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Bestattungskultur im Wandel

InesBauschkekl
Ines Bauschke

aus dem Gemeindebrief der St. Paulus Gemeinde Buchholz i.d.N.
Oktober/November 2004

Die Erwartungen an eine Bestattung wandeln sich. Vor allem das in Nordrhein-Westfalen im Juni 2003 neu verabschiedete Bestattungsgesetz hat eine Fülle von Diskussionen und Veröffentlichungen zur Folge gehabt. Nordrhein-Westfalen hatte  als erstes deutsches Bundesland die Sargpflicht aufgehoben. Die Evangelische Kirche  in Deutschland (EKD) hat als Reaktion ein Diskussionspapier mit dem Titel „Herausforderungen evangelischer Bestattungskultur“ veröffentlicht. Auch der Lüneburger   Superintendent Hans-Hermann Jantzen machte in diesem Jahr das Thema „Bestattungskultur im Wandel“ zum Schwerpunktthema seiner Reise durch seinen Sprengel.

Der kirchliche Auftrag, die Toten zu bestatten, sei nicht an eine bestimmte Bestattungsform gebunden, sofern die Toten an einem öffentlich zugänglichen und gekennzeichneten Ort beerdigt würden, erläutert Jantzen in einem Interview mit der Evangelischen Zeitung. Auch das  Diskussionspapier der EKD konstatiert, dass sich aus der Bibel keine bestimmte Begräbnisform zwingend ableiten lasse. Wichtig an einer christlichen Bestattung sei, die Totenwürde zu achten und zu wahren. Darüber hinaus sei zu erkennen, daß die zunehmende Individualisierung sich auch auf die Friedhofskultur auswirke: „Es gibt eine zunehmende Enttabuisierung und Entkrampfung der Gesellschaft im Umgang mit dem Tod. Immer mehr Menschen wollen eine ganzheitliche Begleitung des Sterbens. Alte Formen wie Aufbahrung und Aussegnung, gemeinsames Waschen und Bekleiden der Leiche sind zunehmend erwünscht.“ Das Diskussionspapier ermutigt die Kirchen, die Wünsche von Hinterbliebenen positiv aufzunehmen, wenn diese an der Gestaltung der Trauerfeier mitwirken und sie nach ihren Bedürfnissen mitgestalten möchten.

Gleichzeitig äußert sich das EKD-Papier kritisch gegenüber der zunehmenden Zahl anonymer Beerdigungen: „Je stärker sich die demographische Entwicklung in Richtung Vergreisung verschiebt und je kräftiger die Individualisierung die Einpersonenhaushalte fördert, desto häufiger enden Menschen in der ‚anonymen Trinität des Alters‘: einsames Leben, sang- und klang- loses Sterben und unkenntliches Grab.“

Einerseits seien anonyme Beerdigungen besonders kostengünstig, weil sie keine Grabpflege nötig machten; andererseits wollten alte Menschen den Jungen keine Last sein und ihnen keine Grabpflegeverpflichtungen auferlegen. Allerdings sei es seelsorgerlich und psychologisch nachgewiesen, daß Hinterbliebene, die einer anonymen Beerdigung zugestimmt hätten, später erhebliche Probleme mit der ‚Ortlosigkeit der Trauer‘ bekämen. Ein konkreter Erinnerungsort, ein Grabstein habe für viele Menschen helfende Bedeutung. Vorsichtig positiv äußert sich das Diskussionspapier auch gegenüber der Friedwald-Konzeption, nach der die Urne eines Verstorbenen unter einem Baum in einem solchen Friedwald beerdigt werden könne – solange die Bäume öffentlich zugänglich und durch eine Namensplakette identifizierbar seien. Eine prinzipielle Unvereinbarkeit zwischen christlichen Einsichten über die Würde des Menschen im Tod und einer Bestattungsform im Friedwald erkennt die EKD-Studie nicht. Auch Hans-Hermann Jantzen gibt zu, daß sich die Kirchen und die Friedwald GmbH, die demnächst in Bispingen einen Friedwald einrichten will, nach anfänglichem Misstrauen angenähert haben. An der Attraktivität dieser neu eingerichteten Friedwälder zeige sich, daß die weithin übliche strenge Reglementierung der Gestaltungsrichtlinien auf den Friedhöfen überwunden werden müsse. Auch auf ihren Friedhöfen müsse die Kirche mehr „Kundenfreundlichkeit“ zeigen, um auf dem „Markt“ zu bestehen, so der Landessuperintendent.

© Pastorin Ines Bauschke,
St. Paulus Gemeinde Buchholz i.d.N

Sarg, Sargausstattung und Einkleidung des Verstorbenen

Hat man sich für die Bestattungsart entschieden, so muß man einen Sarg auswählen, in Auftrag geben oder selbst bauen. Jeder Verstorbene muß in einem Sarg bestattet werden.

Es ist also fast unumgänglich, bei einem Tischler, einem Bestatter oder einem Sarglieferanten einen AbschiednehmenSarg zu bestellen. Manche Menschen sorgen allerdings auch hier schon vor: Sie lassen sich ihren Sarg zu Lebzeiten anfertigen oder entwerfen und bauen ihn sogar selbst.

Generell gibt es keine festen Regeln, wie ein Sarg aussehen muß Es genügt also eine stabile Holzkiste, die groß genug ist, um einen Menschen aufzunehmen. Allerdings können in den einzelnen Bestattungsverordnungen die Maße so festgeschrieben sein, daß für Übergrößen höhere Bestattungsgebühren zu zahlen sind. Außerdem müssen Särge für die Erdbestattung aus verweslichem Material, also aus Naturholz gefertigt sein. Für die Feuerbestattung sind oft auch Särge aus Zinkblech zugelassen. Andere Materialien sind unüblich und bedürfen der Genehmigung durch den Friedhof. Särge müssen immer fest und gut abgedichtet sein, so daß jedes Durchsickern von Feuchtigkeit oder Durchdringen von Gerüchen bis zur Bestattung verhindert wird.

Die Träger der Bestattungsanlagen können außerdem Vorschriften erlassen, nach denen Särge und Sargausstattungen auch bestimmten ökologischen Standards entsprechen müssen. Besonders für die Feuerbestattung gibt es inzwischen mancherorts Auflagen: Dann dürfen zum Beispiel nur solche Materialien verwendet werden, bei denen »übermäßige Rauch- und Rußentwicklung, Geruchsbelästigungen sowie Gefahren für das Personal oder Beschädigungen der Feuerbestattungsanlage nicht zu befürchten sind (Bestattungsgesetz Baden-Württemberg, § 19; zitiert nach Gaedke, S. 372).

Wenn man sich hier nicht auf das Angebot der Bestattungsinstitute verlassen möchte, sondern eigene Vorstellungen verwirklichen will, so sollte man sich vorher auf jeden Fall bei dem zuständigen Friedhofsamt nach solchen Vorschriften erkundigen.

Die Bestattungsunternehmen haben meist eine Reihe von Särgen auf Lager oder zeigen Kataloge vor, nach denen sie bei einer Sargfabrik bestellt werden. Diese Fabriken halten sich an festgelegte Gütebedingungen für Vollholzsärge, für die es ein eigenes Warenzeichen gibt. Die Auswahl bei den Bestattern reicht vom schlichten Kiefernholzsarg ohne jegliche Oberflächenbehandlung bis zum kostbaren Prunksarg aus Mahagoni oder anderen edlen Hölzern. Neuerdings haben die Fabriken auch farbige »Designersärge« in ihr Programm aufgenommen.

Wenn man mit allen diesen Modellen nicht einverstanden ist, aber keinen neuen Sarg in Auftrag geben will, kann man auch mit einer farbigen Bemalung das Aussehen des Sarges verändern. Bei einer Bestatterin in Berlin konnten zum Beispiel die beiden kleinen Enkelinnen nach dem Tod der Großmutter den Sarg bemalen. Dieser – zugegebenermaßen sehr ungewöhnliche – Sarg wurde zu einem ganz persönlichen Kunstwerk mit zwei unterschiedlichen bunten Ansichtsseiten.

