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„Mein Engel!“

Wie oft habe ich zu meinen Kindern gesagt:

„Mein Engel!“

Was bewegte mich eigentlich dazu, „mein Engel“ zu sagen?

Hier sitze ich und stelle mir diese Frage und lausche auf eine Antwort. LEERE!

Ich merke, dass ich es nicht d e n k e n kann. Ich kann es nur fühlend ertasten. „Mein Engel!“

Es ist Reinheit und Demut, es ist Sehnsucht und Liebe. Da ist etwas Unverlierbares, etwas Unvergängliches, etwas Immerwährendes. ENGEL!

Bote zwischen der dieseitigen und der jenseitigen Welt.

Nicht an Zeit und Raum gebunden. Fürsprecher und Schutz-Geber. SCHUTZ-ENGEL!

Es tauchen kindliche Gedanken und Gefühle auf. Textteile aus einem Nachtgebet. ENGEL, die ich mir zur Rechten und zur Linken, zu meinen Füssen und zum Haupte stellte. Eingehüllt in diese undruchdringliche Himmelsmacht, geschützt und gefeit gegen alles, was mir Böses zufügen könnte, konnte ich mich, in einem tiefen Gefühl von Geborgenheit, dem Schlaf hingeben.

Da ist es, dieses Kindliche, diese reine Gefühl der Gewissheit und des Behütetseins in Gott. Dieser Gott, der mich trägt und der mich hält.

Der, den ich angefleht und vor dem ich mich nieder geworfen hatte. Wie oft waren wir zu zweit und zu dritt in seinem Namen zusammen und haben ihn angerufen. Ich mußte auf graumsame Art lernen, dass weder die Anzahl noch die Intensität der Gebete eine Garantie zur Erfüllung unserer Wünsche sind.

Es ist auch der Gott, der selbst mich aushält!

Dieser Gott, der sich von mir anklagen und beklagen lässt.

Es ist dieser gleiche Gott, den ich nach dem Sterben meines Sohnes davon gejagt hatte. Der, von dem ich mich im Stich gelassen und verhöhnt gefühlt hatte.

Es ist aber auch der Gott, der geduldig vor der Tür meines Herzens stehen blieb und wartete, bis ich ihn wieder hinein ließ.

Heute weiß ich, ich kann nicht tiefer fallen als in seine Hand!

Danke mein Engel, dass Du mich heute berührt hast.

(Dieter Steuer, gehört am 23.3.203, Jahrestagung VEID

Sterne in der Nacht

Botschaften von Kindern an der Grenze des Lebens
von Rainer Krockauer

Von der Gewissheit, aufgefangen zu werden

Selmas Wunsch war, wie sich die Mitschülerin erinnert, nach dem Leben »bei Gott zu sein, bei dem, der ihr half, den Weg ihres Lebens zu gehen«. Ihre Kraft sei zwar zu Ende gegangen, aber ihr Glaube sei geblieben. Es war der Glaube, der sich anschaulich in jenem Satz ihres Sterbebildes ausdrückt. »Du NAHMST mich, Herr, BEI DER HAND und führtest mich nach deinem Willen.« Das deutsche Wort »Glaube« rührt von der hebräischen Wortwurzel »aman« her, was so viel wie »fest, zuverlässig« sein bedeutet.

In der Bibel drückt sich darin das Verhältnis der Menschen zu ihrem Gott aus. Glauben heißt, fest und sicher stehen, hoffen, (ver)trauen, sich bergen. Dabei antwortet der Glaube des Menschen auf die oft überraschende und unverdiente Zuwendung Gottes zum Menschen. Gott gibt sich dabei in Lebensgeschichten von Menschen zu verstehen. Ais dem Mose vor mehr alis dreitausend Jahren dieser Gott in einem brennenden Dornbusch erscheint und sich alis Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs zu erkennen gibt, der herabgestiegen ist, das Leid der Menschen kennen gelernt hat und Mose beauftragt, das Volk von der Unterdrückung zu befreien, da bittet Mose Gott um seinen Namen. »Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der > Ich bin da<« (Exodus 3,14).

Der verstorbene geistliche Schriftsteller Henri Nouwen hat diese Zusage zu erklären versucht: Am Ende seines Lebens faszinierten ihn immer mehr zwei bekannte Trapezkünstler eines Zirkus. Der Mut und das Wagnis, hoch oben im Zirkuszelt ohne Sicherungsseil aufeinander zuzuspringen und vom anderen aufgefangen zu werden, wurden für Nouwen zu einem Bild des Lebens und Sterbens:

»Eines Tages saß ich mit R., dem Leiter der Truppe, in seinem Wohnwagen und unterhielt mich mit ihm übers Fliegen durch die Luft. Er sagte: > Ais Luftspringer muss ich absolutes Vertrauen auf den haben, der mich auffängt. Sie und das Publikum halten vielleicht mich für den großen Star am Trapez, aber der wirkliche Star ist J., mein Fänger. Er muss für mich im Bruchteil einer Sekunde parat sein und mich aus der Luft angeln, wenn ich in hohem Bogen auf ihn zufliege.<

>Wie klappt das immer?<, fragte ich ihn zurück. >Nun<, sagte R., >das Geheimnis besteht darin, dass der Flieger nichts tut und der Fänger alles! Wenn ich auf ihn zufliege, muss ich bloß meine Arme und Hände ausstrecken und daraufwarten, dass er mich auffängt …<

>Und sie tun dabei nichts!<, erwiderte ich ziemlich überrascht. > Nein, gar nichts<, wiederholte R. > Das Schlimmste, was der Flieger tun kann, ist, nach dem Fänger greifen zu wollen. Aber ich soll ja nicht den J. auffangen, sondern er mich. Würde ich nach seinem Handgelenken greifen, könnte ich sie brechen, oder er könnte die meinen brechen, und das wäre für uns beide das Aus! Ein Flieger soll nichts als fliegen, ein Fänger nichts als auffangen; und der Flieger muss mit ausgestreckten Armen völlig darauf vertrauen, dass sein Fänger im richtigen Augenblick nach ihm greift!<

Ais mir R. das mit so großer Überzeugung sagte, kam mir der Ausspruchjesu in den Sinn: >Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist!< (Lukas 23,46). Sterben heißt, völlig auf den Fänger vertrauen! Und wenn man sich eines Sterbenden annimmt, sagt man zu ihm: > Hab keine Angst. Denk daran, du bist Gottes geliebtes Kind.<

„Worauf sie sich verlassen können“

Teil III Hindernisse auf dem Weg,
Seminar zu Grundfragen des christlichen Glaubens
von Eckard H. Krause.

Zusammengefaßt aus einem Tonmitschnitt von Pirko Silke Lehmitz
Februar 2003 Gemeinde Bugenhagen
Gesamtmitschrift (9 Dina 4 Seiten)

Gottesbilder

Jeder, der über diese Erde geht hat ein Bild von Gott, was es einem schwer macht zu glauben, weil man nicht offen ist, etwas neues zu erfahren oder Gott wirklich, wie er ist, kennen zulernen. Es gibt zwei extreme Gottesbilder:

1.Der ferne Gott

Da ist das Bild „eines Brüder überm Sternenzelt muß ein guter Vater wohnen“. Wenn man in die Natur guckt und sieht, welche Gesetzmäßigkeiten dort ablaufen, so kann man sehen, daß immer der Stärkere das Schwächere frißt“, so einen Vater kann es nicht geben bzw. er wäre mir mir so egal, dem würde ich nicht eine Stunde meines Lebens weihen und schon gar nicht jeden Sonntag eine Gottesdienstzeit.

2.Der fordernde Gott

Das andere Bild von Gott, der fordernde Gott. Ein Gott, der so wie ein Oberschutzmann darauf achten, daß sie sich immer opportun verhalten. Ein Gott, der Gesetze erläßt, die so schwer sind, daß sie keiner einhalten kann und sich höllisch darüber freut, wenn er jemanden beim Übertreten erwischt.

Ein Gott, der einer höheren Gerechtigkeit zu dienen scheint, und sie zwingt, seine Gebote zu halten, und irgendwann, wenn sie sie übertreten, kommen sie in die Hölle oder wenn sie brav sind, kommen sie  in den Himmel. Ein Gott, der mir Angst macht.

Und das Schlimme ist, sie haben für beide irgendwo in der Bibel, schöne Stellen. Und beides ist nicht wahr. Er ist weder der ferne Gott, noch ist er der fordernde Gott.

3.Woher kommen diese Gottesbilder?

Es ist einfacht in solchen billigen Kategorien Dinge abzuhandeln. Aber tatsächlich hat es etwas mit Erfahrungen zu tun, die wir machen.

a)Erfahrungen
Beim Thema Leid machen die meisten Menschen ihre subjektiven Gotteserfahrungen und diese projizieren sie dann auf Gott, woraus  ein furchtbares Gottesbild in ihnen lebt. Entweder ein Gott der ferne ist , der geschlafen hat, als sie Leid erfuhren, der nichts verhindern kann, dem es gleichgültig ist, der irgenwo im Sternenzelt lebt, oder einen Gott, der sagt: „Dir zahle ich es heim!. An der Stelle werden die Gottesbilder verbaut.

b)Unsere Leiderfahrung verbaut uns unser Gottesbild
Auch ich habe auf die Frage, was wirklich Leid ist und woher es kommt keine befriedigende Antwort.

(1) Gott ist nicht für alles Leid der Welt verantwortlich
Es ist nicht fair, Gott für das Leid dieser Welt verantwortlich zu machen. Das Leiden ist handgemacht und zwar durch Menschenhand. Und dann zu sagen:“Gott, wie kannst du das zulassen!“, ist unverschämt und zynisch.

(2) Gott will das Leiden nicht
Wie ist das mit dem Leiden, mit dem persönlichen Leiden? Der Gott der Bibel, der Vater Jesu Christi, an die Christen glauben, will das Leiden nicht. Im Schöpfungsbericht wird etwas von dem Willen Gottes ausgesagt. Doch da kommt Leid nicht vor. Gott hat das Leid nicht geschaffen.

Da wo Gott Gott sein darf, und nicht von uns daran gehindert wird, gibt es das Leiden nicht. Jesu hat, wo immer er konnte, das Leiden gelindert oder weggenommen. Wenn es stimmte, daß Gott das Leiden schickt etwa, um zu strafen, zu disziplinieren, dann müßte es irgendeine Stelle in der Bibel geben, wo ein Leidender zu Jesus kommt und sagt: „Herr, nimm mir dieses Leiden.“ und Jesus sagt: „Nee, Du hast noch zwei Jahre. Vater hat’s verhängt.“ Aber es gibt so eine Stelle nicht.

(3) Warum nimmt Gott das Leiden nicht?
Wenn Gott das Leiden nicht will, warum nimmt er es nicht einfach? So makaber es klingt, es hat etwas mit der Liebe Gottes zu tun, daß er es nicht nimmt.

Es gehört zu ihrer Liebe, daß sie ihren Kindern die Freiheit geben und sie wissen sehr wohl, daß diese Freiheit, auch die Freiheit zum Leiden und zum Leiden zufügen in sich birgt. Denn Liebe ohne Leiden heißt Tod. Nein, alles was in dieser Welt ist, muß leiden.

(4) Wie geht Gott mit dem Leiden um?
Dieser Gott, an den wir Christen glauben, ist herabgestiegen, mitten hinein in den Hexenkesseln von Leid und Sterben und hat alles Leiden dieser Welt an sich selbst ertragen. Niemand, der über diese Erde ging, hat mehr gelitten, als der, der es nie nötig gehabt hätte, wäre er im Brüder überm Sternenzelt Himmel geblieben.

Dieser Gott ist kein Gott Brüder überm Sternenzelt. Er ist ein heruntergekommen Gott. Im wahrsten Sinne des Wortes. Um ihret- und meinetwillen heruntergekommener Gott. Das fasziniert mich an diesem Gott so. Gott leidet mit. Das ist die erste Botschaft. Und wenn sie meinen, mit ihrem Leiden ganz alleine zu sein, das Zimmer hinter sich zumachen, das Licht ausmachen und in die Kissen heulen, und meinen, sie sind ganz allein und von Gott und aller Welt verlassen: Gott ist der an ihrer Seite, eine handbreit, und der sich die Augen aus dem Kopf heult und das Leiden mit ihnen teilt. Sie können im Leiden, besondere Nähe, Liebe, Wärme und Herzlichkeit Gottes erfahren. Denn er nutzt das Leiden, um sich ihnen in besonderer Weise zu offenbaren.

4.Wie ist das Wesen Gottes wirklich?

Das Wesen Gottes ist in Christus beschrieben. Gott kommt auf den Menschen zu, weiß natürlich, daß das Absolute, das Einmalige, das Fremde immer Angst macht. Er spielt und kokettiert nicht mit dieser Unheimlichkeit und Macht, die er ausübt in seiner Erscheinung. Sondern er geht auf den Menschen zu, und sagt: „Du, hab‘ bitte keine Angst!“. Gott will, daß wir keine Angst haben, und Gott will das die Beziehung zwischen ihnen und ihm richtig Freude macht.

Jesus hat nie Macht gebraucht, und schon gar nicht Macht mißbraucht. Sondern als sie ihn brutal zusammenschlugen, anspuckten, folterten und ihn schließlich nackend an Kreuz hingen, und sich über ihn lustig gemacht haben, hat er seine Hände nicht geballt zur Faust, um aller Welt Rache zu schwören, die sich an ihn vergreift, sondern die Arme blieben ausgestreckt und die Hände wie zum Segen:“Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“

Gott kommt gewaltfrei. Die einzige Macht, die Gott anwendet, ist die Macht der Bitte. Nicht ein ferner Gott, nicht ein fordernder Gott, sondern ein Gott, der ihnen ganz nahe wird, der kommt, damit sie Freude haben, sich nicht fürchten brauchen, heil werden, und sein Zeichen ist Herzlichkeit.

