Erst Schritt für Schritt stelle ich mich dann dem ganzen und lasse mich auf Gefühlsausbrüche wie Weinen und Klagen ein. Und das auch nur im stillen Kämmerlein. So unter Menschen kommt mir nur selten mal eine Träne.

SaraK 02-06-2003, 20:13 Uhr 

Hallo Monika,
Ich lese grade in Deinem Profil,
dass wir eine ganz ähnliche Geschichte haben.
Es ist er so kurze Zeit vergangen, seit Dich Deine
Tochter verlassen hat.

Es tut mir sehr leid, dass sie nicht bei Dir sein darf!
Vor der Geburt von Lukas habe ich nicht geahnt, wie perfekt
ein so kleines Baby schon ist.
Es fehlte nichts an ihm – er hätte nur noch wachsen müssen.
Valium habe ich glaube ich auch bekommen (irgendeine Pille jedenfalls).

Ich weiß noch, wie die Krankenschwester sagte:“ Das schadet jetzt auch nicht mehr“ (Weil ich mich vorher geweigert hatte, die Tablette zu nehmen)

Sei lieb Gegrüsst,

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

Diana30  02-06-2003, 20:27 Uhr

Liebe Sara!

Bei mir war es so:Bei mir wude die Geburt aus med. Gründen eingeleitet.Als ich das Gel bekam habe ich als erstes gedacht,ich weiß ja was jetzt auf mich zukommt.

Und auf einen Schlag waren sie da,fürchterliche Schmerzen:Kein Wehenschmerz,aber ein Schmerz der kaum auszuhalten war.Ich bekam zwar Schmerzmittel gespritzt,aber es hat nichts angeschlagen.Mir hat man dann manuell der Muttermund erweitert und dann ging alles ganz schnell.Auf einen schlag waren sie da die Preßwehen.

Ich hatte das Gefühl endlich kann ich etwas tun,aber zugleich die große Angst davor:Was mache ich wenn ich sie Schreien höre?????

Sie kann dann tot auf die Welt und ich hatte lange das Gefühl ich habe sie umgebracht.Für mich war während der Geburt immer der Gedanke da, ich mühe mich hier ab und habe keinen Erfolg im Arm.

Liebe Grüße

Diana mit Silvio an der Hand und Kim-Nova im Herzen (mehr zur Geburt hier)

SaraK  03-06-2003, 11:10 Uhr 

Liebe Diana,
ja, dieses Gefühl hatte ich auch – wofür die ganzen Schmerzen, wenn ich meinem Baby damit den Tod bringe.

Es ist so schwierig und im Nachhinein doch so wichtig und richtig, dass wir unsere Kinder gebären und und von ihnen verabschieden.

