Die Trauer zulassen

Aus “Ja” zur Trauer, heißt “ja” zum Leben, Hrg. Sönke Kriebel

Die Trauer zulassen

Traurig zu sein, gehört zu unserem menschlichen Leben genauso wie glücklich zu sein. Trauer – das ist eine normale, ja, im besten Sinne des Wortes sogar eine “alltägliche” Lebenserfahrung.

Allerdings: Für jeden einzelnen, von Trauer bewegten Menschen ist diese tiefe seelischen Erschütterung alles andere als alltäglich. Vielmehr wird Trauer als Ausnahme- oder Grenzsituation erfahren; sie gilt als “anormale” in dem Sinne, daß sie den vermeintliche normalen Lebensrhythmus stört. Die Folge dieses Verständnisses von Trauer als einem unnatürlichen Störfaktor ist der Versuch, die mit der Trauer verbundenen ganz unterschiedlichen Gefühle so in den Griff zu bekommen, daß sie das “normale” Leben eben nicht allzu sehr behindert. Doch längst wissen wir, daß wir ein Recht auf Trauer haben: unterdrückte, verdrängte Trauer macht krank – seelisch und körperlich. Und noch mehr: Traue dar nicht nur, sie muß erlebt, durchlitten und meist auch gezeigt werden.

“Trauer zuzulassen”, bedeutet daher auch, einen sehr schweren – aber viel häufiger, als in der Regel wahrgenommen, vorkommenden – Lebensabschnitt positiv zu gestalten; positiv für das Überwinden dieser Phase und für die “ neue Zeit danach”. Was heißt “trauern” in diesem positiven Sinn? Die Trauer ist ein Schmerz, der immer dann empfunden wird, wenn Menschen einen Verlust erleiden: der Tod eines nahestehenden Angehörigen, eines Freundes löst einen solchen Trauerschmerz aus. Grundsätzlich aber tritt Trauer keineswegs ausschließlich im Zusammenhang mit dem Tod auf.

Die heilende Funkton der Trauer wird heute oftmals weitestgehend übersehen. In Gegenteil gilt gerade demjenigen die allgemeine Anerkennung, der sein Traurigkeit verbirgt: So erscheint es erstrebenswert, sich am offenen Grab “tapfer zu halten”, sprich : nicht oder zumindest nicht laut zu weinen oder zuklagen. Auch ein Hinterbliebener, der “gefaßt” auf die Todesnachricht reagiert, erregt Bewunderung. In der Tat kommt Außenstehende eine solch verhaltene Reaktion gelegen: Trauernde, die mit ihren Gefühlen hinter dem viel beschworenen Berg halten – das heißt: die nicht offen weinen, klagen aggressiv und ungerecht sind, die nicht t- manchmal bis zur Erschöpfung des Zuhörers – über den verlorenen Menschen sprechen, Erinnerungen aufwärmen usw. , Trauernde also, die noch im Ausname fall von der Rücksichtnahme auf ihre Mitwelt bestimmt sind, wirken auf ihre Umgebung zunächst angenehm und “unproblematisch”. Doch weder dem Betroffenen selbst noch den Angehörigen, Freunden oder Gekannte hilft diese “Beherrschung” auf Dauer wirklich.

In anderen Kulturen, vor allem früheren Zeiten, wußten die Menschen um die Gefahren verdrängter Trauer ebenso wie um die Heilkraft von Riten, in denen Empfindungen oder Trauer ihren vollen Ausdruck fanden:

Das Kulturgut Trauer: Von ganzen Herzen klagen dürfen

Die Geschichte der Trauer ist so alt wie die Menschheit selbst. Zeugnisse für die Pflege umfangreicher Trauerbräuche sind eindrucksvoll in den Tempeln und Gräbern des Alten Ägypten dargestellt oder etwa in den Schriften altgriechischer Philosophen und Dichter. Die über Jahrtausende gepflegte Tradition der totenklage und die sich seit Jahrhunderten bewährende “Institution” der Klageweiber unterstreicht die Bedeutung durchlebter oder besser gesagt: aus-, “heraus” gelebter Trauer. Allerdings setzt die quasi öffentliche Pflege von Zeremonien wie der Totenklage ein Verhältnis zum Tod voraus, das heute kaum mehr auffindbar ist: ein offenes Annehmen des Todes – als Bestandteil des Lebens nämlich.

Im Gegensatz dazu zählt der Tod heute vielfach zu den gesellschaftlichen Tabus, zu den Themen also, “über die man nicht spricht”.

In unser vermeintlich hoch entwickelten, zivilisierten Kultur prägen die Ablehnung des Todes und das Nichtwahr-haben-Wollen seine letztendlich immer siegenden Übermacht auf die Art und Weis des Trauern. Die medizinischen Mitte, die der Mensch einsetzt, um den Tod auszuweichen, sind immens. So hochentwickelt die Gesellschaft des 20 Jahrhunderts mithin auf anderen Gebieten sein mag. das Kulturgut Trauer ist ihr verlorengegangen. “Von ganzen Herzen klagen zu dürfen” ist daher leider kein allgemein anerkannter Ausdruck von Trauerfähigkeit, aber: “Von ganzem Herzen klagen zu dürfen” ist ein notwendige Voraussetzung für die Bewältigung einer enormen seelischen Erschütterung.

Hiob, warum läßt Gott zu, daß es mir so schlecht geht?

Aus „Mit Menschen der Bibel Lebenskrisen überwinden
– zum Beispiel Hiob“

Wolfgang Hohensee

DHiober Mensch ist versucht oder besser gesagt, er ist geradezu gezwungen, eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn von Leid zu finden. Dabei bedient er sich einer Vielzahl möglicher Antworten, die ihm gleichsam als rettender Strohhalm dienen sollen.

Ich kenne ein Elternpaar, das ihr vierjähriges Kind auf tragische Weise durch einen Verkehrsunfall verlor. Eine »fromme Tante« des Kindes versuchte die Eltern mit der Antwort zu trösten, dass Gott die, die er liebt, zu sich holt. Für mich kann das keine Antwort sein, sondern nur der nach Hilfe schreiende Versuch, auf die Sinnlosigkeit dieses Leides dennoch eine Antwort zu geben.

Bei Hiob sind es die so genannten Freunde, die aus verschiedenen Himmelsrichtungen kommen und versuchen. Antworten zu finden. Für den einen ist es vollkommen klar, dass Hiob Schuld auf sich geladen hat, denn Gott würde niemals einen Gerechten mit Leid überschütten. Der zweite will Hiob davon überzeugen, dass sich am Ende sicherlich alles zum Guten wenden wird. In die gleiche Richtung tendiert der dritte Freund, der das Leid als Geheimnis Gottes deutet, dessen Sinn sich eines Tages enthüllen wird. Auch der später auftretende Elihu loht die Erhabenheit Gottes und wirft Hiob damit indirekt vor, sich selbst zu erheben, denn wer ist der Mensch, dass er mit Gott zürnen oder ihn anklagen dürfe?

Die übereinstimmende Antwort der Freunde lautet, dass Gottes Ordnung nicht anzutasten ist. Gott belohnt die rechtschaffenen Menschen, aber die Bösen werden bestraft. Die Freunde, die Ernst Bloch als »vier Glaubensspießer« betitelt, meinen es zwar gut mit Hiob, aber er ist nicht wirklich durch ihre Worte getröstet. Auch wenn die Antworten der Freunde verschieden sind, so sind es dennoch schlichte Antworten, die vom gleichen Gottesbild geprägt sind. Übereinstimmend vertreten sie die traditionell-religiöse Antwort auf die Frage, warum Gott einen rechtschaffenen Mann wie Hiob so quält: »Gott vergilt dem Menschen, wie er verdient hat, und trifft einen jeden nach seinem Tun.» Dahinter steckt der Gedanke, dass Leid immer eine göttliche Strafe für begangene Schuld bedeutet. Wo immer ein Mensch leidet, ist das die Folge menschlicher Schuld. Diesem Erklärungsmuster folgen bis heute viele Menschen, denn immer wieder ist zu hören, dass Menschen im Leid fragen: »Was habe ich denn falsch gemacht?« Doch was für  ein Glaube ist das? Welchen Fehler haben Menschen begangen, die in der Sahel Zone oder in den SIums von Rio de Janeiro tagtäglich um ihr Überleben kämpfen müssen? Welche Schuld soll ein Kleinkind auf sich geladen haben, das an einer schweren Krankheit stirbt? Unter echter Anteilnahme von Freunden verstehe ich, einem leidenden Menschen durch Nahebringen und Zuspruch von Gottes Eigenschaften zu rechter Selbsterkenntnis zu helfen, anstatt ihn mit falschen Gottesbildern zu falschen Selbsteinsichten zu führen.

Hiobs Freunde halten an ihrem Gottesbild (mehr zum Begriff Gottesbild) fest und immer wieder muss er seine Unschuld beteuern. Es sind oft die falschen Freunde, die einen Menschen im Leid mit schnellen Erklärungsversuchen zu trösten versuchen. Dies ist aber kein echter Tost, sondern eine Vertröstung. Hiob kann und will die Sinnlosigkeit und Ungerechtigkeit des Leides nicht aushalten. Er merkt dabei nicht, dass er sich nach dem gleichen Muster vom gerechten Zusammenhang von Tun und Ergehen verhält: Wenn Hiob sich unschuldig fühlt, so muss im Umkehrschluss Gott an dem Leid schuld sein. Hiob möchte Gottes Handeln verstehen, aber er kann es nicht. Die Freunde haben keine befriedigende Antwort und deshalb lässt Hiob nicht locker und schleudert Gott selbst seine Fragen an den Kopf:

Bin ich gewandelt in Falschheit, oder ist mein Fuß geeilt
zum Betrug?… Ist mein Gang gewichen vom Wege und
mein Herz meinen Augen nachgefolgt und blieb etwas
hängen an meinen Händen?… Hat sich mein Herz betören
lassen um eines Weibes willen und hab ich an meines
Nächsten Tür gelauert?… Hab ich missachtet das Recht
meines Knechts oder meiner Magd, wenn sie eine Sache
wider mich hatten?
Hiob 31,5.7.9.13

Immer wieder beteuert Hiob seine Unschuld: »An meiner Gerechtigkeit halte ich fest und lasse sie nicht; mein Gewissen

Also warum wollte Gott den Tod der Menschen am 11. September? Warum wollte er den Tod der 71 Menschen bei der Kollision zweier Flugzeuge? Warum der Tod eines Kindes? Wenn nach christlicher Schöpfungstheologie Gott in allem wirkt, so muss er doch auch in den Katastrophen wirken, so denken und fragen viele Menschen.

Diese Theodizeefrage, also die Rechtfertigung Gottes angesichts der grausamen Weltwirklichkeit, führt aber nicht weiter. Sie bleibt unbeantwortet und deshalb ist nach 1945 der Satz gefallen, dass man nach Auschwitz nicht mehr an Gott glauben könne, gerade weil er nicht eingegriffen habe. Gott schweigt und weitere Katastrophen, Vulkanausbrüche, Erdbeben, Brände, Flugzeugabstürze und Morde werden geschehen. Gott wird durch unser Fragen nach dem Warum mit einer falschen Wirklichkeit verbunden. Wenn Gott in einen kausalen Zusammenhang mit all dem Leid gestellt wird, dann können die Antworten nur in die Irre führen. Gott ist weder mächtig noch ohnmächtig, sondern er ist, wie er ist, und was Hiob mitgeteilt wird, setzt den Menschen herab und ordnet ihn neben die unfassbare Natur.