Gottesbilder

Jeder, der über diese Erde geht hat ein Bild von Gott. Und das macht es ihnen so schwer zu glauben, sie sind ja gar nicht offen, etwas neues zu erfahren oder Gott wirklich, wie er ist, kennen zulernen. Wenn immer ich mit Leuten rede, die wissen es ja schon. Und ich will ihnen gerne mal sagen, welche idealtypischen Gottesbilder es in Deutschland gibt. Ich will mal Extreme aufzeigen und sie werden sofort sagen:“Das ist aber nicht mein Bild!“, richtig, ist auch nicht ihr Bild, diese zwei extremen Gottesbilder, die in unserer Gesellschaft leben.

1.„eines Brüder überm Sternenzelt muß ein guter Vater wohnen“, der ferne Gott

Das eine ist das Bild, das ist besonders auch in Deutschland sehr verbreitet, „eines Brüder überm Sternenzelt muß ein guter Vater wohnen“. Nichts gegen unser Klassiker, sie haben schöne Verse gemacht, aber ich würde sagen. „He, guckt doch mal genau hin!“.  Brüder überm Sternenzelt muß… . Für mich ist das überhaupt nicht zwingend, daß da einer wohnen muß und schon gar kein guter Vater. Wenn ich in die Natur gucke, und sehe, welche Gesetzmäßigkeiten hier ablaufen in dieser Natur, dann erinnert mich das eher an Nitsche, der sagt: „Das Schwache muß gestoßen werden, damit es fällt. Es überlebt immer das Stärker und das Stärkere frißt immer das Schwächere“. Und wenn ich von dieser Natur her auf einen guten Vater schließen soll, dann würde ich sagen, vor diesem Vater graut mir.

Und so ein Vater der  Brüder überm Sternenzelt irgendwo fernab im Himmel auf einer Wolke Nr. 7 sitzt, den ich ab und zu mal spüre, wenn ich auf dem Gipfel des Berges stehe stehe und in die schneebedeckte Hügellandschaft schaue und dann so erhabene Gefühle bekomme, da muß doch was … Das hält nur auf dem Gipfel. Es hat überhaupt nichts mit unserem Alltag zu tun. Und wenn ich am Sonntagmorgen durch den Wald gehe und von ferne die Glocken klingeln und die Hirsche röhren, wissen sie diese Jägermeisterromantik, dies hat überhaupt nichts mit meinem Leben zu tun. Und so ein Gott Brüder überm Sternenzelt weit ab thronen sitzt, der ist mir so egal, dem würde ich nicht eine Stunde meines Lebens weihen und schon gar nicht jeden Sonntag eine Gottesdienstzeit. Der soll meinetwegen überm Sternenzelt sein, aber wenn er mit mir und meinem Leben nichts zu tun hat, wenn er mir nichts geben kann und ich von ihm nichts verlangen kann, er von mir nichts fordert und er mir nicht begegnet, dann soll er bleiben wo der Pfeffer wächst.  Brüder überm Sternenzelt.

2.Der fordernde Gott

Das andere Bild von Gott, das unter uns lebt, ist nicht der ferne Gott, sondern der fordernde Gott. Ein Gott, der so wie ein Oberschutzmann darauf achten, daß sie sich immer opportun verhalten. Ein Gott, der Gesetze erläßt, die so schwer sind, daß sie keiner einhalten kann und sich höllisch darüber freut, wenn er jemanden beim Übertreten erwischt. Und schon im Kinderherzen wird dieser Gott groß gemacht:“Paß auf kleines Auge,was Du siehst und kleine Hand, was du tust, und kleiner Mund was du sprichst, denn der Vater im Himmel hat acht auf dich!“ Sehr lieb gemeint, dieses Lied, aber „big brother ist watching you!“ Und er sieht alles. Und er trägt alles ins Buch des Lebens ein. Und irgendwann wird dieses Buch geöffnet. Und irgendwann kriegt er uns alle. Ein Gott, der einer höheren Gerechtigkeit zu dienen scheint, und sie zwingt, seine Gebote zu halten, und irgendwann, wenn sie sie übertreten, kommen sie in die Hölle oder wenn sie brav sind, kommen sie  in den Himmel. Ein Gott, der mir Angst macht.

Ich erinnere mich, ich darf die Geschichte sagen, ich erzähle immer die gleiche Geschichte seit 20 Jahren, um nicht aus der unmittelbaren Gesprächssituation von gestern oder vorgestern erzählen zu müssen, aber ich könnte tausend Beispiel gebrauchen: Kommt eine Frau zu mir, ich kenne sie, sie hat viele Probleme, und will sich mal das Herz erleichtern, erzählt von ihren Problemen, von ihrem Mann, der Alkoholiker ist, von dem Sohn, der kriminell ist, und es war wirklich ein Elend, und als sie aufhört, fing ich an, wollte sie gerne trösten, und ich bin inzwischen alt genug, nicht mehr mit dumme leichtfertigen Sprüchen zu trösten. Da sagt sie: „Ach, wissen sie, Herr Pastor, lassen sie es! Ich weiß ja warum es mir so geht!“. Und da erzählte die Frau, und jetzt möchte ich nicht mit ihnen über Moral reden, da erzählte die Frau, daß sie vor 30 Jahren ihr erstes Kind abgetrieben hat. Und seitdem wartet sie darauf, daß Gott sich rächt. Großer Gott wir loben dich. Herr wir preisen deine Stärke. Merken Sie, da muß man krank bei werden.

Ich kenn so viele „Christen“, die aus Angst vor Gott, seine Gebote halten, die Bibel lesen, in die Kirche gehen. Grauenvoll. Und das Schlimme ist, sie haben für beide irgendwo in der Bibel, schöne Stellen. Und beides ist nicht wahr. Er ist weder der ferne Gott, noch ist er der fordernde Gott.

3.Woher kommen diese Gottesbilder?

Woher kommen eigentlich diese Bilder. Sicherlich auch durch leichtfertige Predigten der Kirche. Es ist einfach, in solchen billigen Kategorien Dinge abzuhandeln und dafür möchte ich mich auch entschuldigen bei ihnen. Das wird sicherlich nicht in ihrer Gemeinde so sein. Aber allenthalben ist es so.

a)Erfahrungen
Nein die Dinge haben eine viel tiefere Ursache. Es hat etwas zu tun mit einem Stichwort, das sie gleich eingeblendet sehen, das heißt Erfahrung. Wissen Sie was Erfahrungen sind? Erfahrungen macht man sich. Es sind gedeutete Erlebnisse. Das Erlebnis ist etwas objektives, und dann mache ich meine subjektiven Erfahrungen. Und an einer Stelle, vor allem, machen Menschen sich ihre subjektiven Gotteserfahrungen – wissen sie wo das ist? – Thema Leid. Und bevor ich das Thema noch angehen, möchte ich dies sagen, Erfahrungen werden ein Teil ihrer persönlichen Persönlichkeit. Sie können leichter einen Arm ablegen, als eine Erfahrung. Und die Alten sind ja immer so stolz auf ihre Erfahrungen und meinen immer, daß sie dadurch klug geworden sind. Nein, Erfahrungen verändern, das stimmt, aber klüger machen sie nicht automatisch.

Erfahrungen werden ein Teil meiner Persönlichkeit und sie wissen manchesmal gar nicht, warum sie so reagieren wie sie reagieren, das hat was mit ihren Erfahrungen zu tun.

Erfahrungen sind stärker, als ihre Vernunft. Wenn sie immer sagen. „Ich meine..“ dann ist das nicht aufgrund ihres Nachdenkens, sondern aufgrund ihrer Wasser und Bauch, sagt man heute neudeutsch. Achten sie mal darauf. Und wenn sie mit dem Leid bestimmte Erfahrungen gemacht haben, und das auf Gott projizieren, dann lebt in ihnen ein furchtbares Gottesbild. Entweder ein Gott der ferne ist oder ein Gott, der geschlafen hat, als sie Leid erfuhren, der nichts verhindern kann, dem es gleichgültig ist, der irgenwo im Sternenzelt lebt, während sie mit Krebs im Krankenhaus liegen. Oder einen Gott, der sagt: „Dir zahle ich es heim!. Und die Krankheit jetzt, die du hast, das Unglück, das du hast, das ist meine Rache, dafür, daß du meine Gebote nicht gehalten hast.“ An der Stelle werden die Gottesbilder verbaut. An Leiderfahrung. Deshalb müssen wir noch einen kurzen Augenblick über Leid reden.

b)Unsere Leiderfahrung verbaut uns unser Gottesbild
Ich muß ihnen gestehen, ich habe auf die Frage, was wirklich Leid ist und woher es kommt keine befriedigende Antwort. Ich habe vieles gelesen, kenne mich in der theologischen und philosophischen Literatur zum Thema Leid relativ gut aus und weiß, es ist keine Antwort darunter, die mich in meinem Intellekt befriedigt. Eine Antwort werde ich ihnen deshalb heute Abend auch nicht geben können. Aber ich habe Fährten gelegt, die mich selbst zu Ruhe gebracht haben, in dieser Frage und die möchte ich ihnen gerne aufzeigen. Spuren.

(1) Gott ist nicht für alles Leid der Welt verantwortlich
Das erste: Es ist unfair Gott für alles Leid dieser Welt verantwortlich zu machen. Das hilft jetzt nicht dem, der im Augenblick, in einem tiefen Leid steckt, das ist mir klar, für seine Ohren muß das zynisch klingen. Aber ich werde es mal generell dennoch sagen.

Es ist nicht fair, Gott für das Leid dieser Welt verantwortlich zu machen. Das Leiden ist handgemacht. Und wenn jetzt gleich im Irak tausende und abertausende Menschen sterben, Millionen auf der Flucht sind, dies ist nicht Gotteswille, sondern der Wille von Herrn Bush und ein paar Ölmilliardiären. Das muß man einfach deutlich sagen. Und wir sehen es, daß das Leid auf uns zukommt. Es gibt immer noch Leute, die Krieg für ein Mittel der Politik halten. Wenn es dort zum Leiden kommt und wenn die Bilder über unsere Fernsehschirme flimmern, dann soll niemand sagen: „Wie kann Gott das zulassen!“. Dies wollen Menschen, die ihr Recht haben wollen, die ihren Profit haben wollen, die ihre Ehre haben wollen und denen es eigentlich egal ist. Und dann zu sagen:“Gott, wie kannst du das zulassen!“, ist unverschämt und zynisch.

Wir haben dich gesucht in den Ruinen,
in jedem Granattrichter,
in jeder Nacht,
wir haben nach dir gerufen Gott,
wir haben nach dir gebrüllt, geweint, geflucht,
wo warst du lieber Gott,
wir kennen dich nicht mehr so recht,
du bist ein Märchenbuch, lieber Gott,
heute brauchen wir einen anderen.

(2) Gott will das Leiden nicht
Wie ist das mit dem Leiden, mit dem persönlichen Leiden? Das erste, was ich ihnen sagen möchte ist, der Gott der Bibel, der Vater Jesu Christi, den Gott, an den ich glaube, an die Christen glauben, will das Leiden nicht. Es ist eine leichtfertige Redeweise, wenn wir sagen, Gott schickt das Leiden. Gott will das Leiden nicht. Und ich möchte ihnen das gerne Begründen. Wenn sie einmal in dieses schöne Buch der Bücher, in die Bibel gucken, dann wird in wunderschöner Sprache in mythologischer Sprache, etwas von dem Willen Gottes im Schöpfungsbericht ausgesagt. Und lesen sie mal nach, da kommt Leid nicht vor. Er hat das Leid nicht geschaffen. Und wenn sie mal das Letzte Buch der Bibel lesen, ein sehr kompliziertes Buch, Offenbarung heißt es, da gibt es so ein paar schöne helle Stellen, zum Beispiel das 20. /21. Kapitel: “Sieh‘ da die Hütte Gottes bei den Menschen, er wird bei ihnen wohnen, er selbst wird ihr Gott sein und sie werden sein Volk sein, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und kein Leid wird mehr sein, kein Tod, kein Schmerz, kein Geschrei.“

Da wo Gott Gott sein darf, und nicht von uns daran gehindert wird, gibt es das Leiden nicht. Gott will das Leiden nicht. Und wenn das stimmt, was Christen glauben, daß in der Person Jesu, Gott sich offenbart hat, wie er wirklich ist und er wirklich will, dann müßten selbst die Kritiker Jesu zugeben, wo immer er konnte, hat er Leiden gelindert oder weggenommen. Wenn es stimmte, daß Gott das Leiden schickt etwa, um zu strafen, zu disziplinieren, dann müßte es irgendeine Stelle in der Bibel geben, wo ein Leidender zu Jesus kommt und sagt: „Herr, nimm mir dieses Leiden.“ und Jesus sagt: „Nee, Du hast noch zwei Jahre. Vater hat’s verhängt.“ Aber es gibt so eine Stelle nicht. Im Gegenteil, da wo seine Jünger ihn fragen, Herr wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, wird Jesus zornig und sagt:“Es hat weder dieser noch seine Eltern gesündigt. Er ist hier, damit an ihm die Herrlichkeit Gottes offenbar wird.“ Gott wehrt sich gegen das Leiden. Und sich mit dem Leiden versöhnen, einfach nur so, ist nicht der Wille Gottes.