Stille Grüsse von

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

CLAUDIA_JANETSMAMA 02-06-2003, 23:04 Uhr

Hallo liebe Sara ,

bei mir war es leider ganz anders
Janet´s Geburt war ja bis zum Zeitpunkt der Austreibungsphase ganz normal .Ich war zur Einleitung weil Janet über Et war und wir rechneten ja mit einem lebenden Kind .
Als dann Janet geboren war , und sie im Nebenzimmer lag war nur noch nackte Angst da . 20 min später fühlte ich mich nicht mehr als Mutter . Das war so schlimm so brutal von jetzt auf gleich .
Mein Kind war tot und ich keine Mutter mehr ……..
Dieses Gefühl das alles, alles weg war was innerhalb von 9 Monaten an Gefühlen in mir gewachsen war , war einfach nur grausam .
Leere abgrundtiefe Leere ……..
Nein , ich fühlte mich nicht als Mutter , es ist schwer zu beschreiben …..so haltlos….
Unwirklich ….ich war einfach nicht mehr …..
Stolz ???????? Kein bisschen …Muttergefühle …..nein  Es macht mich heute noch traurig und fassungslos das Da gar nichts war …… Das schlimme war , ich wusste wie man sich fühlt wenn man Mama wird ..dieser Stolz ……Ich habe ein Kind geboren ..diese Glückshormone ….man legt sich zurück und für Augenblicke ist da nur das vollkommene Glück ….. So Leer habe ich mich noch nie zuvor gefühlt …..
Ich habe solange diesem nicht vorhandenem Gefühl nach getrauert , war wütend und enttäuscht . Es hat solange gedauert bis ich Stolz war , stolz dieses wunderbare Kind geboren zu haben ….ich musste erst Trauerarbeit leisten bis ich an den Punkt kam wo ich sagen konnte ja Janet ist mein Kind , ja ich bin Mutter ……
Die Zeit fehlt mir auch heute noch …wie gerne hätte ich sie einfach nur angenommen ..wie gerne wäre ich stolz auf mich gewesen ……
Die Zeit nach der Geburt …..wird für mich noch lange der „ Knackpunkt“ das „unverarbeitete „ in meiner Trauer bleiben ……….
Aber ich bin froh das Du die Frage gestellt hast …so konnte ich wieder ein Stück zurückgehen .nachfühlen und vielleicht wieder ein kleines Stück aufarbeiten ….
Heute bin ich Stolz , Stolz auf mich und meine Zaubermaus
Ich wünsche Dir eine gute Nacht


Liebe grüße
Von Claudia

SaraK 03-06-2003, 11:04 Uhr 

Liebe Claudia,

Deine Gefühle erscheinen mir ganz verständlich.
Deine Janet wurde am Tag der Geburt mit so viel Freude erwartet. Alles kam so plötzlich und unvermittelt.

Mir fehlen die Worte!

Es ist klar, dass diese plötzlöiche Wendung stärkere Gefühle oder Fassungslosigkeit hervorgerufen hat, als das Glücksgefühl die Geburt Deines Kindes gechafft zu haben.
Zu begreifen, dass Deine Janet nicht bei Dir sein darf ist unglaublich…unmöglich.

Ich wusste ja, dass mein Lukas es nicht schaffen wird – und das Gefühl doch Mutter zu sein, doch ein Kind zu haben, ein niedliches, hübsches Kind und eben keine „Fehlgeburt“ war für mich ganz besonders.

Ich grüsse Dich ganz still – Danke!

Deine

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

sandy29 03-06-2003, 00:17 Uhr 

Liebe Sara,

gleich nach der Geburt herrschte in mir das totale Gefühlschaos. Ich war einerseits erleichtert, dass ich meinen Jungen, nach drei unendlich langen, schrecklichen Tagen, auf die Welt gebracht hatte, andererseits aber war ich wie betäubt. Ich wusste, dass ich gleich noch in den OP zur AS musste, lag einfach nur da und konnte an nichts mehr denken.

Sowohl mein Mann als auch ich wurden vom Arzt vor der Geburt darüber aufgeklärt, dass Calvin das Priming, das mittlerweile ja drei Tage gedauert hatte, nicht überleben würde. So hatten wir uns ganz langsam von ihm, noch in meinem Bauch, verabschiedet. Aber es kam ganz anders. Nach der Geburt kam die Schwester ins Zimmer und fragte, ob wir unseren Jungen noch sehen wollten, er würde noch leben.

Und das war dann einfach zuviel für mich. Ich heulte und schrie nur noch, ich war völlig neben der Spur. Ich hatte damit nicht gerechnet und stand so unter Schock, dass unser Schatz das alles noch erleben musste und die Gedanken, dass unser Kleiner einen solchen Lebenswillen hatte und was wir ihm angetan hatten, brachte mich fast um den Verstand.

Und dann passierte, was ich mir bis heute nicht verzeihen kann. Ich konnte Calvin nicht zu uns nehmen. Auch mein Mann konnte es nicht, wir waren einfach völlig überfordert in dieser Nacht. In uns herrschte eine Panik, dass unser Schatz in unseren Armen sterben würde, die kaum auszuhalten war. Und so trafen wir diese immer noch völlig unbegreifliche Entscheidung.