Aber dennoch spricht Gott mit Hiob und damit zu uns Menschen von heute. Gott vertröstet nicht, sondern korrigiert und bleibt in Gemeinschaft mit Hiob. Gott hatte auch andere Fragen an ihn richten können, denn wenn wir im Nachdenken über das Leid von der menschlichen Abwendung von Gott ausgehen, so müssen wir feststellen, dass Gott den Menschen zum Leben und nicht zum Tode geschaffen hat. Der Mensch ist es, der dem Menschen Leid zufügt. «Homo homini lupus«, heißt es in einem lateinischen Sprichwort, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Gemeint ist, dass der gefährlichste Feind des Menschen der Mensch selbst ist. Dann lautet die Frage nicht mehr, wie Gott das Leid zulassen kann, sondern wie die Geduld Gottes zu rechtfertigen ist, mit der er den friedlosen Menschen noch immer Raum, Zeit und Kraft gibt, ihr Unwesen zu treiben.

Hiob zeigt sich von Gottes Antwort tief beeindruckt. Indem er erfährt, dass Gottes Horizonte größer sind als die der Menschen, legt sich sein Ärger und er bekennt, selbst zu gering zu sein, um auf die Erhabenheit Gottes antworten zu können. Hiob gibt Gott schließlich Recht. Er wendet seinen Blick von sich weg und erlebt Gott in neuer Weise:

Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen;
aber nun hat mein Auge dich gesehen.
Hiob 42,5

Dieses Bekenntnis ist nicht als Niederlage zu verstehen, sondern es ist die überwältigende Erfahrung der Nähe Gottes. Auch wenn die Antwort Gottes nicht der Frage Hiobs entspricht, so ist sie dennoch eine Antwort. Gott hat zu Hiob gesprochen und ist aus seinem Schweigen herausgetreten.

Hiob erkennt die Unverfügbarkeit des menschlichen Daseins an. Sowohl in der Ordnung als auch in der letzten Undurchschaubarkeit ist Gottes Gegenwart zu finden. Hiob lässt sich ganz neu ohne Voraussetzungen und Bedingungen auf Gott ein. Gott ist weder ein Gott der Strafe noch ein Gott des Schutzes, sondern Gott ist ein Gott, der frei ist.

Den weisheitlichen Traditionen entspricht es, dass die Spuren in Gottes Walten in der Schöpfung zu finden sind. An Hiob ist abzulesen, wie Gott in seiner unergründlichen Weisheit handelt, ohne dass der Mensch dieses Handeln erkennen, berechnen oder manipulieren kann. Hiob soil erkennen, dass er auch im Leid auf Gottes Gegenwart und Führung vertrauen darf.

Wie immer hat jeder selbst die Wahl, wofür er sich entscheidet: Leid oder Chance? Das Ziel bleibt dasselbe! Hiob hat sich für die Chance entschieden, indem er alte Gottesbilder über den Haufen warf. Darin ist er für mich zum Mut machenden Vorbild geworden. Ich brauche die Erfahrung, dass es geht, dass es nie ein »Zu Spät« gibt. Krisen – egal wie tief sie uns führen – bergen Veränderungen in sich, die mich dazu führen können, zu wachsen und glücklich zu werden. Der Begründer der Logotherapie, Viktor E. Franki, sagte: »Es gibt kein menschliches Wesen, das nicht mit Leid, Tod und Schuld konfrontiert wird – einmal als Opfer, einmal als Täter!« Wäre es nicht an der Zeit, den Tatsachen ins Auge zu sehen und die Stärke zu wählen, sich nicht vor Krisen zu drücken, sondern Lösungsmöglichkeiten zu suchen? Oie Krise lässt uns die Trostlosigkeit erblicken, aber ich selbst entscheide, ob ich um mich schlage und den Halt verliere oder ob ich mich dem Neuen, das auf mich zukommt, stelle. Ich möchte neue Schritte wagen, bereit sein, auch schmerzliche Veränderungen in Kauf zu nehmen.

An der Hioberzählung erkenne ich, dass der Mensch trotz seines Leids zu einem größeren Ganzen finden kann. Hiob sucht eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn von Leid. Nur die Liebe vermag die Sinnlosigkeit von Leid in Frage zu stellen. Hiob findet zu dieser Liebe zurück, indem er die Frage nach dem Leid zu der Frage nach dem Sinn des Lebens verändert. Für Leo Tolstoi, der in eine Lebenskrise geraten war, keimte neue Hoffnung in seiner Verzweiflung auf, als er eines Tages allein durch den Wald ging. Er beschreibt, wie er begonnen habe, über sein Leben und über das nachzudenken, was größer war als sein Leben, aber noch unentdeckt. Das Fehlen dieses größeren Elements war die Quelle seiner Verzweiflung. Inmitten der Natur des Waldes suchte er in sich selbst nach diesem Gefühl für etwas Größeres. Nach dieser Erfahrung schrieb Tolstoi: »Die Dinge in mir und um mich herum wurden klarer denn je, und das Licht ist nie wieder erloschen. Wie es zur Veränderung kam, kann ich nicht sagen. So unfühlbar und allmählich, wie die Lebenskraft in mir erstorben war und ich mein moralisches Sterbebett erreicht hatte, so allmählich und unmerklich kam die Lebensenergie zurück.«

Vielleicht ist diese Erfahrung ähnlich wie bei Hiob, der Gott in ganz neuer Weise erleben durfte. Gott war plötzlich mit den inneren Augen sichtbar. Gott war das Leben selbst, und es war Hiob plötzlich ganz nähe. Immer wieder können wir am Beispiel anderer Menschen ablesen, dass die Krisen zu- gleich die großen Lehrmeister sind, die helfen, uns selbst als Teil des Ganzen zu verstehen, uns selbst in unseren noch so schweren Momenten nicht immer als Mittelpunkt zu sehen. Paul Tillich nennt dies den »Mut, Teil zu sein«, und meint da- mit: sich selbst trotz der vielen erlebten Unterdrückungen, Abwertungen und Vernachlässigungen als wichtigen Teil eines lebenden Organismus zu begreifen, einen Teil, auf den es ankommt.

Wenn ein Mensch gestorben ist – wie gehen wir mit dem Toten um? (Rituale)

TauschBickelnDaniela Tausch-Flammer, Lis Bickel S. 181 ff.

In der gegenwärtigen Zeit haben aber viele Menschen den Zugang und das Verständnis für die traditionell gepflegten Rituale und kultischen Handlungen im Rahmen der Kirche verloren. Die Traditionen und die mit ihnen verbundene Geborgenheit haben sich vielerorts besonders in großstädtisch Bevölkerungskreisen immer mehr aufgelöst. Damit ist Entfremdung zwischen uns und den kultischen Handlungen eingetreten und das damit verbundene Gefühl des Befremdlichen ihnen gegenüber.

Andererseits können wir aber auch festzustellen, daß es in vielen Menschen ein neu erwachte Sehnsucht nach ebendiesen und erfüllten Ritualen gibt.

Das bedeutet: daß es einerseits zu einer Erneuerung des Verständnisses von Ritualen und andererseits ein erneuertes Bewußtsein von seiten deren geben sollte, die kultische und rituelle Handlungen vollziehen.

Wir erleben oft, daß gerade in solchen Zeiten tiefer Erschütterung, wie sie Sterben und Tod mit sich bringen, die Sensibilität für Echtheit und Tiefe und die Aufnahmefähigkeit für die heilende“ Wirkung solcher Handlungen besonders gesteigert ist. Das heißt also, daß rituelle Handlungen auch in der Zukunft hilfreich, sinnstiftend und ordnend sein und damit Kraft und wirklichen Trost spenden können, wenn sie erfüllt und wahrhaft mitvollzogen werden. Wir meinen, daß Trauer und wirkliche Verzweiflung nicht durch Zeremonien und Traditionen zugedeckt und verdrängt werden sollten, daß durch sie nicht eine Verpflichtung entstehen sollte, ,,tapfer zu sein“ oder ,,getröstet“ wo dieses noch gar nicht sein kann oder sogar Drohungen von Strafe, Verdammnis, Schuld und Sünde uns nicht noch zu unserer ohnehin schon schweren Last des Verlustes auferlegt werden. Glauben darf nicht gleichgesetzt werden mit einer unechten Haltung, die meint, daß der Schmerz ja gar nicht so groß sein dürfe. Vielmehr wünschen wir, daß es uns wieder vermehrt gelingt, religiöses Handeln und Erleben so zu gestalten und zu erfahren, daß wir in ihnen eine ganzheitliche Ordnung und Geborgenheit empfinden und erfahren können. Eine Ordnung, in der wir uns trotz unserem Schmerz, unserer Wut, unserer Trauer und der Vielfalt unserer Gefühle aufgehoben erleben. Wir wünschen uns eine zukünftige Gestaltung der Bräuche und Rituale, die aus echtem Empfinden kommt und vollzogen wird und uns behutsam zu Vorstellungen des nachtodlichen Seins hinführt und uns Handlungen zeigt, die uns in die geistig-seelische Nähe der Verstorbenen bringen können.

Der ursprüngliche Sinn ritueller Handlungen war der, daß Menschen durch solches Tun ihren Hoffnungen, Wünschen, Angsten, Gefühlen und Gedanken Ausdruck geben konnten, sie verdichteten, ihnen Form gaben und sie erhöhten. Profanes und Alltägliches wurde in einem erhöhten, besonders klaren und liebenden Bewußtsein vollzogen. Sie wurden in einer ganz und gar aufmerksamen und zugewandten Art und Weise ausgeführt, das heißt zelebriert. Die so ausgeführten Handlungen verändern sich in ihrem Charakter und werden zu kultischen Handlungen. Dadurch, daß Handlungen auf solche Weise vollzogen werden, kann sich das ursprünglich nur chaotische, schmerzhafte Empfinden klaren und ordnen und eine heilende Form des Ausdrucks finden.

Ritus und Kult schenken uns die Verbindung zum Heilenden und Heiligenden in uns und außerhalb von uns.

Viele Menschen mag die Frage bewegen, was denn eigentlich Heilung oder auch Linderung bewirkt. Darüber hinaus beschäftigt uns vielleicht die Frage, welche Bedeutung die Rituale, über uns selbst hinaus, denn tatsächlich auch für den Verstorbenen haben. Was können wir über diese Vorgänge und Kräfte, über die Wirkung solch kultischer Handlungen in heutiger Zeit verbindlich aussagen?

Rituelles und sakramentales Geschehen haben immer eine Dimension, die sich auf den religiösen, kosmischen, übersinnlichen, spirituellen Zusammenhang ausrichtet. Das bedeutet, daß Menschen, denen ihr Eingebettetsem in ein höheres, sinnvolles Ganzes nicht mehr zugänglich ist, eben auch von der inneren Bedeutung kultischer oder ritueller Handlungen entfremdet sind.