Zu einem Sarg gehört nach Ansicht der Bestatter weiteres Zubehör: Beim Sargbeschlag bandelt es sich um Sarggriffe mit sogenannten Griffrosetten und um Splinte oder Schrauben zum Verschließen des Deckels. Außerdem können noch Sargfüße hinzukommen-

Auch den Sargbeschlag gibt es wiederum in den unterschiedlichsten Formen, Größen und Preisklassen. Solches – zum Teil teures – Zubehör aus Metall wird, wie oben erwähnt, vor einer Kremation wieder vom Sarg abmontiert und zum Altmetall gegeben, weil sonst störende Rückstände in den Öfen übrig bleiben. Manchmal wird von Bestattern im Beratungsgespräch die besondere Stabilität eines Sarges betont. Seine Ecken sind dann noch zusätzlich verstärkt, damit der Sargdeckel den Erddruck besonders gut aushält. Für viele ist es ein schrecklicher und fast unerträglicher Gedanke, daß der Körper ihres Verstorbenen bald in einem Holzkasten unter der schweren Last der Erde liegt, die diesen Kasten über kurz oder lang unter sich zusammendrücken wird. Trotzdem, genau das ist der Lauf der Dinge. Auch ein besonders stabiler Sarg kann die Verwesung nicht aufhalten, und auch das härteste Holz ist der Vergänglichkeit unterworfen. Jeder Sarg aber, egal wie stabil er gebaut ist, hält für eine gewisse Zeit dem Erddruck stand und bricht erst dann in sich zusammen, wenn der Körper schon lange vergangen ist. Innen muß der Sarg mit einer verrottbaren Folie abgedichtet sein.

Der Sargboden soil mit einer fünf bis zehn Zentimeter dicken Schicht aus aufsaugenden Materialien aufgefüllt sein. Diese Schicht kann aus Sägemehl, Reißwolle, Torfmull, Rindenmulch oder Holzkohlestaub bestehen. Will man sichergehen, so sollte man sich aber bei einer Feuerbestattung unbedingt vorher beim jeweiligen Krematorium erkundigen, welche Materialien erlaubt sind. Viele Krematorien kontrollieren aufgrund der verschärften Abgasbestimmungen inzwischen genau, was sie verbrennen.

Aus ästhetischen Gründen wird über der saugfähigen Schicht eine Sargauskleidung angebracht. Auch dafür gibt es wieder viele Möglichkeiten: Ein ganzer Industriezweig stellt die sogenannte Bestattungswäsche her. Das sind Laken und Deckengarnituren, zum  Beispiel Oberdecken und Kissen mit Steppung, Kurbelstickarbeiten und Raschelspitze; Bestattungskleider, also mehr oder weniger schlichte Hemden, die Talare genannt werden, sowie Strümpfe und Socken. Auch hier gibt es wieder ein Gütesiegel. Allerdings ist es – wie erwähnt – durchaus möglich, seinem Verstorbenen die eigenen Kleider oder ein eigenes Nachthemd anzuziehen. Genauso gut kann man ihm natürlich das eigene Kissen unter den Kopf legen und die eigene Bettwäsche zum Unterlegen und Zudecken verwenden, sofern alles aus natürlichen Fasern besteht. Bevor man sich auf bestimmte Modelle festlegt, sollte man also ruhig noch einmal überlegen, welcher Sarg, welche Sargausstattung und welche Kleidung der Persönlichkeit des Verstorbenen am ehesten entspricht. Auch hier gilt wieder: Man muß sich nicht sofort entscheiden. Man kann Angehörige oder Freunde zur Beratung hinzuziehen. Man kann auch den Bestatter um ein zweites Gespräch bitten und sich dadurch Bedenkzeit nehmen.

Ich persönlich glaube, daß man dabei zum Beispiel durch einen besonders prunkvollen Sarg und teure Wäsche seinem Angehörigen nach dem Tod nichts Gutes mehr tun kann. Für mich liegt das, was ich für meine Verstorbenen tun kann, nicht mehr im Materiellen, sondern nur noch im seelischen Bereich. Alles andere kann nur für lebendige Menschen Bedeutung haben. So gilt meiner Meinung nach die Ausstattung des Begräbnisses eigentlich nicht mehr dem Toten, sondern bezieht sich hauptsächlich auf die Lebenden, seien es nun Hinterbliebene, Freunde oder die Nachbarschaft. Ihnen und dem Bestatter kann ich zwar durch die Wahl besonders aufwendiger Ausstattungsstücke zu beweisen versuchen, wie groß meine Liebe war. Doch den Verstorbenen und mich selbst täusche ich nicht: Vor ihm und dem eigenen Gefühl hat nur das \ Bestand, was aus der Zuneigung und dem Wissen umeinander und l um die Wünsche des anderen entspringt. Deshalb kann manchmal der kleinere Sargschmuck oder das schlichtere Laken der Persönlichkeit des Verstorbenen viel mehr entsprechen als ein üppiger Blumenschmuck oder reichverziertes Kissen, das nach außen mehr »hermacht«.

Barbara Leisner
Abschied nehmen

Abschied nehmen

TrauerfallStirbt jemand, so begreifen wir die Nachricht von seinem Tod verstandesmäßig zwar schnell. Aber unser Herz, unsere Gefühle können sich nicht so rasch damit abfinden. Für die Hinterbliebenen ist es deshalb wichtig, angemessen Abschied von dem verstorbenen Menschen zu nehmen, um so den Tod besser akzeptieren zu können.

Dem Toten nahe sein

Was muss ich tun? Wen muss ich benachrichtigen? Worum muss ich mich kümmern? Solche Fragen füllen häufig die ersten Stunden und Tage, nachdem ein Nahestehender verstorben ist. Es bleibt kaum Zeit, sich um sich selbst und seine eigenen Gefühle zu kümmern. Dabei sind Sie durch diese Situation meist mehr erschüttert und durcheinander, als dies jedes andere Ereignis verursachen könnte. Dabei ist es wichtig, mit dem Tod bewusst umzugehen. Schließlich muss man mit diesem Tod künftig leben.

Aufbahren

Um wirklich Abschied nehmen zu können, ist es für die meisten Menschen wichtig, die tote Person in ihrer Nähe zu haben – sie noch einmal greifbar zu erleben. Dies ist schon seit vielen Jahrhunderten bekannt. Deshalb gehört die Aufbahrung von Toten auch zu den uralten Bestattungsriten. So können Sie mit dem Verstorbene noch einmal reden, ihm Dinge sagen, die für Sie wichtig sind, ihn anfassen, streicheln, bei ihm weinen – ihren Gefühlen freien Laut lassen.

Wo aufbahren?

Den Ort der Aufbahrung können Sie prinzipiell selbst bestimmen. Häufig wird hierfür der Abschiedsraum des Bestattungsunternehmens gewählt. Sie bekommen dann für diesen Raum einen Schlüssel und können jederzeit zu dem Verstorbene oder können andere Trauernde dorthin begleiten.

Der Tote kann aber auch in seinem Haus oder in seiner Wohnung aufgebahrt werden. Dies ist zum Beispiel sinnvoll, wenn jemand zu Hause gestorben ist. Im eigenen Heim darf der Tote allerdings nur bis zu 36. Stunden aufgebahrt bleiben, dann muss er in eine Totenhalle des Friedhofs beziehungsweise Krematoriums überführt werden. Diese Frist gilt auch für Verstorbene, die in einem Krankenhaus aufgebahrt wurden. Bis zur Bestattungszeremonie wird der Verstorbene dann in der Totenhalle aufgebahrt.

Öffentlich oder privat?

Sie können bestimmen die aufgebahrte Person in einem offenen oder in einem geschlossenen Sarg liegt. Letzteres ist zu empfehlen, wenn der Leichnam zum Beispiel durch Verletzungen stark entstellt oder verzerrt wirkt. Ebenso können Sie wählen, ob die Öffentlichkeit zum Aufbahrungsraum Zutritt hat oder nicht.