Das Leiden hat etwas mit der Trennung des Menschen von Gott zu tun. Die Bibel nennt das Sündenfall. Darüber müssen wir noch einmal reden. Das machen wir an den Abenden auch noch. Aber es ist nicht der Wille Gottes. Das hat etwas mit Trennungsschmerz zu tun.

(3) Warum nimmt Gott das Leiden nicht?
Wenn Gott das Leiden nicht will, warum nimmt er es nicht einfach? So makaber es klingt, es hat etwas mit der Liebe Gottes zu tun, daß er es nicht nimmt.

Ich will ihnen ein Beispiel sagen. Ich will ihnen sagen, wie sie ihre Kinder vor Leid bewahren können. Ich habe zwei großgezogen, ich weiß, was es heißt. Also wir waren noch so altmodisch und unsere Kinder sind im Laufstall groß geworden. „Ja, das macht man heute nicht mehr!“, habe ich von meiner Tochter gelernt. Hat gut geklappt damals. Zugegeben nicht lange. Aber da ging es auch los, mit dem Leiden. Für unsere Kinder und für uns. Heiße Kochplatte, mit Fahrrad auf dem Kopf gefallen, Treppe heruntergefallen   und so weiter. Ich dachte mir einfach, man müßte dieses Laufställchen ein bißchen länger … Also wenn der Knabe 16 ist sollte man schon ein bißchen Metall einbauen… Mit 18 müßte man auch oben was darauf machen. Und wissen sie was, sie könnten ihr Kind vor allem Leid bewahren. Sie hätten am Ende einen Affen erzogen.

Es gehört zu ihrer Liebe, daß sie ihren Kindern die Freiheit geben und sie wissen sehr wohl, daß diese Freiheit, auch die Freiheit zum Leiden und zum Leiden zufügen in sich birgt. Die Menschen, die schreien: „Wie kann Gott das zulassen“, sind genau die,  die sich von ihm emanzipieren. Wir wollen uns von Gott nichts sagen lassen, aber wenn wir leiden, dann ist er angeklagt. Haben sie mal jemanden erlebt, dem es gut geht, und der da steht und sagt. „Wie kann Gott das zulassen?“. „Alles ich! Hab‘ ich alles selbst gemacht!“ Aber so wie es schlecht geht… Es ist ein Stück der Liebe Gottes, daß er ihnen die Freiheit gibt und in dieser Freiheit ist Leiden inbegriffen und in dieser Welt. Und wenn Udo Jürgens seiner Tochter gesungen und gedichtet hat: „ Ich wünsch‘ Dir Liebe ohne Leiden“, dann hat er ihr den Tod an den Hals gewünscht. Denn Liebe ohne Leiden heißt Tod. Nein, alles was in dieser Welt ist, muß leiden. Und das wir vom Leiden nicht befreit sind, hat mit unser Freiheit was zu tun. Diese Freiheit hat etwas mit der Liebe Gottes zu tun. Nur so als eine Fährte.

(4) Wie geht Gott mit dem Leiden um?
Wenn Gott das Leiden nicht nehmen kann, sonst würde er uns töten oder unsere Freiheit nehmen, wie geht er dann mit dem Leiden um? Das erste, was ich begriffen habe ist, daß unser Gott kein apathischer Gott ist, d.h. ein leidensunfähiger Gott ist. Der saß nicht im Himmel, wie Borchert glaubte und Beckmann sagte und wie die Klassiker schreiben Brüder überm Sternenzelt, sondern dieser Gott, an den wir Christen glauben, ist herabgestiegen, mitten hinein in den Hexenkesseln von Leid und Sterben und hat alles Leiden dieser Welt an sich selbst ertragen. Ich bete keinen Gott an, der irgenwo im Feuerkranz tanzt! Sondern ich rede mit einem Gott, der immer eine Handbreit neben mir ist, der weiß, was es heißt, zu leiden und in dieser Welt im Leiden kaputt zu gehen. Niemand, der über diese Erde ging, hat mehr gelitten, als der, der es nie nötig gehabt hätte, wäre er im Brüder überm Sternenzelt Himmel geblieben. Unser Gott ist ein Gott, der so am Leiden Anteil nimmt, an deinem Leiden, an meinem Leiden, daß er daran selber zu Tode gekommen ist. Haben sie jemanden, der schon mal für sie gestorben ist, um ihnen zu zeigen: „Ich bin an deiner Seite. Und auch der Tod kann uns nicht scheiden.“?

Dieser Gott ist kein Gott Brüder überm Sternenzelt. Er ist ein heruntergekommen Gott. Im wahrsten Sinne des Wortes. Um ihret- und meinetwillen heruntergekommener Gott. Das fasziniert mich an diesem Gott so. Gott leidet mit. Das ist die erste Botschaft. Und wenn sie meinen, mit ihrem Leiden ganz alleine zu sein, das Zimmer hinter sich zumachen, das Licht ausmachen und in die Kissen heulen, und meinen, sie sind ganz allein und von Gott und aller Welt verlassen: Gott ist der an ihrer Seite, eine handbreit, und der sich die Augen aus dem Kopf heult und das Leiden mit ihnen teilt. Das finde ich eine irre Nachricht. Ich dachte immer, er ist der erhabene, der Herrgott. Nein, er weint mit ihnen, jedes Leid.

Der andere Gott, der das Leid nicht gemacht hat, läßt uns mit diesem Leiden nicht allein, sondern er hilft uns tragen. Es ist so, als wenn eine Hand unter unsere Last greift. Da wo wir glauben, daß er nicht ist, der es schickt. Luther hat einmal so gesagt: Gott, der das Leiden nicht will, weil es aber in der Welt ist, beginnt er das Leiden zu nutzen. Das muß ich ihnen erklären. Sehen sie, Gott glauben wir Christen, ist wie ein Vater oder eine Mutter, und nun haben viele von ihnen und auch ich Kinder erzogen. Würden sie jemals die Hand ihres Kindes nehmen und sie auf eine heiße Kochplatte drücken, um ihren Kind zu sagen: „So fühlt es sich an.“? Sie werden ihrem Kind sagen:“Du faß da nicht an, tut weh!“ Aber wenn das Kind es am Ende getan hat, was werden sie tun? Na, nun sind sie nicht ganz so nett. Zuerst einmal werden sie sagen: „ Hab ich es Dir nicht gesagt?“ Das ist die erste Reaktion. Aber die zweite Reaktion ist, sie werden das Kind auf dem Arm nehmen, pusten, heile heile Gänschen trösten. Es gibt Kinder, die sich selbst verletzten, um endlich die Liebe und Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu erfahren.

Und wenn sie sich mal an ihre Kindheit erinnern, es waren Leid und Trost, die sie eindrücklich behalten haben. Wenn Menschen glauben können, daß Gott auf ihrer Seite ist im Leiden und nicht der ist, der es verhängt oder verschickt, dann könnten sie im Leiden, besondere Nähe, Liebe, Wärme und Herzlichkeit Gottes erfahren. Denn er nutzt das Leiden, um sich ihnen in besonderer Weise zu offenbaren. Und dann kann ein Mensch auch mal sagen: „Gott ich danke Dir, daß Du mir das Leid geschickt hast“. Er will es nicht, aber er nutzt es.

Und Luther geht gar so weit und sagt, der Tod, der Inbegriff allen Leidens,  ärgste Feind Gottes, muß Gott dienen, weil er nun einmal da ist, zwingt Gott ihn unter seine Herrschaft und er wird, dieser ärgste Feind zum Scharnier für die Ewigkeit.  In dir ist Freude in allem Leide. Gott will das Leiden nicht, das Leiden ist in der Welt, weil wir in der Gottesferne leben. Gott kann das Leiden nicht einfach wegnehmen, weil er unsere Freiheit und unser Leben nehmen würde, aber er kommt in unser Leid, stellt sich an unsere Seite, trägt mit und leidet mit, tröstet und macht das Leid sich damit Untertan. Wenn sie ein solches Bild von Gott haben, dann kann keine Leiderfahrung dieser Welt, ihnen suggerieren, daß Gott ein ferner Gott ist, leidensunfähig, und auf Wolke 7 sitzend, oder, daß Gott ein strafender Gott ist, Lust hat, sie endlich einmal am Kanthaken zu kriegen und fertig zu machen. Und wenn in der Bibel auch mal solche Sätze stehen, sie beschreiben nicht das Wesen Gottes. Wir sind ja nicht gottgläubig, sondern Christen. Das Wesen Gottes ist in Christus beschrieben.

4.Wie ist das Wesen Gottes wirklich?

Ich hätte Lust ihnen aus so vielen Geschichten eine Ahnung zu vermitteln, wie dieser Gott, der Vater Jesu Chrsti, wirklich ist. Ganz anders als die vielen Bilder, die in uns leben. Ich mußte mich entscheiden und diese Geschicht, die ich ihnen vortrage, hat eine Vorgeschichte, die ich ihnen erzählen werde. Eines der bekanntesten Abschnitte der Bibel, des neuen Testaments, jedenfalls für uns ältere ist Lukas 2, diese wunderschöne Weihnachtsgeschichte.

Da gibt es eine Passage: Über den Hirten auf dem Feld öffnet sich der Himmel, und Engel kommen herunten. Nun müssen sie nicht an Engel glauben, das kriegen wir später. Ich habe mal gehört, Gott schickt immer dann Engel, wenn er sicher gehen will, das die Botschaft auch richtig ankommt. Der Himmel geht auf und die Hirten haben natürlich Angst. Klar, wenn so was supranaturalistischen erscheint, wenn etwas unheimlich Großes auf uns zu kommt, das macht immer Angst.

Dann kommt sozusagen eine göttlicher Regierungserklärung. Wenn unsere Politiker Regierungserklärungen halten, dann müssen sie nie richtig hinhören, es wird doch immer ganz anders. Bei Gott ist das anders: Wenn er etwas sagt, das ist so. Das geschieht so. Und diese göttliche Regierungserklärung, wird ausgerechnet den Hirten auf dem Felde, also Menschen, mitgeteilt, die eigentlich gar nicht kompetent sind. Das hätte man irgendwo im Tempel in Jerusalem machen müssen und nicht bei den Hirten, das waren damals so die Outcats, die am Rand der Gesellschaft waren, mit denen man eigentlich nichts zu tun haben wollte. Die waren nicht richtig sauber und nicht richtig religiös. Zu denen öffnet sich der Himmel und Engel kommen herab, und teilen mit, was Gott ist und was er vor hat. Und auf diese engeliche Botschaft möchte ich sie gerne noch einen Augenblick aufmerksam machen. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie und sie fürchteten sich, wie das so ist. Und der Engel des Herrn sprach zu ihnen:“Fürchtet Euch nicht!“. Gott kommt auf den Menschen zu, weiß natürlich, daß das Absolute, das Einmalige, das Fremde immer Angst macht. Er spielt und kokettiert nicht mit dieser Unheimlichkeit und Macht, die er ausübt in seiner Erscheinung. Sondern er geht auf den Menschen zu, und sagt: „Du, hab‘ bitte keine Angst!“. Gott will auf sie zukommen und sagen:“Bitte, fürchte dich nicht. Ich will dir keine Angst machen.“.

Und ich sehe so viele Menschen, die nur in Angst vor Gott leben, wenn sie denn überhaupt glauben. Ich bin auch Vater zweier Kinder und ja, meine Kinder haben Ehrfurcht vor mir. Wissen sie, was das ist? Ehrfurcht heißt zum Bespiel, daß es nicht gleichgültig ist, ob ich etwas sage oder irgend ein Fremder, was sagt. Wenn Vater was sagt, dann hören sie schon genauer hin. Das ist Ehrfurcht. Sie wissen, daß ist mein Vati. Aber wenn meine Kinder Furcht vor mir hätten, dann wäre etwas falsch gelaufen. Und wenn sie nur aus Furcht zu Besuch kämen, oder aus Furcht mir was schenken würden,  daß ich ihnen was entziehen könnte, das würde mich unendlich traurig machen. Und diese Frömmigkeit, die in Furcht vor Gott lebt, das ist nicht eine Steigerung von Frömmigkeit, so ganz fromm. Das ist Gottlosigkeit. Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die Vollkommene Liebe treibt die Frucht aus.

Nein, Gott kommt auf sie zu. Auf jeden von ihnen, auch auf den Gottlosesten, wenn sie so wollen. Kommt und stellt sich vor ihnen hin und sagt:“Hab‘ bitte keine Angst“.

Und dann geht’s weiter: „Siehe ich verkündige euch ein großes Problem, oder so ähnlich.“ Nein, da steht MEGA, Megafreude, richtig Spaß soll es machen. Die Beziehung zwischen Mensch und Gott soll schön sein: „ Ihr sollt euch auf die Schenkel klopfen und daran freuen, immer wenn ihr an mich denkt, immer wenn ihr mit mir in Beziehung tretet. Ich will jedenfalls an euch Spaß haben. Laßt uns eine Freude miteinander haben.“

Ich war mal in einem Kirchenvorstand mit dem hatte ich eine Vortragsreihe vorbereitet. Ich habe denen ein Thema vorgeschlagen: Kirche, die wieder Spaß macht. Oh, da machten die Herren Kirchenvorsteher aber ganz dunkle Gesichter. Nein, daß ginge nicht: Spaß und Kirche. Tiefe Freude, wissen sie so tiefe, so ganz tiefe. So daß man kaum rankommt. Und wenn man dann so in unsere Gottesdienst geht, das mag hier ganz anders sein, hat man auch wirklich das Gefühl, man geht in einen Kühlschrank. Wo die letzen Eisheiligen aufbewahrt werden. Ich würde gerne mal Menschen anderer Kultur, die unsere Sprache nicht verstehen in unsere Gottesdienste einladen und fragen, was empfindet ihr? Was drücken wir aus? Was lebt in uns? Die kommen auf alles mögliche, aber auf Freude nicht. Und wenn sie eine Umfrage halten und sagen:“Was verbinden sie mit Freude?“, sie bekämen eine Menge Antworten, doch auf Kirche kommt keiner.

