Fragen zum Thema Bestattung und Grab

Bestattung

Darf ich mein totes Kind nach der Geburt mit nach Hause nehmen und es dort auch aufbahren?

Häufig habe ich schon die Frage gehört, wem gehört das Fehlgeboren Kind. Bei Totgeburten im rechtlichen Sinne wird diese Frage kaum gestellt. Dr. Thade Matthias Spanger stellt in seinem Aufsatz MedR 1999 ausdrücklich klar, dass aus dem absoluten — also gegenüber jedermann geltenden — Familienrecht resultiert auch ein Recht zum Besitz am Leichnam. Als dessen Inhaber können die Eltern einer Fehlgeburt daher die Herausgabe des Leichnams von jedem Dritten verlangen, der ihnen diesen widerrechtlich vorenthält.

Selbst dürft Ihr Euer Baby in der Regel nicht mit nach Hause nehmen, da Verstorbene in Deutschland nur in einem speziellen Leichenwagen transportiert werden dürfen. D.h. jede Leiche Muss, wenn sie von einem Ort zum anderen gebracht werden soll, durch ein Bestattungsunternehmen transportiert werden.

Allerdings gilt dies nur für Leichen und was Leichen sind, ist in den verschiedenen Landesgesetzen unterschiedlich geregelt. In Hamburg beispielsweise sind Leichen im Sinne des Gesetzes auch totgeborene Leibesfrüchte mit einem Geburtsgewicht von mindestens 1000 Gramm. Zur Beförderung im Straßenverkehr sind für Leichen gemäß § 7  solche Wagen zu benutzen, die zur Leichenbeförderung eingerichtet sind und ausschließlich hierfür oder für Bestattungszwecke verwendet werden (Leichenwagen). Dies bedeutet, dass tot- oder fehlgeborene Kinder mit einem Geburtsgewicht von unter 1000g keine Leichen sind und somit auch nicht zwingend in einem Leichenwagen befördert werden müssen. Diese Kinder können von den Eltern mit nach Hause genommen werden. Da dies in jedem Bundesland anders geregelt ist, muss dies aber im Einzelfall geprüft werden.

Grundsätzlich dürfen Tote 36 Stunden nach Feststellung des Todes zu Hause aufgebahrt werden. So sieht § 6 des Hamburgerischen Bestattungsgesetzes vor, dass zwar jede Leiche unverzüglich nach der Feststellung des Todes in eine Leichenhalle zu überführen ist, dies jedoch nicht während der ersten 36 Stunden nach dem Eintritt des Todes gelte. Mehr zum Thema Aufbahrung findet ihr hier.

Darf ich den Sarg selber bauen?

Grundsätzlich darf man auch einen Sarg selber bauen. Aber wie alles ist dies auch in den einzelnen Ländergesetzten geregelt. Sinnvoll ist es daher sich vorher bei dem zuständigen Friedhofsamt zu informieren. Mehr zum Thema Sarg findet ihr hier.

Darf ich mein Kind selber anziehen?

Wenn man es möchte, kann man sein Kind selber waschen und aVogelblauemail2uch anziehen. Unabhängig davon ist es natürlich möglich, eigene Kleider für sein Baby zum Anziehen zu geben. Wenn das Baby noch sehr klein ist, bietet Rita Schäfer auch Totengewänder für Kleinstbabys an.

Wenn Ihr noch mehr Fragen habt, mailt mir gerne, ich versuche sie zu beantworten.

Was sollte man bei der Auswahl des Friedhofes bzw. eines Grabplatzes alles bedenken?

Möchte ich mein Kind in einem „normalen Grab“ oder in einem Kindergräberfeld beerdigen?

Auf einigen Friedhöfen gibt es extra Gräberfelder, wo nur Kinder bestattet werden dürfen. Diese Gräber sind oft kostengünstiger. Außerdem sind dort die Gestaltungsrichtlinien (siehe Unten) oft etwas lockerer. Für manche Eltern ist es auch schön zu wissen, dass ihr Kind nicht alleine liegt, sondern mit anderen zusammen. Allerdings handelt es sich bei diesen Gräbern oft um sogenannte Reihengräbern (siehe unten), d.h. zum einen ist die Zeit begrenzt ( in der Regel 10 Jahre), was bedeutet, es kann nicht verlängert werden und zum anderen darf nur eine Person dort beerdigt werden. Wenn Eltern es wünschen, dass auch sie später dort bestattet werden, so ist dies meistens nicht möglich. In diesem Fall sollte ein sogenannten Wahlgrab ausgesucht werden.

Wie lange beträgt die Nutzungsdauer?

Bei Kindergräbern sowie Reihengräbern beträgt die Nutzungsdauer oft nur 10 Jahre, d.h. nach Ablauf der Ruhezeit fällt es an den Friedhofsträger zurück. Im ersten Augenblick scheinen 10 Jahre eine lange Zeit zu sein, aber lasst Euch nicht täuschen, die vergehen schneller als man denkt und was ist dann… Tobias ist vor 8 Jahren (1997) beerdigt worden: Wenn ich mir vorstellen würde, ich müsste in zwei Jahren das Grab aufgeben, könnte ich heute schon nicht mehr ruhig schlafen.

Wie darf ich das Grab gestalten?

Man kann es kaum glauben, aber die Gestaltungsrichtlinien sind in den jeweiligen Friedhofssatzungen genauestens festgelegt, d.h. wie darf ein Grabmal aussehen (wie groß, aus welchen Materiealien usw.), wie darf die Einfassung aussehen, was darf ich dort pflanzen usw. Wenn ihr genaue Vorstellungen habe, lasst Euch die Friedhofssatzung aushändigen oder fragt verbindlich nach. Wie oben schon erwähnt, ist oft auf Kindergräbern mehr erlaubt, aber auch dies ist nicht selbstverständlich. Zum Teil werden Eltern sogar aufgefordert, Spielzeug vom Grab zu räumen.

Mehr Informationen zu diesen Begriffen (Reihengrab, Wahlgrab, Grabmal, Gestaltungs- und Bepflanzungsrichtlinien) gibt es hier.

Wenn Ihr noch mehr Fragen habt, oder aus eigener Erfahrung Punkte kennt, die man unbedingt beachten sollte, mailt mir gerne, ich versuche sie zu beantworten.

© Pirko

Friedhofskultur

Vor ein paar Wochen habe ich einen Spaziergang über den Waldfriedhof in unserer Gemeinde (Buchholz in der Nordheide) gemacht. Ein wunderschöner ruhiger Ort. Lange blieb ich vor den Kindergräber stehen. So viele liebevoll gestaltete und gepflegte Gräber.

Kindergr_Waldfried_Buch2006Es ist schon verwunderlich: auf der einen Seite geht die Entwicklung immer mehr zu einer anonymen Bestattung. Keine Trauerfeier und kein Grab, das zu pflegen ist. Aber auf der anderen Seite kämpfen Eltern von still geborenen Babys, die das Mindestgewicht von 500 g nicht erreicht haben, um eine Bestattung und ein eigenes Grab, weil sie die anonyme Sammelbestattung, die oft von den Krankenhäusern vorgenommen wird, nicht möchten. Ihnen ist wichtig einen eigenen Platz für ihre Trauer zu haben, einen Ort, den sie auch gestalten dürfen.

Da ich trauernde Eltern, die ein Baby verloren haben, begleite, bin ich schon häufig mit Eltern zum Grab ihrer Kinder gegangen. Es ist immer eine sehr beeindruckende Begegnung. Die Eltern gehen ganz natürlich und selbstverständlich damit um. Sie freuen sich, daß sich jemand für ihr Kind interessiert, ihnen zuhört und sie stolz das Grab zeigen können.

Warum wollen so viele eine anonymen Bestattung? Warum scheuen so viele einen Besuch auf den Friedhof?

Kindergräbr auf dem Waldfriedhof in Buchholz i.d.N.

Vielleicht weil es nicht mehr üblich ist, mit der Familie auf den Friedhof zu gehen, um das Grab der Großeltern zu pflegen, Blumen dorthin zu bringen und eine Kerze anzuzünden? Diese Traditionen scheinen offenbar verloren gegangen zu sein und somit das Wissen, wie wichtig solche Orte der Erinnerung sein können.

Ich erinnere mich gerne daran, wie mein Vater mit uns zum Friedhof gefahren ist, um dort das Grab seiner Eltern und seines Bruders zu pflegen. Er erzählte uns dabei immer viele interessante Geschichten von ihnen. So erfuhren wir viel über unsere Großeltern und unseren Onkel, die wir nie kennen gelernt hatten. So lebten sie ein Stück weiter. Genau zu diesem Grab, wo inzwischen mein Vater und unser erster Sohn beerdigt ist, fahren auch wir regelmäßig mit unseren Jungs. Sie fahren gerne dorthin und wissen genau wo das Grab ist. Er wird erst einmal Unkraut gejätet, dann eine Blume gepflanzt und fast immer auch etwas gebasteltes dort aufgestellt. Auch ich erzähle ihnen inzwischen Geschichten, die ich selbst von meinem Vater gehört habe, Geschichten von ihrem Großvater und sie fragen auch ganz viel über ihren Bruder Tobias.

Vielleicht werden sie eines Tages diese Tradition mit ihren Kindern fortsetzen und ihnen auch die Geschichten ihrer Urgroßeltern erzählen.

© Pirko Lehmitz, www.Stillgeboren.de November 2006
veröffentlich im Paulusbrief 10/11/2006 der St. Paulusgemeinde Buchholz

Mit Menschen der Bibel Lebenskrisen überwinden zum Beispiel: HIOB

Wolfgang Hohensee

Was sind Krisen?

Es gibt kein Leben ohne Krisen. Krisen markieren oft einen Übergang in einen neuen Lebensabschnitt. Sie sind Zäsur, Grenze und bieten trotz allem die Möglichkeit des Wachstums. Krisen Hiobbewirken Bewegung im Leben eines Menschen. Innere Wandlung und Veränderung sind oftmals Resultat einer überwundenen Krise.

Krisen machen uns Menschen oft fassungslos. Verbunden ist dieses Gefühl meist mit Angst, Schmerz oder Unsicherheit. Wohin wird mich die Krise führen? Es gibt Krisen, die uns Menschen völlig überraschend treffen, wie etwa der plötzliche Tod eines Menschen, aber daneben gibt es viele Krisen, die lange »vorbereitet« wurden, auch wenn uns das mehr oder weniger nicht bewusst war. Ich glaube, dass wir den Kurs auf viele Krisen selbst festlegen, denn ob unser Leben gelingt oder nicht, ist wesentlich davon abhängig, welche Entscheidungen wir für unser Leben treffen.