Andererseits können wir immer wieder feststellen, daß Menschen, die in das Erleben von Sterben und Tod gestellt sind, oft einen ganz neuen Zugang, eine ganz neue Öffnung zum Religiösen, Spirituellen erleben. Manchmal kann es sogar geschehen, daß Menschen durch solche Handlungen, die in große Liebe und Bewußtheit vollzogen werden, wieder eine Ahnung einer religiösen Dimension erfahren.

So sagte uns eine Mutter, die durch die areligiösen Lebensgewohnheiten der ehemaligen DDR geprägt war, nach einer Feierlichkeit für ihren an Krebs Verstorbenen Sohn:

,Ich spürte plötzlich so etwas Besondeies im Raum, und ich hatte das Gefühl, daß Ralph an all dem, was da geschah, teilnahm und er dadurch bei uns war.“

Im Ritual werden an und für sich unsichtbare Kräfte durch Worte im Gebet, Körperhaltungen, Düfte zum Ausdruck gebracht, oder es wird darum gebeten, daß diese unsichtbaren, geistigen Kräfte zur Entfaltung und Wirkung kommen mögen. Das, was unsichtbar erscheint, kann durch Handlung etwas in die Sichtbarkeit kommen. So kann zum Beispiel das Bitten und das Empfangen durch Gesten lebendig werden, Verehrung kann sich durch eine bestimmte Körperhaltung ausdrücken, Kraft und Segen kann empfangen und gespendet werden, und innerlich Erlebtes, Gefühle, Lasten und Fragen können ausgedrückt oder überantwortet werden.

Im rituellen Geschehen ist oft das Element der Wiederholung enthalten. Wir können dann erleben, daß bewußt Wiederholtes und wiederholt Erlebtes uns ein starkes Gefühl der Ordnung, des Schutzes und der Geborgenheit vermitteln. Andererseits erfahren wir, daß Inhalte, die mit Hingabe wiederholt vollzogen werden, immer neu und verändert erscheinen, daß das eigentlich Wirkende sich auf immer neue Weise in ihm ereignet. Das regelmäßig Wiederholte erfahren wir dann als verwandelnd und heilend.

Der Zugang zu neuen Ritualen

Manchen Menschen entspricht es, daß sie in der Begleitung eines Verstorbenen nicht mehr auf die herkömmlichen Brauchtümer und Traditionen zurückgreifen möchten. Sie wollen entweder neue oder auch persönlichere Formen des Handelns für sich finden. Wir wünschen uns, daß wir durch die folgenden Abschnitte solchen Menschen, die für ihre Verstorbenen und auch für sich selber neue Rituale und zeremonielle Handlungen vollziehen möchten, Mut und einige Anregungen geben können.

Durch diese ,,Zurücknahme“ solchen Handelns in die Kraft der eigenen Gestaltung wird einerseits ein Großteil der Entfremdung gegenüber Ritualen und die Tabuisierung gegenüber Sterben und Tod überwunden, andererseits kann es den Hinterbliebenen ein Gefühl tiefer Befriedigung schenken, das ihnen auch im Prozeß der Trauer hilft.

Auf der Suche nach solchen Formen haben wir eine noch gar nicht ausgeschöpfte Quelle in den Bräuchen und Traditionen anderer Völker und Kulturen. Da gibt es die Sitte:

  • den Toten selber zu richten und zu schmücken;
  • Sarg- oder Grabbeigaben mitzugeben;
  • die Totenwache auf eine gemeinschaftlicher Art und Weise durchzuführen, wie zum Beispiel mit den Mitbewohnern eines ganzen Hauses;
  • die Feierlichkeiten auf unterschiedlichste Weise zu gestalten;
  • das Niedersenken des Sarges selber zu übernehmen;
  • das Grab selber zuzuschaufeln;
  • das Grab gemeinschaftlich zu schmücken;
  • besondere Essenszubereitung;
  • und andere Formen eines längeren Beisammenseins und Begleitens in den Tagen nach der Beisetzung.

Paul Tillich schreibt in seinen Religionsphilosophischen Schriften:

Kultus ist die Inbegriff derjenigen Handlungen, durch die das Unbedingte (das Ewige Göttliche – Transzendente /Anmerkung der Verfasserinnen) im Praktischen realisiert weiden. Alles religiöse Handeln ist kultisches Handeln. Religiöses Handeln aber ist gläubiges Handeln, Alles gläubige Handeln ist darum kultisches Handeln!…

Für den Glauben kann es keinen (!) praktischen Akt geben, der nicht durch ein Symbol hindurch auf das Unbedingte gerichtet wäre…

Der Kultakt ist nichts als die höchst konzentrierter Form gläubigen Handelns“ (Paul Tillich, Hauptwerke Band 4).

Wir möchten das für uns in folgender Weise ausdrücken:

Jede Handlung kann zu einer kultischen Handlung erhoben werden.

Um eine profane Handlung zu einer kultischen Handlung werden zu lassen, bedarf es:

  • der Gerichtetheit auf das  Göttliche,
  • die konzentrierte Hingabe an das Geschehen
  • und die Reinheit der Motive un der Ausführung.

Wenn wir in dieser äußeren und inneren Haltung Handlungen vollziehen, haben sie einen kultisch-rituellen Charakter.

Alle Beteiligten sollten solche Rituale mit wachem und liebenden Herzen vollziehen oder nachvollziehen, dann werden sie selber die Bedeutsamkeit und Kraft eines solchen Tuns erfahren. Das kann für einen einzelnen Menschen gelten oder auch für eine Gruppe von Menschen, die sich in diesem gemeinsamen Anliegen miteinander verbinden. Das ganz persönliche Erleben kann in solch gemeinschaftlichem Tun als eine uns allen gemeinsame Lebenserfahrung erlebt werden, damit kann der eigene subjektive Schmerz als ,,normal“ allen Menschen gemeinsam, eingebettet, erlebt und verstanden werden. Auf diese Weise kann das Leiden ein Stück weit begreifbarer werden.

Alles, was einen Weg des Ausdrucks, eine Form oder Gestaltung findet, erfährt damit schon Wandlung im Sinne von Heilung.

Inwieweit solche rituellen Handlungen unsererseits auch für den Verstorbenen ,,positiv“, das heißt hilfreich und wichtig sind, kann in solchen Situationen ahnend erfahren werden. Wir haben dann vielleicht in unserem eigenen Inneren das Erleben, daß etwas ,,lichter“ oder ,,leichter“ um den Verstorbenen wird, oder wir haben möglicherweise das Gefühl, daß sich etwas Fehlendes zu einem Ganzen schließt, abrundet und vollendet. Wenn wir den Verstorbenen sowohl in seiner Lebensgeschichte als auch in der Tiefe seines Wesens kannten, können wir in solchen Handlungen eine Übereinstimmung mit seinen Wünschen erahnen, oder wir erleben, daß wir in uns das ganz deutliche Gefühl haben, noch etwas in seinem Sinne für ihn vollzogen zu haben.

Abschied von Baby Mose Welt online

Sichtlich berührt blicken die Trauergäste auf den gerade 60 Zentimeter langen Kindersarg in der Kapelle des Friederikenstifts in Hannover. Als dann die evangelische Landesbischöfin Margot Käßmann die bewegende Trauerrede für Mose hält, der Anfang Januar tot vor einer Babyklappe gefunden wurde, kommen einigen die Tränen.

Ein Bestatter trägt den kleinen Sarg. Neben ihm Margot Käßmann. Sie hielt die Trauerfeier in Hannover Foto: AP
Ein Bestatter trägt den kleinen Sarg. Neben ihm Margot Käßmann. Sie hielt die Trauerfeier in Hannover
Foto: AP

Käßmann hatte den Sarg und das Blumengebinde selbst ausgesucht. Unter dem Deckel aus Kiefernholz liegt der in ein Frotteetuch eingewickelte Leichnam des Säuglings, neben ihm ein weinender Engel. Am Freitag ist Mose in einem Gräberfeld für Kinder beigesetzt worden. „So wird er unter Kindern zumindest im Tod geborgen sein“, sagt Käßmann.

„Wir nehmen Abschied von einem kleinen Menschenkind, dessen kurzer Lebensweg uns alle aufgeschreckt und erschüttert hat“, sagt Käßmann vor etwa 80 Trauergästen, darunter zahlreiche Pfleger, Ordensleute und Ärzte. Dieser erschütternde Tod zum Beginn des neuen Jahres sei eine Mahnung an alle, für die Kleinen einzutreten, ihnen beizustehen, damit keines verloren werde. Auch die Mutter schloss Käßmann in ihr Gebet ein. „Tröste sie, wenn die Tage für sie trostlos sind“, bat sie. Sie hofft, dass die Mutter des kleinen Mose mit dem Grab einen Ort hat, „an dem sie trauern kann, sollte sie ihn je suchen.“ mehr

Spielzeug auf dem Friedhof

Das Grab ist eines unter vielen. Auf dem Friedhof im Ortsteil Stöcken sind Säuglinge begraben, die noch während der Schwangerschaft oder als Frühgeborene starben. Auf dem Gräberfeld liegt Spielzeug neben einer liebevoll gestalteten winzigen Waldnachbildung mit Tieren und einem Schneemann. Ehe die Grabstelle von Mose geschlossen wird, wirft Margot Käßmann eine weiße Rose auf den Sarg hinab. Zuvor hatte sie sich persönlich am offenen Sarg von Mose verabschiedet. „Das kleine Gesicht, das nach Erfrieren und Obduktion fast friedlich aussah, eingehüllt in ein grünes Frotteetuch, werde ich nicht vergessen.“

Die Landesbischöfin hat in den vergangenen Tagen das Schicksal des kleinen Jungen sehr bewegt. Sie ist Schirmherrin des für die Babyklappe zuständigen Hilfsnetzwerkes „Mirjam“. Die Hintergründe der Tragödie sind indes noch unklar. Möglich sei auch, dass ihn jemand in das rettende Babykörbchen legen wollte und daran gehindert wurde, durch eine Störung oder einen mechanischen Defekt, sagte Käßmann in ihrer Trauerrede.
Bedienung der Babyklappen einfacher machen

Sie will sich mit den Betreibern und Herstellern in den kommenden Tagen zusammensetzen, um die Bedienung der Babyklappen noch einfacher zu machen. Ein Gutachten von Experten des Landeskriminalamtes und der Dekra hatte ergeben, dass sich die Babyklappe nicht entsprechend der Anleitung öffnen ließ. Ein zweites Gutachten ist bereits beantragt. Noch ist aber unklar, ob der erst wenige Stunden zuvor geborene Junge auf den eiskalten Stufen vor der Babyklappe gestorben ist, oder vorher bereits tot war.

http://www.welt.de/hamburg/article1542514/Abschied_vonbrBaby_Mose.html

11. Januar 2008, 15:17 Uhr
Von Andre Jahnke

Anprache der Landesbischöfin zu Matthäus 18, Vers  14

Friederikenstift und Friedhof Stöcken am 11.01.2008

Liebe Gemeinde,
Wir müssen heute Abschied nehmen von einem kleinen Jungen, den keiner von uns kannte. Ja, auch seine Eltern, seine Herkunft kennen wir nicht. Und doch hat dieses Kind in den vergangenen Tagen die Herzen vieler Menschen bewegt. Ich habe das gespürt, als jemand anrief und die Bestattung ausrichten wollte, als Menschen Blumen spenden wollten, als jemand angeboten hat, ihm einen Grabstein zu gestalten. Dieses Kind hat Herzen bewegt und Mitmenschlichkeit, ja Liebe zutage treten lassen mitten in allem Entsetzen über seinen Tod.