Glauben sie es mir, da ist was falsch gelaufen. Ich meine nicht Spaßgesellschaft. Ich weiß auch viel von Leid. Wir haben darüber gerade geredet. Freude ist mehr als nur Spaß. Aber es spürt man Menschen an, wenn die zusammen Freude habe. Das ist schiefgelaufen. Gott will, daß wir keine Angst haben, und Gott will das die Beziehung zwischen ihnen und ihm richtig Freude macht. Große Freude, Megafreude. Und sie ahnen schon, da ist was schief gelaufen im ihrem Gottesbild, in meinem, in der Tradition unsere Kirche, und wir werden dahin zurückfinden, da bin ich mir sicher. Große Freude. Und das soll allem Volk gelten. Nicht einer kleinen elitären Gruppe. Nicht abgegrenzt, ihr nicht,  wir, katholisch,  evangelisch, ganz fromme und nicht so Fromme, Charismatiker und Normale. Nein, allem Volk. Jesus hat nie ausgegrenzt. Es durfte kommen, wer wollte. Gott ist nicht so ein Lokalheiliger, der für eine ganz besondere Truppe zuständig ist, sondern alle Welt , jeder Mensch, rot , grün und was sie alle sind, selbst die brauen, sind alle Objekte der Sehnsucht Gottes. Und Gott heult sich die Augen nach ihnen aus. Alles Volk und sie gehören dazu. Ihnen gilt das. Freude, angstfreie Beziehung, sie sind das Objekt der Sehnsucht Gottes. „Denn Euch ist heute..“, so geht’s dann weiter der Richter geboren? Nein! Sondern? Der Heiland. Ja, Gott ist Erhalter, ist Erschöpfer, Herrgott, Richter. Er ist alles auch. Aber das ist das Wesen der Offenbarung Jesu: Gott kommt in Jesu auf Menschen zu und sagt: „ Ich komme und will Heilmachen. Ich komme auf diese Erde, ich renne dir hinterher. Nicht, weil ich dich fertig machen will, nicht weil ich dich ertappen will, sondern ich frage dich, du dein Gott kommt, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, ist etwas in deinem Leben, was ich Heilmachen kann? Darum komme ich. Ich komme auf dich zu, nicht um etwas zu wollen, sondern ich komme, um dich zu beschenken. Sag mir, was kaputt ist. Ich mache es heil. Ich heile physische Krankheiten, ich heile psychische Krankheiten, ich heile soziale Beziehungen, ich heile kaputte Gottesbeziehungen, es ist mein Beruf. Ich komme in diese Welt. Ich steige herab, und will nichts anderes, als Heilung.“ Und die Menschen laufen weg.

Wenn sie die Leute fagen, was Kirche ist, dann werden sie hören:“Die haben immer das Gefühl, die wollen etwas von uns, die wollen etwas, die wollen es besser machen, die wollen Geld haben, die wollen, daß wir moralischer werden, die wollen irgendwas“. Der Herr der Kirche, Jesus, kam auf Menschen zu und wollte nichts, er wollte einfach nur, heile machen. Und Menschen, die sich auf ihn eingelassen haben, haben es auch erfahren in ihrem Leben. Und diejenigen, die wegrennen, haben immer nur angst.

Fürchte Dich nicht, große Freude allen Volk. Heil. Das lassen wir auf der Zunge zergehen. Dann spüren sie wie weit, wie weit, wir uns von dieser Schönheit entfernt haben. In unserem persönlichen Fühlen, auch vielleicht denken, auch vielleicht ein bißchen in unserer Tradition. Und das Zeichen, das Gott gibt, ist kein Petersdom. Ist kein Landeskirchenamt, ist nicht Macht, ist nicht Gewalt, ist nicht Eindruck schinden. Sondern das Zeichen, daß Gott gibt, ist ein hilfloses Kind. Er legt sozusagen sich uns in den Schoß. Und es strahlt uns an und sagt: „ Kannst Du überhaupt denken, daß ich etwas böses mit dir vorhabe?“ Er macht sich auf uns angewiesen. Er bittet geradezu um unsere Führsorge. So kommt Gott in ihr Leben. Nicht mit Gewalt, nicht mit Druck, sondern mit der Bitte:“Lach mich an! Hab mich lieb. Nimm mich an Dein Herz“. Diese Kind ist irgendwann einmal erwachsen geworden, ja. Aber er hat nie Macht gebraucht, und schon gar nicht Macht mißbraucht. Sondern als sie ihn brutal zusammenschlugen, anspuckten, folterten und ihn schließlich nackend an Kreuz hingen, und sich über ihn lustig gemacht haben, hat er seine Hände nicht geballt zur Faust, um aller Welt Rache zu schwören, die sich an ihn vergreift, sondern die Arme blieben ausgestreckt und die Hände wie zum Segen:“Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“

Gott kommt gewaltfrei. Und jeder kleine Konfirmant kann sagen:“Geh raus. Ich will dich nicht!“. Gott geht und wirft kein Stein hinterher. Du bleibst souverän. Die einzige Macht, die Gott anwendet, ist die Macht der Bitte. Merken sie? Nicht ein ferner Gott, nicht ein fordernder Gott, sondern ein Gott, der ihnen ganz nahe wird, der kommt, damit sie Freude haben, sich nicht fürchten brauchen, heil werden, und sein Zeichen ist Herzlichkeit.

Posting Schmetterlingsforum Strafe Gottes?

SchmetterlingskinderDie nachfolgenden Beiträge wurden im Forum der Schmetterlingskind er gepostet. Ich fand sie so interessant, daß ich sie hier wiedergeben möchte.

„Strafe Gottes?“
geschrieben von Katrin21 am 17-01-2003 um 12:52 Uhr

Hallo ihr alle!
Obwohl ich eigentlich kein besonders religiöser Mensch bin muss ich jetzt doch mal einen Gedanken loswerden, der mir einfach immer wieder kommt: War es eine Strafe Gottes für mich, dass er mir meinen Mika wieder weggenommen hat? Will er mich dafür strafen, dass ich mein Glück nicht genug geschätzt habe und nicht genug acht gegeben habe auf ihn? Wie ihr vielleicht aus meinem Profil oder anderen Beiträgen wisst, habe ich fast gleichzeitig ein Kind adoptiert und bin schwanger geworden und es gab durchaus Momente, in denen ich mal meine Schwangerschaft und mal mein Adoptivkind verflucht habe, weil ich so fertig war. Jetzt schäme ich mich dafür. Warum war ich nicht einfach nur glücklich? Manchmal denke ich, es war bei mir wie bei der Titanic. Über die sagte man auch, nicht einmal Gott könne sie versenken und dann hat er gezeigt, dass er es doch kann. Auch ich habe mich so verdammt sicher gefühlt, nicht einmal in den ersten 3 Monaten dachte ich daran, es könne etwas schief gehen. Ist das jetzt die Quittung gewesen? Im Februar wollen wir wieder versuchen ein Kind zu bekommen und jetzt denke ich oft, dass es vielleicht eh nicht klappt, weil ich es nicht verdiene.
Wie denkt ihr darüber? Kennt ihr solche Gedanken?

Liebe Grüsse
Katrin mit Pascal und Mika Noel im Herzen

„RE: Strafe Gottes?“
geschrieben von Sylvia Annabell am 17-01-2003 um 13:17 Uhr

Ich bin durchaus ein gläubiger Mensch;und ich bin mir ziemlcih sicher ,das Gott ein Liebender Gott ist und kein Strafender.
Er hat uns unser Leben selbst in die hand gegeben;wir sind dafür verantwortlich was wir tun und lassen.
Es wird immer wieder Schicksalsschläge geben,die uns unerklärlcih bleiben.Das Gott uns aber damit bestraft ,glaub ich nicht.Im Gegenteil ,er ist für uns da und stützt uns im Leid.

Sylvia

 „RE: Strafe Gottes?“
geschrieben von Ina Doehr am 17-01-2003 um 13:29 Uhr

Liebe Katrin, auch ich glaube an Gott, aber nicht als strafender sondern als gütiger und helfenden Gott. Du wurdest sicher nicht bestraft, so wie wir alle hier nicht bestraft wurden. Manchmal denke ich, das gerade wir als Sternenkindermamas ausgesucht wurden, weil wir die Stärke haben und die Liebe, dieses Schicksal anzunehmen. Oft hilft mir dieser Gedanke auch nicht, aber ich versuche einen Sinn zu finden, der es mir einigermaßen erträglich macht meine Sternenkinder nicht bei mir zu wissen sondern im Himmel. Und meine Kinder sind mir nah, ich bin auch der Meinung sie sind immer um uns und wenn es mir ganz schlecht geht, dann ist unser Treffpunkt nicht die grüne Wiese im Park sondern mein Herz.
Ich wünsche dir die Erfahrung, das du dich nicht mehr schuldig oder bestraft siehst, Du bist Mutter und eine liebende noch dazu, wo bitte bist Du schuldig. Keiner, der je so einen Verlust erlitten hat, wird diesen Gedanken an sich ran lassen wenn er schwanger ist, das irgendwas schief gehen kann, es ist einfach “ normal“ schwanger werden, schwanger bleiben und dann nach 9 Monaten ein Baby im Arm“ so habe ich auch mal gedacht.

Liebe kraftspendende Grüße
Ina mit
Emely, Hannah und * Däumelinchen für immer im Herzen

 „RE: Strafe Gottes?“
geschrieben von Katrin21 am 17-01-2003 um 13:42 Uhr

Liebe Ina!
Ich habe jetzt schon öfter hier im Forum gelesen, dass wir Sternenkindermamas als solche ausgesucht wurden,weil wir stark genug dafür sind und auch du sprichst davon. Ehrlich gesagt finde ich das absurd. Das würde ja erst recht bedeuten, das Gott gezielt den Tod unserer Kinder geplant hat! Sie wären sozusagen Opfer. Und was macht das für einen Sinn, dass wir dieses Schicksal ertragen? Wer und warum sollte so etwas wollen?

Katrin mit Pascal und Mika Noel im Herzen 

„Nein!“
geschrieben von Silli Silvia am 17-01-2003 um 13:57 Uhr

Liebe Katrin,

ich schließe mich Sylvia und Ina an.

Ich bin seit 2 1/2 Jahren gläubig.
Steht in meinem Profil, wenn du es mal lesen möchtest….

Beim Lesen einiger Homepages der Sternenkinder hier, bin ich auf eine sehr, sehr schöne und informative Homepage von Pirko gestossen.

Ich finde sie hat das Thema : Gott und Glaube
sehr treffend und informativ rüber gebracht.

Hier ist der Link, schau dir das doch mal an.

Denke nicht, das Gott dich bestraft hat.
Gott ist ein gütiger und liebender Gott.
Wenn du traurig bist, dann ist es Gott auch.
Er will dich durch dein Leid, deine Trauer hindurch tragen und dir ein Trost sein….
Ich weiß, dieses Thema ist sehr schwierig und manchmal auch schwer zu verstehen und jeder hat seine eigene Meinung hierzu. Ist ja auch O.K. so….

Aber denke nicht das du Gottes Strafe erfahren hast.

In einem Text von Reinhard Behnke, in dem angegebenen Link, ist ein kleiner Abschnitt, der, wie ich meine, sehr treffend rüberkommt:

Manchmal sehe ich ein neugeborenes Baby, das sterben muß. Entkräftet liegen seine Arme zu beiden Seiten, und ich denke:

Wie Jesus am Kreuz.
Die Augen leer.
Kein Lebenswille, den ich sehen könnte.
Gottverlassen — so sieht es aus.
Ich glaube, so was hat Jesus von Nazareth auch erlebt.
Ich war nicht dabei. Aber ich fühle mich an ihn erinnert.
Wir haben ja alle eine Ahnung vom Tod.
„“Es scheint mir, als stürbe er erneut mit jedem Kind, das nicht leben kann.““

Ich weiß meine Kinder gut aufgehoben bei Gott und eines Tages, da bin ich mir ganz sicher, werde ich sie wieder in meine Arme schließen können und dann ist es für die Ewigkeit….

Ich wünsche dir viel Kraft und Trost und liebe Menschen, die dir weiterhin zur Seite stehen.

Liebe Grüße
Silvia
(Sternchen ** und Justin in meinem Herzen,
Miles und Jeremi-Jalil an meiner Hand)

RE: Nein!“
geschrieben von Katrin21 am 17-01-2003 um 14:19 Uhr

Liebe Silvia!
Vielen Dank für deine Zeilen und für den Link. Ich habe ihn mir gerade etwas angesehen und bin auch sehr nachdenklich geworden. Ich wünschte ehrlich gesagt, ich könnte auch fester glauben und Trost daraus ziehen, aber manchmal glaube ich auch, dass wir alle, wenn wir z.B. sagen „unser Kind ist bei Gott“ oder „Gott muss viel von mir halten, dass er mir so ein Schicksal zutraut“ nur versuchen, irgendwie mit unserem Los fertig zu werden ohne dabei verrückt zu werden. Ich weiss nicht, wie ich für mich damit umgehen soll, das Thema wird mich wohl noch eine Weile beschäftigen.