Krisen sind oft endgültige Wendepunkte, die auf eine Veränderung unseres Lebens weisen. In der Krise wird mir der Schutzmantel genommen, der sich wie eine unsichtbare, oft störende Hülle über mein Leben gelegt hat. Ich kann nun nicht mehr weglaufen, sondern muss schmerzhaft erkennen, dass ich aus meiner bisherigen so sicher wirkenden Bahn geraten bin. Es ist, als ob wir uns in einem Tunnel befinden, in dem wir noch kein Licht erkennen können. Wir sehen keinen Ausweg, fühlen uns gefangen, spüren Schmerzen und möchten fliehen, verdrängen, vergessen oder gar sterben. In der Krise werde ich aber auch tieferen Schichten meines Lebens ausgesetzt und es bietet sich mir die Möglichkeit, mich selbst mit den tieferen Wahrheiten meines Lebens zu konfrontieren, mit ihnen in Kontakt zu treten. Mein Verdrängungsmechanismus und die große Macht der Gewohnheit funktionieren nicht mehr. Ich bin nun eher in der Lage mich und meine jeweilige Situation wirklich realistisch zu betrachten und zu überdenken. Wohin uns das letztlich führt, wissen wir mitten in einer konkreten Krise natürlich noch nicht – aber wir selbst haben großen Einfluss darauf, ob sie sich auf uns und unser Leben am Ende positiv oder negativ auswirkt.

Das Wort »Krise« ist aus dem Griechischen mit der Bedeutung »Scheidung, Entscheidung, trennen« entlehnt. Es war zunächst ein Fachwort der Medizin, das den entscheidenden Punkt einer Krankheit bezeichnete. Seit der Antike ist das Wort Krise die medizinische Bezeichnung für den Zeitpunkt einer Krankheit, in dem sich sowohl eine Wendung zum Guten als auch zum Fatalen vollziehen kann. Dies bedeutet, dass der Ausgang von Krisen offen, eine Wandlung zu beiden Seiten also durchaus möglich ist. Kritische Situationen, Gefahren, Nöte, Leid, Elend oder Entbehrungen jeglicher Art können Wendepunkte in unserem Leben darstellen, die wir als Wegweiser begrüßen anstatt als Übel bekämpfen sollten. In China z. B. steht dasselbe Schriftzeichen für die beiden deutschen Wörter »Gefahr« und »Chance«. Krise meint hier also beides: die Möglichkeit einer Gefahr, aber auch die Chance einer positiven Wendung.

Krisen lassen uns wachsen oder machen uns zu schaffen. Sie können gelingen oder misslingen, aber auf jeden Fall kündigen sie oft eine wesentliche Veränderung im Leben an. Krisen können einen inneren Konflikt entlarven. Sie kennzeichnen einen Widerstreit von Interessen, die nun ans Licht kommen. In meinem Wörterbuch zum Neuen Testament lese ich nach, dass das Wort »krises« in den Bereich der Gerichtsbarkeit fällt. Innerhalb einer Gerichtsverhandlung wird jemandem das Richteramt übertragen. Die katholische Theologie hat immer schon das so genannte Fegefeuer betont. Ich kann mir einen bildhaften Ort dafür nicht vorstellen, aber ich kenne das Gefühl der eigenen »Höllenqual«, indem ich merke, was ich hatte tun sollen, aber nicht habe tun können. Es ist wichtig zu erkennen, dass wir nicht jeder Krise hilflos ausgeliefert sind, sondern wir können auf erprobte Bewältigungsstrategien zurückgreifen. Dennoch ist jede Krise eine persönliche  Angelegenheit, die deshalb auch nur ganz persönlich erlebt und durchlebt werden kann. Wir können auch kein Raster anfertigen, nach dem wir objektiv beurteilen, was eine Krise ist und was nicht. Jeder Mensch geht unterschiedlich mit Problemen und Schwierigkeiten um, jeder empfindet sie anders intensiv, d. h. die Krise des einen muss für den anderen noch längst keine »richtige« Krise sein; dies wird u. a. auch bei den von mir ausgewählten Personen deutlich.

Eines ist aber allen gemein: In der Regel sind es genau diese Tiefpunkte unseres Lebens, die uns helfen, in unserer Persönlichkeit zu reifen. Sie sind Teil unseres Daseins. Sie sind Einschnitte, Unterbrechungen im Leben, die mir die Möglichkeit schenken, mein Leben reflexiv zu betrachten, um so in neuer Weise und eigener Selbstbestimmung meine Lebensreise fortzusetzen.

Ich glaube nicht, daß Gott uns aktiv in Krisen schickt, damit wir wachsen, sondern wir wachsen, indem wir auch in Krisen an der Überzeugung festhalten, daß Gott gütig und gut ist. Das lese ich aus den alten Geschichten der Bibel heraus. Dennoch will ich keine Ratschläge geben und mit einem vorgefertigten Gotteskonzeot ans Werk gehen, sondern meine eigenen Fragen an Gott und meine Bedürfnisse, wie sie sich mir selbst in Kriesen eröffneten, erst nehmen. …

Auf der persönlichen Ebene kann uns die Geschichte Elias aufzeigen, daß Gott uns Menschen auch in der Krise der absoluten Ausweglosigkeit nicht alleine läßt, sondern wir darauf vertrauen dürfen, daß sich neue Wege eröffnen, wenn wir es wagen, den Blick nicht auf ein fernes Ziel zu richten, sondern den Engel neben uns erkennen, der uns stärkt und aufrichtet. …

Die Geschichte von der Heilung der Tochter des Jairus zeigt, daß auch wir uns in der Krise darauf verlassen können, daß wir, wenn wir auf Gott vertrauen, wie durch eine unsichtbare Hand geführt werden. Er kann uns die Zuversicht un Hoffnung für unser Leben schenken, die wir alleine oder mit Hilfe anderer nicht finden können. …

Viele Menschen glauben, daß Gott selbst ihnen die Arbeit abnehmen würde, und so beten sie, daß Gott doch in ihr Leben eingreifen möge. Ich habe für mein Leben längst begriffen, daß Gebete Gott nicht in der Weise beeinflussen können, daß er die Welt verändert, daß sich unser persönliches Glücksgefühl und unsere Zufriedenheit mit uns selbst und unserem Leben nicht durch Gottes Eingreifen unmittelbar steigern lassen. Gebete haben keine magische Funktion, sie lassen keine Wunder geschehen und ich verfüge nicht über die Nacht über Eigenschaften, Fähigkeiten oder Dinge, die ich mir im Gebet gewünscht habe, sondern sie helfen, daß ich mich selbst verändern und mich mit mir selbst einverstanden fühlen kann. Die tiefste Form des Gebets finden wir in den Jesusgebet „Dein Wille geschehe“. Es geht Jesus darum, daß Gott der Gott im Leben und in der Seele der Menschen wird, der er ist. Ein Schöpfungsgott, der uns in das Universum der Ewigkeit entlassen hat, damit wir zu ihm zurückkehren. Viele unser kindlich religiösen Fragen können Gott nicht erklären, sondern sie dienen dazu, daß wir einen Sinn im Leben finden, der mit Selbstvertrauen und Selbstfindung in Einklang steht. Diese Fragen mutet Gott uns zu, damit wir Herz, Hand und Verstand unser Leben mit Vertrauen und Dankbarketi leben. …

Wer Krisen einzig und allein als Gefahr, als persönliches Tief erlebt und im Mitleid badet, darf die Krise brav durchleiden! Er wird zu Pillen, Therapien und Büchern greifen. Spannungen, Enttäuschungen, Ablehnung und Hass, die durch jede Krise hervorgerufen werden, werden dann besonders intensiv erfahren. Wer Krisen aber als Chance, Herausforderung und Entscheidungeshilfe verstehen kann, der steht einer Veränderung positiv gegenüber. Er wird schmerzlich aber doch das Alte loslassen können, seine persönlich Einstellung verändern und sich dem Neuen öffnen.

Ein sehr wichtiges Bild: Aufnahmen totgeborenen Babys und verstorbener Kleinkinder

aus einer Broschüre der Initiative Regenbogen “Glücklose Schwangerschaft” e.V.

Wir sind traditionell ein Volk von Fotografen. Viele Museen sind mit reizenden alten Fotos aus unserer Vergangenheit gefüllt. Überall gibt es Familienalben und der Fotoapparat ist seit Generationen schon ein traditionelles Geschenk. Während des Viktorianischen Zeitalters/ als die Fotografie bekannt wurde, kommt es häufig vor, das Bilder von verstorbenen Familienmitgliedern aufgenommen wurden. Diese Bilder wurden häufig an andere Familienmitglieder geschickt/ die zu weit weg waren, um bei der Beerdigung anwesend zu sein. Unsere Vorfahren schienen zu erkennen/ daß der Tod ein so wichtiges Ereignis war/ daß man es dokumentieren sollte. Die visuelle Aufzeichnung schien eine logische Folge.

Während der letzten fünf Jahre haben wir erkannt, daß beim Tod eines Babys die Familie ein Bild ihres Babys wertschätzt. Oft ist das Bild das einzige Andenken an ihre Erfahrung . . . die einzige greifbare Erinnerung. Das Fehlen solch eines Bildes wird im folgenden Absatz von Terry Morgan anschaulich dargestellt/ einem jünger Pastor aus Ohio/ dessen Mädchen als Baby an Anenzephalie starb.

“ Oh, Emily, ich entschuldige mich für aas, was ich als nächstes getan habe. Ich entschuldige mich, daß ich dem Arzt gesagt habe, daß ich es nicht wollte, daß Barbara Dich sieht und sie es deshalb auch nicht tat. Ich entschuldige mich, daß ich nach der Geburt die Einladung, in den Säuglingssaal zu kommen und Dich zu sehen, abgelehnt habe. Ich entschuldige mich, daß ich mich in einer fehlerhaften Welt, deren Fehler wir alle teilen, weigerte, die Deine anzuschauen. Ich entschuldige mich, daß ich Dich nicht in die Arme genommen habe, so als ob Du uns wirklich gehörtest und Du nicht irgendein abgeworfener Teil von uns warst. Ich entschuldige mich, daß wir , um uns an Dich zu erinnern, keine Bilder von Dir aufnahmen, wie Eltern von Neugeborenen es tun. Und ich entschuldige mich, daß ich nicht bei Dir war, als Du von dieser Welt in die nächste glittest, wo alle Entschuldigungen akzeptiert werden und keine nötig sind. Ann meisten entschuldige ich mich, daß ich Dir den Namen, der Dir gehörte, nicht gegeben habe, sondern ihnen sagte, Dich nur als ‚Mädchen Baby‘ in die Geburts- und Sterbeurkunde einzutragen. Wir haben Dir seitdem Deinen Namen zurückgegeben … haben Dich Wirklichkeit werden lassen … und Dich unser genannt… und um Deinen Tod getrauert … und sogar Dem Leben gefeiert, liebe Emily. Aber wir waren auf einem Weg ohne Karte und konnten die Richtung nicht finden und wußten nicht, was wir tun sollten.”

Postings Schmetterlingskinderforum

Die nachfolgenden Beiträge wurden im Forum der SchmetterlingskinderSchmetterlingskinder gepostet. Ich fand sie so interesant, daß ich sie hier wiedergeben möchte.

SaraK 02-06-2003, 14:17 Uhr 

Hallo ihr Lieben Frauen,
Ich habe eine Frage, die mich schon seit langem
und immer wieder beschäftigt.

Was habt ihr nach der Geburt eures Sternchens gefühlt?