Was gäbe ich heute darum, diesen Moment noch einmal ändern zu können. Aber es geht nicht. Diese Gedanken quälen mich seither ständig. Was sind wir für Eltern, die wir unser Baby bei der Schwester ließen, bis es für immer einschlief? Erst am frühen Morgen, nachdem ich nach der Narkose wieder bei mir war, haben wir Calvin zu uns geholt und uns von ihm verabschiedet.

Nun sitz ich wieder hier und heule ohne Ende, weil ich einfach keinen Weg finde, mit dieser Entscheidung klar zu kommen. Auch wenn ich heute Stolz empfinde und auch froh bin, dass es unseren kleinen Mann gab, überschattet das Gefühl, unseren Calvin so schmählich allein gelassen zu haben, doch alles. Und zwar mit einer solchen Intensität, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es sich jemals legt.

Traurige Grüße

Sandra mit Calvin im Herzen und Klein-Fraggle im Bauch (20+0)

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Es ist viel dunkler, wenn ein Stern erlischt,
als es sein würde, wenn er nie gestrahlt hätte.

SaraK 03-06-2003, 10:53 Uhr

Liebe Sandra,

Las Dich mal drücken, wenn Du magst.

Es ist so verständlich, dass man in eurer Situation nicht
vorausschauend entscheiden kann.
Es kommt so viel zusammen. Die Trauer, die sowieso da ist,
dann das Wissen, dass euer Junge nicht lebt – und plötzlich
die Nachricht, dass er doch noch lebt.

Wie soll man es als Eltern schaffen, so schnell umzuschalten und zu erkennen, was richtig ist.
Ihr habt in eurer Situation gehandelt, wie ihr euch in dem Moment gefühlt habt und deshalb war es richtig und euer Junge weiß ganz sicher, dass ihr Beide ihn grenzenlos lieb habt!
Vielleicht hätte man von dem Personal im Krankenhaus erwarten können, dass sie euch mehr zur Seite stehen und dass jemand bei euch ist, der euch begleitet und euch hilft das durchzustehen und den für euch richtigen Weg zu finden.

Im Nachhinein gibt es so viel, was wir ändern wollen wenn wir es könnten aber wir können die Zeit nicht zurückdrehen, so sehr wir es uns auch wünschen.

Ich sende Dir ganz liebe, stille Grüsse,

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

sandy29 03-06-2003, 11:35 Uhr

Liebe Sara,

danke für Deine lieben Worte. Mein Mann sieht es in etwa genau wie Du, nämlich dass wir diese Entscheidung in der Nacht aus dem Bauch heraus getroffen haben und es vielleicht auch gut so war, für uns. Er versucht mich immer damit zu beruhigen, dass unser Calvin nicht allein gewesen war, sondern bei der Nachtschwester, die sich um ihn gekümmert hat. Ein Trost ist es mir dennoch nicht.

Von dem Klinik-Personal hätte ich mir eigentlich keine bessere Betreuung wünschen können. Wir waren in den drei Tagen nie allein, immer sah jemand nach uns, redete mit uns, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, ob Ärzte oder Schwestern. Und eine Schwester saß lange bei uns und weinte mit uns. Von ihr bekamen wir das Buch von Hannah Lothrop.

Auch in der Nacht, als die Geburt anfing, sind wir keine Minute allein gelassen worden. Als gegen halb zehn die Wehen losgingen, kam die Nachtschwester und blieb ohne Unterbrechung bei uns und unterstützte uns so gut es ging, bis Calvin um 3.40 Uhr auf die Welt kam. Erst als wir nach der Geburt allein sein wollten, hat sie das Zimmer verlassen. Ich bin ihr noch heute für alles, was sie in dieser Nacht für uns getan hat, unendlich dankbar.