Nicht alleine fühlen

Nutzen Sie die Zeit, die Ihnen mit aufgebahrten Menschen noch bleibt. Es ist die letzte Gelegenheit, ihn zu sehen und sich von ihm zu verabschieden.

Sorgen Sie deshalb im Aufbahrungsraum für eine warme Atmosphäre. Bitten Sie Freunde und Nachbarn hinzu. Vielleicht können Sie gemeinsam beten oder singen und Erinnerungen austauschen. Dies wird allen helfen und keiner muss sich alleine fühlen in seinem Schmerz über den Verlust.

Hans Schilder
Was tun im Trauerfall

Näheres über die Bestattung

Sobald wir eine Bindung zu unserem Kind empfinden, ist es ganz natürlich, dass wir es, auch wenn es nicht lebend zur Welt kam, im Todesfall mit Ehrfurcht und Würde behandelt wissen wollen. Für Eltern, die ihr Kind kennen lernen konnten, wird es oft selbstverständlich, es bestatten zu lassen. Ein Vater, der anfangs gar nicht sicher war, ob er sich einlassen wollte, sagte danach:GuteHoffnung

Es ist jetzt gar keine Frage mehr, dass ich mein Kind sehen musste, und es ist gar keine Frage, dass es beerdigt werden muss.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine Bestattung, so schwer sie auch empfunden werden mag, die meisten Betroffenen in ihrer Trauerarbeit weiterbringt. Das Begräbnis ist wie ein Meilenstein auf dem Trauerweg. Für die meisten Menschen ist es tröstlich zu wissen, wo ihr Kind begraben ist. Es ist gut, einen Platz zu haben, wo sie ihre Trauer hintragen können.

Ich musste schon allen Mut zusammennehmen, um zu sagen, dass ich mir wünsche, dass unser winziges Kind beerdigt wird. Auf mein wiederholtes Fragen wurde mir gesagt, dass ein Baby unter 500 Gramm nicht beerdigt werden könne. Es sei ein »Abortabfallprodukt«, und ich habe keine Verfügungsgewalt darüber. Erst später erfuhr ich, dass es nicht stimmt. Es muss nicht, kann aber beerdigt werden. Als ich dies erfuhr, war es jedoch dafür zu spät. Ich habe lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Immer wieder hat es an mir genagt, haben mich die Gedanken verfolgt: Was ist jetzt mit meinem Kind? Wo ist es jetzt? Und so ganz schlimm der Gedanke, es ist vielleicht irgendwo im Abfalleimer gelandet.

Viele Eltern, mit denen ich sprach, hatten ähnliche Befürchtungen. Eine würdevolle Behandlung ihres Kindes war ihnen ganz wichtig. Ein Paar setzte sogar durch eine einstweilige Verfügung des Regierungspräsidenten die Bestattung seines Babys durch. Wo eine Beerdigung entgegen des eigenen Wunsches nicht möglich war, hinterließ dies oft für lange Zeit eine offene Wunde. –

Je mehr wir das Begräbnis oder die Trauerfeier mitgestalten, desto bedeutungsvoller und somit hilfreicher sind sie auf unserem Weg. Manchmal wollen uns wohlmeinende Menschen hier »schützen«, indem sie anbieten, »diese Dinge« für uns zu erledigen. Doch wenn wir unsere Entscheidung getroffen haben, sollten wir uns nicht beirren lassen und so viel wie möglich selbst tun.

Eine Schwägerin versuchte mir einzureden, ich solle mich doch nicht auch noch mit der Beerdigung belasten, sie würden mir das gerne abnehmen. Aber für mich war es ganz wichtig, dabei zu sein und zu helfen, die Feier mitzugestalten. Es war der letzte Liebesdienst, den ich meinem kleinen Engel erbringen konnte, und mein ganz bewusster Abschied von ihm.

Es kann für eine Mutter bedeutungsvoll sein, ihr Kind selbst in seinen Sarg zu legen. In dem australischen Film Auch Babys sterben, ließ die Mutter der kleinen Cosma ihr verstorbenes Kind mehre Tage hintereinander bringen und lernte ihr Baby wirklich kennen in der Gegenwart seiner drei kleinen Geschwister. Am Ende bettete sie Cosma persönlich auf einem weichen Lammfell in den kleinen weißen Sarg im Beisein ihrer eigenen Mutter und des fürsorglichen Trauerteams.

Wenn Dinge so geschehen, wie sie unserem tiefsten Inneren entsprechen, dann gibt es vielleicht selbst in der schlimmsten Situation unseres bisherigen Lebens so etwas wie ein »Gut«. Sich dafür einzusetzen ist lohnenswert.

Bestattungsmöglichkeiten

Es besteht die Möglichkeit, ein Reihengrab oder ein Privatgrab für eine bestimmte Zeit zu kaufen oder ein Baby im Familiengrab zu bestatten. Auf manchen Friedhöfen gibt es Kinderreihengräber, mancherorts, wie z.B. auf dem Katholischen Friedhof Augsburg, sogar ein liebevoll angelegtes Grabfeld für nicht bestattungspflichtige Kinder. Auf Wunsch der Eltern erledigen Bestattungsunternehmen alle behördlichen und kirchlichen Formalitäten und besorgen eine Grabstätte, es sei denn, sie wollen diese lieber selber aussuchen. Bestatter handeln auch eigenständig, wenn Menschen, aus welchen Gründen auch immer, sich an den Entscheidungen nicht beteiligen können. Doch wo immer möglich sollten Eltern in das Ritual einer Beerdigung einbezogen und ihre Eigeninitiative gefördert werden. Dies hat sich für die Trauerverarbeitung als positiv erwiesen.

Kosten für eine Bestattung

Angesichts des Todes eines Kindes mag es banal wirken, über die Kosten einer Bestattung zu sprechen. Doch ist es vorgekommen, dass die Erfüllung von Herzenswünschen der Eltern an ihrer Scheu scheiterten, materielle Dinge anzusprechen.

Als unser Kind tot geboren wurde, waren wir in einer finanziellen Notlage. Ich hatte es gerne bestatten lassen, fürchtete aber, dass eine Beerdigung zu teuer sein wurde. Da ich mich schämte, nach den Kosten zu fragen, überließen wir die Abwicklung schließlich der Krankenhausroutine.

Je nach Art des Begräbnisses und der Region betragen die Kosten einer Beerdigung für ein tot geborenes Baby zwischen DM 500,— und 2.500,— (inkl. Grabstätte). Es spielt eine große Rolle, ob man auf dem Land oder in der Stadt wohnt, und natürlich gibt es Preisunterschiede von Unternehmen zu Unternehmen. Lobenswerterweise werden die Kosten für Kinderreihengräber mancherorts von den Gemeinden oder der Kirche getragen, und ein mir bekannter Bestatter beerdigt Kleinstbabys sogar kostenlos.

Mit wachsendem Bewusstsein auch von Seiten der Kommunalpolitiker für die besondere Situation verwaister Eltern bleibt zu hoffen, dass in Zukunft Elternfreundliche Änderungen von Friedhofssatzungen erwirkt werden. Leider hat die Gesundheitsreform Eltern von Totgeborenen und – nach der Geburt sterbenden Kindern benachteiligt: Das Sterbegeld, das : zuvor einen Teil der Begräbnisausgaben deckte, wurde ersatzlos gestrichen. In Notfällen übernimmt das Sozialamt auf Antrag die Kosten für das Begräbnis.