Als ich Lukas geboren habe, wollten sie mir eigentlich
eine PDA geben. Ich wollte aber nicht und so habe ich ihn
so bekommen.Ich fand die Geburt, obwohl Lukas ja noch ganz klein war
sehr, sehr schmerzhaft.
Nachdem er dann da war war mein Gefühl gar nicht so wie
ich erwartet habe

Ich war froh, erleichtert und stolz, es geschafft zu haben.
Ich habe geweint
aber nicht aus Trauer.
Ich fand meinen Jungen so süß und ich war so froh,
dass er ein so niedliches, winziges Kind war und nicht
eine „späte Fehlgeburt und noch lange kein Kind“.
Der Tod meines Jungen wurde mir erst später so richtig bewusst.

Inzwischen kommt mir dieses Gefühl nach der Geburt
manchmal richtig befremdlich vor.

Wie ging es euch direkt nach der Geburt?

Grübelgrüsse von

Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

Eva Maria Langenbach 02-06-2003, 14:49 Uhr

Liebe Sara,
ich habe meinen Bernhard auch ohne Betäubung oder Schmerz-
mittel bekommen.
D.h. das stimmt nicht ganz. Ich habe nachdem das Prostaglandin
Gel begann seine Wirkung zu tun, und ich zum einen einen ganz
starken Allgemeinschmerz (andauernd, nicht wehenartig mit
Pausen ohne Schmerz) vor allem in der Region meines alten
KS, plus starken Wehen in immer kürzeren Abständen ein Schmerz-
mittel gespritzt bekommen. Ich weiss leider nicht was es war.
Aber danach würde mir so schwindlig und übel, das ich nachdem
die Wirkung vorüber war, lieber die Schmerzen und Wehen ertragen
habe, als mich so elend fühlen zu müssen.
Fast übergangslos kam dann plötzlich Wehe an Wehe, ich konnte
kaum noch atmen. Ich glaube ich habe nur geschrien. Plötzlich
war das Kind dann da, der Schmerz weg. Ich bekam meinen Sohn
auf die Brust gelegt. Erst hab ich mal garnichts gefühlt.
Weinen konnte ich auch nicht. Mein Mann hat fürchterlich ge-
weint. Er hatte sich so auf einen Sohn gefreut, wohingegen ich
davon überzeugt war, dass es ein Mädchen würde.
Mein Mann tat mir unsagbar leid. Ich hätte nie damit gerechnet,
dass ihn das so trifft. Ich fühlte mich furchtbar schlecht ihm
gegenüber und hatte das Gefühl im Unrecht getan zu haben, indem
ich gedacht hatte ihm würde nicht so viel wie mir an diesem
Baby liegen.
Dann haben wir überlegt wie er heissen soll. Über einen Jungen-
namen hatten wir uns bisher – trotz 35. SSW – wie wenigsten
Gedanken gemacht. Weil mein Mann so unglücklich war und ich
wusste dass er so gerne einen Bernhard gehabt hätte, machte
ich ihm den Vorschlag ihn Bernhard zu nennen.
Die Hebamme hat dann den Kleinen mit den Sachen die ich mit-
gebracht hatte angezogen. Ich bin duschen gegangen und 2 h
später, es war 6.00 h morgens, sind wir nach Hause gefahren.
Dort war die Situation auch noch recht o.K. für mich, so ver-
rückt das auch klingen mag. Unsere Kinder haben den Kleinen
dann gesehen und gehalten. Meine engsten Freundinnen waren auch
da und haben Bernhard gesehen. Erst nachmittags, als der Be-
statter kam und ihn abholte, da brach meine Welt zusammen,
erst da wurde mir richtig klar, was eigentlich geschehen war.
An diesem Tag und auch am nächsten, an dem die Beerdigung war,
verspürte ich keinerlei Schmerzen oder Nachwehen, das ging erst
am 2. Tag nach der Entbindung los. Und mir gings immer schlechter.
Normal finde ich meine Gefühle und mein Verhalten nach der
Geburt auch nicht! Vorher hatte ich unheimliche Angst ich
würde wenn das Baby da ist verrückt werden, zusammenbrechen
oder ich weiss nicht was. Und dann passierte eigentlich gar
nichts. Die Schmerzen waren weg, und ich hatte eigentlich
keine Gefühle. Es tat mir wohl leid das mein Kind nicht lebte.
Irgendwo hatte ich wohl doch noch gehofft das die Ärzte sich
geirrt haben und mein Kind doch lebt. Aber was ich vorher er-
wartet hatte trat nicht ein!
Heute 3,5 Monate später habe ich oft das Gefühl ich halt’s
nicht mehr aus. Vor allem wenn ich Mütter mit Babys sehe.
Aber man hält viel aus. Das wird mir auch jeden Tag bewusster.
Ob ich aber jemals zu dem Punkt komme das das Geschehene eine
schöne Erinnerung ist, und ich mich über die Zeit freue, die
mein Bernhard bei mir war – das kann ich mir noch nicht vor-
stellen!

Du siehst Du zweifelst nicht alleine!

Liebe Grüsse
Deine
Eva-Maria mit Julia, Christian, Kathrin,
Marie, Anna Lena und Alexander an der
Hand und Sternchen Bernhard ganz tief
im Herzen

SaraK 02-06-2003, 20:09 Uhr 

Liebe Eva-Maria,

Ich danke auch Dir für Deine Eindrücke nach der Geburt.

Es ist wirklich so, dass man zunächst wie betäubt ist
und alles automatisch abzulaufen scheint.
Mein Mann hat ähnlich reagiert wie Deiner.
Vorher hat er mich immer getröstet und gesagt: „Ein
Kind in dieser SSW ist noch kein richtiges Kind“.
Als er ihn dann gesehen hat, hat er sofort gesehen, dass
sein Kind, sein Sohn Lukas gestorben ist.
Das war so schwer für ihn – und trotzdem ist er in der
Zeit danach so völlig anders mit seiner Trauer umgegangen als ich.

Danke nochmal,

Viele Grüsse von

Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

MonikaSarah  02-06-2003, 15:43 Uhr

Liebe Sara!

Mit diesem Posting sprichst du mir einmal total aus dem Herzen.

Ich mache mir auch oft Gedanken, warum ich so „komisch“ reagiert habe. Man überredete mich, Valium zu nehmen gegen die Schmerzen, aber ich ließ es mir niedrig dosieren, um doch auch etwas zu spüren. Nach 5 Stunden war Sarah da und ich war wie du erleichtert, überglücklich, dass es ein Mädchen ist, stolz, die Geburt geschafft zu haben. Dass ich mein Kind an diesem Tage eigentlich verloren habe, habe ich irgendwie nicht wahrgenommen.

Die Hebamme sagte noch: Sie haben eine sehr hübsche Tochter – da sieht man schon ein paar schwarze Haare …. Dieser Satz klang wie Musik in meinen Ohren und ich war einfach nur stolz.

Einige Tage später ist mir am Krankenhausflur die Hebamme über den Weg gelaufen und ich habe ihr ganz verzweifelt versichern wollen, dass es mir um mein Kind so leid tut, sie müsse ja an meinem Verhalten den Eindruck gehabt haben, dass mir die Fehlgeburt nichts ausmache – weil ich so gar nicht verzweifelt oder weinerlich wirkte. Ich wollte mich regelrecht für diese Gefühle nach der Geburt „entschuldigen“ ….. die Hebamme versicherte mir natürlich, dass sie sehr wohl wisse, wie es im Herzen dieser Mütter aussieht und das die Tränen und der große Schmerz erst später kommen. So war es denn auch …

Ich bin eigentlich froh von dir zu hören, dass du auch in einer ähnlich Stimmung warst, ich denke, das sind die Geburtshormone, die einen noch gar nicht an den Tod erinnern wollen.

Liebe Grüße

Monika mit *Sarah

Hier noch einige Eindrücke:

– Ich fand die Geburt nicht so „schlimm“ wie andere oft annehmen. Der Gedanke, dass ich diesem Kind ja niemals in die Augen schauen kann, der war gar nicht so present. Ich war froh, es geschafft zu haben und dann war ich auch erschöpft. Ich lag einfach so da und war irgendwie glücklich, dass es ein Mädchen war (war mein heimlicher Wunsch gewesen).

Dann ließ uns die Hebamme alleine und ich hörte vom Raum nebenan eine Gebärende im Endstadion. Komischerweise wollte ich diesem „Mithören“ garnicht ausweichen, ich bedauerte sie insgeheim, weil sie schon seit vielen Stunden dahing und ziemlich heftig stöhnte und weil es mir dagegen ja viel besser ergegangen war (natürlich dank der Schmerzmittel, die bekommen hatte) und weil ich es eben schon hinter mir hatte. Nur als ich dieses Baby dann schreien hörte, konnte ich ganz kurz weinen, weil mir da der Verlust bewußt wurde. Aber dann fasste ich mich wieder.

Später zeigte uns die Hebamme unser Mädchen noch einmal. Ich war erstaunt, wie perfekt sie schon war, vor allem die langen Finger mit den Fingernägeln sind mir so gut in Erinnerung. Ich war stolz und erleichtert, es geschafft zu haben.

Diese Geburtshormone – sie wirkten noch ziemlich lange, erst nach zwei Tagen fiel ich in richtige Tiefs. Vorerst war ich richtig „überdreht“ , ja sogar humorvoll irgendwie – zumindest als ich am nächsten Morgen zur anschließenden Ausschabung (weil man mir noch die Spirale entfernen musste) gebracht wurde, da erinnere ich mich, dass ich mit dem Personal im Aufwachraum sogar witzige Bemerkungen gemacht habe. Ich habe mich dafür im nachhinein direkt geschämt, hatte immer das Gefühl, die Schwestern im KH müssten den Eindruck haben, dass mir die FG nicht viel ausmacht. Aber meine Reaktion, denke ich, hängt mit meiner Persönlichkeit zusammen. Ich versuche bei derartigen „Katastrophen“ immer, möglichst lange das Gesicht zu wahren, stark zu bleiben und verdränge vorerst das Negative. Erst Schritt für Schritt stelle ich mich dann dem ganzen und lasse mich auf Gefühlsausbrüche wie Weinen und Klagen ein. Und das auch nur im stillen Kämmerlein. So unter Menschen kommt mir nur selten mal eine Träne.

SaraK 02-06-2003, 20:13 Uhr 

Hallo Monika,
Ich lese grade in Deinem Profil,
dass wir eine ganz ähnliche Geschichte haben.
Es ist er so kurze Zeit vergangen, seit Dich Deine
Tochter verlassen hat.

Es tut mir sehr leid, dass sie nicht bei Dir sein darf!
Vor der Geburt von Lukas habe ich nicht geahnt, wie perfekt
ein so kleines Baby schon ist.
Es fehlte nichts an ihm – er hätte nur noch wachsen müssen.
Valium habe ich glaube ich auch bekommen (irgendeine Pille jedenfalls).

Ich weiß noch, wie die Krankenschwester sagte:“ Das schadet jetzt auch nicht mehr“ (Weil ich mich vorher geweigert hatte, die Tablette zu nehmen)

Sei lieb Gegrüsst,

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

Diana30  02-06-2003, 20:27 Uhr

Liebe Sara!