Im Matthäusevangelium sagt Jesus: „Also ist´s auch bei eurem Vater im Himmel nicht der Wille, dass eins von diesen Kleinen verloren werde“. Immer wieder ist erstaunlich, dass Jesus in einer Gesellschaft, in der Kinder rechtlos waren, ihre Würde in den Mittelpunkt stellt. Er sieht sie geradezu als Vorbild. Als Vorbild vor allem, weil sie sich ganz und gar der Liebe Gottes anvertrauen. Ja, weil sie ganz und gar auf Gott und die Liebe der Menschen angewiesen sind.
Ein solcher Tod eines völlig hilflosen Kindes treibt uns um. Wie konnte Gott das zulassen? Warum war die Mutter derart verzweifelt. Wieso wurde es nicht durch warme Kleidung vor der Kälte bewahrt?
Ich bin überzeugt, Gott wollte dieses Kind schützen, ja wollte, dass wir dieses Kind bergen können. Keines soll verloren gehen! Das ist immer wieder unser Auftrag, unsere Herausforderung. Dieser erschütternde Tod zum Beginn des neuen Jahres ist eine Mahnung an uns alle, für „die Kleinen“ einzutreten, ihnen beizustehen, damit keines verloren werde.

Wir wissen nicht, was sich zugetragen hat in jener Nacht. Viele von uns stellen sich Fragen: War er schon tot, als er abgelegt wurde? Hat ihn jemand in der Kälte dem Erfrieren überlassen? Oder wollte ihn jemand in das rettende Babykörbchen legen und ist daran gehindert worden durch eine Störung oder einen mechanischen Defekt? Alle diese Vorstellungen sind erschütternd. Wir können sie nicht beschwichtigen. Wir können sie nicht nachweisen. Sie bleiben zur Zeit Spekulation. Aber sie müssen uns drängen, noch energischer für Mütter und ihre Kinder einzutreten.

Gestern Nachmittag haben wir im kleinsten Kreis am offenen Sarg Abschied genommen. Für mich war das ein bewegender Moment. Denn es wurde klar: da geht es nicht um den „toten Säugling“, da geht es um einen kleinen Menschen, der gern gelebt hätte, der ein Gesicht hat, der in seinem so furchtbar kurzen Leben so viel erlitten hat. Das kleine Gesicht, das nach Erfrieren und Obduktion fast friedlich aussah eingehüllt in ein grünes Frotteetuch werde ich nicht vergessen.

Am letzten Sonntag habe ich ihn Mose genannt. Nein, dieser Name ist nicht eingetragen. Dieses Kind hat kein Stammbuch. Doch es sollte gerettet werden wie der kleine Mose in der biblischen Geschichte, den seine Mutter in höchster Gefahr einem kleinen Körbchen anvertrautet. Aber keine Mirjam konnte mehr für unseren Mose hier im Sarg sorgen. Als rettende Hände ihn fanden, war er bereits tot.

Wir haben Mose einen Engel in seinen Sarg gelegt. Ein Engel ist auch auf dem Vorderbild unseres Liedblattes abgedruckt. Er sitzt ist in der Krypta der Stiftskirche zu Fischbeck auf dem Fenstersims zu finden. Und er weint. Ursprünglich saß er auf einem Kindersarg der Familie der Grafen zu Schaumburg. Der weinende Engel – er weint mit uns um das unvollendete, das Zerbrochene im Leben. Er weint mit uns um dieses Kind.

Ich denke, auch Gott weint mit uns um dieses Kind. Wenn wir es heute würdig bestatten, kommen wir einer Christenpflicht nach. Für uns endet die Würde des Menschen nicht mit dem Tod. Wir glauben, dass der Name dieses kleinen Jungen, der auf so entsetzliche Weise ums Leben kam, bei Gott in das Buch des Lebens eingeschrieben ist. Wir können den kleinen Mose auf einem Gräberfeld für Kinder beisetzen, die noch in der Schwangerschaft starben oder als Frühgeborene, als Kinder, die bereits geborgen waren in einer Familie. So wird er unter Kindern zumindest im Tod geborgen sein. So wird auch seine Mutter einen Ort haben, an dem sie um ihn trauern kann, wenn sie je diesen Ort sucht.
Im Christentum gehörte es von Anfang an dazu, Menschen würdig zu bestatten. Schon Josef von Arimathäa stellt in der biblischen Erzählung sein Grab zur Verfügung, damit Jesus mit Würde bestattet werden kann nach diesem so grauenvollen Sterben. Im Urchristentum galt als Kennzeichen, dass jeder, auch der Sklave, die Rechtlose von der Gemeinde, zu der sie gehörten, eine solche Bestattung erhielt. Sie gilt als siebtes Werk der Barmherzigkeit Es gehört in christlicher Tradition zu unseren Pflichten, auch unbekannte Tote zu waschen, zu kleiden und zu bestatten.

So wollen wir den kleinen Mose nun begleiten auf dem Weg zu der Geborgenheit in Gottes Liebe mit aller Trauer, dass wir ihm diese Liebe unter uns Menschen nicht geben konnten. Gott weint mit uns. Der Engel weint mit uns. Wir weinen um dieses Kind. Wir vertrauen es der Barmherzigkeit Gottes an, der seinen Namen kennt.
Amen.

Predigt aus dem Gottesdienst Zwischenhalt „Abschiednehmen“

vom 19.11.2006 St. Paulus (Buchholz i.d.N.)

Abschiednehmen06
Pastorin Bürig

von Pastorin Christiane Bürig

Liebe Gemeinde,

das Leben besteht aus Abschieden. Ich denke zunächst an die vielen kleinen Abschiede im Alltag. Wie oft sagen wir Tschüß! Oder: bis Morgen!

Und es gehört auch mancher endgültige Abschied dazu, ich denke jetzt noch gar nicht an den Tod. Auch das Leben bringt endgültige Abschiede: Trennungen von Paaren, Freundschaften, die im Sande verlaufen, Nachbarn, die wegziehen. Für viele der älteren Generation der Abschied von der Heimat und ihren vielen Gesichtern durch die Flucht.

Das Leben besteht aus Abschieden.

Irgendwann ist es das erste Mal der Tod eines nahen Menschen.Irgendwann ist da unser eigener Tod, Abschied vom Leben auf diesem wunderschönen Planeten mit den Tautropfen auf dem Gras, dem Baumrauschen und den Menschen, die wir lieben.

Das Leben besteht aus Abschieden.

Pastorin Christiane Bürig

Daß der endgültige Abschied Tod in unserer Gesellschaft weggeschoben und an den Rand gedrängt wird, ist ein Phänomen, das oft besprochen wurde. Bestatter fahren in grauen Wagen, wir sprechen von „entschlafen“ oder „eingeschlafen“, gestorben wird im Krankenhaus, oft auch, wenn es die Situation überhaupt nicht erfordert hätte. Die Medizin hat den Tod soweit hinausgeschoben wie möglich, so weit, daß einem Angst und Bange werden kann und wir mit Patientenverfügungen reagieren. Die sollen sicherstellen, daß wir irgendwann dann auch mal sterben dürfen.

Der endgültige Abschied Tod wird an den Rand gedrängt. Wir sehen es auch daran, wie unsere Rituale um Sterben und Tod verdorrt sind. Die Bestattung im engsten Kreise – selbst da wo ein Verstorbener mitten im Leben stand… sollen Nachbarn, Freundeskreis, Kollegen keinen Abschied nehmen dürfen?

Die anonyme Bestattung – wir leben doch auch mit einem Namen, warum dürfen wir nicht mit einem Namen sterben? Angehörige, Bekannte werden des Ortes beraubt, an dem sie weinen, Zwiesprache halten oder einfach sich besinnen können.

Oder die Tatsache, daß viele Familien ihre Kinder nicht mit zur Beerdigung nehmen, obwohl die es gerne würden – noch nicht einmal zum Abschied von Großeltern, die sie doch lieb hatten. Auch ein Kind hat eine Recht aufs Abschiednehmen.

Der Tod verdrängt – wir sehen es auch daran, wieviel Wissen über Trauerprozesse verloren gegangen ist.

Wieviele Witwen haben mir erzählt, daß sie ihren Mann als anwesend fühlen, nicht sichtbar, aber wahrnehmbar anwesend in der Wohnung, wie ein Schatten jenseits des Blickfeldes – und jede dachte, jetzt wird sie verrückt. Dabei scheinen solche Erfahrungen zum Trauern dazu zu gehören. Oder daß wir immer vom „Trauerjahr“ sprechen, als sei es dann geschafft. Dabei scheinen Trauerwege eher eine Art Spirale zu sein, wo man immer wieder an die gleichen Punkte kommt: Weihnachten, Hochzeitstag, nach Jahren noch die gleiche Traurigkeit, nur daß sie im Laufe der Zeit schneller zu bewältigen ist.

Oder daß wir immernoch vom „loslassen“ reden. Niemand kann einen geliebten verstorbenen Menschen loslassen. Es muß sich nur die Art der Beziehung ändern zu einer verinnerlichten Form des Kontakts.

Der Tod verdrängt – wieviel Unsicherhiet das mitsichbringt: wie sollen wir Trauernden begegnen? Wie sollen wir Sterbenden begegnen? Aus Angst vor unseren Gefühlen, treten wir die Flucht an.

Uns fehlt eine Kultur des Sterbens und des Trauerns. Das Wissen früherer Zeiten ist verloren gegangen. Ein neues, in unserer Zeit passendes Wissen muß erst noch entwickelt werden.

Solange wir auf der Flucht sind, vergrößern wir das Leid. Das Leid der Betroffenen, und unser eigenes.

Eines müssen wir uns dabei klar machen: Es wird so tausend- und abertausendfach gestorben auf der Welt. Gewalt ist im Spiel und Hunger und Verwahrlosung, ungerechte Strukturen, verseuchtes Trinkwasser und Krieg… wie oft ist da überhaupt keine Gelegenheit, mal eine Hand zu halten. Wir haben zur Zeit in unserer Gesellschaft das große Glück, daß die Not nicht über uns zusammenbricht, sondern daß Spielraum da ist, daß wir die Möglichkeit haben, uns um Sterbeprozesse zu kümmern…Wir sollten diese historisch und global betrachtet glückliche Lage nutzen und es für die sterbenden Menschen gut machen!

Wie das aussehen kann – dafür hat die Hospizbewegung zwei zentrale Antworten. Denn was ist die größte Angst, wenn wir an unser Sterben denken?

Daß wir Schmerzen leiden müssen. Die Medizin kann Schmerzen inzwischen sehr, sehr gut und auf den Patienten zugeschnitten verhindern. Auf dieses Thema wurde sie von der Hospizbewegung angesetzt und hat große Erfolge erzielt.