Wenn ein eigenes Grab nicht gewünscht oder möglich ist

Eine Bestattung mit Grab zu haben entspricht nicht den Wünschen und Grundeinstellungen aller Menschen. Manche würden z.B. liebe die Asche ihres Kindes an einem Ort der Schönheit verteilt wissen. . Dies ist laut unserer Gesetzgebung leider nicht möglich, außer auf See oder im Ausland. Etliche Menschen wollen, zumindest zunächst einmal, kein eigenes Grab. Manche Eltern übergeben ihr totes Kind für Forschungszwecke der Pathologie, die sich dann um ein Begräbnis kümmert. Mancherorts gibt es zentrale Gräber für Totgeborene. Auf den . Friedhöfen einiger größerer Städte können tote Babys auf Wunsch im einem anonymen Grabfeld beerdigt werden.

Vom kirchlichen Krankenhaus, in dem ich in den USA arbeitete wurde ein Teil des Krankenhausparks zur Bestattung fehlgeborener Kinder freigegeben. Bei der Einweihungsfeier wurde ein Stein aufgestellt zum Gedenken an alle Kinder, die einen unzeitigen Tod erlitten haben. (Sr. Jane Marie)

Das anonyme Beilegen eines Babys im Grab eines unbekannten gerade zu beerdigenden Verstorbenen, wie es jahrzehntelang praktiziert wurde ist, soweit ich das in Erfahrung bringen konnte, nicht mehr zulässig und zumindest für die Trauerverarbeitung auch nicht wünschenswert. Kleine Babys können aber dem Grab eines geliebten Familienangehörige beigelegt werden. Manchen ist dies eine große Beruhigung. Ansonsten kann ein Ersatzritual Eltern Trost geben.

Die Idee, ein Ritual zu schaffen, hat uns sehr gut gefallen. Wir wollen, noch bevor wir umziehen, zu dem Massengrab fahren, um von dort etwas Erde zu holen. Dann wollen wir dann auf unserem Grundstück am neuen Wohnort für Philip einen Baumpflanzen. Ich brauche einen On, an den ich immer wieder gehen kann, wenn schon kein Grab vorhanden ist.

© Hannah Lothrop
Gute Hoffnung – Jähes Ende

Was müssen Sie bedenken, wenn Sie kein Bestattungsunternehmen in Anspruch nehmen möchten?

TodesefallbildEs ist grundsätzlich möglich, einen Verstorbenen ohne die Hilfe eines Bestattungsunternehmers bis zu seiner Beisetzung selbst zu begleiten. Nur für den Transport des Verstorbenen brauchen Sie den Dienst eines Bestattungsunternehmens. Der Transport muß in einem vom Amt für öffentliche Ordnung zugelassenen Leichenwagen gemacht werden.

Sie können also ab der Feststellung des Todes entscheiden, was Sie selber tun möchten. Aus unserer Erfahrung heraus möchten wir Ihnen Mut machen, solche Handlungen und Tätigkeiten zu übernehmen, die Sie als ,,Dienst für den Verstorbenen“ tun möchten. Es erscheint uns aber wichtig, daß Sie überlegen, ob Sie wirklich alle Dinge selber machen wollen.

Denn es ist gut möglich, auch einige, vielleicht wenige Dinge von einem Bestattungsunternehmen ausführen zu lassen.

Sollten Sie sich dafür entscheiden, bis auf den Transport alles alleine zu machen, gibt es einige Dinge, die Sie wissen und bedenken sollten.

  1. Mit dem sogenannten ,,Totenschein“ muß am darauf folgenden Werktag eine ,,Sterbefallanzeige“ bei Ihrem Standesamt gemacht werden. Dafür brauchen Sie neben dem Totenschein die Geburtsurkunde, Heiratsurkunde. Das Standesamt stellt dann die Sterbeurkunde aus, die Sie in mindestens dreifacher Ausfertigung brauchen. Die Sterbeurkunde bzw. eine Kopte der Sterbeurkunde brauchen Sie für die Kündigung der Krankenkasse und der Versicherungen.
  2. Der Totenschein, in manchen Bundesländern die Sterbeurkunde, dient u. a. zur Genehmigung für die Beerdigung oder Feuerbestattung und dann auch für die Kündigung der Krankenkasse oder Versicherungen.
  3. Treffen Sie Vereinbarungen für den Tag und die Uhrzeit der Bestattung oder der Trauerfeier mit dem Friedhof und mit dem Pfarrer oder einen Redner. Planung der Trauerfeier. Dekoration mit Blumen und Kerzen.
  4. Die gesetzliche Frist für die Erd- oder Feuerbestattung ist frühestens nach 48 Stunden bis zu fünf Tagen nach dem Tod. Aus wichtigen Gründen kann diese Zeit auch verlängert werden. Der Leichnam muß dann jedoch gekühlt werden, was am Tag ca. DM 130,- kostet.
  5. Es ist Pflicht, den Verstorbenen in einem verschlossenen Sarg zu begraben oder einzuäschern.
  6. Ein Sarg kann entweder selber gefertigt, von einem Schreiner gemacht oder bei einem Beerdigungsinstitut gekauft werden.
  7. Für die Größe des Sarges gibt es bestimmte Abmessungen. Sie richten sich nach der Größe des Leichnams und nach bestimmten Vorschriften der Friedhöfe. Sie können sich nach diesen Bedingungen bei dem in Frage kommenden Friedhof telefonisch erkundigen.
  8. Der Sarg ist aus ,,Naturholz“ und leicht verrottbarem Material herzustellen.
  9. Der Sarg für eine Feuerbestattung muß vollständig aus brennbarem Material hergestellt sein. Bis jetzt darf der Tote noch seine eigene Kleidung anhaben. Es sind jedoch gesetzliche Veränderungen vorgesehen, die wahrscheinlich vorschreiben werden, daß die Kleidung aus Naturmaterialien hergestellt sind oder ein sogenanntes Leichenhemd getragen werden muß. Der Tote sollte jedoch nur ein Hemd anhaben, da er vor der Verbrennung noch einmal vom Amtsarzt untersucht wird. Diese amtsärztliche Untersuchung ist notwendig, um sicher zu gehen, daß ein  !       natürlicher Tod vorliegt. Das bedeutet, daß der Sarg noch nicht endgültig verschlossen sein darf, bevor diese ,,Leichenschau“ stattgefunden hat.
  10. Organisieren Sie mit einem Beerdigungsinstitut den Transport des Sarges zum Friedhof
  11. Ob Sie Trauerkarten verschicken oder Traueranzeigen in den Zeitungen aufsetzen, bleibt ganz Ihnen überlassen.

Wenn ein Mensch gestorben ist – wie gehen wir mit dem Toten um?
Daniela Tausch-Flammer, Lis Bickel S. 129 ff.

Trauern hat seine Zeit

Abschiedsrituale beim frühen Tod eines Kindes

Von Michaela Nijs

Auszüge zusammengstellt von Pirko Silke Lehmitz

1.Ritual, Definition und Wirkung

 a) Definition für ein RitualNijs
Die amerikanische Psychotherapeutin T. Rando definiert ein Ritual als ein spezifisches Verhalten oder eine spezifische Handlung , die bestimmten Gefühlen und Gedanken des/der Vollziehenden als Einzelner oder als Gruppe symbolischen Ausdruck verleiht. Das Hinaus-Setzen von emotionalen Erlebnisinhalten kann für einen Trauernden befreiend wirken, insbesondere, wenn der Tod eines geliebten Menschen mit traumatischen Erfahrungen verbunden war. Oft fehlen die Worte, um den Schmerz mitzuteilen; dann können Symbole und symbolische Handlung helfen, ohne Worte ein Brücke zu anderen Menschen zu schlagen. Rando weist in ihrer Definition auf ein weiters Charakteristikum von Ritualen hin: sie können einmal stattfinden, wie zum Beispiel eine Beerdigung, sie können jedoch auch wiederholt werden oder über eine gewisse Zeit fortlaufen vollzogen werden. Dies zeigt die vielfältigen möglichen Variationen von Ritualen.