Bei mir war es so:Bei mir wude die Geburt aus med. Gründen eingeleitet.Als ich das Gel bekam habe ich als erstes gedacht,ich weiß ja was jetzt auf mich zukommt.

Und auf einen Schlag waren sie da,fürchterliche Schmerzen:Kein Wehenschmerz,aber ein Schmerz der kaum auszuhalten war.Ich bekam zwar Schmerzmittel gespritzt,aber es hat nichts angeschlagen.Mir hat man dann manuell der Muttermund erweitert und dann ging alles ganz schnell.Auf einen schlag waren sie da die Preßwehen.

Ich hatte das Gefühl endlich kann ich etwas tun,aber zugleich die große Angst davor:Was mache ich wenn ich sie Schreien höre?????

Sie kann dann tot auf die Welt und ich hatte lange das Gefühl ich habe sie umgebracht.Für mich war während der Geburt immer der Gedanke da, ich mühe mich hier ab und habe keinen Erfolg im Arm.

Liebe Grüße

Diana mit Silvio an der Hand und Kim-Nova im Herzen (mehr zur Geburt hier)

SaraK  03-06-2003, 11:10 Uhr 

Liebe Diana,
ja, dieses Gefühl hatte ich auch – wofür die ganzen Schmerzen, wenn ich meinem Baby damit den Tod bringe.

Es ist so schwierig und im Nachhinein doch so wichtig und richtig, dass wir unsere Kinder gebären und und von ihnen verabschieden.

Stille Grüsse von

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

CLAUDIA_JANETSMAMA 02-06-2003, 23:04 Uhr

Hallo liebe Sara ,

bei mir war es leider ganz anders
Janet´s Geburt war ja bis zum Zeitpunkt der Austreibungsphase ganz normal .Ich war zur Einleitung weil Janet über Et war und wir rechneten ja mit einem lebenden Kind .
Als dann Janet geboren war , und sie im Nebenzimmer lag war nur noch nackte Angst da . 20 min später fühlte ich mich nicht mehr als Mutter . Das war so schlimm so brutal von jetzt auf gleich .
Mein Kind war tot und ich keine Mutter mehr ……..
Dieses Gefühl das alles, alles weg war was innerhalb von 9 Monaten an Gefühlen in mir gewachsen war , war einfach nur grausam .
Leere abgrundtiefe Leere ……..
Nein , ich fühlte mich nicht als Mutter , es ist schwer zu beschreiben …..so haltlos….
Unwirklich ….ich war einfach nicht mehr …..
Stolz ???????? Kein bisschen …Muttergefühle …..nein  Es macht mich heute noch traurig und fassungslos das Da gar nichts war …… Das schlimme war , ich wusste wie man sich fühlt wenn man Mama wird ..dieser Stolz ……Ich habe ein Kind geboren ..diese Glückshormone ….man legt sich zurück und für Augenblicke ist da nur das vollkommene Glück ….. So Leer habe ich mich noch nie zuvor gefühlt …..
Ich habe solange diesem nicht vorhandenem Gefühl nach getrauert , war wütend und enttäuscht . Es hat solange gedauert bis ich Stolz war , stolz dieses wunderbare Kind geboren zu haben ….ich musste erst Trauerarbeit leisten bis ich an den Punkt kam wo ich sagen konnte ja Janet ist mein Kind , ja ich bin Mutter ……
Die Zeit fehlt mir auch heute noch …wie gerne hätte ich sie einfach nur angenommen ..wie gerne wäre ich stolz auf mich gewesen ……
Die Zeit nach der Geburt …..wird für mich noch lange der „ Knackpunkt“ das „unverarbeitete „ in meiner Trauer bleiben ……….
Aber ich bin froh das Du die Frage gestellt hast …so konnte ich wieder ein Stück zurückgehen .nachfühlen und vielleicht wieder ein kleines Stück aufarbeiten ….
Heute bin ich Stolz , Stolz auf mich und meine Zaubermaus
Ich wünsche Dir eine gute Nacht


Liebe grüße
Von Claudia

SaraK 03-06-2003, 11:04 Uhr 

Liebe Claudia,

Deine Gefühle erscheinen mir ganz verständlich.
Deine Janet wurde am Tag der Geburt mit so viel Freude erwartet. Alles kam so plötzlich und unvermittelt.

Mir fehlen die Worte!

Es ist klar, dass diese plötzlöiche Wendung stärkere Gefühle oder Fassungslosigkeit hervorgerufen hat, als das Glücksgefühl die Geburt Deines Kindes gechafft zu haben.
Zu begreifen, dass Deine Janet nicht bei Dir sein darf ist unglaublich…unmöglich.

Ich wusste ja, dass mein Lukas es nicht schaffen wird – und das Gefühl doch Mutter zu sein, doch ein Kind zu haben, ein niedliches, hübsches Kind und eben keine „Fehlgeburt“ war für mich ganz besonders.

Ich grüsse Dich ganz still – Danke!

Deine

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

sandy29 03-06-2003, 00:17 Uhr 

Liebe Sara,

gleich nach der Geburt herrschte in mir das totale Gefühlschaos. Ich war einerseits erleichtert, dass ich meinen Jungen, nach drei unendlich langen, schrecklichen Tagen, auf die Welt gebracht hatte, andererseits aber war ich wie betäubt. Ich wusste, dass ich gleich noch in den OP zur AS musste, lag einfach nur da und konnte an nichts mehr denken.

Sowohl mein Mann als auch ich wurden vom Arzt vor der Geburt darüber aufgeklärt, dass Calvin das Priming, das mittlerweile ja drei Tage gedauert hatte, nicht überleben würde. So hatten wir uns ganz langsam von ihm, noch in meinem Bauch, verabschiedet. Aber es kam ganz anders. Nach der Geburt kam die Schwester ins Zimmer und fragte, ob wir unseren Jungen noch sehen wollten, er würde noch leben.

Und das war dann einfach zuviel für mich. Ich heulte und schrie nur noch, ich war völlig neben der Spur. Ich hatte damit nicht gerechnet und stand so unter Schock, dass unser Schatz das alles noch erleben musste und die Gedanken, dass unser Kleiner einen solchen Lebenswillen hatte und was wir ihm angetan hatten, brachte mich fast um den Verstand.

Und dann passierte, was ich mir bis heute nicht verzeihen kann. Ich konnte Calvin nicht zu uns nehmen. Auch mein Mann konnte es nicht, wir waren einfach völlig überfordert in dieser Nacht. In uns herrschte eine Panik, dass unser Schatz in unseren Armen sterben würde, die kaum auszuhalten war. Und so trafen wir diese immer noch völlig unbegreifliche Entscheidung.

Was gäbe ich heute darum, diesen Moment noch einmal ändern zu können. Aber es geht nicht. Diese Gedanken quälen mich seither ständig. Was sind wir für Eltern, die wir unser Baby bei der Schwester ließen, bis es für immer einschlief? Erst am frühen Morgen, nachdem ich nach der Narkose wieder bei mir war, haben wir Calvin zu uns geholt und uns von ihm verabschiedet.

Nun sitz ich wieder hier und heule ohne Ende, weil ich einfach keinen Weg finde, mit dieser Entscheidung klar zu kommen. Auch wenn ich heute Stolz empfinde und auch froh bin, dass es unseren kleinen Mann gab, überschattet das Gefühl, unseren Calvin so schmählich allein gelassen zu haben, doch alles. Und zwar mit einer solchen Intensität, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es sich jemals legt.

Traurige Grüße

Sandra mit Calvin im Herzen und Klein-Fraggle im Bauch (20+0)

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Es ist viel dunkler, wenn ein Stern erlischt,
als es sein würde, wenn er nie gestrahlt hätte.

SaraK 03-06-2003, 10:53 Uhr

Liebe Sandra,

Las Dich mal drücken, wenn Du magst.

Es ist so verständlich, dass man in eurer Situation nicht
vorausschauend entscheiden kann.
Es kommt so viel zusammen. Die Trauer, die sowieso da ist,
dann das Wissen, dass euer Junge nicht lebt – und plötzlich
die Nachricht, dass er doch noch lebt.

Wie soll man es als Eltern schaffen, so schnell umzuschalten und zu erkennen, was richtig ist.
Ihr habt in eurer Situation gehandelt, wie ihr euch in dem Moment gefühlt habt und deshalb war es richtig und euer Junge weiß ganz sicher, dass ihr Beide ihn grenzenlos lieb habt!
Vielleicht hätte man von dem Personal im Krankenhaus erwarten können, dass sie euch mehr zur Seite stehen und dass jemand bei euch ist, der euch begleitet und euch hilft das durchzustehen und den für euch richtigen Weg zu finden.

Im Nachhinein gibt es so viel, was wir ändern wollen wenn wir es könnten aber wir können die Zeit nicht zurückdrehen, so sehr wir es uns auch wünschen.

Ich sende Dir ganz liebe, stille Grüsse,

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

sandy29 03-06-2003, 11:35 Uhr

Liebe Sara,

danke für Deine lieben Worte. Mein Mann sieht es in etwa genau wie Du, nämlich dass wir diese Entscheidung in der Nacht aus dem Bauch heraus getroffen haben und es vielleicht auch gut so war, für uns. Er versucht mich immer damit zu beruhigen, dass unser Calvin nicht allein gewesen war, sondern bei der Nachtschwester, die sich um ihn gekümmert hat. Ein Trost ist es mir dennoch nicht.

Von dem Klinik-Personal hätte ich mir eigentlich keine bessere Betreuung wünschen können. Wir waren in den drei Tagen nie allein, immer sah jemand nach uns, redete mit uns, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, ob Ärzte oder Schwestern. Und eine Schwester saß lange bei uns und weinte mit uns. Von ihr bekamen wir das Buch von Hannah Lothrop.

Auch in der Nacht, als die Geburt anfing, sind wir keine Minute allein gelassen worden. Als gegen halb zehn die Wehen losgingen, kam die Nachtschwester und blieb ohne Unterbrechung bei uns und unterstützte uns so gut es ging, bis Calvin um 3.40 Uhr auf die Welt kam. Erst als wir nach der Geburt allein sein wollten, hat sie das Zimmer verlassen. Ich bin ihr noch heute für alles, was sie in dieser Nacht für uns getan hat, unendlich dankbar.

Als wir ihr sagten, dass wir Calvin nicht zu uns nehmen könnten, hat sie uns nicht bedrängt, sondern brachte uns sehr viel Verständnis entgegen. Ob das gut oder richtig von ihr war, mag ich heute nicht beurteilen. Vielleicht hätte sie ihn uns einfach bringen sollen, keine Ahnung. Dann würden mich heute nicht solche Vorwürfe plagen.

Aber so bleibt mir nur zu hoffen, dass ich irgendwann einmal besser mit der damaligen Entscheidung werde leben können.

Immer noch etwas traurige Grüße und auch eine liebe Umarmung an Dich

Sandra mit Calvin im Herzen und Klein-Fraggle im Bauch (20+0)

SaraK 04-06-2003, 10:39 Uhr 

Liebe Sandra,

Schön, dass ihr eigentlich doch so gut betreut wurdet! Es ist unheimlich wichtig, dass man nicht allein gelassen wird.