Die zweitgrößte Angst ist: Einsam zu sterben. Auch darauf hat die Hospizbewegung eine Antwort, wenn entweder Sterbende Zuhause von ehrenamtlichen Sterbebegleitern aufgesucht werden oder wenn sterbenden Menschen in einem Hospiz begleitet werden.

Für mich ist die Hospizbewegung schon eine Antwort auf die Tabuisierung des Todes in der Gesellschaft und eine Trendwende.

Wir fangen an, wieder dahin zu schauen.

Ein Hospiz ist mehr als ein Ort zum Sterben. Es ist ein Zentrum, das sein Wissen und seine Erfahrungen ausstrahlt. Die Angehörigen, deren sterbender Mensch im Hospiz lebt, werden zugleich entlastet – was die Pflege angeht – und herangeführt – was die Begleitung angeht. Ein Lern – und Erfahrungszentrum zum Thema Abschied nehmen. Nach und nach können immer mehr Menschen von der Tabuisierung und Überforderung zu einer Kultur des Sterbens und des Trauerns finden. Zu einer Kultur des Abschieds.

Und indem wir tiefer dahineinschauen, stellen wir plötzlich fest: Indem wir mehr über den Tod und den Abschied und das Trauern lernen, lernen wir mehr über das Leben!

Am besten kann ich das an einer eigenen Erfahrung zeigen. Der Tod gehört nämlich immer mit in  mein Leben. Mein Vater starb relativ früh – und in meinem Beruf geht es ja jede Woche um Trauern und Abschied. Und ich dachte eine ganze Zeit, daß ich damit ganz gut versöhnt sei. Bis ich einen 34-Jährigen zu beerdigen hatte. Und ich war da gerade 34. Das war etwas anderes. Und ich dachte: O.K., jeden Tag, den ich ab jetzt habe, habe ich mehr als er. Was mache ich denn damit? Und plötzlich war mir klar: Tod und Leben gehören zusammen, nicht nur so, daß der Tod eben das Leben begrenzt, sondern so, daß er es intensiviert, Vertieft. Überhaupt als wertschätzendes Leben ermöglicht.

Erst wenn ich die Grenze anerkenne und fühle, kann ich fragen, was innerhalb dieser Grenzen geschehen soll. Qualität des Lebens! Und dann auch des Sterbeprozesses. Vielleicht gerät die Frage nach der Länge des Lebens sogar in den Hintergrund angesichts der Frage nach der Qualität. Im Hospiz jedenfalls geht es nur noch um diese Qualität. Leben ganz im Jetzt, wo man über die Zukunft und die Länge nichts Hoffnungsvolles mehr sagen kann.

Insofern ist das Hospiz nicht nur ein Modell für das Sterben, sondern auch ein Modell für das Leben. Intensiv. Im Jetzt. Ehrlich. Verbunden mit den Gefühlen.

Das Leben besteht aus Abschieden. Trotzdem den Tod verdrängen? Das hat sich nicht bewährt. Weder für Sterbende, noch für Trauernde. Noch für das Leben mit seiner Qualität selbst. So fangen viele Menschen langsam wieder an, sich den Gefühlen zu stellen. Und machen die Entdeckung, daß das Hinschauen, das Nichtfliehen, daß das bereichert.

Wie in unserer Geschichte. Nur wenn wir die Traurigkeit, den Schmerz wirklich fühlen, geht es weiter. Das hilft. Das verbindet mit anderen. Das vertieft. Das läßt uns das Leben wertschätzen. Nur durch die Traurigkeit, den Schmerz hindurch geht es weiter, nicht daran vorbei. Es ist wie wenn wir durch die Traurigkeit hindurchtauchen, oder wie wenn wir den Schmerz austrinken… Der Traurigkeit ins Auge schauen – dann entsteht neue Hoffnung. Dann entsteht neue Daseinsfreude. Dann entsteht Qualität im Leben.

Das Leben besteht aus Abschieden. Was über diese Gedanken vom Glauben her hinaus noch zum Thema Abschied zu sagen ist, bringt das nächste Lied wunderbar zum Ausdruck, wie ich finde.

Weltgedenktag für alle verstorbenen Kinder

Ein Licht geht um die Welt

Jedes Jahr sterben allein in Deutschland 20.000 Kinder und junge Erwachsene, weltweit sind es um ein Vielfaches mehr. Und überall bleiben trauernde Eltern, Geschwister, Großeltern und Freunde zurück. Täglich wird in den einzelnen Familien dieser Kinder gedacht. Doch einmal im Jahr wollen weltweit Betroffene nicht nur ihrer eigenen Töchter, Söhne, Schwestern, Brüder, Enkel und Enkelinnen gedenken.

Jedes Jahr am 2. Sonntag im Dezember candlelightingstellen seit vielen Jahren Betroffene rund um die ganze Welt um 19.00 Uhr brennende Kerzen in die Fenster. Während die Kerzen in der einen Zeitzone erlöschen, werden sie in der nächsten entzündet, so dass eine Lichterwelle 24 Stunden die ganze Welt umringt.

Jedes Licht im Fenster steht für das Wissen, dass diese Kinder das Leben erhellt haben und dass sie nie vergessen werden. Das Licht steht auch für die Hoffnung, dass die Trauer das Leben der Angehörigen nicht für immer dunkel bleiben lässt. Das Licht schlägt Brücken von einem betroffenen Menschen zum anderen, von einer Familie zur anderen, von einem Haus zum anderen, von einer Stadt zur anderen, von einem Land zum anderen. Es versichert Betroffene der Solidarität untereinander. Es wärmt ein wenig das kalt gewordenen Leben und wird sich ausbreiten, wie es ein erster Sonnenstrahl am Morgen tut.

Um den Weltgedenktag auch in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, habe ich in den letzten Jahren für Interviews zur Verfügung gestanden.

ha00tobias“Tobias ist tot – und doch immer da” (Hamburger Abendblatt vom 09.12.2000)

Der silberne Stern bewegt sich sachte, immer wenn ein Luftzug durch das Wohnzimmer strömt. „Tobias, 22. 8 1997“ steht darauf. Es ist sein Geburts- und Sterbedatum. Der Junge kam in der 24. Schwangerschaftswoche mit 530 Gramm zur Welt. Er starb während der Geburt. Mehr

Jede Kerze leuchtet für ein totes Kind (Bild am Sonntag 8.12.2002)

Tausende von Kerzen leuchten heute in Deutschlands Fenstern, um an alle Kinder zu erinnern, die der Tod aus ihren Familien riss. In Deutschland sterben jährlich 20 000 Kinder: „Die Eltern und Verwandten werden mit ihrer Trauer total allein gelassen. Deshalb entzünden deutschland- und europaweit sowie in Amerika Angehörige Kerzen, um öffentlich zu trauern“. Mehr

Narben bleiben ein Leben lang

Artikel aus dem Schwabacher Tageblatt vom Dezember 2001 anläßlich eines Gottesdienstes im Eichwasen an viel zu früh verstorbene Kinder. Bericht über Conny (Cidy). Mehr

Hinweis im Gottesdienst auf Weltgedenktag

Cidi01Inzwischen versuche ich fast jede Möglichkeit zu nutzten, auf den Weltgedenktag hinzuweisen. Auch in meiner Gemeinde habe ich letztes Jahr (2002) und die nächsten Jahre (2003,2004,2005) erfolgreich auf den Weltgedenktag im Gottesdienst hinweisen dürfen. Ich schrieb einfach an unseren „diensthabenden“ Pastor mit der entsprechenden Brief. Er meldete sich daraufhin prompt per Telefon und einen Tag später besuchte ich ihn und wir besprachen alles. Dieses Jahr ist es mir gelungen, schon vorher im Gemeindeblatt einen Hinweis mit einem eigenem Text unterzubringen. Mehr

Tips für Gedenkgottesdienste

Für diejenigen, die vielleicht zum ersten Mal einen Gedenkgottesdienst organisieren wollen oder als Anregung habe ich hier einige Tips für Gedenkgottesdienste zusammengestellt.

Gedenkgottesdienst der Selbsthilfegruppen Verwaiste Eltern Schmalkalden zum  Thema Schmetterlinge

Martina Freitag aus Schmalkalden hat mir einen Bericht, Ablaufplan und sämtliche dazugehörige Texte und Lieder ihres Gedenkgottedienst 2001 zur Verfügung gestellt.Mehr

Gedenkgottesdienst in Bad TölzCidi02kl

Susanne Brandl aus Tölz hat mir einen Bericht, Ablaufplan und sämtliche dazugehörige Texte ihres Gedenkgottesdienst 2004 zur Verfügung gestellt. Mehr

Predigt im Gedenkgottesdienst

Predigt aus einem Gedenkgottesdienst von Christiane Voll und eine Ansprache zum Krichentag, als Beispiel für eine Predigt.
Gottesschmaldkalschmetter
Besonders schön empfinde ich es immer, wenn der Gottesdienst unter einem Motte oder einem Thema steht wie z.B. der von Martina aus Schmalkalden das Thema „Schmetterlinge“ hatte. Auf meinen Kalenderblättern habe ich auch immer versucht, ein Thema in den Vordergrund zu stellen, wie z.B. Thema Taube, Strand und Meer, Wüste. Wer mag kann sich hier einige Anregungen holen. Mehr

Nena

1989 verstirbt ihr behindert zur Welt gekommener Sohn bereits nach kurzer Zeit.  Diese sehr persönlichen Erfahrungen verarbeitet sie auf ihrer ersten Solo-Platte  „Wunder gescheh’n“, ein Neuanfang für die Künstlerin Nena. Das Comeback-Album  kommt nicht nur bei ihren langjährigen Fans gut an.

Hausfrau, Mutter, Superstar

Nach 20 Jahren fliegen die 99 Luftballons wieder, und sie fliegen höher denn je. Comeback-Nena über die Erfolge und Niederlagen ihrer Popkarriere

FOCUS: Mein Gott, sehen Sie zufrieden aus!

Nena: Ich bin auf dem Weg, mich immer mehr zu lieben. Ich habe mich total gem. Ich kann mich selbst in den Arm nehmen. Ich bin mit dem Fahrstuhl in mich selber reingefahren. Je tiefer ich gehe desto näher komme ich mir. Das . ist ein  Glücksgefühl.

FOCUS: Sie haben auch einige Krisen und Schicksalsschläge durchleben müsen. Das Lied ,,Wunder geschehn“, mit dem Sie jetzt wieder in den Charts sind, haben Sie vor 15 Jahren für Ihren behinderten Sohn Christopher geschrieben, der mit nur 11 Monaten 1989 gestorben ist.

Nena: Die Ärzte sagten damals, Christopher wird nie lachen können, und dann kam der Moment, wo er mich plötzlich anlächelte. Im Krankenhaus schrieb ich den Song. Ich habe gelernt, in ganz, ganz kleinen Schritten zu denken. Das Leben ist voller Wunder.

FOCUS: Sind Sie mit Christopher noch spirituell verbunden?