Mit lieben Grüssen
Katrin mit Pascal und Mika Noel im Herzen

„RE: Nein!“
geschrieben von Birgit_Marlon am 17-01-2003 um 14:31 Uhr

Liebe Katrin,

ich habe an Gott geglaubt, bevor Kaya und Marlon gestorben sind. Ich habe geglaubt, daß Gott gut ist und nur das Beste für mich will. Das glaube ich jetzt auch noch, denn entweder gibt es Jesus oder es gibt ihn nicht. Wenn es ihn gibt, ändern meine traurigen Umstände nichts an dieser Tatsache.

Ich persönlich glaube, daß Jesus für uns gestorben ist, damit wir in Ewigkeit mit ihm leben können. Er hat für uns den Tod überwunden. Ein Gott, der seinen eigenen Sohn für uns hergibt, kann es nur gut mit uns meinen. Es ist sicher keine Strafe Gottes, was wir erleben müssen. Obwohl ich nicht verstehe, wieso ich einen so schweren Weg gehen muß…ich habe Gott diese Frage schon oft gestellt….

Manchmal frage ich mich, wieso ich überhaupt noch irgendwas glaube, aber irgendwie ist Jesus in meinem Herzen und ich krieg ihn da gar nicht raus, selbst wenn ich wollte. Ich glaube nicht, daß ich ohne ihn den Verlust meiner Kinder überlebt hätte, denn dann wäre ich völlig ohne Hoffnung.

Liebe Grüße

Birgit

„Liebe Katrin“
geschrieben von Silli Silvia am 17-01-2003 um 14:43 Uhr

Liebe Katrin,

überfordere dich nicht zu sehr.
Es ist noch gar nicht lange her, da war dein Sohn noch in deinem Bauch….
Eurer kleiner Mika Noell ist erst vor 3 Monaten von euch gegangen, wenn ich es richtig gelesen habe.

In dieser Zeit habe ich damals auch immer wieder gedacht ich werde verrückt, würde daran zerbrechen und wollte manchmal einfach Schluß machen. Alles wurde mir einfach zuviel….

Aber Gott hat mich da, ohne das ich es mir damals bewusst war, schon getragen und mich wieder aufgerichtet, ganz langsam und es dauert eben seine Zeit. Alles braucht seine Zeit….

Irgendwann, eines Tages wirst du vielleicht einmal ganz anders denken.

Ich wünsche dir, das Gott dich auf den richtigen Weg führt….und das du „deinen Weg“ finden wirst.

Liebe Grüße
Silvia

„RE: Strafe Gottes?“
geschrieben von Sylvia Annabell am 17-01-2003 um 22:18 Uhr

Ja,das ist ja das schöne!
Gott hält uns in seinen Armenauch wenn wir gar nichts von ihm wissen wollen.Er ist geduldig und wartet.Egal wie oft wir mit ihm hadern;egal wie wir aus Verzweiflung empfinden.Gott weiß,wie wir fühlen,was wir denken.
Sollte er Deine Verbitterung etwa nicht verstehen können?Sein eigener Sohn hat vor seinem Tod mit ihm gehadert.Aber das ist es ja,warum der Glaube,Glaube heißt.Wir müssen uns mit diesen Fragen immer und immer wieder auseinandersetzen.Und es ist nicht immer leicht.

Sylvia

„RE: Strafe Gottes?“
geschrieben von Simone und Andi am 18-01-2003 um 01:31 Uhr

Liebe Katrin,

vielleicht magst Du ja einfach mal über dieses Gedicht von Jörg Zink nachdenken:

Spuren im Sand…..

Ich träumte, ich wäre von dieser Welt gegangen.
Der Herr schritt neben mir
hinter uns blieben zwei Spuren im Sand…..
Weit über uns konnte ich das strahlende Himmelstor erkennen.
Ich warf einen Blick zurück, um alle meine Lebensschritte
ein letztes Mal zu sehen.
Auf den leichten, schönen Abschnitten meines Lebens
sah ich zwei Spuren im Sand.
Aber da, wo der Weg steil und schwierig zu begehen war,
sah ich nur eine Spur.
Ich wandte mich an den Herrn und fragte:
„Oh Herr, Ich glaubte, Du seiest Seite an Seite
Mit mir durchs Leben gegangen in Guten wie in schlechten Zeiten.
Aber auf den schweren Strecken meines Weges sehe ich nur eine Spur…
Warum? „
Da sprach der Herr:
„ Mein Kind, ich begleitete Dich Dein ganzes Leben
doch in den schwersten Zeiten habe ich Dich
auf meinen Händen getragen.“

Irgendwo kann ich Deine Gefühl verstehen, schließlich macht der Tod eines Kindes keinen Sinn und man kann nichts anderes fühlen als Schmerz. Dann kommt irgendwann diese Wut, vielleicht auch Selbstzweifel – alles ganz normale Phasen der Trauer. Nur wie man damit am besten umgeht, dafür gibt es kein Patentrezept – leider.

Ich fühlte mich und fühle mich manchmal noch immer als sei die Trauer mit einer Reise zu vergleichen – ich befinde mich auf einer Reise, kenne das Ziel, jedoch fehlt mir die Landkarte. Und irgendwie versuche ich mich täglich aufs Neue durchzumögeln. Mal mit Zuversicht, daß ich es schaffen werde, mal mit Sorgen ob ich diesen unendlichen Schmerz noch länger aushalten kann, ob ich wirklich auch die Trauer v.a. meiner Großen mit auffangen und tragen kann und manchmal wünschte ich einfach, dieses große Schmerz wäre weggeblasen, es gäbe nichts mehr, worüber ich mir den Kopf zerbrechen müsste. Oft fühle ich dabei auch Wut – Wut auf die, die mir nicht glauben wollten, die meine Vorahnungen nicht ernst nahmen.

Allerdings habe ich auch nie für einen Moment an Gott gezweifelt. Ich würde mich nun nicht als superchristlich bezeichnen, aber ich glaube, daß es da etwas Großes gibt, daß größer ist, als wir uns je vorstellen können und ich glaube an einen festen Plan im Leben. Ich glaube nicht an Zufälle, Glück oder Unglück, sondern daran, daß unsere Existenz so sein sollte, damit wir lernen, geistig reifen.

Nur hier auf der Erde können wir an uns arbeiten und vor allem Liebe erfahren, lernen und leben. Und genau aus diesem Grund wurden wir ausgesucht für kurze Zeit unsere Sternenkinder bei uns zu haben.

Es gibt dazu übrigens noch ein herrliches Gedicht. Sorry, aber ich kann/konnte mich immer sehr in Poesie wiederfinden, weil sie so herrlich zum Nachdenken anregt.

Death of a Child“

Sorry I didn’t get to stay.
To laugh and run and play.

To be there by your side.
I’m sorry that I had to die.

God sent me down to be with you,
to make your loving heart anew.

To help you look up and see
Both God and little me.

Mommy, I wish I could stay.
Just like I heard you pray.

But, all the angels did cry
when they told little me goodbye.

God didn’t take me cause He’s mad.
He didn’t send me to make you sad.

But to give us both a chance to be
a love so precious .. don’t you see?

Up here no trouble do I see
and the pretty angels sing to me.

The streets of gold is where I play
you’ll come here too, mommy, someday.

Until the day you join me here,
I’ll love you mommy, dear.

Each breeze you feel and see,
brings love and a kiss from me.


und die deutsche Übersetzung (so ganz frei monisch übersetzt, bin ja nun auch schon lange nicht mehr in der Schule gewesen )

Der Tod eines Kindes

Es tut mir leid, daß ich nicht geblieben bin,
um zu rennen, zu spielen und zu lachen,
um bei Dir zu sein.
Es tut mir leid, daß ich gestorben bin.

Gott schickte mich zu Dir
um Dein liebendes Herz zu erneuern.
Um Dir den Himmel zu offenbaren,
damit Du uns beide siehst – Gott und mich kleines Wesen.

Mammi, ich wünschte, ich könnte bleiben,
so wie ich es in Deinem Gebet hörte,
Aber alle Engel weinten,
als sie mir kleinem Wesen Auf Wiedersehen sagten.
Gott holte mich nicht zurück, weil er verrückt ist,
oder um Dich traurig zu machen.
Aber um uns beide eine Chance zu geben,
eine derart wertvolle Liebe zu spüren –
kannst Du das nicht sehen?
Hier oben gibt es keinen Ärger,
und die schönen Engel singen mir vor.
Ich spiele auf einer goldenen Straße
und eines Tages wirst auch Du hier her kommen, Mama.
Bis zu dem Tag, an dem wir wieder zusammen sind,
liebe ich Dich, meine liebe Mami,
Jeder Windhauch den Du fühlst,
bringt Liebe und einen Kuß von mir.

Ich hatte lange das Gefühl, wozu das alles, wozu überhaupt schwanger werden, wenn das Kind dann garnicht bleiben darf?

Würde ich heute gefragt werden, ob ich lieber auf die SS mit Robin und Stella verzichten möchte, damit ich diesen schmerz nicht durchleiden muß, würde ich sagen NEIN! Ich bin unendlich dankbar, sie gehabt zu haben und darum ist es OK, daß dieser Schmerz da ist. Lieber der Schmerz, als daß ich auf so viele schöne Sachen hätte verzichten müssen. Ich habe so viel gelernt in der Zeit der Trauer – über mich über andere über das Leben.

Das kann keine Strafe sein!

Ich habe mir von Anfang an der Trauer eines versucht anzugewöhnen – manchmal scheiterte es an der Umsetzung, weil es nicht immer leicht war – aber:

Um eine Situation anders vorzufinden, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung.

Und wenn ich darauf geachtet habe, stellte ich oftmals fest, wieviel einfacher die Lösungen doch waren und wie viel innerlichen Kampf und Zerreißproben ich mir hätte ersparen können.

Ich wünsche Dir wirklich von ganzem Herzen, daß Du für Dich und Dein Herz Ruhe findest, und Dich nicht weiter quälst, ob Du es nicht wert warst, Deinen Sohn bei Dir zu behalten, oder ein weiteres Kind.

Auch wenn wir oft nicht verstehen, wohin Gott uns führt, wissen wir doch, daß er uns führt.

Es ist ein Gott der Liebe und der Tod eines Menschen ist niemals Strafe!

( Luther hat doch rausgefunden, daß Gott uns unsere Sünden verzeiht, bevor wir sie überhaupt erkennen und bereuen können!)

In diesem Sinne, alles Liebe

Mone mit zwei Engelchen -Stella und Robin – und zwei Bengelchen – Alena und Tim und Bauchbewohner Fips

*Ich glaube, auch im tiefsten Dunkel der Nacht, wächst eine Blume in den Tag. So wie die Erinnerung bleibt und uns tröstet.*

 

Warum hat Gott das zugelassen?

Aus dem Weihnachtsheft des Bundesverbandes der Verwaisten Eltern in Deutschland

Ich bin Mutter von vier Kindern. Sabrina, geb. im Februar 1988, Corinna, geb. im September 1990. Am 18.12.1993 wurde mein Sohn Dominik geboren. Er war ein lebenslustiges gesundes Kind und hat mir viel Freude bereitet. Er war mein Sonnenschein, den ich über alles geliebt habe und für den ich im Nachhinein gesehen viel zu wenig Zeit gehabt habe. Dominik war 1,5 Jahre alt, als ich wieder schwanger war. Ich war noch ziemlich am Anfang der Schwangerschaft, als Blutungen einsetzen und ich danach fast nur noch liegen mußte. Die ganze Schwangerschaft ging es mir sehr schlecht, dann wurde Jannick geboren und es wurde bei ihm ein Herzfehler festgestellt. Am 26.02.98 wurde Jannick am Herzen operiert. Gott sei Dank ging alles gut. Aber ich war wieder zwei Wochen nicht für Dominik da.

Am 27.03.98, Gründonnerstag, wollte ich Dominik morgens in den Kindergarten bringen, er wollte aber nicht und weinte. Er beteuerte mir immer wieder: „Mama ich will immer bei Dir sein“. Ich habe ihn trotzdem hingebracht, weil ich noch so viel zu erledigen hatte. Nachmittags holte ich ihn ab und weil er morgens schon so geweint hatte, konnte ich nachmittags nicht nein sagen, als er mit einkaufen gehen wollte. Er war so brav an diesem Nachmittag und ich frage mich immer wieder, ob er eine Vorahnung

hatte. Beim Nachhausefahren habe ich ein Auto übersehen und ihm die Vorfahrt genommen.

Mein Sohn erlag im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Ich selber lag auf der Intensivstation und konnte mich von meinem Sohn nicht verabschieden. Auch heute, nach über fünf Jahren, habe ich den Schmerz, die Schuldgefühle und die Trauer nicht überwunden. Er fehlt mir so sehr und ich frage mich immer wieder: „Warum er???“. Aber das geht wahrscheinlich allen Eltern so. Warum hat Gott das zugelassen? Der Schmerz ist immer noch sehr groß und die Verzweiflung. Wir bringen Weihnachten und Geburtstag immer eine Kleinigkeit an sein Grab. An seinem Geburtstag sitzen wir zusammen, haben eine Kerze an und lassen einen Luftballon steigen. Ich rede oft mit meinen Kindern über ihn.