Du hast Recht – vielleicht hätte euch die Hebamme euren Sohn einfach bringen sollen – oder euch nochmal eindringlicher sagen, dass es zwar im Moment unüberwindbar schwierig zu sein scheint aber im Nachhinein doch wichtig ist.

Du hast damals nichts von Deinen heutigen Gefühlen gewusst. In dem Moment konntest Du nicht auch wenn Du heute sehr traurig darüber bist.

Ich kann das so gut verstehen!

Stille Grüsse von

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

Claudi67 03-06-2003, 11:03 Uhr 

Liebe Sara,

direkt nach der Geburt – hm, das sah bei mir so aus:

Wir hatten nach der Nachricht, dass Sebastian nicht mehr lebt, 24 Stunden Zeit, bis es soweit war. Ich bekam zwar schon am Abend nach der letzten Untersuchung das erste Zäpfchen, aber es wirkte noch nicht, und die Hebammen, die dann Tagdienst hatten, ließen uns die Entscheidung, wann die nächste Medikamentengabe kommen sollte. (Da ich nach Annika schon das Buch von Hannah Lothrop gelesen hatte und wusste, wie wichtig das Geburtserlebnis ist, war ich irgendwie die ganze Zeit innerlich hellwach, wollte alles miterleben.)

Eine PDA wollte ich nicht, also bekam ich per Tropf Schmerzmittel, die aber auch nicht soo besonders wirkten. Die Wehen waren deshalb sehr heftig, aber es war trotzdem auch im Nachhinein die beste Entscheidung.

Die Geburt an sich war deshalb furchtbar schmerzhaft, weil Sebastian in Steißlage lag und Arzt und Hebamme wie wild auf meinem Bauch rumdrückten, um die Wehen mit zu unterstützen (ich hatte ja noch keinen Geburtsvorbereitungskurs mitgemacht…) und ihn herauszuziehen.

Kurz vor Ende der Geburt zog sich der MuMu plötzlich wieder zusammen – gerade, bevor das Köpfchen rauskam (… Was für eine Vorstellung!! Das war das Schlimmste für mich, auch wenn er nicht mehr lebte!); die Hebamme gab mir ein homöopathisches Mittel, um den Krampf zu lösen. Das wirkte dem Arzt wohl nicht schnell genug, ich wurde in den OP gefahren (wo sowieso noch anschließend eine AS gemacht werden sollte) – und auf dem OP-Tisch versuchte er es ein letztes Mal; ich bat Sebastian, doch dieses eine Mal noch mitzuhelfen – und schwupps, war er doch noch auf natürlichem Wege da. In diesem Moment war ich einfach nur glücklich, dass ich ihn ohne OP geboren hatte.

Als wir ihn dann im Körbchen gebracht bekamen, fühlte ich nur unglaubliche Liebe zu meinem Kind, war stolz, auf mich, dass ich ihn geboren hatte, und auf unseren Sohn – ganz überrascht, wie perfekt er doch schon aussah – so viel Ähnlichkeit mit seinem Vater! Leider traute ich mich damals nicht, ihn in den Arm zu nehmen (wusste nicht, ob das „erlaubt“ war, da keine Hebamme dabei war), hab ihm nur Köpfchen und Händchen gestreichelt.

Die Trauer begann erst, als die Hebamme ihn wieder holte und ich wusste, dass ich ihn nie wiedersehen werde…

Stille Grüße von einer in Erinnerung an diese Situation wieder unglaublich traurigen

Claudia mit Annika und Sebastian im Herzen

SaraK 04-06-2003, 10:32 Uhr

Liebe Claudia,

Ja – es ist so schwer, diese Liebe zu spüren und das Kind zu sehen, welches mein Kind ist und welches doch nicht bei mir bleiben darf.

Schade, dass man Dir nicht beigestanden hat und Dir gesagt hat, dass Du Dein Kind in den Arm nehmen darfst.

Aber Du durftest ihn streicheln und ihm einen kurzen und doch wichtigen Moment nah sein.

Ich bin froh, dass ich das auch durfte – ich könnte mir nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn sie mir Lukas einfach weggenommen hätten ohne dass ich Abschied nehmen konnte.

Viele liebe, stille Grüsse von

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

Pirko 03-06-2003, 21:14 Uhr

Liebe Sara,

die Geburt unsers ersten Sohnes war selber leider nicht besonders schön, da ich keinerlei Betreuung im Krankenhaus hatte. Wenn Dich mehr interessiert kannst Du es auf unsere Website nachlesen:

Tobias Geburt

Als ich aber unsere Tobias im Arm hatte, da war und ist es auch noch heute, der schönste Augenblick in meinem Leben gewesen. Das hört sich sicher völlig paradox an, ein totes Kind im Arm zu halten, kann doch kein schöner Augenblick sein. Doch es war mein erstes Kind und ich war so überwältig von diesem Erlebnis. Also, auch wenn das meinen beiden jüngsten Söhnen gegenüber vielleicht etwas ungerecht ist, ich bleibe dabei. Allerdings waren die Geburten der anderen beiden so wunderschön, daß es mich dies für die erste Geburt entschädigt hat.

Liebe Grüße
Pirko

SaraK 04-06-2003, 10:29 Uhr

Liebe Pirko,

Ich habe eure Geschichte gelesen.

Es ist – ich habe es weiter oben auch schon geschrieben – wie so oft in der Trauer…sie hat so viele Seiten und auch „schöne“ Seiten, beeindruckende Seiten…widerspüchliche Grfühle die doch eins sind.

Es ist schon seltsam und ganz besonders, was wir durch und mit unseren Sternenkindern erleben, nicht wahr?

Viele Grüsse von

Sara mit meinen drei Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

ChristianeG  03-06-2003, 21:33 Uhr

Liebe Sara,

das ist eine sehr gute Frage..
die mich seit über zwei Jahren schon beschäftigt..

Vic hatte ja diesen Herzfehler,
ich erfuhr drei Wochen vor der Geburt diese Diagnose.
Bis zur Geburt stand bei mir die Frage offen,
behandeln oder ihn gleich gehen lassen…
Die Ärzte überliessen mir schon zu diesem Zeitpunkt,
drei Wochen vorher diese Entscheidung..

Sein Vater wollte ihn gleich gehen lassen…
Ich kämpfte..
Ich hatte eine sehr schmerzhafte Geburt, die mir bis heute noch in jedem Detail in Erinnerung
ist..
Vic war innerhalb von einer Stunde quasi rausgefallen,
doch als er da war..
war es für mich nur ein Gefühl von Glück, Frieden, Stolz.. er war für mich ein perfektes Baby..
Ich dachte nicht daran, dass er so krank war.. ohne Hilfe nur wenige Momente zu leben hätte…
Für mich war es mein kleiner Sohn.. er war so perfekt..
so wunderschön.. er war für mich in diesem Moment nicht krank..

Doch als die Ärzte ihn mir nach einem kurzen Augenblick wieder nahmen..
war ich plötzlich wie aus einem Nebel erwacht und in die Realität gesprengt worden..
„Helft meinem Baby, bitte helft ihm…!“
Tränen, Verzweiflung.. und kein Gedanke mehr daran ihn gehen zu lassen..

Noch heute höre ich oft meine eigenen Rufe..

Ich glaubte an Vic..
und jedesmal wenn ich an die letzten Worte meiner Hebamme dachte,
die während den Erstuntersuchungen von Vic zu mir kam..
überkommt mich ein Schauer..
„Frau Görtz, egal was die Zukunft ihnen bereit hält..

Ich denke.. Vic hat den Kampf weit vor seiner Geburt schon verloren …
und um so mehr ich über ihn nachdenke..
umso dankabarer bin ich über unsere drei geschenkten Tage..

Stille Grüsse
Christiane
mit Eric ganz fest an der Hand,
vielen vergossenen Tränen für *Victor*

SaraK 04-06-2003, 10:28 Uhr

Liebe Christiane,
Genau diesen Moment meinte ich – den Du beschrieben hast.
Einen kurzen Moment war ich einfach nur Mutter
und nichts anderes hat gezählt.
Es war wunderschön und es ist so traurig, dass dieser
Moment so schnell vorbei sein musste.

Du bist für Vic eine wunderbare Mutter.

Ich hatte in letzter Zeit Kontakt mit einer Redakteurin vom
ZDF. Sie macht eine Dokumentation über frühe Frühchen und wollte
eine Mutter finden, die es bereut hat, dass ihr Kind mit Intensiv-massnahmen am Leben gehalten wurde.
Deine Worte bestätigen mich darin, was ich ihr gesagt habe – wenn man sein Kind im Arm hält und bei sich hat würde man alles tun, um es bei sich behalten zu können.

Die klare Sicht hat man vielleicht vorher (wenn man mit diesen Fragen konfrontiert wird) und vielleicht auch eine Zeit später…aber wie soll man so weitgehende Entscheidungen treffen, wenn das geliebte Kind bei einem im Arm liegt und alles in einem danach schreit, es bei sich behalten zu wollen.

und ich weiß nicht, ob es Eltern gibt, die es bereuen, dass ihre Kinder leben?!?

Danke für Deine Worte,
eine liebe Umarmung von

Lukas, Ada und „Sternchen“ fest im Herzen und Jonas &Lennart im Arm

Susi2001 07-06-2003, 22:48 Uhr

liebe sara,

ich hatte zwar eine pda bei meikes geburt aber
an den schluß kann ich mich noch sehr gut erinnern….
ich war ja ende der 39ssw um genau zu sein 3tage vor
et.die geburt wurde eingeleitet…..obwohl man sagt das
eine erstgebärende für die geburt länger als 10 std. mit
allem braucht hatte ich meike in 6std. geboren.
ohne irgendwelche probleme.
ich habe erst geglaubt das sie nicht am leben ist,als ich
sie sah……etwas das mich auch heute noch fast
zerreisst war,daß ich ihr nicht in die augen schauen konnte!
ich hätte so gerne gewusst welche augenfarbe sie hat……
an diesem tag habe ich es noch nicht kapiert was los war.
als meine mutter später kam und weinte habe ich nur gedacht
„….warum weinst du denn es ist doch vorbei….“
ja es war vorbei…….aber für immer.
aber dafür war der nächste tag um so schlimmer!
mein kind wurde mir genommen und ich fühlte mich
als versager weil ich es nicht gemerkt habe als sie starb…..
das ich mich als versager fühle ist heute manchmal noch so.
ich weiß das ich es nicht hätte verhindern können aber
gegen diese ohnmacht kommme ich oft heute noch nicht an.
ich weiß nicht wie ich die schwere zeit danach und bei
meiner folge ss ohne meinen mann,meine familie und ganz
besonders CLAUDIAJANETSMAMA und der SHG geschafft hätte!
ich danke euch so sehr dafür!!!!

liebe meike,
ich vermisse dich so sehr!
aber ich könnte mir keine besseren schutzengen
für deine kleine schwester clara-marie vorstellen!!!!
bitte pass auf uns alle auf,ja?

liebe grüße

susanne, meike und clara-marie ganz fest im arm !!!

Einsendungen – Tabuthema Tod

Ich für mich selber habe – eine für mich ganz neue -Sicht der Dinge

Ich habe darüber nachgedacht, dass seit Menschengedenken Frauen ihre Kinder verlieren und sie auch betrauern. Noch vor 100 Jahren starb jedes dritte Kind, und oft auch die Frauen im Kindbett.