Nena: Das Wort Spiritualität ist sehr belastet. Für mich ist das nichts anderes als Urvertrauen, Glauben, Verbindung. Wenn ich das Lied singe, denke ich nicht mehr ausschlie羦ich an ihn. Ich denke bei dem Lied eher an mich zurzeit. Es ist ein Wunder, dass ich all die Visionen verwirklichen konnte und mir dabei so nahe bin. Es ist so viel mit mir passiert

aus Focus 20/2003

Du bist überall

     Ich seh dich und ich fühl dich
Doch ich will dich nicht stören
Ich seh dich und berühr dich
Ich weiss du kannst mich hören
Ich kann mich oft nich wehren
Gegen Trauer gegen Schmerz
Doch wenn es richtig schlimm wird
Dann kommst du in mein Herz

     Ich will manchmal wissen
Nena     Wie das ist in deiner Welt
Ist das oben oder unten
Wird dort auch ein Jahr gezählt

Du bist weg und immer da
Engel fliegen wunderbar
Durch die Zeit und Tag und Nacht
Ich bin heut wieder aufgewacht
Du bist weg und immer da
Das Gefühl ist wunderbar
Wir rauschen durch die Zeit
Und du bist überall

Ich will manchmal wissen
Wie das ist in deiner Welt
Ist das oben oder unten
Wird dort auch ein Jahr gezählt
Ich halt mich fest an dir
Ich wehre mich noch zu verstehen
Wir beide müssen frei sein
Für ein neues Wiedersehen

Aus “Wunder geschehen”

Wunder gescheh’n

Auch das Schicksal
Und die Angst kommt über Nacht
Ich bin traurig
Gerade hab ich noch gelacht
Und an sowas Schönes gedacht

Auch die Sehnsucht
Und das Glück kommt über Nacht
Ich will lieben
Auch wenn man dabei Fehler macht
Ich hab mir das nicht ausgedacht

Wunder gescheh’n
Ich hab’s geseh’n
Es gibt so vieles was wir nicht versteh’n
Wunder gescheh’n
Ich war dabei
Wir dürfen nicht nur an das glauben was wir seh’n

Immer weiter
Immer weiter geradeaus
Nicht verzweifeln
Denn da holt dich niemand raus
Komm steh selber wieder auf

Was auch passiert
Ich bleibe hier
Ich geh den ganzen langen Weg mit dir
Was auch passiert
Wunder gescheh’n
Wunder gescheh’n

Aus “Wunder geschehen”

Steht auf

Kommt mal der Moment
Da ist der letzte Bus schon lange abgefahren
Kommt mal der Moment
Da sieht es aus, als hätte alles keinen Sinn
Irgendwann im Leben
Kommt ganz sicher der Moment
Wo es scheint, als ob vor mir
Und hinter mir der Boden brennt
Doch dann kommt wieder der Moment
Da weiß ich, daß ich immer noch am Leben bin

Steht auf und tut euch zusammen
Wenn die Sonne nicht mehr scheint
Steht auf und lernt wieder lachen
Wir haben viel zu viel geweint
Steht auf und tanzt bis zum Morgen
Jede Nacht geht mal vorbei
Und dann erwacht das ganze Leben
Und das allermeiste wirkt wieder wie neu

Kommt mal der Moment
Da stehen sie alle um dich rum
Und stellen Fragen
Kommt mal der Moment
Da sieht es aus, als gäb es keinen Weg zur Flucht
Irgendwann im Leben
Kommt ganz sicher der Moment
Wo es nicht mehr geht
Das man durch hintertüren rennt

Steht auf und tanzt bis zum Morgen
Jede Nacht geht mal vorbei
Und dann erwacht das ganze Leben
Und das allermeiste wirkt wieder wie neu

Aus “Wunder geschehen”

Weißes Schiff

Da war ein Schiff, ein weißes Schiff
Das fuhr hinaus zum Horizont
Nur dieses Schiff war da
Da war kein Land zu seh’n
Es hatte Segel oder Dampf
Ich weiß nicht mehr
Ich weiß nur daß
Darauf die war’n
Die noch immer von mir geh’n
Und die Gestalten waren grau
Doch ich erkannte sie genau
Obwohl sie wie aus Nebel waren oder Glas
Sie war’n verschieden jung und alt
Und eines konnte noch nicht mal
Auf seinen eig’nen Beinchen steh’n
So klein war das

Auf diesem Schiff, dem weißem Schiff
Das fuhr hinaus zum Horizont
Nur dieses Schiff war da
Da war kein Land zu seh’n
Es hatte Segel oder Dampf
Ich weiß nicht mehr
Ich weiß nur daß
Darauf die war’n
Die noch immer von mir geh’n
Und das ein Kapitän den Kurs bestimmt
Nach irgendeinem Ort
Das könnt mich trösten
Wenn ich es nur sicher wüßt
Und wenn das Nebelhorn mich ruft
Und ich soll selber von hier fort
Dann hoff ich, daß
Ihr mich in euerem Land begrüßt

Da war ein Schiff, ein weißes Schiff
Das fuhr hinaus zum Horizont
Nur dieses Schiff war da
Da war kein Land zu seh’n
Es hatte Segel oder Dampf
Ich weiß nicht mehr
Ich weiß nur daß
Darauf die war’n
Die noch immer von mir geh’n
Darauf die war’n
Die noch immer von mir geh’n
Darauf die war’n
Die noch immer von mir geh’n
Darauf die war’n
Die noch immer von mir geh’n

Aus “Wunder geschehen”

Nena – Liebe ist

Du guckst mich an, und ich geh mit,
Und der ist ewig, dieser Augenblick.
Da scheint die Sonne, da lacht das Leben,
Da geht mein Herz auf, ich will’s dir geben.
Ich will dich tragen, ich will dich lieben,
Denn die Liebe, ist geblieben.
Hat nicht gefragt, ist einfach da,
Weglaufen geht nicht, das ist mir klar.

Liebe will nicht,
Liebe kämpft nicht,
Liebe wird nicht,
Liebe ist.
Liebe sucht nicht,
Liebe fragt nicht,
Liebe ist, so wie du bist.

Gute Nacht, mein wunderschöner,
Und ich möcht‘ mich noch bedanken.
Was du getan hast, was du gesagt hast,
Es war ganz sicher nicht leicht für dich.
Du denkst an mich, in voller Liebe,
Und was du siehst, geht nur nach vorne.
Du bist mutig, du bist schlau,
Und ich werd‘ immer für dich da sein,
Das weiß ich ganz genau.
Du und ich wir sind wie Kinder,
Die sich lieben wie sie sind.
Die nicht lügen und nicht fragen,
Wenn es nichts zu fragen gibt.
Wir sind zwei und wir sind eins,
Und wir seh’n die Dinge klar.
Und wenn einer von uns gehen muss,
Sind wir trotzdem immer da.
Wir sind da, wir sind da, wir sind da.
Wir sind da, wir sind da, wir sind da.

Liebe will nicht,
Liebe kämpft nicht,
Liebe wird nicht,
Liebe ist.
Liebe sucht nicht,
Liebe fragt nicht,
Liebe fühlt sich, an wie du bist.
Liebe soll nicht,
Liebe kämpft nicht,
Liebe wird nicht,
Liebe ist.
Liebe sucht nicht,
Liebe fragt nicht,
Liebe ist, so wie du bist.
So wie du bist, so wie du bist.
Liebe, ist so wie du bist.
Liebe, ist so wie du bist.
So wie du bist, so wie du bist.

Anjte schreibt über ihr Treffen mit Nena in der Show von Kai Plaume “Nur die Liebe zählt”:

Wunder geschehen

Morgens, am ersten Sonntag im März muss Rico aus beruflichen Gründen nach Köln fliegen. Der Abschied tut weh, denn jetzt muss ich die erste Nacht seit Lisa´s Geburt alleine schlafen. Zum Glück habe ich Tina den Sonntag über noch bei mir und wir beide basteln, gehen rodeln und lesen Märchen. Abends bringe ich sie zu ihrer Mutter.  Die Nacht ist schlimm. Ich kann nicht gut schlafen und der Montag wird auch nicht besser. Aber auch dieser Tag geht ohne meinen Mann vorbei. Abends ruft mich meine Freundin Claudia an. Sie hat in einem Preisausschreiben einen Medientag in Köln gewonnen, bekommt aber keinen Urlaub, um dort hinzufahren. Sie möchte uns diese Reise schenken, bevor sie verfällt. Allerdings soll es schon am Mittwoch losgehen. Wir würden nach Köln fliegen, schick essen gehen, die Stadt besichtigen, shoppen und abends zur nenaantjeplaumeAufzeichnung der Comedysendung „Schillerstraße“ mit anschließendem Meet and Greet, Übernachtung und Rückflug am Donnerstag. Ich bin reichlich überrascht und warte bis Rico abends nach Hause kommt. Er kann es kaum glauben und ruft Claudia noch mal. Wir sagen zu. Frei machen wollten wir sowieso und uns zwei ruhige Tagen gönnen. Dienstag klärt Rico alles ab, bekommt die Flugdaten und sonstige Infos per email zugeschickt.

Alles klar. Mittwochmorgen packen wir unseren Koffer. Rico erzählt mir das wir bei der „Schillerstraße“ in der zweiten Reihe sitzen und deshalb möglichst neutrale Klamotten anziehen sollen. Hell, ohne Streifen und Werbeaufdrucke. Ich mach alles was mein Mann mir sagt. Und ab geht’s von Berlin Tegel nach Köln. Am Flughafen werden wir von einem Guide abgeholt. Er heißt Tim, ist Student und arbeitet nebenbei bei der Gewinnspielagentur. In einer Brauerei gehen wir lecker Mittag essen. Schlendern durch die Innenstadt und besichtigen den Kölner Dom. Beim Kaffee trinken in einem Starbucks Coffee bekommt Tim einen Anruf. Aus dem Besuch der „Schillerstraße“ wird nichts. Irgend jemand hat sich vertan, denn die Aufzeichnung dieser Sendung findet heute gar nicht statt. Aber die Gewinnspielagentur würde uns einen anderen Event anbieten. Entweder zur Aufzeichnung zum „Kochduell“, der „Wirtschaftswoche“ oder zu „Nur die Liebe zählt“. Super, denke ich. „Nur die Liebe zählt“ ist ja noch besser. Rico ist zwar sehr zurück haltend, doch ich freue mich. Tim sagt der nenaantje02 Agentur bescheid und diese versuchen noch schnell Karten zubekommen und wenn wir Glück haben, können wir auch noch Backstage. Auf geht’s. Wir fahren zu den Studios von Endemol und stellen uns für unsere Karten an. Tim kümmert sich um alles. Wir müssen noch eine Weile warten, bis es los geht. Wir albern rum. Ich mache Späße darüber, das ich Rico gleich überraschen werde und Tim stimmt mit ein.