Als wir ihr sagten, dass wir Calvin nicht zu uns nehmen könnten, hat sie uns nicht bedrängt, sondern brachte uns sehr viel Verständnis entgegen. Ob das gut oder richtig von ihr war, mag ich heute nicht beurteilen. Vielleicht hätte sie ihn uns einfach bringen sollen, keine Ahnung. Dann würden mich heute nicht solche Vorwürfe plagen.

Aber so bleibt mir nur zu hoffen, dass ich irgendwann einmal besser mit der damaligen Entscheidung werde leben können.

Immer noch etwas traurige Grüße und auch eine liebe Umarmung an Dich

Sandra mit Calvin im Herzen und Klein-Fraggle im Bauch (20+0)

SaraK 04-06-2003, 10:39 Uhr 

Liebe Sandra,

Schön, dass ihr eigentlich doch so gut betreut wurdet! Es ist unheimlich wichtig, dass man nicht allein gelassen wird.

Du hast Recht – vielleicht hätte euch die Hebamme euren Sohn einfach bringen sollen – oder euch nochmal eindringlicher sagen, dass es zwar im Moment unüberwindbar schwierig zu sein scheint aber im Nachhinein doch wichtig ist.

Du hast damals nichts von Deinen heutigen Gefühlen gewusst. In dem Moment konntest Du nicht auch wenn Du heute sehr traurig darüber bist.

Ich kann das so gut verstehen!

Stille Grüsse von

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

Claudi67 03-06-2003, 11:03 Uhr 

Liebe Sara,

direkt nach der Geburt – hm, das sah bei mir so aus:

Wir hatten nach der Nachricht, dass Sebastian nicht mehr lebt, 24 Stunden Zeit, bis es soweit war. Ich bekam zwar schon am Abend nach der letzten Untersuchung das erste Zäpfchen, aber es wirkte noch nicht, und die Hebammen, die dann Tagdienst hatten, ließen uns die Entscheidung, wann die nächste Medikamentengabe kommen sollte. (Da ich nach Annika schon das Buch von Hannah Lothrop gelesen hatte und wusste, wie wichtig das Geburtserlebnis ist, war ich irgendwie die ganze Zeit innerlich hellwach, wollte alles miterleben.)

Eine PDA wollte ich nicht, also bekam ich per Tropf Schmerzmittel, die aber auch nicht soo besonders wirkten. Die Wehen waren deshalb sehr heftig, aber es war trotzdem auch im Nachhinein die beste Entscheidung.

Die Geburt an sich war deshalb furchtbar schmerzhaft, weil Sebastian in Steißlage lag und Arzt und Hebamme wie wild auf meinem Bauch rumdrückten, um die Wehen mit zu unterstützen (ich hatte ja noch keinen Geburtsvorbereitungskurs mitgemacht…) und ihn herauszuziehen.

Kurz vor Ende der Geburt zog sich der MuMu plötzlich wieder zusammen – gerade, bevor das Köpfchen rauskam (… Was für eine Vorstellung!! Das war das Schlimmste für mich, auch wenn er nicht mehr lebte!); die Hebamme gab mir ein homöopathisches Mittel, um den Krampf zu lösen. Das wirkte dem Arzt wohl nicht schnell genug, ich wurde in den OP gefahren (wo sowieso noch anschließend eine AS gemacht werden sollte) – und auf dem OP-Tisch versuchte er es ein letztes Mal; ich bat Sebastian, doch dieses eine Mal noch mitzuhelfen – und schwupps, war er doch noch auf natürlichem Wege da. In diesem Moment war ich einfach nur glücklich, dass ich ihn ohne OP geboren hatte.

Als wir ihn dann im Körbchen gebracht bekamen, fühlte ich nur unglaubliche Liebe zu meinem Kind, war stolz, auf mich, dass ich ihn geboren hatte, und auf unseren Sohn – ganz überrascht, wie perfekt er doch schon aussah – so viel Ähnlichkeit mit seinem Vater! Leider traute ich mich damals nicht, ihn in den Arm zu nehmen (wusste nicht, ob das „erlaubt“ war, da keine Hebamme dabei war), hab ihm nur Köpfchen und Händchen gestreichelt.