Solange es Frauen gibt, haben Frauen in ihrem Leben irgendwann einmal ihre Kinder betrauert. Vielleicht ist es ja so, dass sie auch DAHER ihre enorme Kraft und ihre liebevolle Weisheit herhaben.

Ich glaube, wenn etwas seit Anbeginn der Zeit so ist, dann ist es vermutlich auch gottgewollt.     Das ist für mich ein sehr entscheidender Punkt, denn ich war kurz davor damals, mit dem göttlichen Prinzip zu hadern.

Ich möchte nun lernen, auch Kraft genug zu haben, für dieses Prinzip der Natur, weil ich mich als ein teil von ihm verstehe. Es hat für mich etwas wunderbar mystisches bekommen, wenn ich es mir unter diesem Point-of-view betrachte.

Und , auch wenn das meinen Schmerz nicht nimmt, so stärkt es doch mein Bewußtsein, als Mensch, als Frau und als Mutter.

Wütend bin ich jetzt nicht mehr auf mich und auch nicht auf die Schöpfung, sondern auf die LÜGE.

Man hat mir immer eine heile Welt vorgegaukelt. Krieg, Atombomben und Schicksalsschläge waren immer weit weg oder in der Zeitung. Und durch diesen Maulkorb, der uns Frauen in all unseren Aspekten schon immer tabuisierte, konnte diese Lüge gedeihen.

Sie haben mir beigebracht, dass ein Arzt alles rettet.Wer zum Zahnarzt geht, behält seine Zähne, wer zum Gynäkologen geht, der behält sein Kind. Sie haben gelogen!

Sie haben die Kräfte und Unbillen des Lebens so derart von mir fern gehalten, dass ich annehmen musste, es gäbe sie nicht.

Und deshalb war ich auch so unfähig, damit umzugehen, dazu ja zu sagen.

Deshalb habe ich auch oft Unverständnis gesehen von denen, die immer noch an diese Lüge glauben.

Deshalb war ich wütend auf sie, wenn sie mich mit immer wieder dieser selben Lüge auch noch trösten wollten.

Liebe Petra,
ich bin aufgestanden.
Und jetzt bin ich auch noch wach geworden.

Ich habe Träume.
Ich stelle mir manchmal vor, ich hätte schon als kleines Mädchen erlebt, wie       meine Mutti ganz, ganz schnell in die Nachbarschaft musste, um einer betroffenen Familie in der Trauer um ihr Sternenkind beizustehen.

Sie hätte mich, als ich größer wurde zu solchen Einsätzen der Nächstenliebe mitgenommen, und ich durfte schon mal kleinere Aufgaben übernehmen. Es wäre mir gut dabei gegangen, etwas hilfreiches tun zu dürfen und auch zu KÖNNEN.

Ich wäre umhüllt gewesen von vielen Frauen und Helfern und hätte so schon von klein auf gelernt, dass das Leben atmet, in dem es auf und ab geht, hätte gelernt, damit umzugehen, Hilfe zu geben und zu empfangen.

Diese Vorstellung hilft mir zur Zeit sehr.Sie nimmt mir meine Trauer nicht. Aber sie macht mich stärker.Und die Bürde ist leichter zu tragen.

 

Nicht nur das sich die sog. Freunde von einem Abwenden, sondern es darf darüber nicht gesprochen werden.
Warum ???
Natürlich will niemand vom Tod betroffen sein, und in der Hoffnung das dieses Nichtwissen vor dem Eintreten des Todes schützt, wird geschwiegen.

Und gerade deshalb wäre es sinnvoll eine Broschüre über dieses Thema auszulegen. In aller erster Linie für die Betroffenen, aber auch für alle Verwandte, Bekannte und Freunde von Betroffenen. Damit auch diese Menschen lernen damit umzugehen, d.h. mit UNS      umzugehen.

Aber das ist der Punkt, genauso wie Freude ansteckend wirkt, wirkt eben auch Trauer ansteckend. Und wer will schon traurig sein, wird uns nicht überall ein glückliches, unbeschwertes Leben vorgegaukelt. Und ist Tod im Fernsehen nicht etwas , das in zwei Sekunden abgehandelt ist. Da bleibt keine Zeit für Trauer. Wir sind zum Großteil heute derartig Medien beeinflußt und orientiert, daß wir das gar nicht mehr realisieren. Erst wenn man da rauspurzelt, aus der heilen Welt, und die Illustrierten-Babys und Modells einen hämisch angrinsen, hat man die Chance zu merken, das das nicht die Realität ist.

Ich halte es für absolutes dummes Ignorantentum, zu behaupten, eine derartige Broschüre, würde die Schwangeren schockieren. Es ist doch die Chance zu verstehen welch unbegreifliches Glück man hat, ein gesundes Baby zu erwarten und im Arm zu halten.

Wie traurig, das diese Frauen nichts von Schmerz und Glück verstehen, Noch nicht…Wie oberflächlich, das Glück nicht schätzen zu dürfen.

Mein Trost ist, daß unsere Kinder im Himmel auf uns warten und Ihnen die Menschen hier unten erspart bleiben.

Liebe Sascha, ich finde es toll, das Du Dich für die Broschüre einsetzt. Sieh es als eine Revolution an, und da sich nun mal die Menschen aus Gewohnheit gegen Neuerung sträuben, wirst du wohl kämpfen müssen. zum Glück nicht allein.
Bianca

Mögliche Reaktionen des Umfeldes

von Barbara Bürgi
Regenbogen Schweiz – “Wir haben unser Kind verloren….” S.6,
8

Der Tod ist in unserer Gesellschaft auch heute noch ein Tabuthema. Wir sind zwar betroffen über eine Todesnachricht, wissen jedoch nicht, wie wir reagieren sollen.

Die Reaktionen auf den Tod ihres Kindes sind bestimmt breit gefächert von tröstend bis verletzend. Eine Todesnachricht ist immer auch die Konfrontation mit dem eigenen Sterben und viele Menschen laufen vor dieser Auseinandersetzung davon.

Als trauernde Eltern sind Sie sehr verletzlich und leicht verwundbar. Unbedachte Äußerungen schmerzen unheimlich.

Es gibt auch Leute, die dem Thema und dem toten Kind ganz ausweichen. Sie tun so, als wäre nichts geschehen und sind sich dabei nicht bewußt, wie schmerzlich dies ist. Es ist absolut nicht schlimm, zu seiner Hilflosigkeit zu stehen. Im Gegenteil, es zeigt den Eltern, das ihr Leid realisiert wird. Für viele Menschen ist es unverständlich, daß wir Eltern bei einer Fehl-, Früh- oder Totgeburt über den Verlust unseres Babys so traurig sind. Sie vergleichen den Verlust oft mit dem eines älteren Kindes und haben den Eindruck es sei weniger schlimm, weil es noch so klein war. Ein Kind zu verlieren ist immer etwas Schreckliches, unabhängig davon, wie alt es war. Geben Sie Ihrem Kind den Namen, welchen Sie ausgesucht haben.

Es gibt immer wieder Freunde, Bekannte und Verwandte, welche Ihnen von anderen Schicksalen erzählen. Als ob es Ihnen helfen würde, daß das Baby von Frau XY auch gestorben ist. Meistens zeugen solche Erzählungen von einer großen Hilflosigkeit.

Lassen Sie sich auch nicht durch Äußerungen beirren wie: Jetzt solltest Du aber nicht mehr soviel weinen und nicht mehr jeden Tag auf den Friedhof gehen!“ Es ist Ihr Kind, welches gestorben ist und niemand kann Ihnen nachempfinden, wieviel Sie weinen müssen. Sie ganz allein spüren, welcher Weg für Sie der Richtige ist, um mit dem Verlust umzugehen. Auch ein anderes Kind wird Ihnen das Verstorbene nicht ersetzen. Jedes Kind ist einzigartig, auch dieses und es wird nie mehr zurückkommen. Korrigieren Sie auch, wenn das verstorbene Kind nicht mitgezählt wird. Es ist genauso Ihr Kind wie ein Lebendes auch.

Haben Sie Menschen gefunden, mit denen Sie reden können, genieren Sie sich nicht zu weinen. Jede Träne die Sie weinen kann erlösend wirken, jene die Sie nicht weinen, schmerzen Sie.

Auch verwaiste Eltern sind Eltern. Auch wenn Ihr Kind nicht mehr lebt, so ist es doch Ihr Kind. Wie oft begegnen wir im Alltag der Frage: „Haben Sie Kinder ?“. Beziehen Sie ruhig Ihr verstorbenes Kind mit ein und benützen Sie seinen Namen. „Ja, aber unsere Rebecca ist leider kurz nach der Geburt verstorben“. Je nach Situation wird das Gespräch weiter geführt. Sie merken bestimmt, wem Sie noch mehr darüber erzählen möchten und wem nicht. Verstorbene Kinder zählen genauso wie lebende und haben ebenfalls Anrecht auf einen Platz bei uns. Es ist vor allem für Sie wichtig, es miteinzubeziehen, denn so können Sie im Laufe der Zeit auch eine Beziehung zu der ganzen Situation aufbauen. Bestimmt werden Sie auch auf den Ausgang Ihrer Schwangerschaft angesprochen und wie es denn nun Ihrem Kind gehe. Es ist wichtig, daß Sie sich nicht isolieren um dieser Frage auszuweichen. Weinen Sie ruhig und erzählen Sie Ihre Geschichte. Es wird Ihnen helfen, Ihren Schmerz zu lindern.

“Frühtod” – Schattendasein

von Mag. Christine Fleck-Bohaumilitzky

Der Tod am Beginn des Lebens führt im Ansehen unserer Gesellschaft ein Schattendasein.

Wenn vom Tod eines Kindes die Rede ist, gelten die Aufmerksamkeit und das Mitgefühl meist jenen Eltern, die ihre Kinder durch eine Krankheit oder einen Unfall verloren haben.

Jedes Jahr sterben in Deutschland 4500 Kinder während der ersten Wochen oder gar in den ersten Stunden nach der Geburt. Ungefähr 2500 Kinder kommen tot zur Welt. Jedes Jahr erleiden schätzungsweise 450 000 Frauen eine Fehlgeburt.- Von diesen Schicksalen spricht kaum jemand!

Der Tod im Mutterleib und das Sterben kurz nach der Geburt werden meistens totgeschwiegen, man spricht von einem Mißgeschick, von einer Fehlleistung der Natur. Durch eine neue Schwangerschaft könne das alles wieder wettgemacht werden. Es wird oft nicht wahrgenommen, daß Familien Föten, Embryos und Totgeborene genauso betrauern wie andere Kinder auch.

Die moderne medizinische Versorgung in den Geburtskliniken Deutschlands steht oft in krassem Widerspruch zur seelischen Begleitung, die Eltern von fehl-, früh- oder totgeborenen Kindern erfahren, besser gesagt nicht erfahren. Die Entbindung des Todes ist für viele Ärzte und Hebammen eine narzißtische Kränkung, die schnell wieder ungeschehen gemacht werden soll.