    b) Gebrauch des Begriffes Ritual in diesem Buch
Ein Abschiedsritual ist eine bewußt vorbereitete und vollzogene symbolische Handlung, die Gefühle und Gedanken des Trauernden ausdrückt. Diese Handlung ist individuell gestaltet, ihr Inhalt wird geprägt durch die Bedürfnisse und Überzeugungen des trauernden Menschen. Elemente aus überlieferten Ritualen können enthalten sein, eine symbolische Handlung kann auch ohne Anlehnung an Traditionen gestaltet werden. Bei der Vorbereitung und dem Vollzug des Abschiedsrituals dient keine Suggestion oder Manipulation durch andere Menschen statt, das Ritual wird in Freiheit vollzogen. Es kann ein einmaliges Geschehen sein, es kann in derselben Form mehrmals wiederholt werden oder ein fortlaufenden Charakter haben. Die symbolische Handlung ist herausgehoben aus der Routine des Alltags und kann mit Erfahrungen des Außer-Gewöhnlichen verbunden sein. Ein Ritual spricht den ganzen Menschen an, indem es die Aktivität von Körper, Seele und Geist fördert. Ein Ritual wirkt auf verschiedenen ebenen interaktiv. Der Vollzug einer symbolischen Handlung kann eine heilende Wirkung für den Vollziehenden haben.

    c) Rituale als Orientierungshilfe
Wenn ein trauernder Mensch vor dem Vollzug eines Abschiedsrituals ein Ziel beschreibe kann, das er unter andrem auch mit Hilfe des Rituals erreichen möchte, kann dieses Ziel eine Orientierung in schwierigen Zeiten bieten. Klare Ziele für Rituale bedeuten nicht, daß quantitativ erfaßbare Leistungen als eine Zieldefinition dienen. Es geht um eine generelle Wegrichtung, nicht um Stationen, die erreicht werden sollen. Eine Mutter kann sich zum Beispiel entscheiden, daran zu arbeiten, wie sie das Gedenken an ihr gestorbenes Kind mehr in ihr Leben integrieren kann. Diese Mutter hat ein klares Ziel: sie möchte ihre Erfahrungen mit dem Leben einbeziehen. Dieses Ziel läßt jedoch offen, welche Wege und Um-Wege gewählt werden und wie die Wegstationen aussehen werden. Das Ziel gibt Orientierung, und gleichzeitig läßt es den Menschen in seinen Entscheidungen frei. Zu diesem frei-lassenden Element der Rituale kommt noch ein weiterer wesentlicher Aspekt hinzu: die Kreativität, das schöpferische Gestalten. Gerade bei den Abschieds-Ritualen, die im vorliegenden Buch dargestellt werden, ist das kreative Element sehr wichtig. Wählt eine Mutter zum Beispiel den fortlaufenden Brief an ihr verstorbenes Kind als seinen möglichen Weg zur besseren Integration ihrer Erfahrungen, dann wird sie nicht jeweils zu Beginn des Schreibens genau definieren, was sie schreiben will. Da das Scheiben ein kreativer Prozeß? Ist, wird sie möglicherweise Gefühle verbalisieren, die ihr vorher nicht bewußte waren, oder sie Zusammenhänge zwischen früheren Erlebnissen und gegenwärtigen Situationen erkennen, die sie auf einer Intellektuellen Ebene vorher nicht hatte sehen können. Sich dem Fluß des Schreibens anzuvertrauen, ohne dabei die Kontrolle durch das Ich zu verlieren – das ist schöpferische Gestaltung von Abschiedshandlungen.

    d)Heilende Wirkung
Beim Vollzug eines Rituals erfolgt ein Rückbezug auf das, was nährt und heilt. Diese Nährende verstehe ich im übertragenden Sinn als eine Quelle der Lebenskraft, vielleicht auch als einen imaginativen Ort, an dem ein Mensch sich rückbesinnen kann auf seine wahren Lebensimpulse. Die Annahme dieser kraftspendenen und damit heilenden Wirkung von Ritualen gehört zu den Grundlagen des vorliegenden Buches.
Die amerikanische Psychotherapeutin Achterberg beschreibt die Wirkungen, die Rituale für den einzelnen und für die Gemeinschaft haben können: „Rituale dienen als Wegweiser und Verhaltensmaßstäbe in Krisenzeiten, wenn Körper, Geist oder Seele angegriffen sind. Der Akt des Rituals ermöglicht es den Menschen, Erfahrungen miteinander zu teilen und einander sichtbar zu unterstützend. „Die wesentliche psychologische Wirkung des Rituals liegt darin, daß es Menschen durch schwierige Zeiten geleitet, Sterbend, Schwerkranke, Menschen in emotionalen Krisen. Das Ritual liefert eine Landkarte für das unsichtbare, unbekannte und nicht vermessen Territorium, das sie durchschreiten“.
Als weitere Wirkungen von Ritualen nennt Achterberg die Minderung des Gefühls der Entfremdung von der eigenen Gemeinschaft und die Verminderung von Depressionen und Angst. Die Aufhellung von Depressionen hängt damit zusammen, daß im Ritual die eigene Aktivität des Menschen gefordert ist. Gelingt der Schritt, die Impulse aus dem Denken in eine Handlunge umzusetzen, dann ist der Teufelskreis der depressiven Lähmung durchbrochen.
Ein Mensch kann Hoffnung in einer Krisenzeit erleben, wenn er spürt, daß er sein Hier und Jetzt gestalten kann. Genau diese Gestaltung des „hic et nunc“ geschieht im Ritual, der Fokus der Aufmerksamkeit ist auf die Gegenwart gerichtet. Das mach dem Trauernden Mut, daß er auch in Zukunft in der Lage sein wird, sein Leben zu ergreifen.

    e) Auseinandersetzung im Tun
Es gibt zwei wichtige Elemente einer symbolischen Handlung. Das erste Element ist die Erfahrung, daß die Auseinandersetzung im Tun geschieht. Der aktive Prozeß des Ergreifens hilft, die Realität des Todes anzuerkennen und so einen ersten Schritt zu Integration zu leisten. Das zweite Element ist das Bemühen, die eigenen Erfahrungen in ein Form zu bringen. In einem schöpferischen Prozeß entsteht etwas Sichtbares. Inneres kann zu einer äußeren Gestalt werden, kann ausgedrückt werden.

2.„Mementoes“: Erinnerungsstücke

Wenn ein Erwachsener oder ein älteres Kind sterben, gibt es viele besondere Gegenstände, die mit Erinnerungen an den Verstorbenen verbunden sind. Ganz anders ist die Situation, wenn ein Kind tot zur Welt kommt, oder um die Geburt herum stirbt. Dann haben die Eltern und die Geschwister oft nur sehr wenige „mementoes“. Manche Familien haben keinen einzigen Gegenstand, der sie an das gestorbene Kind erinnert.

    a) „Mementoes“ als Begleiter in der Trauer
„Mementoes“ können auch Gegenstände sein, die mit positiven Erfahrungen während der Trauerprozesses verbunden sind. Manchmal sind es Geschenke von Menschen, die die Eltern unterstützt haben. Gerade in Krisenzeiten können solche Übergangsobjekte stabilisierend wirken.

    b) Neu geschaffene „Mementoes“
„Mementoes“ müssen nicht Gegenstände sein, die schon im Besitz der Eltern waren, als das Kind starb. Es können ebenso Dinge sein, die nach dem Tod des Kindes geschaffen und gestaltet wurden. Gerade Eltern, die kaum Gegenstände habe, die sie an eine gemeinsame Zeit mit dem Kind erinnern, erleben es oft als sehr hilfreich, wenn sie selbst etwas gestalten können, oder wenn sie nach Symbolen und Bildern für ihre Erfahrungen suchen können.

    c) Kerze als Symbol des Gedenkens
Die Kerze ist ein Symbol, das die Menschheit schon sehr lange bei Feiern und besonderen Anlässen verwendet. In der christlichen Tradition steht die Kerze in einem engen Zusammenhang mit Weihnachten und Ostern. Aber auch für viele Menschen, die keine Beziehung zur christlichen Überlieferung haben, ist das Anzünden einer Kerze eine wichtige symbolische Handlung, diene besondere, außergewöhnliche Zeit markiert. Kerzen bringen Wärme und Geborgenheit, die Flamme wird auch als ein Symbol der Liebe gesehen.