Die Trauer begann erst, als die Hebamme ihn wieder holte und ich wusste, dass ich ihn nie wiedersehen werde…

Stille Grüße von einer in Erinnerung an diese Situation wieder unglaublich traurigen

Claudia mit Annika und Sebastian im Herzen

SaraK 04-06-2003, 10:32 Uhr

Liebe Claudia,

Ja – es ist so schwer, diese Liebe zu spüren und das Kind zu sehen, welches mein Kind ist und welches doch nicht bei mir bleiben darf.

Schade, dass man Dir nicht beigestanden hat und Dir gesagt hat, dass Du Dein Kind in den Arm nehmen darfst.

Aber Du durftest ihn streicheln und ihm einen kurzen und doch wichtigen Moment nah sein.

Ich bin froh, dass ich das auch durfte – ich könnte mir nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn sie mir Lukas einfach weggenommen hätten ohne dass ich Abschied nehmen konnte.

Viele liebe, stille Grüsse von

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

Pirko 03-06-2003, 21:14 Uhr

Liebe Sara,

die Geburt unsers ersten Sohnes war selber leider nicht besonders schön, da ich keinerlei Betreuung im Krankenhaus hatte. Wenn Dich mehr interessiert kannst Du es auf unsere Website nachlesen:

Tobias Geburt

Als ich aber unsere Tobias im Arm hatte, da war und ist es auch noch heute, der schönste Augenblick in meinem Leben gewesen. Das hört sich sicher völlig paradox an, ein totes Kind im Arm zu halten, kann doch kein schöner Augenblick sein. Doch es war mein erstes Kind und ich war so überwältig von diesem Erlebnis. Also, auch wenn das meinen beiden jüngsten Söhnen gegenüber vielleicht etwas ungerecht ist, ich bleibe dabei. Allerdings waren die Geburten der anderen beiden so wunderschön, daß es mich dies für die erste Geburt entschädigt hat.

Liebe Grüße
Pirko

SaraK 04-06-2003, 10:29 Uhr

Liebe Pirko,

Ich habe eure Geschichte gelesen.

Es ist – ich habe es weiter oben auch schon geschrieben – wie so oft in der Trauer…sie hat so viele Seiten und auch „schöne“ Seiten, beeindruckende Seiten…widerspüchliche Grfühle die doch eins sind.

Es ist schon seltsam und ganz besonders, was wir durch und mit unseren Sternenkindern erleben, nicht wahr?

Viele Grüsse von

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

ChristianeG  03-06-2003, 21:33 Uhr

Liebe Sara,

das ist eine sehr gute Frage..
die mich seit über zwei Jahren schon beschäftigt..

Vic hatte ja diesen Herzfehler,
ich erfuhr drei Wochen vor der Geburt diese Diagnose.
Bis zur Geburt stand bei mir die Frage offen,
behandeln oder ihn gleich gehen lassen…
Die Ärzte überliessen mir schon zu diesem Zeitpunkt,
drei Wochen vorher diese Entscheidung..

Sein Vater wollte ihn gleich gehen lassen…
Ich kämpfte..
Ich hatte eine sehr schmerzhafte Geburt, die mir bis heute noch in jedem Detail in Erinnerung
ist..
Vic war innerhalb von einer Stunde quasi rausgefallen,
doch als er da war..
war es für mich nur ein Gefühl von Glück, Frieden, Stolz.. er war für mich ein perfektes Baby..
Ich dachte nicht daran, dass er so krank war.. ohne Hilfe nur wenige Momente zu leben hätte…
Für mich war es mein kleiner Sohn.. er war so perfekt..
so wunderschön.. er war für mich in diesem Moment nicht krank..

Doch als die Ärzte ihn mir nach einem kurzen Augenblick wieder nahmen..
war ich plötzlich wie aus einem Nebel erwacht und in die Realität gesprengt worden..
„Helft meinem Baby, bitte helft ihm…!“
Tränen, Verzweiflung.. und kein Gedanke mehr daran ihn gehen zu lassen..