Im Studio nehmen wir unsere Plätze ein. Ich sitze genau am Gang. Ein so genannter „Warmuper“ heizt das Publikum ein, probt den Applaus und macht ein paar Witze. Dann fragt er, ob noch mal jemand auf Toilette muss. Rico meldet sich. Ich ärgere mich, das er sich das nicht mal zwei Stunden verkneifen kann. Egal. Er geht, kommt wieder und die Show geht los. Kai Pflaume life – klasse. Der erste und zweite Beitrag sind vorbei und Kai Pflaume steht vor mir auf der Showtreppe. Er kündigt den nächsten Gast an. Es ist Nena. Nena! Ich applaudiere und drehe mich um. Ich kann es kaum glauben. Aber es ist wahr. Sie hat einen Briefumschlag in der Hand und sagt zu Kai Pflaume, dass sie den Brief für jemanden abgeben soll und gern wissen möchte für wen der Umschlag ist. Kai Pflaume bittet Nena auf die Bühne, platziert sich auf die Treppe neben mich und sagt: „Dieser Brief ist von Rico für Antje.“ Ich merke wie ein Scheinwerfer auf mich gerichtet wird und schaue nach links zu Rico. Er grinst mich nur an. O Gott. Nein. Kai Pflaume steht immer noch neben mir und blickt mich an. O Nein. Er meint mich! Ich kann es nicht fassen, denn ich bin doch nur rein zufällig da. Eigentlich ist das doch Claudias Reise und eigentlich wären wir doch zur „Schillerstraße“ gefahren. Ich versteh gar nichts mehr. Tränen schießen mir in die Augen. Das kann doch nicht sein. Ich hoffe Kai Pflaume gibt mir den Brief und geht. Aber nein.

Rico steht auf und nimmt mich an die Hand. Ich fang an zu weinen und versuche mich zusammen zu reißen. Das gibt’s doch nicht. Natürlich kann ich mir denken, warum Rico das für mich macht, aber glauben kann ich es nicht. Kai Pflaume führt uns die Treppe hinunter. Dort bleiben wir stehen. Rico nimmt meine Hand und beginnt den Brief vorzulesen.

„Mein liebster Engel,

als ich dich vor vier Jahren das erste Mal sah, dachte ich, was für eine hübsche Frau du bist.

Du hast dich vom ersten Augenblick mit deinem liebevollen Wesen und deinem hübschen Lächeln in mein Herz geschlichen.

Deine Art, mich ohne Worte zu verstehen und bedingungslos zu lieben, ist einfach unbeschreiblich. Du mein Engel hast mein Leben geprägt wie kein anderer.

Unser größter Wunsch von einem eigenen Baby, der Traum von unserer eigenen kleinen Familie ist leider nicht wahr geworden.

Leider mussten wir unsere Lisa Marie in den schwersten Stunden unseres Lebens verabschieden.

Doch die Liebe und die Erinnerungen an sie, ist tief in unserem Herzen.

Wir haben lange und hart gekämpft für unser Glück. Aber unsere Liebe hat bewiesen, dass sie stärker ist als jedes Hindernis auf dieser Welt.

Lass uns an unseren Träumen festhalten und uns auf unsere gemeinsame Zukunft freuen. Du weißt „Wunder geschehen!“.

Ich freue mich auf jeden Tag mit dir und kann mir ein Leben ohne dich einfach nicht mehr vorstellen.

Mein Engel, Ich liebe Dich.“

Ich begreife das alles immer noch nicht. Rico hat feuchte Augen, hält meine Hand und macht mir eine Liebeserklärung. Als er fertig ist, umarmen wir uns. Ich drücke ihn fest an mich und säusele, dass ich ihn liebe. Als wir uns wieder sammeln und von einander lassen, kommt Kai Pflaume zu uns und redet davon, dass Nena´s Lebensgeschichte und auch ihre Musik in unserem Leben eine ganz besondere Rolle spielen. Nena kommt von der Bühne angelaufen und sagt, sie muss mich jetzt mal drücken. Unglaublich. Nena drückt mich. Sie geht wieder zur Bühne. Ich bekomme das alles nicht wirklich mit. Nena singt dann erstmalig im Fernsehen ihre neue Single „Liebe ist“. Sie singt es für mich. Für uns. Rico nimmt mich in die Arme und wir schauen Nena mit großen Augen an. Sie singt und winkt uns dabei zu. Unglaublich. Sie meint wirklich uns. Als sie fertig ist, geht Kai Pflaume mit uns zur Bühne. Nena drückt mich noch einmal. Sie und ich bekommen den bekannten „Nur die Liebe zählt“ – Blumenstrauß inklusive einer kleinen Nudlz-Maus. Wir stehen in der Sendung „Nur die Liebe zählt“, neben uns Kai Pflaume und Nena!!!

Werbung wird eingeblendet. Kai Pflaume ist mit der weiteren Moderation beschäftigt. Nena bleibt mit uns stehen und fragt mich, was denn unserer Tochter eigentlich passiert ist. Unter Tränen erzähle ich es ihr kurz. Sie streichelt mich und meint, da es noch so kurz her ist, sitze die Trauer bei uns noch sehr tief. Jemand vom Ndlz-Team gibt uns ein Zeichen, das wir zu laut seien, da die Aufnahmen für die Sendung weiter liefen und Nena nimmt mich an die Hand und wir gehen hinter die Bühne. Sie möchte gern Rico´s Brief lesen und schmilzt fast dahin. Noch nie hätte ihr jemand solch einen schönen Liebesbrief gewidmet. Rico bittet Sie, uns etwas auf den Brief zu schreiben und sie schreibt auf den Umschlag „Ich wünsche Euch ganz viel Kraft. Ihr schafft das. Alles Liebe, Nena K.“ . Sie signiert uns auch ihre neue Single mit „Alles Liebe für Euch. Nena K.“. Dann unterhalten wir uns über den Verlust von Kindern und sie meint, dass die Kinder alleine entscheiden, ob sie bleiben oder gehen. Und das sie zwar nicht weiß inwieweit wir spirituell denken, aber Kinderseelen wiedergeboren werden. Es sei gut möglich, Lieschen komme in unserem nächsten Kind wieder. Nena war sich auch sicher, dass ich schon bald wieder schwanger sei. Dieses Gespräch mit einer Frau, die selbst dieses Schicksal gemeistert hatte gab mir so viel Kraft. Kraft wieder positiv in die Zukunft zu schauen und so wie sie, mit dem Verlust meines Kindes leben zu können.

Nena verabschiedete sich und wir setzten uns hinter die Bühne, von wo wir die Sendung weiter verfolgen konnten. Doch dazu war ich gar nicht in der Lage. Ich war so verblüfft von allem was gerade passiert war, das ich Rico die ganze Zeit mit großen Augen ansah. Ich verstand gar nicht, wer mich alles reingelegt hat und wie dies alles passieren konnte, ohne dass ich etwas merkte. Alles war inszeniert. Alles war so arrangiert, dass ich darauf herein gefallen bin. Angefangen vom Anruf von Claudia bis hin zu Rico´s Dienstreise am Sonntag. In Wirklichkeit war er beim Casting im Ndlz-Studio. Er erzählte unsere Geschichte und zeigte Fotos unserer Beziehung. Er war so lieb zu mir. Da bei der Beerdigung unserer Lisa das Lied „Wunder geschehen“ von Nena nicht gelaufen ist, schrieb er schon drei Tage danach die erste email an Ndlz. Er bat das Ndlz-Team darum, ein Treffen mit Nena zu arrangieren. Er wusste, wie sehr ich Nena für ihre Willens- und Lebenskraft bewundere. Er versprach sich davon, mich aus meiner Lebenskrise holen zu können. Und dies ist ihm ein ganzes Stück weit gelungen. So zuversichtlich wie heute fühlte ich mich schon sehr lange nicht mehr. Ich bin mir sicher, schon bald wieder schwanger zu sein.

Nach und nach verstand ich erst, was geschehen war. Rico erklärte mir die Heimlichkeiten der letzten Tage und wie er unter Anleitung des Ndlz-Teams mich ins Studio lockte. Wir tranken noch Senkt und machten Fotos mit Kai Pflaume. Er (als Liebesamor) unterschrieb uns auch noch im Babyalbum und wir wurden in ein Hotel gebracht. Am nächsten Morgen wurden wir abgeholt und zum Flughafen gefahren. Beim einchecken stand Nena wieder vor uns. Sie winkte und zu. Rico hatte das Babyalbum als Handgepäck dabei, als hätte er es geahnt. Und ging damit zu ihr, denn wir hatten am Vorabend nicht mehr die Gelegenheit, sie zu bitten auch dort noch etwas einzuschreiben. Dies tat sie jetzt und sagte noch, er solle mich grüßen. Als wir und auch Nena mit dem einchecken fertig waren. Ging Rico nochmals hin und bat sie ein Foto von ihr und mir machen zu können. Sie stimmten natürlich auch hier zu. Einfach toll. Sie ist so eine natürliche und lebensfrohe Frau und ich hatte wirklich das Gefühl, sie interessiere sich für uns und unser Schicksal. Das ganze Ndlz-Team war einfach wunderbar und ich danken allen, die mir dies möglich gemacht haben. Mir war auch schon vorher klar, dass mein Mann mich liebt, aber das er das alles für mich gemacht hat, festigt unsere Liebe noch mehr. Ich weiß, dass er für mich und unsere Kinder alles tun würde und werde ihn dafür immer lieben.

Antje mit Lisa im Herzen

Elisabeth Kübler-Ross “Über den Tod und das Leben danach”

UberdentodDas Sterbeerlebnis ist fast identisch mit der Geburt. Es ist eine Geburt in eine andere Existenz. Im Moment des Todes gibt es drei Stufen. Der körperliche Tod ist mit dem Geschehen identisch, wie wir es bei dem Heraustreten des Schmetterlings aus dem Kokon sehen können. Der Kokon samt seiner Larve ist der vorübergehende menschliche Körper. Diese sind aber nicht identisch mit Ihnen, sie sind nur ein vorübergehendes Haus, wenn Sie sich das so vorstellen können. Sterben ist nur ein Umziehen in ein schöneres Haus, wenn ich das symbolisch so sagen kann.

Sobald der Kokon, sei es durch Selbstmord, Mord, Herzschlag oder durch eine chronische Krankheit, also ganz egal wie, irreparabel beschädigt ist, wird es den Schmetterling, also ihre Seele, freigeben. Auf dieser zweiten Stufe, nachdem – symbolisch gesprochen – Ihr Schmetterling den irdischen Körper verlassen hat, werden sie wichtige Dinge erleben, die sie einfach wissen müssen, damit Sie überhaupt nie mehr Angst vor dem Tode haben.

Mit dem verlassen des Kokons gelangen sie in die zweite Stufe, die von der psychischen Energie getragen wird. Psychische und körperliche Energie sind die einzigen zwei Energien, die der Mensch manipulieren kann. Sobald Sie ein freier Schmetterling sind, das heißt, sobald ihre Seele aus dem Körper ausgetreten ist, werden Sie zuallererst merken, daß Sie alles wahrnehmen, was an dem Ort ihres Todes, im Krankenzimmer, an der Unfallstelle oder wo Sie eben diesen Körper verlassen haben, passiert.

In der zweiten Stufe merken Sie auch, daß kein einziger Mensch alleine sterben kann. Wenn man aus dem Körper tritt, befindet man sich in einem Sein, in welchem es keinen Zeit mehr gibt, wo also die Zeit einfach nicht existiert, ebenso wie man dort auch nicht mehr von Raum und Distanzen in unserem Sinne sprechen kann, da diese ja irdische Phänomene sind.