Ein Vorschlag als ein Symbol für die Verwendung von Kerzen in einem Ritual wäre es, eine Kerze während der Geburt eines toten Kindes brennen zu lassen und diese Kerze den Eltern dann zu schenken. Hier kann man das Licht verstehen im Sinne einer Begleitung schon während der Geburt, eines Empfangens des toten Kindes mit Kerzenlicht auf dieser Welt und einer besonderen Kerze, die die Eltern durch ihre Trauerzeit begleiten kann. Dieser Vorschlag ist inzwischen von einigen Hebammen aufgriffen worden. Sie erzählten, daß sie positive Rückmeldungen von Eltern bekommen hätten, denen sie eine Kerze mit nach Hause gegeben hatten.  Sie berichteten auch, daß sie selbst gespürt hätten, wie sich die Atmosphäre im Kreißsaal verändert, wenn eine Kerze brennt.

    d)Das Fehlen von gemeinsamen Erinnerungen
Gerade in bezug auf die soziale Interaktion wird deutlich, daß die Situation nach dem perinatalen Tod eines Kindes ein ganz andre ist als die nach dem Tod eines Erwachsenen. Wenn ein Kind um die Geburt herum stirbt, gibt es beinahe keine gemeinsamen Erinnerungen, die die Eltern mit Freunden und Verwandten teilen können. Eltern eines früh gestorbenen Kinde können eben nicht sagen: „ Weißt du noch, wie unser Sohn zum erstem Mal gesessen hat?“ Solche geteilten und mitgeteilten Erinnerungen erleichtern den Trauerprozeß – und sie fehlen beim frühen Tod eines Kindes.

3.Jahrestage und andere wichtige Gedenktage

    a)Meilensteine auf dem Weg durch die Trauer
Jahrestage können ein Anlaß sein, auf das vergangene Jahr zurückzublicken, vielleicht auch auf die Zeit seit dem Tod des Kindes. Dieser Rückblick kann hilfreich sein, denn während des Durchlebens des Prozesses sehen die Eltern ihre Schritte in Richtung Heilung manchmal nicht. Dies können im Überblick viel deutlicher wahrgenommen werden.
Nicht nur der Todestag des Kindes, sondern auch andere Tage können für die Eltern die Funktion von Meilenstein den haben: der errechnete Geburtstermin; in folgenden Schwangerschaften die Schwangerschaftswoche, in der das Kind gestorben ist; der eigene Geburtstag, an dem die Eltern sich erinnern, daß das Kind fehlt; und viele ganz individuelle Tage.

b)Muttertag und Vatertag
Diese Tage können besonders für Eltern, die keine lebenden Kinder habe, schwierige und traurige Tage sein. Fragen der Identität der Eltern können in dieser Zeit besonders drängend werden. In einer Veröffentlichung einer amerikanischen Selbsthilfegruppe beschreibt eine Mutter ihre Gedanken zu diesen Gedenktagen: „ Verständlicherweise sind dies zwei Tage, die von unsrer Gesellschaft bestimmt worden sind, um den Status der Elternschaft zu ehren, wie das sprichwörtliche Salz in der unseren Wunde. Für diejenigen von uns, die keine überlebenden Kinder haben, bringen diese beiden Feiertage auch viele Fragen a die Oberfläche. Wird irgend jemand, anerkennen, daß wir Eltern sind? Werden wir uns selbst erlauben, anzuerkennen, daß wir Eltern sind? Sind wir Eltern? Natürlich sind wir es! Töchter und Söhne hören nicht auf, Töchter und Söhne zu sein, wenn ihre Eltern sterben. Wir sind Mütter und Väter, deren Kinder gestorben sind.“

4. Namensgebung

a) Anerkennung des Kindes als Individualität
Der Name eines Menschen steht in engem Zusammenhang mit der Anerkennung seiner Individualität, seiner Persönlichkeit. Die fragen nach der Identität und den Wesen eines Menschen sind häufig verbunden mit dem Namen, der er trägt. Wistinghausen beschreibt diese Beziehung zwischen dem Namen und dem Wesen eines Menschen folgendermaßen: “Der Name deutet nicht nur auf den Menschen, sondern er bedeutet den Menschen. Das persönliche Wesen Mensch lebt und webt geheimnisvoll in den Lauten des Namens und äußert sich in ihnen.“
Um ein Gegenüber persönlich ansprechen zu können, müssen wir seinen Namen kennen. In diesem Sinne kann der Name auch als eine Voraussetzung für Begegnung gesehen werden.
Es erscheint uns selbstverständlich, einem lebend geborenen Kind einen Namen zu geben. Die Frage nach dem Namen ist meist auch ein der ersten Fragen, die Eltern kurz nach der Geburt eines lebenden Kindes von Freunden und Verwandten gestellt werden.
Dieser selbstverständliche Umgang mit dem Namen geht verloren, wenn das Kind tot geboren wird oder kurze Zeit nach der Geburt stirbt. In dieser Situation werden Eltern nur selten gefragt, wie ihr Kind heißt. Dabei kann die Namengebung gerade beim frühen Tod eines Kindes für die Eltern und für alle anderen Beteiligten wichtig Signale setzen. Wenn Eltern einem totgeboren oder perinatal gestorbenen Kind einen Namen geben, machen sie damit deutlich, daß ein Mensch gestorben ist, daß es nicht um den Verlust eines Schwangerschafts-Produktes geht. Diese Anerkennung der Individualität des Kindes gehört wesentlich zu einem würdevollen Umgang mit früh gestorbenen Kindern. Fast alle Mütter, die in einer Untersuchung befragt wurden, hatten ihren verstorbenen Kindern einen Namen gegeben. Viele hatten jedoch diesen Namen noch nie einem anderen Menschen gegenüber ausgesprochen. Die selbstverständlich frage nach dem Namen kann den Eltern helfen, die Schwelle zu überwinden, zum ersten Mal den Namen ihres Kindes andren mitzuteilen.
Da die Eltern so wenige konkrete Erinnerungen an ihr Kind habe, kann die Namensgebung ihnen oft helfen, anzuerkennen, daß sie um einen konkreten Menschen trauern. Der Name kann auch zu einem Symbol für die Existenz des Kindes werden. Gerade bei mehrfachen Verlusten ist es sehr wichtig, zu differenzieren – die einzelnen Verluste zu benennen, um dann trauern zu können. Nachdem Frau S. den Namen ihres Sohnes ausgesprochen hatte, konnte sie um dieses Kind trauern. Es bekam eine Gestalt, während vorher alles wie in einem schwarzen Strudel vermischt gewesen war. Mit dem Mitteilen des Namens sind zwei Erfahrungen verbunden: das Kind bekommt eine Identität, durch diese Identität ist es nicht ersetzbar.

   b) “Endlich was in den Händen haben” – Zur Bedeutung von Dokumenten
Gerade wenn Eltern ihr totes Kind nicht gesehen haben, suchen sie oft nach “Mementoes”, die auf die auf die Existenz ihres Kindes hinweisen. In einer solchen Situation können formale Schriftstücke, die für Außenstehende sachlich und kühl wirken, eine wichtige Rolle spielen

Tod am Anfang des Lebens

aus “Wenn Mütter trauern” S. 121,122

Einerseits wollte ich das Kind loswerden, zum anderen doch noch so ein bißchen behalten. Noch so ein bißchen schwanger sein. Jetzt bin ich noch schwanger, dachte ich, wer weiß, ob ich jemals wieder schwanger werden kann. Und ich habe meine rechte Hand auf den Bauch gelegt und zu unserem Herrgott gesagt, er möge doch das Kind so annehmen, wie es ist. Das ist auch eine Form der Taufe, habe ich mir gedacht.WennMutter

Am nächsten Morgen, am Freitag, Punkt acht, stand der Kurt wieder an meinem Bett. Ich fragte ihn, wie er die Nacht verbracht hatte. Keine Antwort. Er wollte da überhaupt nicht drüber reden. Später erfuhr ich, daß er beim Pastor war und mit ihm gesprochen hatte.