Viele Frauen und Mütter mit Fehl- und Totgeburten fühlen sich schuldbewußt, weil sie als Trägerinnen des Lebens versagt haben. Sie sind fügsam und stellen keine Fragen. Meist wollen sie schnell und schmerzlos den Tod im eigenen Leib loswerden , um ihn zu vergessen.

Die quälenden Fragen, die Selbstvorwürfe, die Schuldgefühle, die Trauer kommen erst später, zu einem Zeitpunkt, wo es meist zu spät ist.

Was war mit meinem Kind? Was ist mit ihm geschehen? Ist es in der Pathologie? Ist es “medizinischer Sondermüll”? Den Variationen der Alpträume um einen Tod am Anfang des Lebens sind keine Grenzen gesetzt.

In einer Zeit, in der oft vom “Schutz  und von der Würde des ungeborenen Lebens” die Rede ist, bilden trauerfeindliche Bestattungsgesetze einen krassen Gegensatz. Wenn Frauen nach einer glücklosen Schwangerschaft rechtzeitig zum Fragen ermutigt würden, wenn Frauen auch diesen verlorenen Kindern einen Grabplatz geben dürften, könnten sie ihre gestorbenen Hoffnungen besser betrauern und begraben.

Wenn ein Kind um die Geburt herum stirbt, stellte sich für die in der Geburtshilfe Tätigen die besondere Aufgabe der Begleitung der Geschwister und der Eltern. Es wäre schön, wenn sie den Eltern Weggefährten auf einem schmerzhaften Stück ihres Lebensweges wären. Die Eltern und Geschwister brauchen in dieser Zeit besonders menschliche Wärme, Kontakt und tiefes Interesse. Für die begleitenden Menschen ist es oft schwierig, mit den Trauernden umzugehen, da ihre eigene Trauer angerührt werden kann.

Bei Ärzten, Hebammen und Krankenschwestern bleibt oft ein Gefühl von Unvermögen, weil sie nicht in der Lage waren, das Leben des Kindes zu retten. Für sie ist es dann wichtig, über ihre Schuldgefühle zu reden und sich bewußt zu machen, daß sie alles in ihrer Macht Stehende getan haben.

Wichtig  ist es, daß die Eltern in einer liebevoll und würdevoll gestalteten Atmosphäre von ihrem Kind Abschied nehmen können – was leider nicht immer geschieht. Eine brennende Kerze im Raum und eine Blume können für die Eltern sehr viel bedeuten. Die Eltern, Geschwister, vielleicht auch Großeltern, andere Verwandte und Freunde brauchen viel Zeit, um von dem toten Kind Abschied zu nehmen, um es zu sehen, zu berühren und im wahrsten Sinn des Wortes zu begreifen.

Der perinatale Tod eines Kindes ist eine tiefgreifende Krisenerfahrung für die Eltern. Es ist wichtig für sie, ihre Trauer ausdrücken zu können, wie z. B. durch Weinen, Schreien, durch Sich-zurück-Ziehen, … .

Namensgebung und Erinnerungsstücke

Wichtig ist es auch, daß die Eltern gefragt werden, welchen Namen sie ihrem Kind gegeben haben. Die Namensgebung symbolisiert die Anerkennung des gestorbenen Kindes als Individuum. Mit dem Aussprechen des Namens kann oft auch der Tod des Kindes als ein Verlust benannt werden. Bedauerlich ist bislang bei Totgeburten, daß staatliche Urkunden das Kind ohne Namen lassen, es wird lediglich “Totgeburt männlich / weiblich” in die Urkunde eingetragen. Das zur Zeit geltende Personenstandsgesetz besagt:

Totgeborene Babys unter 500 g gelten als Fehlgeburten und werden standesamtlich nicht registriert. Totgeborene Babys über 500 g werden ins Sterbebuch eingetragen, erhalten jedoch keine Geburtsurkunde, keine Sterbeurkunde, nur eine Todesbescheinigung. Bis zum 30.06.1998 enthielt diese keine Namensangabe, nur den Vermerk, ob dieses Kind männlich oder weiblich war. Seit dem 01.07.1998 werden auch totgeborenen Kinder ins Geburtsbuch, und auf Antrag der Eltern mit Vornamen, eingetragen (Vgl. Merkblatt von RAin Lehmitz).

Hingewiesen werden soll in hier auch auf die Möglichkeit im Raum der katholischen Kirche, ein zumindest kirchliches offizielles Dokument zu bekommen, das die Existenz und auch den Namen des Kindes festhält und öffentlich würdigt. Ein Eintrag ins Sterbebuch der Pfarrei [beim jeweiligen Jahrgang des Sterbefalls als “Eintrag ohne laufende Nummer”] ist hier ohne Schwierigkeit  – auch noch viel später – möglich: Er kann Grundlage eines offiziellen Auszugs aus dem Sterbebuch sein, der vom Pfarrer mit Siegel und Unterschrift beglaubigt werden kann. (Information v. Msrg. Ludwig Röhrl, Matrikelamt München)

Beim frühen Tod eines Kindes gibt es wenige Gegenstände, die die Eltern an ihr verstorbenes Kind erinnern. Solche Erinnerungsgegenstände können eine große Hilfe für die Eltern sein, um den sonst unsichtbaren Tod des Kindes sichtbar werden zu lassen. In der Klinik könnte viel dazu beigetragen werden, daß die Eltern solche Symbole bekommen. Es kann eine Hilfe sein, Eltern zu fragen, ob sie ein Foto von ihrem Kind haben möchten (bzw. eines zu machen und aufzubewahren – für den Fall, daß Eltern später danach fragen). Es gibt noch andere Erinnerungsstücke, die den Eltern mitgegeben werden können, wie z. B. eine Haarlocke des Kindes, das Namensarmband oder ein Hand- und Fußabdruck.

Beerdigung und Grab — Orte der Trauer

Wichtig ist, daß Eltern Hilfen für die Gestaltung der Beerdigung erhalten. Nicht selten ist der Tod ihres Kindes, der erste, den sie im engeren Familienkreis erleben, so daß sie über die Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten bei einer Begräbnisfeier nicht informiert sind. Wichtig ist, die Geschwister zu fragen, ob sie an der der Beerdigung teilnehmen möchten.

Für die Eltern ist es hilfreich, wenn sie in passender Weise darauf hingewiesen werden, wie wichtig ein Grab als Ort der Trauer sein kann. Das Kind sollte möglichst nicht anonym bestattet werden.

Das Bedürfnis, den Ort zu kennen an dem das Kind begraben ist, wird von vielen Eltern benannt. Und diejenigen Eltern, deren Kind nicht bestattet wurde, suchen oft viele Jahre später nach einem Ort für ihre Trauer.

Einige Beispiele für positive Erfahrungen im Bereich “Orte der Trauer”:

Eltern in Braunschweig haben im Herbst 1993 eine Gedenkstätte für totgeborene Kinder gestaltet, die sie als einen “Ort zum Trauern und zum Abschiednehmen” sehen.

In Augsburg gibt es seit dem 28. September 1994 dank der “Initiative Kindergrab am Augsburger Hermanfriedhof” ein eigenes Grabfeld, das von der katholischen Gesamtkirchengemeinde zur Verfügung gestellt wurde, um die Bestattung von Kindern, die durch Fehlgeburt, Totgeburt oder frühes Sterben in der Neugeborenenzeit ums Leben kommen, zu ermöglichen. Auch wird hier in besonderer Weise auf individuelle Situationen eingegangen.

Die Stadt Kempten hat 1996 zwei Grabfelder für totgeborene Kinder bzw. gestorbene Frühgeburten .

Seit dem 1. April 1994 ist die Grenze des Geburtsgewichtes von totgeborenen Kindern, ab dem sie bestattet werden müssen, von 1000 g auf 500 g herabgesetzt worden. Dies bedeutet, daß viele Eltern nun ohne die bisher notwendige Überwindung von bürokratischen Hindernissen ihre Kinder beerdigen können. Auch Kinder, die weniger als 500 g wiegen, können bestattet werden, dazu bedarf es je nach Bundesland verschiedener Bescheinigungen.

In Bayern ist die gesetzliche Regelung [Gesetz zur Änderung des Bayerischen Bestattungsgesetzes vom 10. August 1994 – GVBl S.770] ebenso geändert worden, daß totgeborene Kind ohne Rücksicht auf ihr Gewicht bestattet werden können.

Hier zeigt sich aber oft, daß Eltern in ihrer Situation weder das Wissen um diese Regelung haben, noch die Kraft sie für ihr Kind – und auch für sich und ihre Trauer einzufordern.

Gezeiten der Trauer – Lernen zu trauern

Artikel aus Ratgeber Frau und Familie vom 27.10 S. 1570,

Wir lernen nicht, zu trauern, die Trauer zu akzeptieren und sie zu durchleben. Angesichts des Todes eines geliebten Menschen fühlen wir uns oft allein und unverstanden. Denn unsere Gesellschaft lehrt auch nicht mehr, mit Trauernden umzugehen. Trauer zu zeigen, ist uns zu Beginn, am Grab und noch eine unbestimmte Zeit danach erlaubt, aber dann sollen wir möglichst bald zur Tagesordnung übergehen. Der Tod eines Menschen, der doch zum Leben gehört wie die Rückseite zu einer Vorderseite, wird von der Medizin mit allen Kräften hinausgezögert und von unserer Umgebung als Thema so weit wie möglich gemieden. Mit dem Kranken schon vorher über seinen Tod zu sprechen, wird uns fast unmöglich gemacht — von ihm selbst oder von unserer Rücksichtnahme auf seine Gefühle. Nach seinem Ableben bleibt den Hinterbliebenen nur die private Stille, in der sie sich mit ihrem Schmerz auseinandersetzen können.

Weinen befreit

Tränen sind nicht nur Ausdruck aufgewühlter Gefühle. Sie können tatsächlich Seele und Körper von belastendem Stress befreien. Das hat eine biologische Grundlage. In der Tränenflüssigkeit sammeln sich Stresshormone (vor allem Proklaktin), die der Körper in solchen Momenten im Übermaß produziert, und die dann mit ihr ausgeschwemmt werden. Das tut dem ganzen Organismus gut und entlastet die Psyche von Druck und Schmerz. Schämen Sie sich also Ihrer Tränen nicht! Halten Sie sie nicht zurück! Sie helfen Ihnen, Ihre Trauer auf gesundem Wege zu durchleben. Das sei auch den Männern gesagt, denen schon in frühester Kindheit das Weinen aberzogen wurde. Frauen weinen im allgemeinen leichter als Männer. Aber das heißt nicht, dass eine Frau um einen Verstorbenen mehr oder tiefer trauert als ihr Mann. Wenn er es sich verbietet, seinen Tränen freien Lauf zu lassen, zahlt er nur seinen hohen Tribut an unsere gesellschaftliche Vorstellung von Männlichkeit. Aber auch Frauen fällt es heute immer schwerer, Tränen zu vergießen. Doch Kummer, der sich nicht äußern oder ausdrücken lässt, bleibt im Inneren, hat die Tendenz, sich festzusetzen, zerstörerisch nagend, bohrend. Solche inneren Wunden heilen schlecht, vernarben kaum.