Was die Kirche den kleinen Kindern hinsichtlich ihrer Schutzengel erzählt, beruht auch auf Tatsachen, denn es ist ebenfalls bewiesen, daß jeder Mensch von seiner Geburt bis zu seinem Tod von Geisteswesen begleitet wird. Jeder Mensch hat solche Begleiter, ob Sie daran glauben oder nicht, ob Sie Jude oder Katholik oder ohne Religion sind, spielt überhaupt keinen Rolle. Denn jene Liebe ist bedingungslos, weshalb ein jeder Mensch diese Geschenk eines Begleiters erhält.

Ist man sich auf dieser zweiten Stufe seines wiederhergestellten Körpers gewahr geworden und durfte man seinen Geliebten begegnen, so wird einem bewußt, daß das Sterben nur ein Übergang ist in eine andere Form des Lebens. Die irdischen körperlichen Formen hat man zurückgelassen, weil man diese nicht mehr braucht. Und bevor Sie Ihren Körper ablegen und daraufhin die Form annehmen, die man in der Wirklichkeit besitzt, geht man durch ein Übergangsphase, die ganz und gar von irdisch-kulturellen Faktoren geprägt ist.

Und dann, sobald Sie diesen Durchgang oder Übergang durch- oder überschritten haben, strahlt Ihnen an dessen Ende ein Licht entgegen. Und dieses Licht ist weißer als weiß, ganz hell. Und je jäher Sie sich auf diese Licht zu bewegen, desto mehr werden Sie total gefüllt mit der größten, unbeschreiblichsten bedingungslosen Liebe, die Sie sich überhaupt nicht vorstellen können. Es gibt keine Worte dafür.

Manch einer fragt: “ Warum müssen so wunderschöne Kinder sterben?” Die Antwort lautet ganz einfach, daß diese Kinder in ganz kurzer Zeit gelernt haben, was man lernen muß. Und das sind für verschiedene Menschen ganz verschiedene Dinge. Eines muß jeder lernen, bevor er zurückgehen kann, woher er kommt, und das ist bedingungslose Liebe. Wenn Sie das gelernt und praktiziert haben, dann haben Sie die größte Prüfung bestanden.

In diesem Licht, in der Gegenwart von Gott, von Christus, oder wie immer Sie das nennen mögen, müssen Sie Ihr ganzes Erdenleben nochmals betrachten, und zwar vom ersten Tag bis zum Tage des Todes. Mit der Betrachtung Ihres eigenen Erdenlebens befinden Sie sich nun auf der dritten Stufe.

Gott ist bedingungslose Liebe. Bei der “Revision” Ihres Lebens werden Sie nicht ihm die Schuld an Ihrem Schicksal zuschieben, sondern Sei erkenne, daß Sie Ihr eigener schlimmster Feind waren, da Sie sich jetzt vorwerfen müssen, so viele Gelegenheiten zum Wachsten ungenützt gelassen zu haben. Jetzt wissen Sie daß damals, als Ihr Haus Abbrannte oder als Ihr Kind verstarb, Ihr Mann verletzt wurde oder Sie selbst einen Schlaganfall erlitte, daß es sich bei all Ihren Schicksalsschlägen um unzählige Möglichkeiten zum Wachsten handelte, zum Wachsen an allen Dingen, die wir noch zu lernen haben. “Und statt die sich mir dargebotene Chancen zu nutzen”, so bereuen Sie jetzt, “ habe ich mich mit jedem Mal mehr und mehr der Verbitterung hingegeben, so daß meine Wut und auch meine Negativität zunahmen…”.

Die meisten Menschen sehen all ihre schwersten Lebensbedingungen, ihr Geprüftwerden, ihre Drangsale, ihre Schrecknisse und alle Verluste als einen Fluch an, als eine Strafe Gottes, als etwas Negatives. Wenn man doch nur begreifen würde, daß nichts, was einem begegnet, negativ ist, ich betone, ganz und gar nichts! Alle Schicksalsschläge, Leidenserfahrungen und selbst die größten Verluste, die man durch zumachen hat, auch alle Dinge, von denen man im nachherein sagt, “Wenn ich vorher davon gewußt hätte, würde ich nicht geglaubt haben, sie durchstehen zu können”, sind alles Geschenke. Wir können unser Schicksalsweh und Leid mit dem Schieden des glühenden Eisens vergleichen. Es ist eine Gelegenheit, die einem gegeben wird, um seelisch zu wachsen. Die ist der alleinige Grund  unser Existenz auf Erden. Man kann nicht seelisch wachsen, wenn man in einem wunderbaren Blumengarten sitzt und sich von jemandem auf einen silbernen Tablett das großartigste Essen servieren läßt. Aber man wächst, wenn man krank ist, wenn man Schmerzen hat, wenn man einen schmerzlichen Verlust entgegennehmen muß. Man wächst, wenn man nicht seinen Kopf in den Sand steckt, sondern wenn man den Schmerz annimmt und ihn zu begreifen sucht, und zwar nicht als einen Fluch oder eine Bestrafung, sondern als Geschenk für sich, um damit einen ganz bestimmten Zweck zu erfüllen.

Friedrich Rückert

Um die Jahreswende 1833/34 starben Friedrich Rückert seine beiden Kinder Luise und Ernst, drei und fünf Jahre alt, an Scharlach, und er hat bis zum Sommer unter Aufbietung aller erworbenen dichterischen Kraft versucht, seine Trauer und Untröstlichkeit über den Verlust schreibend zu bewältigen.

Friedrich Rueckert
Friedrich Rueckert

Ich ging mit gesenkten Haubte,
Und es unmöglich glaubte
Je wieder den Blick zu drehn,

Um Sonn‘ und Mond zu sehn.

Da hatt‘ auf meinen Wegen
Pfützen geweint der Regen,
Und im Vorüber gehn
Hab‘ ich darein gesehn.


Da spiegelten sich Mond und Sonne
wie im reinsten Bronne,
Und ohne das Haupt zu drehen,
Hab‘ ich sie doch gesehn.

Friedrich Rückert

Ihr habet nicht umsonst gelebt;
Was kann man mehr von einem Menschen sagen?
Ihr habt am Baum nicht Frucht getragen,
Und seid als Blüten früh entschwebt,
Doch lieblich klagen
Die Lüfte, die zu Grab euch tragen:
Ihr habet nicht umsonst gelebt.

In unser Leben tief verwebt,
hat Wurzeln euer Tod geschlagen
Vom süßen Leid und Wohlbehagen
Ins Her, aus dem ihr euch erhebt
In Frühlingstagen
Als Blütenwald von Liebesklagen;
Ihr habet nicht umsonst gelebt.

O die ihr sanften Schmerz uns gebt
Statt eure an der Brust zu tragen,
Euch werden fremde Herzen schlagen
Von Menschenmitgefühl durchbebt
Bei unsern KLagen;
Was kann man mehr von Menschen sagten?
Ihr habet nicht umsonst gelebt!

Friedrich Rückert

Schmerz

julieneu
Julie Fritsch “Unendlich ist der Schmerz”

Es kam spät
dann aber wie ein Donnerblitz
sieben Wochen
Regen
Einsamkeit
Sehnsucht
nach Frieden
Ruhe
Nichts

Es tut so weh
und will nicht aufhören
gezwungen
immer wieder denselben Film zu sehen
Hoffnung
das Ende fürchtend

Ganz langsam wieder der Sonne entgegen
jeden Strahl genießend
Regenschauer erdulden
Kraft zu tanken
mehr als je zuvor
alles über Bord werfen
offen sein
für sich und andere

© Pirko Lehmitz 20.11.1997

Er hat mich wieder eingeholt
der Freitag
immer wieder freitags

Ich habe eine Dauerkarte
für diesen Film
ich kenne diesen Film
jedes einzelne Bild

Ich hasse das Ende
aber ich sehe ihn jeden Freitag
den ganzen Tag
immer und immer wieder

vorher habe ich in jeden Tag gesehen
wann wird er abgesetzt?

© Pirko Lehmitz 21.11.1997

Ich spüre sie kommt
größer als sonst
wird sie mir dieses Mal
wieder die Beine wegreißen?

Ich habe Angst vor der drohenden Welle
mitgerissen und untergetaucht zu werden
herabgesogen in den Strudel
oben
unten
nur Dunkelheit
Ruhe
Frieden
einfach nur Nichts

Ich weiß
ich muß es
erdulden
ertragen
zulassen
sich treiben lassen
dem Schmerz sich hingeben
Vertrauen schöpfen
sie wird dich wieder loslassen
und sanft an den Strand spülen

Hoffen
es wird weniger
Wissen
es wird nie ganz aufhören

© Pirko Lehmitz 21.11.1997

Sie kommt ohne Vorwarnung
sie klopft nicht an
sie fragt nicht
sie überfällt mich wie ein Räuber
sie läßt erst locker
wenn ich mich ihr ergeben habe
hilflos treibt sie mich vor sich her
sie bestimmt das Tempo und das Ende
wann hat sie genug Tränen und Schmerz gesehen?

© Pirko Lehmitz 02.12.1997

Zehntausend Tränen muß ich weinen
jetzt oder später
hast Du sie gezählt
ich ertrinke in ihnen
schwimme und schwimme
aber da ist kein Land in Sicht
kein Floß
keine Insel
nur ein Meer von Tränen
mir geht die Luft aus
warum höre ich nicht einfach auf

Die Uhr hat schon lange keine Zeiger mehr
der Kalender keine Wochentage keine Monate
die Zeit steht still und läuft davon
es wird ihn niemals geben
den Tag an dem ich nicht mehr weinen muß
nicht mehr bis auf den Grund versinke
warum soll ich dann bleiben

© Pirko Lehmitz 19.05.1998

Es fließt aus mir heraus
unaufhaltsam
wie eine unversiegbare Quelle
Sehnsucht Zweifel und Schmerz
verflüssigen sich
lautlos laufen sie in den See der Erinnerung
ich werde mitgerissen
lasse mich treiben
bis ich langsam versinke
tiefer und tiefer
bis auf den Grund
hier finde ich Stille und Geborgenheit
die Zeit steht still
ich möchte so gerne bleiben
aber da ist etwas was mich antreibt
sorgt daß ich wieder auftauche
gnadenlos dringt alles auf mich ein
als wenn nichts gewesen wäre
was mir bleibt ist nur die Sehnsucht
nach Dir

© Pirko Lehmitz 12.01.1998

Sie gehört zu mir
ein Teil meines Lebens
wenn ich sie aus meinem Leben verbanne
wird ein weiterer Teil in mir sterben

In meinem Leben eingebettet
wird sie mir immer wieder dunkle Tage bringen
aber nur nach einer Nacht
kann man den Sonnenaufgang bewundern

Ich weiß
erst an meinem letzten Tag
wird sich sich verabschieden
und dann werde ich begreifen
ohne sie hätte meinem Leben etwas gefehlt

© Pirko Lehmitz 27.09.1998

Plötzlich ist sie wieder da
schon fast vergessen
nein
nur ganz weit weggepackt
unvermutet wie aus dem Nebel
hat sie mich erwischt
oder habe ich sie nicht wahrnehmen wollen
die leisen Boten der Sintflut

© Pirko Lehmitz 28.09.1998