Das letzte Weihnachten zusammen mit Dominik war geprägt von der Angst um Jannick. Die Angst vor seiner Herz-OP. Jede danach folgende Weihnachten bisher war überschattet von der Trauer um Dominik. Am 18.12. hat Dominik ja seinen Geburtstag, also kurz vor Weihnachten. Diesen Tag gestalte ich, wie erwähnt, immer zusammen mit  seinen Geschwistern. Mit Dominiks Vater lebe ich seit 1999 nicht mehr zusammen, weil unsere Ehe dieser Belastung nicht stand gehalten hat. Wir haben für Dominik in Marienthal, einem kleinen Wallfahrtsort, eine grosse Kerze gekauft, die an seinem Geburtstag und an solchen Festlichkeiten als Zeichen seiner symbolischen Anwesenheit brennt. Ich weiss nicht, ob ich das für mich tue oder für die Kinder.

Er fehlt mir so sehr, seine Nähe, Wärme und Zärtlichkeit. Ich versuche, den Kindern die Vorfreude und Freude auf Weihnachten nicht zu nehmen, die mir selber Abhanden gekommen ist. Dominik hat ein grosses Stück von mir mitgenommen. Ich sage immer, er hat den Teil meiner Jugend und Freude mitgenommen. Ich unternehme vieles mit den Kindern gemeinsam, aber immer wieder überkommen mich die Gedanken: „Das kann Dominik alles nicht mehr erleben“. Ich fühle mich mitten unter Leuten einsam und allein und fehl am Platz. Ich mache weiter für meine drei noch lebenden Kinder, die ein Recht auf ihr Leben haben. Feiern in Schulen und Kindergarten erfordern gerade in der (Vor) Weihnachtszeit immens viel Kraft und trotz Stolz auf meine anderen drei ist die Trauer und der Schmerz riesengroß in mir.

Ich habe lange Zeit sehr mit Gott gehadert, weil sich die Frage nach dem Warum einfach immer wieder so bohrend stellt, und ich bin noch immer nicht durch damit, aber ich würde sagen, ich bewege mich wieder ein bißchen auf Gott zu. Ganz gebrochen habe ich nie, aber ich wollte und will teilweise immer noch nichts von einem Gott hören, der zuläßt, dass Kinder sterben. Nach Dominiks Tod wurde ich direkt mit der Religon wieder konfrontiert und zwar mit der Entscheidung, meine Tochter zur Kommunion gehen zu lassen oder nicht. Dominik verstarb am 27.03.97. Am 05.04.97 habe ich auf eigene Verantwortung das Krankenhaus verlassen und am 06.04.02 ging meine Tochter zur Kommunion. Am 07.04.97 wurde Dominik beerdigt.

Meine beiden Mädchen waren aus erster Ehe und katholisch, mein zweiter Mann ist evangelisch und Dominik war es auch. In der evangelischen Kirche spielt die Mutter Gottes eine untergeordnete Rolle. Das Lieblingslied Dominiks war „Ave Marie“ von der Kelly Family, wir wollten dieses Lied für ihn singen lassen, aber der Pfarrer wollte es nicht, da dieses Lied mit dem evangelischen Glauben nicht vereinbar wäre. Er hat im Enddefekt nachgegeben und wir durften es singen lassen, aber diese zermürbenden Diskussionen in solch einer Situation! Danach wollten wir der Kirche eine grosse Kerze spenden. Ich erhielt die Aussage, dass am Altar vier gleich grosse Kerzen stehen und es nicht möglich wäre, diese Kerze zu stellen. Solche „Kleinigkeiten“ machen es einem nicht gerade einfach.

Ich hadere oft mit dem Glauben. Das Warum stellt sich immer wieder. Warum werden mir diese Prüfungen auferlegt? Warum musste dieses Kind gehen????? Warum Warum Warum. Auch mir stellt sich immer wieder die Frage: „Warum hat Gott das zugelassen?“ In meiner letzten Kur hat eine Frau, die einer christlichen Gemeinde angehört, versucht zu erklären, dass die Welt-vom Teufel regiert wird und wir durch unser Hadern dem Teufel die Macht geben. Nicht Gott nimmt uns die Kinder, sondern der Teufel. Über diese Worte denke ich viel nach.

Ich habe 2000 dann versucht, erste Schritte wieder in Richtung Glauben zu tun und als Kathechetin den Kommunionunterricht meiner zweiten Tochter mitgestaltet. Dies hat mich dem Glauben wieder ein Stückchen näher gebracht. Besonders der Eröffnungsgottesdient der Kommunionkinder hat mich sehr beeindrucht. Die Rede des Pfarrers beinhaltete, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist, sondern sich eine Tür öffnet und Gott uns in sein Reich einlädt, wo es uns gut geht. Er hat es so anschaulich beschrieben, ich kann das gar nicht so wiedergeben. Aber auch dieser Schritt in Richtung Glauben wurde bald wieder überschattet, als dann mein über alles geliebter Vater am 11.11.00 an seiner schweren Krebserkrankung gestorben ist. Auch da wieder dieses Warum und ein von grosser Trauer überschattetes Weihnachten. Mein Papa war meine Stütze, mein Halt, der immer für mich da war und auch er ist jetzt nicht mehr da. Er wurde nur 66 Jahre alt.

Für mich war es nach dem Tod meines Sohnes immens wichtig, ihn da zu beerdigen, wo ich mich immer heimisch gefühlt habe, aber auch das war ein Fehler. Das Grab ist nicht der Ort, an dem ich mich meinem Sohn nah fühle, denn dies ist der Ort, den seine Grosseltern ihm geschaffen haben. Ich bringe ihm zwar an seinem Geburtstag, Weihnachten und Ostern Kleinigkeiten da hin, Ostern einen tönernen Osterhasen oder ein Osternest. Ansonsten haben wir ihm da seinen besten Freund, unseren Bernhardiner, einen Keramik –Bernhardiner hinge-bracht. Weihnachten ein kleines Tannen-bäumchen usw. Ich besuche das Grab nur noch zu diesen Anlässen. Mein Sohn lebt in meinem Herzen weiter und ich hoffe sehr, ihn irgendwann einmal wieder zu sehen, habe aber auch Angst vor diesem Wieder-sehen, ob er mir alle meine Fehler, die ich gemacht habe, verziehen hat.

In der Weihnachtszeit hilft mir immer sehr der Gottesdient der Verwaisten Eltern Mainz, an dem ich mittlerweile auch aktiv mitarbeite und auch meine beiden „grossen Töchter“ haben letztes Jahr die Fürbitten gelesen. Dies ist für mich sehr wichtig. Ebenso hilft mir die Zusammenarbeit mit Pirko Lehmitz, der ich beim Beantworten der Gästebucheinträge behilflich bin auf der HP des VEID.

Marina Ranzenberger

Auf Altäre wollte ich schlagen

aus dem Weihnachtsheft des Bundesverbandes Verwaiste Eltern in Deutschland

„Mikael ist tot“. Dieser Satz steht mitten im Raum. Ich bin nirgends. Der Raum wird endlos, hat keine Grenzen, ist luftleer, ist farblos. „Ihm geht es gut!“ Niemand sagt dies, doch ich höre es, laut und deutlich. „Mikael ist tot“, dieser Satz im Raum wird größer, wird schwarz und schwärzer, dehnt sich, füllt den Raum, ballt sich urplötzlich zu einem Riesengeschoß und saust ungebremst auf mein Herz. Ich bin nicht da, nur mein Herz, das schwarze. Jeder Herzschlag ein Hammerschlag, lauter, größer, noch lauter, noch größer – das Herz füllt den Raum, es droht zu bersten.

Die Wochen und Monate danach. Immer wieder: „Ihm geht es gut.“ Dieser Satz ist in mir, er verlässt mich nicht. Aber mir geht es nicht gut! Verdammt noch mal!! Ich gönne Gott meinen Sohn nicht! Mikael fiel in seine Hände, dessen bin ich mir sicher, aber was ist mit mir? Wie kann ich Gott mein Leid klagen, ihn um Trost bitten, wenn er doch der Verursacher meines Leids ist? „Dein Wille geschehe“, diese Gebetsstelle verschließt meine Lippen, verhärtet mein Herz. Ganz undeutlich taucht manchmal ein Bild auf: Weit unter mir, von Wolken umhüllt, schweben Gottes Hände. Doch der Weg dorthin ist weit und mir unbekannt. Mikael ist bei Gott, aber ich will ihn hier haben, hier bei mir, meinen 19 jährigen, zärtlichen Sohn! Zum ersten Mal in meinem Leben stehe ich vor einem Problem, das ich nicht lösen kann, egal, was ich tue, egal, was mir einfällt! Machtlos bin ich, hilflos, ausgeliefert. Wem ausgeliefert? Amok laufen will ich. Ich will in alle Kirchen rennen, will auf die Altäre mit meinen Fäusten schlagen, bis sie bluten, bis ich zusammenbreche. Will Zettel auf die Altäre legen: „Betet für mich! Mein Sohn ist tot!“

Gott ist da, das weiß ich, aber alle meine Vorstellungen über ihn, über unser Verhältnis zueinander stimmen nicht mehr. Ich finde keinen Anfang zum Nachdenken, habe auch keine Zeit und keine Kraft dafür. Ich kämpfe mit dem puren Überleben, ertrage die Einsamkeit in der Familie nicht, denn mein Mann und meine 17 jährige Tochter schweigen. „Was gibt es da zu reden? Er ist tot. Akzeptiere das endlich!“ Und doch taucht manchmal, wenn mir ein Mensch ganz nah begegnet, das Gefühl auf: „Den hat dir Gott geschickt.“

Fünf Monate nach Mikaels Tod habe ich Geburtstag. Wie kann ich den Tag überleben? Ich nehme mir dienstfrei, denn ich weiß, dass ich nicht fähig sein werde, zu arbeiten, aber ich sage meiner Familie nichts davon. Ich stehe wie gewohnt früh auf, will nur weg. Aber ich komme nicht weit, ich steh plötzlich vor unserer Dorfkirche. Da ich einen Schlüssel zu ihr besitze, schließe ich sie auf und schließe hinter mir wieder zu. Und dann sitze ich acht Stunden in meiner Kirche auf der Erde, habe den Rücken an den Altar gelehnt, all die Fotos meines Sohnes, die ich immer bei mir trage, im Halbkreis um mich gelegt, seine Brille wie jeden Tag in der Hosentasche. So lese ich das ganze Buch Hiob. Ich höre Hiob, wie ich ihn noch nie hörte. Das rettete mich über diesen Tag.

Das Gedicht von Frau Bryan habe ich sechs Monate nach Mikaels Tod das erste Mal gelesen. Es erschien mir unglaublich, dass ich jemals dort ankommen könne, wo sie angekommen ist. Ich wusste, wenn ich je den Weg schaffe, dann wird es ein sehr, sehr langer und beschwerlicher Weg sein! Irgendwann entdecke ich Jesus als meinen Begleiter. Er hat auch gelitten, er war auch oft einsam, er geht nun neben mir, ihm kann ich erzählen, er hält meine Hand. Als ich mich eine zeitlang selbst nicht mehr spürte, sehe ich in einem Wachtraum einmal drei Engel an Mikaels Grab stehen und höre, wie sie über mich reden, und mich segnen.

Und dann fällt mir das Buch „Wenn guten Menschen Böses widerfährt“ von Rabbi Kushner, in die Hände. Nun muss ich nicht mehr nach einem Anfang suchen, da ist ein Knoten geplatzt, ich kann auf- und durch-atmen. Ja, so ist es: Gott hat nicht gewollt, dass mein Sohn stirbt, Gott hat mir dieses Leid nicht angetan. Er wollte dies nicht. Aber er war da im Moment des Todes, Mikael fiel in seine bergenden Hände. Und diese Hände bilden auch den Boden des mir bodenlos erscheinenden, schwarzen Loches, in dem ich immer noch falle. „Dein Wille geschehe“ heißt nun für mich: „Gott will, dass ICH lebe“, und ich spreche laut mit: „Dein Wille geschehe“ und nehme es als Auftrag, weiterzuleben und mit meinem Leben etwas anzufangen.

In den vier Evangelien lese ich die Geschichten nach, in denen Jesus nach seinem Tod verschiedenen Menschen begegnet. Ich entdecke, dass er den Menschen ihre völlig verschiedenen Trauerwege lässt. Niemandem sagt er: Tu dies nicht – tu jenes nicht. Er begegnet ihnen mitfühlend, er begleitet sie, er lässt sie reden, weinen, zweifeln und schweigen. Das lässt mich begreifen, dass es keinen falschen, keinen besseren Trauerweg gibt, dass jeder Weg für den jeweiligen Menschen gut und richtig ist. Das hilft mir, meinem Mann und meiner Tochter nicht mehr mit innerem Zorn und Vorwurf zu begegnen.

In mehreren Schreibwerkstätten für Trauernde arbeite ich mit Gott und entdecke meine Wege mit und zu ihm. Heute, nach zwölf Jahren habe ich den Weg von Frau Bryan geschafft: Ich weiß nun, dass Mikaels Leben nicht abgebrochen, sondern vollendet ist, auch wenn ich das nicht verstehe. Ich kann Gott von Herzen danken, dass ich diesen Sohn 19 Jahre bei mir haben durfte, dass er mir so nahe war und dass er so war, wie er war. Der Satz: „Ihm geht es gut“ hat mich nie verlassen. Ich denke heute, dass er von Gott entstammt.