Um 13 Uhr, an diesem 28. Juni 1985, setzten die Preßwehen ein. Das Kind ist ohne Dammschnitt gekommen, ganz sanft, es ist einfach so herausgerutscht. Sie haben das Mädchen in ein Tuch gewickelt, es uns gezeigt und mir in den Arm gelegt. Das war wie ein Erdbeben. So eine richtige Erschütterung. Es war so ein Aufschluchzen auch. Es ist geschafft. Das Kind ist draußen. Und du darfst weinen, du darfst um dieses Kind jetzt weinen.

Ich habe sie im Arm gehalten und an meine Frust gedrückt. Ich habe sie mir angeguckt, und sie hat ausgesehen wie der Bastian. Die Haare, die Gesichtsform, alles. Sie war groß und schwer, ein hübsches, süßes Kind. Und an dem Kind war alles dran.

Ich habe nur noch ihr Profil in Erinnerung: Die Augen geschlossen, die Unterlippe etwas vorgeschoben, beinahe ein wenig trotzig, so schien es. Immer wenn der Sebastian wütend ist und heult, dann hat er ganz genau denselben Ausdruck im Gesicht.

Und wieder mußte ich an meinen Traum denken: Dieses Traumkind hatte auch die Augen geschlossen. Ich konnte mit ihm nichts anfangen. Es war in einer anderen Welt. Nur eine Hülle hatte ich da in meinen Armen. Da war kein Geist drin.

Dieser Eindruck stand auch jetzt im Vordergrund: Hier kannst du nichts mehr machen. Da kommt kein Leben. Da kommt nichts, absolut keine Regung von diesem Kind. Das Kind ist tot.

Und irgendwie kam dann der Moment, wo eine Ärztin vor mir stand und auf das Kind wartete. Viola soil sie heißen, haben wir ihr gesagt.

Und dann habe ich sie ihr halt gegeben.

Kennenlernen und Abschied

aus der Broschüre Gute Hoffnung, jähes Ende von Hannah Lothrop

Entgegen landläufiger Meinung ist das Bestehen und die Entwicklung einer Bindung zum Baby die beste Voraussetzung für ein heilsames Abschiednehmen, ein Wieder-heil-werden-Können und die Fähigkeit, später neue Bindungen eingehen zu können. Deshalb ist es wichtig, daß der Prozeß der Bindung stattfindet, vollendet und nicht abrupt unterbrochen wird, selbst wenn das Baby tot ist oder stirbt.Gutehoffbrosch

Wir brauchen konkrete Erinnerungen an unser Kind. Dafür hat es sich als positiv erwiesen, unserem toten Baby wirklich begegnen zu können: es genau anzusehen, zu berühren, im Arm oder – wenn es noch sehr klein ist – in unseren Händen zu halten und es vielleicht, je nach Situation, auch zu baden und anzuziehen – die einzige Gelegenheit, die wir dazu je haben werden. Wir brauchen Zeit, die Einzigartigkeit dieses Kindes wirklich in uns aufzunehmen.

Das Loslassen-Lernen, was im Leben allmählich geschehen kann, uns aber wahrscheinlich nicht immer gelingt, müssen wir nun in kurzer Zeit und unter schwierigen Umständen leisten. Wir brauchen dabei jede nur erdenkliche Unterstützung.

Das Entstehen einer Bindung ermöglichen

In meinen Gesprächen sind mir keine Eltern begegnet, die im nachhinein wünschten, sie hätten ihr Kind nicht gesehen. Doch fast alle Eltern, die es nicht sahen, sprechen auch Jahre danach noch Bedauern darüber aus oder Wut auf das Pflegepersonal, das sie um diese Möglichkeit gebracht hat. Manche davon waren offensichtlich in der zweiten Stufe des Trauerprozesses steckengeblieben, spürten auch noch nach langer Zeit eine unstillbare Sehnsucht und Unruhe in sich. Es fiel ihnen schwer, mit dem Tod Frieden zu schließen und ihn anzunehmen.

Der Anblick unseres Kindes tut zuerst ungeheuer weh. Aber es ist dabei wie mit einer Wunde, die verätzt wird. Das tut zuerst auch mehr weh, aber sie heilt dann schneller und sauberer. Wenn Eltern zunächst nicht die Kraft oder den Mut haben, ihr Kind selbst zu sehen, sollte auf alle Falle jemand anderes in der Lage sein, ihnen später ihr Kind genau und liebevoll zu beschreiben, wenn sie dies wünschen oder zur Trauerverarbeitung sogar brauchen.

Der Anblick eines toten Babys

Neugeborene sehen oft so aus, als ob sie sich noch auf einem anderen Stern befanden, so ganz weit weg, in einer anderen Welt. Tote Babys sehen so aus, als ob sie von diesem Stern nie ganz bei uns angekommen sind.

Wenn Babys mit Fehlbildungen zur Welt kommen, stellt sich die Frage, ob die Eltern ihren Anblick verkraften können. Erfahrung hat gezeigt, daß die Realität nie so schlimm ist wie die Monsterfantasien, die Eltern entwickeln, wenn sie ihr Kind nicht sehen. Fehlbildungen werden oft nicht wahrgenommen oder stehen zumindest nicht im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern Eltern verweilen bei dem, was an ihrem Kind schön und einzigartig ist. »Eltern sehen ihr Kind mit den Augen des Herzens und nicht aus der klinischen Sicht des medizinischen Betreuungspersonal« (Sr. Jane Marie Lämb).

Das medizinische Betreuungspersonal meint manchmal, daß »man ein totes Kind ein paar Stunden oder Tage danach nicht mehr anschauen könne«. Ein Bestatter hingegen äußerte mir gegenüber gerade, daß er Babys auch am dritten Tage noch zeige, und er meine, daß sich ihr Anblick sogar verbessere. Eltern konzentrierten sich sowieso auf das Wesentliche und würden etwaige Veränderungen nicht so sehr registrieren.

Wenn wir glauben, daß wir oder uns nahestehende Menschen unser Kind noch einmal sehen möchten, sollten wir dies dem Betreuungspersonal sagen. Ein totgeborenes oder nach der Geburt verstorbenes Baby kann in einem kühlen Raum im Untergeschoß des Krankenhauses aufgebahrt werden, wo auch andere Verstorbene liegen.

Wenn uns der Wunsch überfällt, unser Kind zu sehen, nachdem es bereits weggebracht worden ist, sollten wir mit dem Personal sprechen. Falls unser Kind untersucht werden soll, um die Todesursache festzustellen, kann es möglicherweise schon zur Pathologie gebracht worden sein. Es kann, zwar mit etwas Aufwand, gegebenenfalls von dort zurückgeholt werden, oder wir können den Bestatter bitten, es uns noch einmal sehen zu lassen. Es anzuschauen, wenn unser Hormonsystem sich einigermaßen normalisiert hat, kann uns helfen, die Endgültigkeit seines Todes noch besser zu realisieren, was uns in unserem Trauerprozeß weiterbringt.

Oft haben wir Angst, das auszusprechen, was wir uns im Innersten wünschen. Wir scheuen uns, Fragen zu stellen. Wir fürchten, daß unsere schlimmen Fantasien bestätigt werden. Wir mögen Hemmungen haben, im Schock gemachte Äußerungen zu widerrufen. Doch später ist es zu spät! Dies uns klar zu machen, gibt uns im Moment vielleicht die nötige Kraft.

Eine »richtige« Geburt

aus der Broschüre Gute Hoffnung, jähes Ende von Hannah Lothrop

Nur beim Feststellen einer Fehlgeburt im Anfangsstadium der Schwangerschaft wird der Arzt diese durch Ausschaben beenden wollen und können. Wenn unser Baby während der Schwangerschaft nach dem dritten Monat stirbt, steht uns in der Regel eine richtige Geburt bevor.

