Muttertag und Vatertag

Diese Tage können besonders für Eltern, die keine lebenden Kinder habe, schwierige und traurige Tage sein. Fragen der Identität der Eltern können in dieser Zeit besonders drängend werden. In einer Veröffentlichung einer amerikanischen Selbsthilfegruppe beschreibt eine Mutter ihre Gedanken zu diesen Gedenktagen: „ Verständlicherweise sind dies zwei Tage, die von unsrer Gesellschaft bestimmt worden sind, um den Status der Elternschaft zu ehren, wie das sprichwörtliche Salz in der unseren Wunde. Für diejenigen von uns, die keine überlebenden Kinder haben, bringen diese beiden Feiertage auch viele Fragen a die Oberfläche. Wird irgend jemand, anerkennen, daß wir Eltern sind? Werden wir uns selbst erlauben, anzuerkennen, daß wir Eltern sind? Sind wir Eltern? Natürlich sind wir es! Töchter und Söhne hören nicht auf, Töchter und Söhne zu sein, wenn ihre Eltern sterben. Wir sind Mütter und Väter, deren Kinder gestorben sind.“ (S. 97)

Mutter-Sein
Kast sieht einen Zusammenhang zwischen Schuldgefühlen und einer dahinter verborgenen Identitätskrise. Sie schreibt:“ In diesen Schuldgefühlen schien sich aber auch eine tiefe Indentitätskrise der Frau als Mutter auszudrücken. Die Frage, die oft nicht gestellt wird, ist: Bin ich eine richtige Mutter, habe ich versagt als Mutter, kann ich eine Mutter sein oder kann ich es  nicht? (Kast 1991 S.68)“. In einem Gespräch und in mehreren schriftlichen Erfahrungsberichten von Müttern ist diese Frage gestellt und auch beantwortet worden.
Frau T. erzählt, wie sie sich in der Zeit nach dem Tod ihres ersten Kindes gefragt hatte: “Bin ich denn jetzt Mutter oder bin ich keine Mutter?“ Später beantwortet sie sich die frage selbst folgendermaßen:“ Und man ist genauso Mutter wie ein Frau, die ein lebendes Kind hat.“ Eine andere amerikanische Mutter setzte sich lange mit der Frage nach ihrem Mutter-Sein auseinander. Über diesen Prozeß schrieb sie:“ Ich nähere mich jedem Muttertag mit einer Frage im Sinn: bin ich wirklich Mutter? Ich habe kein lebendes Kind, um der Welt oder sogar mir selbst zu zeigen, daß ich Mutter bin. Was heißt es, Mutter zu sein? Zu nähren und für jemanden zu sorgen; bedingungslos zu lieben; Tränen wegzuwischen und Schmerz zu lindern; ein Kind zu ermutigen und zu lehren, zu wachsen und ein guter Mensch zu werden. Habe ich irgend etwas davon getan in Jaimies kurzem Leben? Bis heute, dem vierten Muttertag sei dem Tod meiner Tochter, hatte ich immer das Gefühl, ich hätte nichts davon getan. Aber in diesem Jahr, nachdem ich lange über meine Frage nachgedacht habe, kann ich sagen, ja, ich habe etwas getan. Nicht alles, aber einen großen Teil davon. Ja, ich denke, ich kann sagen, ich bin Mutter – eine besondere Art Mutter, die ihr Kind immer in ihrem Herzen hat und die sich darauf freuen kann, es eines Tages wiederzusehen. Viele Menschen wissen nicht, daß ich Mutter bin, aber ich weiß es, und das ist es, was zählt.“(S. 121/122)

Michaela Nijs
aus “Trauern hat seine Zeit
Abschiedsrituale beim frühen Tod eines Kindes”