Gisela Sommer

Das Licht auf meinem Weg

aus dem Weihnachtsheft des Bundesverbandes Verwaiste Eltern in Deutschland

Mein Weg ist ein Weg durch ein dunkles Tal. Ein Weg durch viele Fragen, Ängste, Unsicherheiten, viel Wut und Traurigkeit. Ich gehe diesen Weg seit dem 16.11.2001. An diesem Tag habe ich erfahren, dass mein kleiner Sohn Marlon nicht mehr lebt. Ich war in der 39. Schwangerschaftswoche. Bis dahin war die Schwangerschaft völlig problemlos. Am 17.11.2001 wurde unser Marlon still geboren. Es konnte keine Ursache für seinen Tod festgestellt werden.

Es ist so ungerecht, dass unser Marlon nicht bei uns bleiben durfte. Er wurde so liebevoll erwartet von seinen Eltern und seinen beiden Brüdern. Alle haben sich auf ihn gefreut. Ungerecht. Es ist so ungerecht wie die Welt ist, in der wir leben. Es gibt hier keine Gerechtigkeit, in keinster Weise. Wenn ich jetzt nicht mehr an einen guten und gerechten Gott glauben könnte, könnte ich hier nicht mehr leben! Ich habe an Ihn geglaubt, bevor Marlon gestorben ist. Und wenn es die Wahrheit ist, dass Jesus für uns gestorben ist und wieder auferstanden ist, damit wir in einer besseren, gerechten Welt für immer mit Ihm (und unseren Kindern) leben können, dann ist es ja immer noch die Wahrheit, auch wenn mir etwas so Schlimmes passiert ist. Die Wahrheit ändert sich niemals. Sie passt sich nicht an die Umstände an. Sie ist be-ständig, auch wenn alles andere um uns herum kaputtgeht. Jesus hat gesagt:

„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Er ist meine einzige Hoffnung. Das Licht auf meinem Weg. „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte, und ein Licht auf meinem Weg.“ (Psalm 119, 105).

Trotzdem werde ich wahrscheinlich niemals verstehen, wieso ich einen so schweren Weg gehen muss. Ich bin sehr wütend auf Gott, dass er das zugelassen hat. Trotzdem ist Er meine einzige Hoffnung. Für mich ist das kein Widerspruch. Gott kennt unser Herz und er versteht auch unsere Wut. Sonst wäre er nicht Gott! Ich habe von mehreren Betroffenen, die auch ihre Kinder verloren haben, gelesen, dass sie mit Gott nichts mehr zu tun haben wollen. Ich kann das gut verstehen. Ich kann nur für mich sprechen und ich bin froh, dass ich noch glauben kann, dass Gott gut ist und dass ich meinen Marlon irgendwann bei Ihm in meine Arme schließen kann. In der Offenbarung, 21.4, steht:

„Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Schmerz, noch Geschrei wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen.“

Wenn das Erste, also unser Leben hier auf der Erde, vergangen ist, werde ich in einer besseren Welt leben. In einer Welt, wo die Gerechtigkeit Gottes herrscht und wir von seiner Liebe umgeben sind. Mein kleiner Marlon wartet dort auf mich. Jesus sagte:

„Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Matthäus 19,14).

Jesus liebt die Kinder über alles.

Es geht mir nicht gut, davon bin ich noch weit entfernt. Ich vermisse meinen Marlon unendlich. Trotz aller Trauer und Wut bin ich Jesus dankbar, dass er mir durch seinen Tod am Kreuz die Möglichkeit gegeben hat, in Ewigkeit in der Gegenwart Gottes zu leben.

„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt…“(Johannes 11,25).

Vielleicht werde ich eines Tages, wenn ich bei Gott bin, verstehen, wieso ich diesen schweren Weg gehen musste. Vielleicht ist es dort auch nicht mehr wichtig. Ich weiß nur, ich könnte nicht einen Schritt mehr tun, wenn Gott mir diesen Weg nicht erhellen würde.

„Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Johannes 7,12).

Ich wünsche allen, die dieses lesen, dass Gott Ihnen sein Licht sendet und dass sie Hoffnung haben können.

Birgit S.

Posting Schmetterlingskinder: Glaube

SchmetterlingskinderDie nachfolgenden Beiträge wurden im Forum der Schmetterlingskinder gepostet. Ich fand sie so interesant, daß ich sie hier wiedergeben möchte.

Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von birgit69 am 04-11-2001 um 00:22 Uhr

Vielleicht ist das eine ungewöhnliche Frage, aber sie beschäftigt mich momentan wirklich sehr.

Seit dem Tod unserer Tochter gehen mir sehr viele, zum Teil auch wirre, Gedanken durch den Kopf. Ich hoffe, dass ich niemanden mit meinem Posting zu nahe trete und ich hoffe ihr versteht, was mich bewegt.

Bevor unsere Tochter Celia verstarb, habe ich irgendwie schon an einen „guten Gott“ geglaubt. An einen Gott der uns in irgendeiner Form beschützt und uns „wohlgesonnen“ ist. Als unsere Tochter verstarb war mein erster Gedanke „Was habe ich getan, dass ich dieses Schicksal verdiene?“. Warum wird mir mein Kind genommen, wo ich doch versucht habe alles für Celia zu geben. Soll ich ausdiesem Schicksal irgendeine Lehre für mein Leben ziehen oder ein besserer Mensch werden und wenn dass so ist, warum muß dann der Preis so unwahrscheinlich hoch sein. Ich fühle manchmal soviel Wut und ich habe aber auch Angst, dass uns noch irgendetwas furchtbares zustoßen könnte, wenn doch das Schicksal schon einmal zu grausam zugeschlagen hat und niemand etwas dagegen getan hat.

Nach dem Tod von Celia denke ich, dass es keinen gerechten Gott geben kann, wenn er dieses hat geschehen lassen. Warum läßt er es zu, dass so viele gewünschte und herbeigesehnte Kinder nicht auf dieser Erde verweilen dürfen? Ich fühle mich so hilflos und habe angefangen an meinem Glauben zu zweifeln.

Ich denke jetzt immer, was ist wenn es keine „höhere Macht“ gibt – was ist dann mit Celia geschehen? Werde ich sie irgendwann wiedersehen? Bisher hat mir dieser Gedanke immer ein wenig Trost und Kraft gespendet aber nun denke ich oft, was ist, wenn ich meine Tochter nie mehr wiedersehen werde? Was, wenn ich sie nie – irgendwann vielleicht in einem anderen Leben – in meinem Armen halten kann??? Dieser Gedanke macht mir wahnsinnige Angst und läßt mich verzweifeln.

Ich hoffe Ihr versteht was ich ausdrücken will und ich hoffe, dass ich niemanden mit meinen Gedanken und Gefühlen verletzt habe.

Birgit mit Celia Noelle im Herzen

RE: Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von Simone und Andi am 04-11-2001 um 00:38 Uhr

Hallo!

Sicher gehen einem nach so einem traurigen Erlebnis viele Fragen durch den Kopf.

Bei mir hat sich das anders geäußert. Ich hatte eigentlich keine Wut auf Gott und die Welt. Ich war klar tieftraurig erschüttert, bestürzt und fragt mich, warum denn ausgerechnet uns so etwas passiert, wo wir doch unseren Sohn und unsere Tochter so geliebt haben.

Aber ich bin mir wirklich sicher, daß wir weder von unseren Kindern Abschied nehmen mußten, weil wir irgendwelche Fehler begangen haben, noch weil Gott ungerecht wäre. Ich bin mir sicher, daß er uns nicht schaden will. Aber vielleicht schreiben wir Gott eine viel zu große Allmacht zu, bzw. würden sie für uns gerne anders definieren. Er kann nicht unsere Wunder tun, die wir gerne haben wollen. Und dennoch glaube ich an einen Gott, der liebt und gut ist, der uns nicht mutwillig Schaden zufügt, der uns nicht unsere Kinder wegnimmt, um uns zu prüfen.

Ich habe das alles einfach so gesehen, daß jeder Mensch und sei er noch so klein, von Gott eine Aufgabe erhält, die er hier auf Erden zu verrichten hat. Und sei es nur, einen kleinen Funken Liebe in unseren Herzen zu entfachen. Die Erde ist nur ein Übergang, zu einer besseren und schöneren Welt und ich glaube, daß wir hier nur so lange bleiben, bis wir unsere Aufgaben zu Gottes Zufriedenheit erledigt haben.

Ich denke, daß es unsere Kinder, dort, wo sie nun sind, sehr sehr gut haben. Auf eine andere Art gut, als sie es hier bei uns hätten. Ich wollte für Robin und Stella immer nur das beste. Und wenn der Tod und das Leben in dieser anderen Welt das beste für meine beiden Engelchen war, dann freue ich mich für meine Kinder und will es ihnen von ganzem Herzen gönnen. Auch wenn es mich sehr oft wahnsinnig traurig macht, sie nie, bzw. nie mehr in den Arm nehmen zu können. Aber genauso glaube ich, daß unsere Kinder dort oben es sich nicht erklären können, warum wir hier so traurig sind.

Es wäre wohl einfacher, zu wissen, was dort ist, wie es unseren Kindern dort geht und wenn wir einfach nicht mehr nach dem Warumfragen müßten.

Ich bin mir ganz einfach sicher, daß meine Kinder behütet werden, daß es sie noch irgendwo gibt und daß mit dem Tod nicht alles zu Ende ist, sondern etwas Neues beginnt. Etwas, daß wir leider noch nicht ermessen können.

Da eine Verwandte von mir bereits ein Nahtod-Erlebnis hatte, kann ich mir da vielleicht etwas sicherer sein, was meine Kinder anbelangt. Aber ich fühle, daß es ihnen gut geht und darum bin ich auf Gott auch nicht wütend.

Vielleicht liest Du mal das Buch von Elisabeth Kübler-Ross „Über den Tod und das Leben danach“. Das ist ein sehr interessantes Buch, daß mir sehr viel Kraft gegeben hat. Dadurch sah ich meine Vorstellung vom Leben nach dem Tod bestätigt. Vielleicht ist das auch etwas für Dich.

Ich wünsche Dir alles Liebe, Mone

„RE: Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von Susi2 am 04-11-2001 um 01:46 Uhr

Liebe Birgit,

eine schwierige Frage, auf die ich natürlich auch keine Antwort weiß und die ich sogar ausdehnen würde auf die Frage, ob es überhaupt einen Gott gibt.. Ich will dir einfach mal meine etwas konfusen Gedanken zu dem Thema mitteilen.

Eigentlich würde ich mich als nicht gläubig bezeichnen, also auch nicht gerade als strengen Atheisten, aber in meinem Leben kommt Gott normalerweise nicht vor.

Als wir Lätitia verloren (es dauerte insgesamt 3 Tage zwischen Hoffen und Bangen), beteten unsere beiden Mütter und sogar unsere Putzfrau (die allerdings zu Allah) für uns. Ich konnte es nicht, aber mein Mann, der eigentlich der strengere Atheist ist, hat mir gestanden, daß er es auch getan hat. Obwohl ich nicht so recht wußte, ob ich daran glauben soll, habe ich mich über all diese Gebete gefreut.

Naja, letztendlich haben sie nicht geholfen, aber trotzdem habe ich jetzt nicht das Gefühl, daß das der endgültige Beweis ist, daß es Gott nicht gibt. Ich meine, wenn man sich mal in der Welt umsieht, dort ist sooooo viel Leid… Wenn es danach ginge, kann es eigentlich wirklich keinen oder zumindest keinen gerechten Gott geben. Und doch kommt mir seit Lätitias Verlust immer ein Gedanke in den Kopf. Es gibt doch so einen Spruch, ich weiß nicht ganz genau, wie der geht, aber so sinngemäß: „Wen Gott liebt, den straft (oder prüft) er“. Es ist schon komisch, ich als vorher schon Nicht-Gläubige, die ja nun noch überzeugter sein müßte, tröste mich geradezu mit diesem Gedanken, daß Gott mich liebt und mich deshalb diesem schweren Schicksal unterzogen hat, damit ich daraus etwas Wertvolles für mein Leben ziehe. Vielleicht hast du neulich mein Posting „Das „Gute“ an der Trauer“ gelesen, dort habe ich mir zwar keine Gedanken über Gott gemacht, aber doch darüber, ob es nicht auch positive Veränderungen durch diesen Schicksalsschlag gibt. Ich habe relativ viele Antworten bekommen und alle waren der Meinung, ja es gibt sie. Der Preis ist hoch, viel zu hoch, aber wir können trotzdem auch positive Veränderungen erkennen. Z.B. indem man sich jetzt viel mehr über die kleinen Dinge des Lebens freuen kann, einfach viel bewußter lebt usw.

Ich will nicht sagen, daß ich nun gottgläubig geworden bin, aber irgendwie doch „gläubiger“. Ich bin z.B. überzeugt davon, daß die Seele unserer Kinder weiterlebt und ganz in unserer Nähe ist. Es geschehen auch manchmal Dinge…da denke ich, das waren jetzt unsere Kinder. Z.B. die Tatsache, daß ich nur 4 Monate nach dem Verlust wieder schwanger geworden bin (vorher hatten wir auf jede SS im Schnitt 3 Jahre gewartet) und dann ausgerechnet rund um Lätitias ET. Ich kann einfach nicht glauben, daß das Zufall sein soll..

Ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt oder nicht, und wenn es ihn gibt, weiß ich auch nicht, ob er gerecht ist. Aber was ich jetzt „weiß“ ist, daß das Leben eben nicht nur aus Freude und Glück besteht, sondern auch aus Leid, Trauer und Verzweiflung. Vielleicht ist es gerade die Mischung, die das Leben zu dem macht, was es ist und die es uns überhaupt ermöglicht, Freude und Glück zu empfinden… Ich bin überzeugt davon, dies ist nicht der letzte Schicksalsschlag, der mich getroffen hat. Ich hoffe, es war der Schlimmste, aber es wird sicher nicht der letzte sein. Wir wissen doch z.B. jetzt schon, daß unsere Eltern vermutlich vor uns sterben werden. Und es kann auch gut sein, daß unser Partner vor uns gehen muß. Wir werden u.U. schlimme Krankheiten haben oder diese bei guten Freunden/Verwandten erleben müssen…

Aber weißt du, ich will mir darüber nicht schon heute den Kopf zerbrechen. Lätitia hat mich gelehrt, daß man viel mehr den Moment genießen sollte. Wir wissen alle nicht, wie lange wir leben werden und was das Leben für uns bereit hält. Und das ist auch gut so. Stell dir mal vor, du wüßtest, was kommt, selbst, wenn es nur Gutes wäre… Würdest du das wirklich wissen wollen? Was immer kommen mag, es ist HEUTE nicht wichtig. Wir sollten jeden noch so kleinen Glücksmoment genießen, der uns über den Weg läuft und uns nicht jetzt schon Gedanken darüber machen, daß dieser Moment morgen schon wieder vorbei sein kann…

Ein Beispiel: meine Mutter ist mit ca. 45 J. Witwe geworden. Dies war sehr schlimm für sie (und natürlich auch für uns Kinder). Aber was ich persönlich für das Schlimmste halte, ist, daß sie schon vorher immer getrauert hat (mein Vater war herzkrank und 24 J. älter als meine Mutter), weil sie wußte, daß es eines Tages so kommen würde…. Aber sie hat doch eine glückliche Ehe geführt. Sie hat diesen alten kranken Mann genommen, obwohl sie wußte, was auf sie zukommt, weil sie in liebte!!! M.E. hätte sie vielmehr die Zeit mit ihm genießen sollen, als schon vorher zu trauern, er lebte doch damals noch und es ging ihm gut.

Genauso geht es mir auch mit Lätitia. Ich habe während der SS soviel Angst um sie gehabt, daß ich die schöne Zeit gar nicht so recht genießen könnt. Und heute denke ich, daß jeder Tag mit ihr, den ich vor lauter Panik nicht genossen habe, ein vergeudeter Tag in meinem Leben war…

Oh Gott, jetzt habe ich aber echt Romane geschrieben. Du siehst, der Tod meiner Kinder hat mich zwar nicht direkt gläubig gemacht, mich aber doch dazu gebracht, viel über das Leben, seinen Sinn, und das „Leben“ danach zu philosophieren.

Ich hoffe, es ist mir halbwegs gelungen, meine Gedanken verständlich zu machen.

Liebe Grüße

Susanne

„RE: Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von Jutta_H am 04-11-2001 um 05:51 Uhr

liebe simone!

Meine Oma sagte über meine Fehlgeburt: „Gott brauchte einen neuen engel“…

hmmm,natürlich versteh ich die gerechtigkeit gottes auch nicht immer.vorallem bei dem was auf dieser welt alles pasiert,aber besonders im bezug auf unsere kleinen

ne richtige hilfe bin ich wohl nicht…

Liebe grüsse

Jutta


„RE: Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von Ingrid am 04-11-2001 um 12:29 Uhr

Liebe Birgit,

ich weiss, dass es Gott gibt. Wenn wir unser Leben ihm übergeben hält er nicht alles schlimme und traurige von uns fern, aber er möchte uns hindurch tragen. Das habe ich in meinem Leben schon oft gespürt und erfahren.

Trotzdem bin ich wütend und enttäuscht von Gott, dass er mir meine Kinder wieder genommen hat. Er muss sehr viel von mir halten, dass er solche Kinderseelen zu mir schickt, die nur ganz kurz bei mir sein dürfen. Ich wünschte er würde nicht so viel vom mir halten und ich dürfte meine Babys im Arm halten und das letzte bald in meinem Bauch strampeln spüren.

Ich weiss, dass es meinen Kindern nun gut geht. Sie liegen in Jesu Armen und warten dort auf mich. Sie können sicher nicht verstehen, warum ich so traurig bin, denn ihnen geht es ja nun so gut. Sie leben jetzt in einer Welt von deren Schönheit ich nur wenig erahnen kann.

Aber mir geht es sehr schlecht. Und ich frage mich, warum mir Gott auch jetzt wieder mein Kindchen weggenommen hat, wo er doch weiss, dass es mir das Herz bricht. Hier werde ich es nicht erfahren und danach wird es mich nicht mehr interessieren.

Trotzdem überlege ich mir, ob ich mit diesem Gott überhaupt noch weitermachen möchte. Ich weiss, dass er meine Zweifel, meine Wut, meine Ängste, meinen Schmerz kennt und auch aushalten kann. Auch wenn ich nun erst mal wütend einen Schnitt in meiner Beziehung zu ihm machen möchte, lässt er mich trotzdem nicht aus den Augen. Trotz allem bleibe ich sein geliebtes Kind. Auch wenn es im Moment wie Hohn für mich klingt.

Liebe Grüße von Ingrid

„RE: Kann es einen gerechten Gott geben ?“

geschrieben von Ulla am 05-11-2001 um 09:16 Uhr

Liebe Ingrid,

ich kann dem, was du geschrieben hast, nur zustimmen…

Mir ging und geht es ähnlich in meinem Glaubensleben…

Aber als ich deine Zeilen so las, ist mir etwas wieder eingefallen, was eine liebe Freundin mal zu mir gesagt hat, als ich mal wieder tobte und fragte, warum so viele unschuldige Kinder sterben, ehe sie geboren sind…

Sie meinte, jemand hat ihr mal darauf geantwortet. Diese Kinder sind zu schade für diese schlimme Welt mit ihrem Leid ihren Kriegen und all den schlimmen Dingen…darum holt Gott sie aus Liebe gleich wieder zu sich….

Mir war das ein Trost in meinem Schmerz….ich weiß aber auch, daß es Momente gibt, wo einen nichts trösten kann und trotzdem ist Gott da…

Stille, nachdenkliche Grüße

Uschi

 

Gedanken zur Adventszeit

Ellen Ringhausen, Pastorin
Seelsorgerin in der Kinderklinik Lüneburg

In einer Reihe von Kirchen finden in diesen Wochen vor Weihnachten Gedenkgottesdienste für verwaiste Eltern und ihre Angehörige statt. Da wird in besonderer Weise der verstorbenen Kinder gedacht, die in diesem Jahr und in den vergangenen Jahren verstorben sind. Alle, die sich versammelt haben, sind von der Trauer gezeichnet, daß sie nicht mehr sagen können: „Mein Kind lebt und es geht ihm gut”, sondern: “Es ist tot und es fehlt mir immer wieder so sehr.”

Da werden wir Fotos von der Tochter und dem Sohn im Wohnzimmer aufstellen und uns immer wieder daran erinnern, wie unser Kind herumsprang und fröhlich war. Aber wir können uns gegenseitig nichts mehr erzählen und nichts mehr miteinander erleben. Wir nennen den Namen und vermissen es immer wieder aufs Neue. Rätselhaft und grausam erscheint uns Gott, der uns allen das Leben schenkt, aber dann doch Kinder sterben läßt, auf die wir gewartet, über deren Geburt wir uns gefreut haben. Und dann mußten wir fassungslos erleben, daß sie keine Kraft zum Weiterleben mehr bekamen

Als einstmals die Israeliten als Sklaven in Babylon fern der Heimat leben mußten, waren sie verzweifelt und hatten alle Hoffnung auf eine Rückkehr und auf Gottes Hilfe verloren . Doch da fängt der Prophet Jesaja im Auftrage Gottes zu reden an.

‘Ich will die ehernen Türen zerschlagen und die eisernen Riegel zerbrechen und will dir heimliche Schätze geben und verborgen Kleinode damit du erkennst, daß ich der Herr bin, der dich beim Namen ruft, der Gott Israels.”( Jesaja 45. Vers 2) Gott will uns vorangehen, dort, wo uns der Weg versperrt ist, wo wir ausgesperrt oder eingesperrt werden. Mit ihm werden wir Kostbarkeiten finden und wieder glauben lernen, daß wir ihm wertvoll sind.

In dem Buch von Anselm Grün “ 50 Engel für das Jahr”, stieß ich zu meiner Überraschung auf den Engel der Trauer. Kann denn ein Engel der Trauer einem traurigen Menschen etwas Gutes bringen? Ist er nicht selber stumm und kraftlos? Amselm Grün schreibt: ”Der Engel der Trauer kann Dich nicht vor dem Schmerz bewahren…. Aber Du kannst gewiß sein, daß Du nicht allein bist mit Deinem Schmerz, daß der Engel der Trauer Dich darin begleitet und daß er Deinen Schmerzen neue Lebendigkeit verwandeln wird”. Ich möchte hinzufügen: ”Auch wenn Du Dir das jetzt noch gar nicht vorstellen kannst” Vielleicht sind das dann die mitfühlenden Worte der Nachbarn und eines Tages die Erkenntnis, daß der Tod ihres Kindes ihnen die Augen geöffnet hat für das Leid eines anderen Menschen.

Als der Theologe und Pfarrer Karl Barth einen Tag vor seinem Tod mit einem Freund telefonierte, sagte er: “Ja, die Welt ist dunkel. Aber es wird regiert vom Himmel her… Gott läßt uns nicht fallen. Es wird regiert” Das war sein letztes Wort in seinem Leben

Die Engel an Weihnachten bringen diese Botschaft von Gottes Herrschaft: ”Euch ist heute der Heiland geboren. In Jesus Christus wird uns das neue Leben geschenkt.

Wo ist Gott, wenn ein Kind stirbt?

von Reinhard Behnke

Ich bin bescheidener geworden. Der Gott, an den ich glaubte, hat im Kinderkrankenhaus Federn gelassen: die Allmachtsfeder, die Wunderfeder, die Es-wird-immer-alles-gut-Feder. Allmacht und Wunder — das waren für mich so etwas wie Markenzeichen im guten Sinn. Ich hatte sie — so war das nun mal aus den biblischen Geschichten übernommen, ohne daran zu denken, daß der Gott jener Menschen, die hier ihre Erfahrungen erzählen und deuten, mir ganz anders begegnen könnte. Die Wunder, die ich Gott zutraute, hatte ich mir ausgedacht. Die Allmacht, die ich ihm zuschrieb, sollte meine Ohnmacht auffangen. Warum auch nicht? Das geht vielen so.

Nur: Ich habe nicht erlebt, daß Gott meine Wunder tat, und auch nicht, daß er meine Ohnmacht mit Macht aufwog. Im Gegenteil:

Eltern forderten mich auf, mit ihnen gemeinsam für ihr Kind zu beten. Wenig später starb es. Gern hätte ich ein Wunder erlebt. Statt dessen kam, wie befürchtet, der Tod. Gern hätte ich Gottes Allmacht erlebt: ER — gewiß stärker als der zu schwache Herzmuskel des Mädchens. Statt dessen erlebte ich meine Ohnmacht und die der Eltern.

»Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr.« Das sind Sätze aus dem Buch des Propheten Jesaja. Ich schenke ihnen Glauben, wenn sie auch bitter schmecken, denn sie passen zu dem, was ich erfahre. Ich frage: Gott, was für Gedanken hast du denn, und welche Wege gehst du? Gott, ich werde nicht schlau aus dir.

Manchmal sehe ich ein neugeborenes Baby, das sterben muß. Entkräftet liegen seine Arme zu beiden Seiten, und ich denke:

wie Jesus am Kreuz. Die Augen leer. Kein Lebenswille, den ich sehen könnte. Gottverlassen — so sieht es aus. Ich glaube, so was hat Jesus von Nazareth auch erlebt. Ich war nicht dabei. Aber ich fühle mich an ihn erinnert. Wir haben ja alle eine Ahnung vom Tod. Es scheint mir, als stürbe er erneut mit jedem Kind, das nicht leben kann. Wegbegleiter im Tod. Grenzgänger in ein »Land«, das uns nicht offensteht, solange wir leben. Eltern nicht, mir nicht, niemandem. Und nicht nur, daß wir allein zurückbleiben: Es gibt auch kein Verhandeln. Der Tod läßt sich nicht umstimmen, auch nicht bestechen von der Medizin. Es gibt keine Kompromisse. So erlebe ich es.

Deshalb glaube ich nicht mehr an Wunder, obwohl ich es mitunter immer noch gern würde. Wo sich Wunder zu ereignen scheinen und andere Menschen daran glauben, lasse ich das gelten. Was auch sonst? Aber ich rechne nicht mit ihnen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Es ist wirklich mühsam. Ich bin Theologe und Pastor, und mitunter ist meine Enttäuschung über meinen wunderlosen und machtlosen Gott groß. Ich neige dann dazu, die Menschen der Bibel als unaufgeklärt zu sehen und ihren Gott als Einbildung.

Mein eigener Allmachtsgott von früher hat sich ja schon als Einbildung erwiesen. Zumindest vertraue ich ihm nicht mehr. Aber dennoch ist es damit nicht getan. Warum, weiß ich auch nicht genau. Jedenfalls empfinde ich ein argloses Vertrauen in den Momenten, in denen ein Kind stirbt. Ich spüre den Impuls, es zu entlassen, ihm »seinen« Weg zu lassen, aus Respekt und im Vertrauen darauf, daß Jesus, der Gekreuzigte, von dem seine Freunde sagten, er sei auferstanden, ihm ein erfahrener Wegbegleiter ist. Weil dies Vertrauen in mir ist, glaube ich seinen Freunden.