Etwas Totes im Leib zu haben, ist vielen unheimlich. Das Kind, das noch Stunden oder gar MinutGutehoffbroschen zuvor als Teil eines selbst geliebt wurde, wird nach Bekanntwerden seines Todes als Fremdkörper empfunden.

Besonders, wenn sich herausstellt, daß es schon seit einiger Zeit tot ist, haben Frauen Angst, dadurch vergiftet zu werden. Dem ist nicht so: Wenn ein Kind abstirbt, ist es wie bei einen Infarkt, wo auch ein Teil des körperlichen Gewebes zugrunde geht. Solange die Fruchtblase geschlossen ist und es nicht zu einer aufsteigenden Bakterienbesiedlung kommt, entstehen keine »Gifte«. Eine allmähliche Verwesung tritt erst ein durch Kontakt mit Bakterien.

Und trotzdem ist oft gleichzeitig eine Tendenz da, das Baby nicht hergeben zu wollen. Im Falle, daß eine Geburt bevorsteht, macht diese Gespaltenheit den Geburtsvorgang oft beschwerlich und kann ihn hinausziehen.

Je nach Situation und Zeitpunkt der Schwangerschaft wird entweder die Geburt bald nach Feststellen des Todes eingeleitet oder aber, wenn Frauen nähe am errechneten Entbindungstermin sind, möglicherweise das natürliche Einsetzen der Wehen abgewartet. Für manche Frauen ist die Vorstellung, daß sie ihr totes Kind selbst zur Welt bringen müssen, unerträglich. Obwohl zunächst der Wunsch nach einem Kaiserschnitt sehr häufig ist, sind Frauen meistens im nachhinein froh, daß sie davon verschont blieben.

Die Erfahrung der Geburt kann tief anrühren. Frauen erfahren das Geburtserlebnis oft losgelöst vom Tod. Deshalb ist es wichtig, eine positive Geburtserfahrung anzustreben und in der Geburtsvorbereitung Erlerntes anzuwenden. Manche Frauen, die ihr Kind gesehen haben, berichten, daß sie trotz des Todes des Kindes zunächst ganz euphorisch gewesen seien, so als ab der Körper nur Schritt für Schritt auf die Ereignisse reagieren kann: zuerst auf die Geburt und erst Tage danach auf den Tod.

Die gängige Meinung in der Klinik ist, daß man Frauen, die ein totes Kind zur Welt bringen, prinzipiell das Erleben der Geburtswehen ersparen sollte. Das kommt sicherlich vielen, vielleicht den meisten Gebärenden entgegen, aber nicht allen. Für manche Frauen ist es ungeheuer wichtig, die Geburt bewußt und

unvernebelt mitzuerleben. Für Frauen, die ein totes Kind zur Welt bringen, kann es gut sein, den Geburtsschmerz zu spüren. Wo sie sonst durch den Schock stumm wären, können sie bei der Geburt gleichzeitig ihre emotionalen Schmerzen hinausschreien, und das hilft ihnen.

Noch mehr als bei der Geburt eines lebenden Kindes sollten wir bei der Geburt eines toten Kindes selbst entscheiden können, was für uns jeweils gut und richtig ist. Wir sollten uns langsam vortasten und auch immer wieder im Laufe der Geburtsarbeit unsere Meinung ändern können. Wenn wir mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt werden oder gar, wie mancherorts immer noch üblich, bei der Entbindung eine Durchtrittsnarkose bekommen, verzögert und behindert dies das Einsetzen der Trauerarbeit und den Verlauf des Trauerprozesses.

Trauer nach einer Totgeburt

 Eine empirische Analyse zur Betreuung betroffener Frauen und Paare.

Eine Handreichung für professionelle HelferInnen.
Jessica Wolf

7. Abschiedsrituale beim frühen Tod eines Kindes Die Verarbeitung des Verlusts durch rituelle Handlungen

7.4.1 Den Verlust begreifbar machen

Die Begegnung mit dem toten Kind – davor schrecken zunächst viele Eltern zurück. Sie haben Angst davor, dass das Kind missgebildet ist, oder werden evtl. zum ersten Mal in ihrem Leben mit dem Anblick eines toten Menschen konfrontiert. Die Gelegenheit, das eigene Kind sehen und möglicherweise sogar halten oder baden zu können, erlaubt den Eltern die Situation, im eigentlichen Sinn des Wortes, zu begreifen. Der körperliche Kontakt mit dem Baby hilft, den Verlust zu realisieren. (vgl. Borg/Lasker 1987, 56ff) 8 Zu weiteren Ausführungen bezügl. Abschiedsritualen, die nach einer längeren Trauerzeit vollzogen werden, siehe u.a. Nijs 1999, 35ff.

Zudem kann so die Bindung der Eltern zum Kind vollendet werden, was für einen heilsamen Trauerprozess wichtig ist. (vgl. Lothrop 1998, 80) Viele in der Praxis Tätige berichten davon, dass die Verarbeitung einer Tot- oder Fehlgeburt wesentlich davon abhängt, ob den Eltern die Möglichkeit gegeben war, das Kind kennen zu lernen. „Noch zwanzig und mehr Jahre später hatten viele keinen Frieden damit gefunden und litten noch immer unter der Last von Unverarbeitetem. Wenn die begonnene Bindung abrupt abgebrochen wird, bleibt eine große Unruhe zurück. Unser Baby kennen zu lernen, unsere Beziehung zu ihm zu bejahen, ermöglicht ein gutes, heilsames Abschiednehmen“ (Lothrop 1998, 80). Für ein solches Abschiednehmen brauchen trauernde Eltern konkrete Erinnerungen. Erinnerungen daran, wie das Baby ausgesehen hat, was besonders an ihm war, wem es ähnlich gesehen hat. Somit erhält das Kind seinen sicheren Platz im Leben der Familie und es bleibt nicht das Gefühl zurück, etwas Wichtiges versäumt zu haben.

Häufig haben Eltern zunächst Angst davor, ihr totes Kind zu sehen, oder lehnen es im ersten Augenblick nach der Entbindung sogar ab. Professionelle HelferInnen können hier die betroffenen Eltern unterstützen, indem sie einfühlsam schildern, wie das Kind aussieht und ggf. welche Fehlbildungen es hat. Das nimmt Müttern und Vätern die Scheu vor der ersten Begegnung. (vgl. Lothrop 1998, 84ff) Wenn Kinder mit Fehlbildungen zur Welt kommen, steht oft die Frage im Raum, ob die Eltern den Anblick überhaupt verkraften können. Die Erfahrung aus der Praxis hat jedoch gezeigt, dass die Realität nie so schlimm ist wie die ‚Monsterfantasien’, die die Eltern entwickeln können, wenn sie ihr Kind nicht sehen. (vgl. Internet 1) Eltern sehen ihr Baby mit den Augen einer Mutter bzw. eines Vaters und nicht aus der klinischen Sicht des medizinischen Betreuungspersonals. „Fehlbildungen werden oft nicht wahrgenommen oder stehen zumindest nicht im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern Eltern verweilen bei dem, was an ihrem Kind schön und einzigartig ist, und bewahren das in ihrem Herzen“ (Lothrop 1998, 85).

In diesem Zusammenhang muss angemerkt werden, dass nicht alle Eltern den Wunsch haben, ihr verstorbenes Kind zu sehen. Häufig wird diese Entscheidung im Nachhinein bereut, andere Eltern jedoch bleiben überzeugt davon, den für sie richtigen Weg eingeschlagen zu haben. (vgl. (Borg/Lasker 1987, 56) Wenn die Eltern es ablehnen, ihr Baby anzusehen, sollte jemand anders (z.B. ein Familienmitglied oder ein Freund/eine 74.Freundin) in der Lage sein, es später genau zu beschreiben, um so mögliche Fragen beantworten zu können. (vgl. Lothrop 1998, 82)

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