Deshalb ist es notwendig, dass Trauernde sich bewusst ihrem Schmerz stellen – auf welche Weise auch immer. Denn unsere Gesellschaft bietet nur noch wenige Stützen. Das Trauer-jahr, früher eine Konvention, war nicht nur Pflicht, sondern auch Hilfe. Schon allein die schwarze Kleidung bot Schutz in der Öffentlichkeit. Heute wird von Trauernden verlangt, dass sie bald wieder “ganz die Alten” sind, “normal” arbeiten und leben. Aber wie lebt es sich nach dem Verlust eines geliebten Menschen normal? Die Antwort fällt für jeden Menschen anders aus. Trotzdem gibt es einige Gemeinsamkeiten von Reaktionen und Verhaltensweisen, die die Sterbensforscherin Elisabeth Kübler-Ross in ihren bekannten Büchern herausgearbeitet hat.

Verlust der Trauerkultur

von Diether Wolf von Goddenthrow “Mit dem Tod Leben”, S. 77 f.

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts veränderte der Tod eines Menschen die Lebenswelt der ihn umgebenden Gemeinschaft Sterben und Trauer verband Menschen miteinander Bewußtes gemeinsames Erleben des Sterbens eines Menschen bot Gelegenheit bereits im Vorfeld des Trauerfalls miteinander ins Gespräch zu kommen und Anteilnahme zu nehmen Anteilnahme ins Angesicht des Todes, das verband. Man nahm sich Zeit und hielt inne, die Hinterbliebenen waren weder alleingelassen, noch hatten sie das Gefühl, durch ihre Trauersituation in eine Außenseiterrolle, wie heutzutage häufig der Fall, gedrängt zu werden. Trauer gehörte zum Alltag wie das tägliche Brot. Trauerrituale etwa das Tragen schwarzer Kleidung, signalisierte der Umwelt offen, daß hier ein Trauerfall vorlag.

Doch seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Trauerkultur radikal gewandelt. Zwar spricht das “Handbuch der praktischen Theologie” noch vom “kirchlichen Trauermonopol”, doch muß festgestellt werden, daß beispielsweise in Hamburg nur noch rund die Hälfte der Sterbenden um eine kirchliche Beerdigung mit Pfarrer bittet. Bei einem Drittel der Beerdigungen erledigt das ein bezahlter Redner, für rund sieben Prozent findet Überhaupt keine Trauerfeier statt, man spricht in der Branche vom “einfachen Abtrag“. Auch die rapide Abkehr vom Grabstein (jeder fünfte verstorbene Hamburger verzichtet darauf) mag ein weiteres Indiz dafür sein, wie sehr die überlieferten Bräuche und Formen der Trauer zerstört wurden.

Trauerfeiern sind schon lange kein Muß mehr. Auch der Gedanke, ohne Feier beerdigt zu werden, fördert die Verdrängung des Todes. So gibt es in Berlin Pfarrer, die bis zu 27mal im Jahr zur Beerdigung gebeten werden und mit dem Sarg und den Trägern allein bleiben, da kein Angehöriger mehr kam. Der Tod ist in unserer Gesellschaft weithin einsam geworden. Auch der unüberhörbare Verlust bürgerlicher Traditionen hinsichtlich der Wahl kirchlicher oder klassischer Trauermusik kennzeichnet eine zunehmende Trivialisierung des Abschiednehmens. Anstelle einschlägiger Trauermusik von Albinoni bis Vivaldi oder uralter Choräle werden immer häufiger Titel gespielt wie “Gute Nacht Mutter”, “La Paloma‘. “Yesterday” oder “Junge, komm bald wieder”. Gesungen wird auf Trauerfeiern kaum mehr. Die Sozialbeerdigungen (hier zahlt die Stadt Hamburg einen ziegelsteingroßen Grabstein) werden mit der Streichung des Sterbegeldes noch zunehmen. Der Verlust einer Trauerkultur verstärkt die Verdrängung des Todes, solange nicht ein neues adäquates Netz gefunden wird, das die Hinterbliebenen auffängt, damit sie die Trauer wieder ertragen lernen, damit sie eben nicht aus Angst und falschverstandenem Schamgefühl einer Beerdigung fernbleiben.

Früher war das anders, wenn auch nicht unbedingt immer besser. Wer wollte Wertmaßstäbe der Trauer festlegen. Doch Trauer fand statt. Trauer hatte ihren festen Rahmen und ihre besonderen Riten. Menschen trafen sich bei der Beerdigung am Grabe. Die Hinterbliebenen wurden nicht alleingelassen, denn der Tod und die Trauer waren, zumindest im ländlichen Raum, ein öffentliches, ein gesellschaftliches Ereignis. Betroffen war nicht nur ein einzelner, die Gemeinschaft als Ganzes war berührt. Nur allmählich kehrte der Alltag wieder, nahm das Leben seinen gewohnten Verlauf. Die moderne Arbeitsgesellschaft, oftmals ihrer ursprünglichen Trauerriten verlustig geworden, entdeckt erst allmählich die Trauer wieder, wie beispielsweise die Hospizbewegung, die zahlreicher werdenden Trauerseminare und Trauerselbsthilfegruppen zeigen. Diese Entwicklung haben wir Menschen, ob unmittelbar betroffen oder nicht, sehr nötig, denn wir haben verlernt zu trauern. Wir wissen oftmals kaum, was Trauern ist, wie Trauer wirkt und welchen Sinn sie bat.

Sinn und Stationen unserer Trauer

Trauer ist eine psychophysische menschliche Reaktion auf Verlust. Da alles Wandlung ist, müssen wir ständig mit Verlusten leben. Den Abschied von der “Zeit” vollziehen wir in jedem Augenblick, in dem wir sind. Denn alles, was jetzt geschieht, ist im nächsten Augenblick schon wieder Vergangenheit. Unsere Erfahrung der Unwiederbringlichkeit ist permanent und zwingt uns, mit Verletzungen und Schmerzen fertig zu werden. Die Natur hat den Menschen so ausgestattet, daß er mit Verlustkummer fertig werden kann. Wir können dank unserer angeborenen Fähigkeit alle Verluste und Trennungen prinzipiell bewältigen. Doch der moderne Mensch hat sich die Fähigkeit zu trauern abtraniert, da es unschicklich, unpassend, unproduktiv oder einfach lästig erscheint, seinen Trennungskummer offen zu bekunden. Mit fortschreitender Technisierung passen wir uns den Computern und Maschinen an, die weder zu weinen noch zu trauern vermögen. Wir erfahren schon als Kind, daß es besser ist, Gefühle nicht zu zeigen (z.B.: ein Junge weint doch nicht!) die zu unseren Nachteilen ausgelegt werden könnten.

Unsere und Vergessensstrategien machen uns leblos. Immer auf der Hut vor “Entdeckung”, versuchen wir unsere Trauer zu betäuben mit Drogen, Alkohol, Nikotin, Fernsehen oder Arbeit. Wir laufen weg vor unserem Schmerz, vor uns selbst. schauspielern uns und anderen etwas vor oder versuchen unsere Trauer beim “Jogging rauszuschwitzen“‘ Wissenschaftler wie der Psychosomatiker Alexander Milscherlich und viele andere später entdeckten in den vergangenen Jahren, daß wir für unsere “Unfähigkeit zu trauern” (A. Mitscherlich) einen hohen Preis zu bezahlen haben: Wir werden krank, körperlich krank, aufgrund seelischer Verstümmelungen Die Zunahme von Herz- und Kreislaufleiden, von Rheuma und Krebs sind einige Symptome, deren Ursachen man in erheblichem Maße in unserer Unfähigkeit zu trauern vermutet. Die Wissenschaft blieb uns bis heute drängende Antworten schuldig.

Die Fähigkeit zu trauern, ist die Bereitschaft den Verlust- oder Trennungsreflex, den Schmerz, wahrzunehmen, zuzulassen und auszudrücken. Die Fähigkeit zu trauern ist den Prozeß der Loslösung bewußt mitzutragen und zu vollziehen. Nur durch das bewußte Annehmen der Trennung ist eine Befreiung möglich, lösen wir den Schmerz, erhalten wir uns unsere von der Natur gegebene Vitalität.

Wenn es durch einen so einschneidenden Verlust wie den Tod eines Menschen zu starken Äußerungen der Trauer kommt, schämen wir uns vor uns selbst, statt froh über unsere natürliche Reaktion zu sein, froh darüber zu sein, daß wir trotz aller Reizüberflutung und beinahe perfekten Verdrängungs- und Vergessenheitsstrategien doch noch in der Lage sind, Gefühle zu haben und somit die Chance, zu uns selbst und dadurch zu einem erfüllten, da bewußteren Leben zu gelangen.

Selbsthilfe aus dem “Trauer-Desaster”

Wir trauern halbherzig., nehmen uns nicht die Zeit, da wir ja die Erwartungen unserer Umwelt erfüllen wollen. Helfende Trauerrituale fehlen zudem. Also geraten wir rasch in einen Teufelskreis mißlingender Trauer, in eine Stimmungsspirale, in der sich immer wieder die gleichen Gedanken in grüblerischen, selbstzermürbenden Eigendialogen drehen, ohne daß wir uns von ihnen lösen könnten. Vielleicht sollten wir uns in solchen, scheinbar hoffnungslosen Situationen folgendes einmal vor Augen führen:

Die Natur hat den Menschen so ausgestattet, daß er Trauer empfinden und ertragen kann. Trauer ist eine natürliche Reaktion unseres Organismus auf als Verlust empfundene Trennungen, um das Gleichgewicht wiederherzustellen Trauer ist ein unverzichtbares psychophysisches Regulativ, um mit Verlusten fertig zu werden, um lebensfähig zu bleiben.

Trauer ist keine Krankheit. Sie ist nicht behandelbar. Deshalb kann es von außen keine medizinische Hilfe geben. Verdrängte Trauer kann aber krankmachen.

Trauer darf weder verdrängt oder betäubt werden, noch “heilt die Zeit die Wunden‘. Trauer muß durchschritten werden, um sie zu bewältigen. Gemeinsames Durchschreiten von Trauer in Selbsthilfegruppen oder bei Seminaren kann für eine konstruktive Trauerarbeit sehr hilfreich sein, da Betroffene sich gegenseitig unterstützen können, an ihren Schmerz heranzukommen und ihn zuzulassen. Trauer ist wertfrei, nie ist weder gut noch böse, sondern einfach lebensnotwendig, sofern sie nicht neurotisch entartet.

Trauer braucht Raum, Zeit, Wege und Mittel der Darstellung, das Gespräch, das Ritual, die Kunst, die Musik, das Schreiben oder anderes schöpferisches Tun, um an die Oberfläche zu kommen. Trauerarbeit geht einher mit einem hohen menschlichen Energiefluß. Jeder weiß, daß in Augenblicken der Trauer seine sonstige Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist., da die Energie zur Trauerbewältigung benötigt wird. Eine bewußte Bewältigung des Kummers kann kreative und schöpferische Talente zum Neuanfang freisetzen, da gezielte Trauer hilft, die verdrängungsbedingten blockierten und gebundenen Lebenskräfte zu entfesseln.