Noch heute höre ich oft meine eigenen Rufe..

Ich glaubte an Vic..
und jedesmal wenn ich an die letzten Worte meiner Hebamme dachte,
die während den Erstuntersuchungen von Vic zu mir kam..
überkommt mich ein Schauer..
„Frau Görtz, egal was die Zukunft ihnen bereit hält..

Ich denke.. Vic hat den Kampf weit vor seiner Geburt schon verloren …
und um so mehr ich über ihn nachdenke..
umso dankabarer bin ich über unsere drei geschenkten Tage..

Stille Grüsse
Christiane
mit Eric ganz fest an der Hand,
vielen vergossenen Tränen für *Victor*

SaraK 04-06-2003, 10:28 Uhr

Liebe Christiane,
Genau diesen Moment meinte ich – den Du beschrieben hast.
Einen kurzen Moment war ich einfach nur Mutter
und nichts anderes hat gezählt.
Es war wunderschön und es ist so traurig, dass dieser
Moment so schnell vorbei sein musste.

Du bist für Vic eine wunderbare Mutter.

Ich hatte in letzter Zeit Kontakt mit einer Redakteurin vom
ZDF. Sie macht eine Dokumentation über frühe Frühchen und wollte
eine Mutter finden, die es bereut hat, dass ihr Kind mit Intensiv-massnahmen am Leben gehalten wurde.
Deine Worte bestätigen mich darin, was ich ihr gesagt habe – wenn man sein Kind im Arm hält und bei sich hat würde man alles tun, um es bei sich behalten zu können.

Die klare Sicht hat man vielleicht vorher (wenn man mit diesen Fragen konfrontiert wird) und vielleicht auch eine Zeit später…aber wie soll man so weitgehende Entscheidungen treffen, wenn das geliebte Kind bei einem im Arm liegt und alles in einem danach schreit, es bei sich behalten zu wollen.

und ich weiß nicht, ob es Eltern gibt, die es bereuen, dass ihre Kinder leben?!?

Danke für Deine Worte,
eine liebe Umarmung von

Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

Susi2001 07-06-2003, 22:48 Uhr

liebe sara,

ich hatte zwar eine pda bei meikes geburt aber
an den schluß kann ich mich noch sehr gut erinnern….
ich war ja ende der 39ssw um genau zu sein 3tage vor
et.die geburt wurde eingeleitet…..obwohl man sagt das
eine erstgebärende für die geburt länger als 10 std. mit
allem braucht hatte ich meike in 6std. geboren.
ohne irgendwelche probleme.
ich habe erst geglaubt das sie nicht am leben ist,als ich
sie sah……etwas das mich auch heute noch fast
zerreisst war,daß ich ihr nicht in die augen schauen konnte!
ich hätte so gerne gewusst welche augenfarbe sie hat……
an diesem tag habe ich es noch nicht kapiert was los war.
als meine mutter später kam und weinte habe ich nur gedacht
„….warum weinst du denn es ist doch vorbei….“
ja es war vorbei…….aber für immer.
aber dafür war der nächste tag um so schlimmer!
mein kind wurde mir genommen und ich fühlte mich
als versager weil ich es nicht gemerkt habe als sie starb…..
das ich mich als versager fühle ist heute manchmal noch so.
ich weiß das ich es nicht hätte verhindern können aber
gegen diese ohnmacht kommme ich oft heute noch nicht an.
ich weiß nicht wie ich die schwere zeit danach und bei
meiner folge ss ohne meinen mann,meine familie und ganz
besonders CLAUDIAJANETSMAMA und der SHG geschafft hätte!
ich danke euch so sehr dafür!!!!

liebe meike,
ich vermisse dich so sehr!
aber ich könnte mir keine besseren schutzengen
für deine kleine schwester clara-marie vorstellen!!!!
bitte pass auf uns alle auf,ja?

liebe grüße

susanne, meike und clara-marie ganz fest im arm !!!